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leiten aus dem täglichen sociale» Leben; und zu solchen charakteristi schen Zügen, welche er uns hier aufbewahrt hat, kann eS z. B. gezählt werden, vaß die Einwohner von Kopenhagen, wenn sie den Schloßplatz passirten, mit entblößtem Haupt gehen mußten, daß die vornehmen Herrschaften Menschen vor ihren Wagen herlaufcn ließen, und daß diese Läufer Wegesstrecken, wie die von Kopenhagen nach Hirschholm, in demselben Trabe zurücklegcn mußten, wie die Rosse. Des Ver fassers Beschreibung der damaligen Königlichen Schlösser und der Kopenhagener Ocrtlichkciten scheint eben so treu als lebensvoll zu sepn. Unter den eigentlich historischen Personen ist Struensee die, deren Charakter am sorgfältigsten geschildert ist. In dieser Beziehung will ich aus ein meisterhaft ausgeführtes Gespräch zwischen ihm und dem alten Grafen Tannenberg verweisen, welches zur Mitlheilung hier mir zu lang ist. Und unter den Personen, die nicht als historisch angegeben sind, kommen manche vor, von denen eS deutlich ist, wen der Verfasser damit gemeint hat, wenn man nur z. B. Raumer's Gesandtschaftsbcrichte über jene Begebenheiten gelesen hat, welche in seinen kürzlich erschienenen Mittheilungen aus dem Londoner und dem Pariser Archive stehen. So ist die Generalin Geldern die bekannte Generalin Wähler, welche der beständige Umgang der Königin war und als eine schöne, kluge, aber etwas leichtsinnige Dame geschildert Wird. Graf Tannenberg kann Niemand anders sepn, als Rantzau- Ascheberg, der zuerst Struensee dem Könige empfohlen hatte und später, wie bekannt, eine der Hauptpersonen war, ihn zu stürzen. Das Gut Tannenberg, das am Ende des ersten Theils beschrieben wird, soll auch das jetzige vier Meilen von Kiel liegende Ascheberg sepn. In Pilsonof erkennt man leicht den damaligen Russischen Ge sandten, dessen Name Philosophoff war, und in Carter den Engli schen Gesandten Knight. Dagegen vermißt man die Königin Witwe Juliane Marie, welche doch die Hauptperson in dieser Revolution war. Man müßte sic denn in dem unbekannten Domino finden, der am Abend der Maskerade den 2g. Januar 1772 die Comtesse Neiffcn- stein in einem so gebietenden Tone anredet. Denn wer anders konnte diese Sprache führen? Daß Carl Bernhard ein guter Stylist ist, beweisen seine früheren Arbeiten, und wie man erwarten konnte, hat er beständig mehr und mehr Herrschaft über die Sprache gewonnen. Der Styl ist leicht und fließend, der Vortrag geschmackvoll und lebendig, die Sprache rein und korrekt — kurz, die Form läßt nichts zu wünschen übrig. Zum Schluß will ich wenigstens einige Bruchstücke als Proben von des Verfassers Schreibart hierher setzen, von denen die eine reflekti- renden und die andere beschreibenden Inhalts ist. Ueber Liebe (in der Mitte des ersten TheilS). „Unvermerkt leitete er das Gespräch wieder auf die Gefühle und Ansichten der Jugend, und der große Brennpunkt, worin alle diese zusammenfallen, bot von selbst den Stoff zu Betrachtungen dar. Er sprach von seiner eigenen Jugend und von seiner ersten Liebe, — diese unbefangene Periode im Frühling des Menschen, — wo jeder Tag ein Fest, geschmückt mit ewig frischen Kränzen ist. — „Es ist ein kurzdauernd Glück", sagte Graf Rosen, „und warum ist es so? Weil wir selbst so unendlich geschäftig sind, die Blumen in unserem Paradies zu zerstören. Wir sind von grober Natur, die Liebe ist zu zart für den Materialismus, dem wir verfallen sind. Unsere eigene Liebe kann uns nicht vollständig erbauen, — nur in der Neigung unserer Geliebten zu uns finden wir einen Himmel. Aber wie die Titanen stürmen wir gleichsam diesen Himmel, weil wir uns so stark fühlen, und nachher weinen wir aus den Ruinen, weil wir so elend find. Die Leidenschaft eines jungen Mannes enthält lange nicht die Poesie, welche in der Liebe eines jungen Mädchens ist. Von diesen stufenweise» Fortschritten durch alle feine Nüancen wissen wir nichts. ES giebt z. B- eine Epoche in der Neigung eines Mädchens, die un beschreiblich lieblich ist; es ist die, wo diese letztere so z» sagen noch in der Wiege liegt und ihre Nahrung aus so feinen Stoffen zieht, daß wir ihr Vorhandenseyn nicht einmal ahnen. Es ist ihr genug, den Geliebten in weiter Ferne zu sehen, den Laut seiner Stimme zu hören, einen flüchtigen Blick aufzufangen; diese Genüsse, die wir für weniger als Nichts rechnen, davon lebt das Herz eines WeibeS viele Monate. Sie versteht diese Augenblicke zu genießen, welche keine Spur von der ermattenden Krisis der Leidenschaft hinterlassen. Es ist eine Unschuld über diesen glücklichen Zeitpunkt auSgcbreitet, der ihm ein göttliches Gepräge aufvrückt, und ich beklage den Mann, der zu blind ist, um dasselbe zu erkennen, oder richtiger gesagt, ich beklage seine Geliebte; denn er selbst ist es dann nur, was er liebt. Des Mannes Neigung ist gar zu viel mehr egoistisch, als die des Weibes. Jene Periode, wo jeder Augenblick ihr Freuden bietet, wo der Staub Psychens feine Flügel noch ganz bedeckt, sie ist ihre wahre Regierungszeit, da herrscht sie unbeschränkt auf einem ThrP», der von unsichtbaren Engeln getragen und mit sichtbaren Blumen be kränzt wird. Diese Zeit sollten wir verlängern oder wenigstens nicht verkürzen; wir sollten uns an ihrer Heiligkeit ergötzen und sie nicht durch eine scheinheilige Unterwürfigkeit profaniren, von deren heuch lerischem Egoismus das Mädchen nicht einmal die Möglichkeit ahnt; wir sollten m Geist und Wahrheit anbeten, denn cs ist unleugbar die Gottheit, welche durch eine Offenbarung zu uns redet, und nicht die duftenden Blumenkctten zerreißen, um unser eigenes Götzenbild zu schmücken. Und doch wird es uns so leicht, sie zu zerreißen; wir sehen die Wunden nicht, welche ihr die Dornen verursachen, über andere Schmerzen sind wir erhaben, wir drücken den Siegeskranz auf unseren eigenen Scheitel und sehen nicht, daß die Rosen alle verblichen sind. Aber die Sicgespalme wird eine Dornenkrone; gleich dem König in der Sage, erfassen wir das Leichenhcmd anstatt des Krönungsmantels, der vermeintliche Herrscher ist ein armer Tropf, die Illusion ist vernichtet, und Reue ist die wohlverdiente Strafe. Seht, das ist ungefähr ein Bild vom Schicksal unserer Liebe, wenn sie sich nicht von ihrer Geburt an auf eine ritterliche Selbstverleug nung stützt, denn dies ist die einzige Garantie für ihre Eristenz, eS ist die Form, in der sie sich bewegen muß, wenn sie dauern will." Schloß Hirschholm (im zweiten Theil). „Ungeachtet Seeland keinen Mangel an Königlichen Schlössern hat, indem jetzt noch zehn derselben die Hauptstadi umgeben, wovon keines mehr als sechs Meilen von dem anderen entfernt ist, ist cs mir doch immer schmerzlich gewesen, daß Hirschholm-Schloß von der Oberfläche der Erde verschwunden ist. Frederiksberg, Charlottenlund, Sorgenfrei, die Eremitage, Roeskilde, Frederiksborg, Fredcnsborg, Kronborg, Maricnlyst und Jägerspriis repräscntiren jedes für sich eine verschiedene Zeit und einen verschiedenen Baustyl; aber keine» von ihnen allen repräsentirt Ludwig's XIV. Zeit, diese son derbare Periode, welche der Culminationspunkt der irdischen Eitel keit war, welche uns noch so nahe liegt und uns roch so unbegreif lich vorkommt. Diese Zeit und ihren Französisch-Holländischen Styl repräsentirte Hirschholm, welches man deshalb das Dänische Ver sailles genannt hat. Ich beweine Hirschholm, wie man einen Mann beweint, den ein plötzlicher Tod in seinem kraftvollsten Alter hinweg gerafft hat. Das prächtige Hirschholm stand in seinem vollen Glanze und spiegelte seine kokette aristokratische Schönheit in den klaren Wellen eines kleinen Sees. Der verzehrende Zahn der Zeit er hielt nicht Muße, an seinen Mauern zu nagen, Feindeshand hat eS nicht verheert, nicht die Flammen zerstörten diese Hallen, so wie sie die mächtige Christiansburg vernichtet haben — nein, Hirschholm fiel, wie der stolze üppige Baum des Waldes von den rohen Hieben der Art fällt. Der Hammer löste den Stein vom Stein, die müh sam gesammelte Pracht und Größe vieler Jahre wurde mit einer barbarischen Eilfertigkeit zertrümmert. Jetzt streicht der Wind über die grüne Fläche, wo Hirschholm früher prangte, eine kleine Kirche ist auf dem leeren Platze gebaut, sie steht einsam und verlassen, sie hat keinen Kirchhof, sic hat keine Thurmspitze, in sich selbst kriecht sie gleichsam zusammen und fühlt sich unheimlich auf diesem Fleck. Doch vom Grunde des Sees herauf klagen die zerbrochenen Säulen und hinabgestürzten Kapitale, die man noch durch das grüne Wasser leuchten sieht, das mehr und mehr mit Entengries sich bedeckt. ES ist ein großes Grab mit einem beweglichen Rasenteppich überkleidct. Wanderer, halte an! hier unten ruht em Schloß. — Die weiße Kirche aber steht wie ein Monument aus dem Grabhügel der irdischen Eitel keit; eS ist dies symbolisch; denn des Menschen Größe soll vergehen, aber was von Gott ist, soll ein ewiges Leben haben!" Frankreich. Das Fouriersche Social-System. (Fortsetzung.) Es ist dies ein Punkt, worin die Fouricristcn zuletzt Recht haben könnten. ES wäre wohl möglich, daß der Mensch, indem er sich so zn sagen mechanifirt und jeden moralischen Werth verliert, ein so gelehriges Werkzeug der Socialmaschine würde, daß er weder die Kraft noch den Willen hätte, das Spiel derselben zu verwirren. Aber wir haben noch nicht ganz gesagt, wie es mit dieser Social maschinc im harmonischen Regime stehen würde. Wir haben bis jetzt nur das Prinzip an sich bestritten; betrachten wir jetzt die Fol gen desselben. Die Fourieristen ^vergessen nicht, zu erklären, daß sie weder an der Familie noch an der Ehe rühren werden. „Es ist falsch", sagt Herr Considürant ausdrücklich, „daß wir die Familie zerstören wollen. Diese Erklärung erinnert an das Wort eines Jägers, der, als er auf einen Hasen zielte, dadurch einen Menschen ,» Gefahr brachte, der an demselben Ort vorüberging. Da dieser erschrocken ent- flichcn wollte, sagte der Jäger: „Sep unbesorgt, ich habe es nicht mit dir, sondern mit dem Hasen zu thun." — „DaS glaube ich wohl", antwortete der Andere, „aber bei allen Teufeln, wenn du mich triffst, so werde ich darum nicht weniger todt sepn." Ihr sagt, ihr wollt die Familie nicht ausheben; gut, das glau ben wir recht gern; aber ihr hebt sie auf, das ist das Resultat. Betrachtet es nur genau: wie soll da eine Familie möglich sepn, wo jedes ihrer Mitglieder, das heißt Frau und Kinder so gut wie der Vater, das Recht Hat, sich acht oder zehnmahl des Tages eine andere Beschäftigung zu wählen, sich der Gruppe anzuschließen und in die Serie, die ihm behagt, cinzntretcn? Denn diese Freiheit ist ein Haupttheil dcS Systems; Fourier sagt eS selbst; das sind seine Worte: „Ein Jeder, Mann, Weib oder Kind, sey im vollen Genuß des Rechts, zu arbeiten, d. h. des Rechts, zu jeder Zeit in jeden Ar- beitszweig, den er sich wählen will, cinzugreifen." Nur mit dieser Bedingung ist die Arbeit anziehend, und die anziehende Arbeit jst ja die Basis des ganzen Systems. Berheirathe dich also, damit deine Frau nach der Trauungs-Ceremonie von Gruppe zu Gruppe schwärme oder „papillonnire" und sich dem Freundschasjs- oder Feindschafts-Enthusiasmus mit dem ersten Besten hingebe! Verhci- rathe dich, nm deinen Namen einer Frau und Kindern zu geben, über die du keine Macht behältst und deren Handlungen du zu keiner Zeit und unter keinem Vorwand leiten und kontrolircn kannst. Ucber- dies find die Erzichungsgcschäftc auch eine Arbeit, und diese Arbeit muß ja ebenfalls frei gewählt, Niemanden aufgezwungen werden. Daher gehören auch im-Phalanstäre alle Kinder der Phalangc und Werden von Leuten erzogen, die für die Erziehung eine Leidenschaft