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aber den edelsten. Er leistete den Eid und sah sich nun zu einer fortwährenden Opposition verdammt. (Schluß folgt.) Spanien. Ein Ausflug nach Majorka. (Schluß.) In einiger Entfernung von unserer Einsiedelei theilte sich der Strom in mehrere Arme und schien sich in der Ebene zu verlieren. Die Oel- und Johannisbrodbäume neigten ihre Zweige bis zu der bebauten Erde und gaben dieser kultivirlen Gegend den Anblick eines Waldes. Auf den zahlreichen Hügeln, welche diese waldige Region begränzten, erhoben sich Hütten, die zwar in wahrhaft Miputischen Dimensionen, aber in großem Stpl gebaut waren. Man kann sich gar nicht denken, wie viele Scheunen, Heuschober, Ställe, Höse und Gärten ein paxLs (Eigenthümer eines Bauerguts) auf einen Mor gen Landes zusammenhäuft, und welcher angeborene Geschmack ihn unbewußt bei diesen wunderlichen Bauten leitet. Das Wohnhäus- chcn besteht gewöhnlich aus zwei Stockwerken mit einem flachen Dach, dessen Vorsprung eine durchbrochene Galerie bedeckt, wie eine Reihe von Zinnen, über die ein Florentinisches Dach hinauSragt. Diese spmmctrischc Krone giebt den gebrechlichsten und armseligsten Gebäu den einen Anschein von Glanz und Macht, und die gewaltigen Trau ben von Türkischem Weizen, die, zwischen jeder Oeffnung der Galerie hängend, in der Luft trocknen, bilden ein schweres, in Noth und Goldgelb schattirtes Feston, das eine unglaublich reiche und ge fällige Wirkung macht. Um dieses Häuschen zieht sich meist eine starke Kaktus- oder Indianische Fcigen-Hecke, deren krauses Netzwerk sich zu einer Mauer in einander schlingt und die leichten Schilf- und Rohr-Einfriedigungen, in denen die Schafe eingeschloffen sind, gegen die Nordwinde schützt. Da diese Bauern sich niemals unter einan der bestehlen, so brauchen sie zur Verwahrung ihres Eigenthums keines anderen Schutzes. Mandel- und Orangen-Gehölze umgeben den Garten, in welchem man kein Gemüse außer Spanischen Pfeffer und Liebesäpfel anbaut; dies Alles aber giebt ein herrliches Kolorit, und oft breitet, um das allerliebste Bild einer solchen Wohnung zu krönen, ein einziger Palmbaum in der Mitte seinen anmuthigen Schirm aus oder neigt sich, wie ein schöner Federbüschel, graziös zur Seite. Diese Region ist eine der fruchtbarsten der Insel, doch bestätigt Herr Graffet de Saint-Sauveur in seiner Reise nach den Baleari schen Inseln Alles, was ich früher über das Unzureichende der Kultur im Allgemeinen auf Majorka gesagt habe. Die Bemerkungen, die sich diesem Kaiserlichen Beamten im Jahre 1807 über die Unwissen heit und den Stumpfsinn der Majorkanischen poxes ausdrängten, veranlaßten ihn, den Ursachen davon nachzuspüren. Dir hauptsäch lichsten sind die große Menge der Klöster, vie einen Theil der schon so geringen Bevölkerung in Anspruch nehmen (diesem Uebclstande ist jetzt freilich durch das energische Dekret Mcndizabal'S abgeholfen, das ihm die Majorkanischen Frauen nie verzeihen werden), und der Geist der Dienstbarkeit, der die Bauern dutzendweise an irgend einen Edelmann oder einen Reichen fesselt. Dieser Mißbrauch besteht immer noch in seiner ganzen Kraft: jeder Majorkanische Edelmann hat ein. so zahlreiches Gefolge, daß sein ganzes Einkommen kaum hinreichi, es zu erhalten, obgleich ihm daraus keine Behaglichkeit noch legend ein Vortheil erwächst, denn Niemand kann schlechter bedient scpn, als er eS durch diese Ehrendiener ist. Wenn man sich fragt, Wie ein reicher Majorkancr sein Einkommen in einem Lande ver zehren kann, wo cs weder LuruS noch andere Lockungen giebt, so findet man dies ganz natürlich, wenn man sein Haus mit diesen schmutzigen Müßiggängern beiderlei Geschlechts angefüllt sicht, die eine Masse für sic bestimmter Gebäude bewohnen, und die, wenn sie nur ein Jahr im Dienst des Herrn zugebracht, dadurch für ihr gan zes Leben gesicherten Anspruch auf Kleivung, Nahrung und Wohnung haben. Diejenigen, welche ihre Dienstverpflichtungen aufgehoben wünschen, müssen gewissen Vortheilen entsagen, doch bleibt ihnen für immer das Recht, allmorgentlich mit ihren früheren Kameraden die Chokoladc zu theilen und, wie Sancho bei Gamacho, alle Festlich- kciten des Hauscs mitzumachen. Zuerst erscheinen einem diese Sitten recht patriarchialisch, und man bewundert den republikanischen Sinn, der in diesen Beziehungen der Herren und Diener verwaltet; doch bald gewahrt man, daß dies ein RepublikanismuS nach der Art des alten RomS ist, und daß die Diener nur Klienten sind, die sich aus Faulheit oder Ärmuth der Eitelkeik ihrer Patrone unterordnen. ES ist doch in Wahrheit ein lächerlicher Lurus, wenn man in Majorka fünfzehn Diener bei einem Haushalt anstellt, der durch höchstens zwei versorgt werden könnte. Sieht man nun weite Flächen unange baut, den Gewcrbfleiß daniederlicgen und jeden Fortschritt durch Trägheit und Nachlässigkeit unterdrückt, so weiß inan nicht, wer mehr zu verachten ist, der Herr, welcher die moralische Erniedrigung seiner Mitbrüder unterstützt und erhält, oder der Sklave, der einen erniedrigenden Müßiggang der Arbeit vorzicht, die ihm eine der menschlichen Würde angemessene Unabhängigkeit sichern würde. Einige reiche Majorkanische Grundbesitzer, welche ihre Ausgaben steigen und ihre Einnahmen sich vermindern sahen, entschlossen sich, her Sorglosigkeit ihrer Verwalter und dem Elende der Arbeiter ein Ende zu machen. Sie verkauften also einen Theil ihrer Ländereien an Bauern auf lebenslänglich, und Herr Graffet de Saint-Sauvcur hat sich überzeugt, daß auf allen Besitzungen, wo man dies Mittel in Anwendung brachte, der früher unfruchtbar scheinende Boden, durch die Bearbeitung von Menschenhänden, die bei seiner Verbesse rung snteressirt waren, höchst ergiebig geworden, so daß in wenig Jahren beide Theile davon Nutzen zogen; so ist zum Beispiel jetzt die ganze Gegend von EstablimentS in einen weiten Garten verwandelt worden, die Bevölkerung hat sich vermehrt, zahlreiche Wohnungen sind auf den Hügeln gebaut und die Bauern sind zu einem gewissen Wohlstand gelangt, der sie zwar noch nicht bedeutend aufgeklärt, aber ihnen doch schon mehr Lust zur Arbeit eingeflößt hat. Es wird noch lange Zeit dauern, bis der Majorkancr thätig und arbeitsam wird, und wenn er, wie wir, erst die beklagenswerthe Phase von Gier nach persönlichem Gewinn durchmachen muß, um zu der Einsicht zu ' gelangen, daß dies doch noch nicht der Zweck der Menschheit ist, so können wir ihm wohl seine Guitarre und seinen Rosenkranz zur Zeittödtung lassen. Gewiß ist aber ein hcssereS Schicksal als bas unsrige für diese noch in der Kindheit befangenen Völker aufbcwahrt, die wir vielleicht bald in eine bessere Civilisation einweihen werden, ohne ihnen das vorzuwcrfcn, was wir für sic gcthan haben. Sie sind noch nicht groß genug, um all den revolutionaircn Stürmen trotzen zu können, welche das Gefühl unserer Vervollkommnungs- fähigkeit über unseren Häuptern erregt hat. Allein dastehend, nicht anerkannt, verfolgt und vom übrigen Erdkreis bekämpft, haben wir ungeheure Schritte gethan, und das Geräusch unserer Riesen-Kämpfe hat diese kleinen Völker, die im Mitelländischen Meer im Bereich unserer Kanonen Hausen, nicht ans ihrem tiefen Schlaf erweckt. Es wird der Tag kommen, wo auch sie an die Festtafel der echten Frei heit sich niedersetzen werden. Laßt uns den Schlüssel zu unserer so cialen Bestimmung finden, laßt uns unsere erhabenen Träume ver wirklichen, und auch diese unglücklichen Insulaner, die durch ihre Schwachheit beständig eine Beute der stiefmütterlichen Völker sind, welche sich um ihren Besitz streiten, werden aus ihrer Erniedrigung sich erheben. Drei Wochen waren wir in Establimcnts, als die Regengüsse ihren Anfang nahmen. Bis dahin hatten wir himmlisches Wetter gehabt, die Citroncn- und Mprthcnbäume standen noch in der Blüthe, und in den ersten Tagen des Dezember konnte ich noch bis fünf Uhr Morgens im Freien auf einer Terrasse die Nacht zubringen und mich der ganzen Behaglichkeit der köstlichsten Temperatur erfreuen. Und hierin kann man sich auf mich verlassen, denn Niemand auf der Welt kann frostiger als ich sepn, und die Begeisterung für die Schönheit der Natur ist nicht im Stande, mich unempfindlich gegen den leisesten Frost zu machen. Uebrigens war meine Nachtwache, trotz der An- muth der mondhellen Landschaft und des Blumcndusts, der zu mir heraufstieg, keineSwegeS mit Körperbewegungen verbunden. Ich saß still da, nicht wie ein Dichter, der nach Begeisterung hascht, sondern wie ein Müßiger, der beschaut und horcht. Ich erinnere mich sehr wohl, daß ich auf jedes Geräusch der Nacht Acht gab und mir davon Rechenschaft ablcgen wollte. Es ist gewiß, und Jedermann weiß dies, ein jedes Land hat seine eigenen Harmoniken, seine Seufzer, sein Geschrei, sein mystisches Flüstern, und diese materielle Sprache der Dinge ist sicher nicht eines der unwichtigsten Merkmale, die dem Reisenden auffallen. Das gcheimnißvolle Plätschern des Wassers an den kalten Marmorplattcn, der schwere, abgemessene Schritt der Sbirren auf dcm Quai, der schrillende, dem Kindergeschrei so ähn liche Laut der Ratten, die sich auf diesen schlammigen Steinplattcn umherjagcn und streiten, und alle die flüchtigen, sonderbaren Töne, die das düstere Schweigen einer Benetianischen Nacht leise unter brechen, sind dcm einförmigen Geräusch des Meeres, dem Wer da? der Schilvwachen und dem schwermüthiaen Gesänge der Sercnos von Barcelona so ganz unähnlich. Der Lago Maggiore hat andere Naturlaute als der Genfersee; das beständige Krachen der Kicnbäume in den Wäldern gleicht in nichts dem Krachen der Gletscher. In Majorka ist die Stille tiefer als irgendwo, nur die Eselinnen und die Maulthicrc, welche die Nacht aus-den Weiden zubringen, unterbrechen sie zuweilen durch das Getön ihrer Glocken, deren Ton weniger ernst und melodischer als der der Schweizer Kühe ist. Der Bolero erklingt hier an den einsamsten Orten und in den düstersten Nächten. ES giebt keinen Bauer, der nicht eine Guitarre besäße und nicht damit auch zu jeder Stunde umherstreifte. Von meiner Terrasse hörte ich auch das Meer, aber so fern und so schwach, daß mir die seltsam phantastische und ergreifende Dichtung der DschinS dabei ins Ge- dächtniß kam: l'out fuit I L uuit, Affäre A« kruit. In der benachbarten Meierei hörte ich das Weinen eines klei nen Kindes, und die Mutter sang, um eS einzuschläfern, ein hübsches VolkSlicdchcn, das sehr einförmig, traurig und Arabisch klang. Aber andere weniger poetische Stimmen erinnerten mich an die groteske Seite von Majorka. Die Schweine erwachten und klagten ihr Leid auf unbeschreibliche Weise. Der panö5, der Fami lienvater, entriß sich dem Schlafe auf diesen Ruf seiner geliebten Pfleglinge, wie die Mutter vom Weinen des Säuglings aufgewacht war. Ich hörte, wie er den Kopf zum Fenster hinausstecktc und sie mit erhobener Stimme ausschalt; die Schweine verstanden ihn sehr wohl, denn sie schwiegen. Dann betete der pi>k.ö?> wahrscheinlich um sich dadurch wieder in den Schlaf zu lullen, seinen Rosenkranz mit- humpscr Stimme, die, je nachdem ibn der Schlaf befiel oder er wie der ausschrcckte, bald erlosch, bald sich wieder belebte, wie das ferne Rauschen der Wogen. Von Zeit zu Zeit stießen die Schweine ein wildes Geschrei aus, der poxo-i erhob seine Stimme, ohne sich im Gebete stören zu lassen, und die gehorsamen Thicre, die ein auf ge wisse Weise betontes Oca pro novir. oder ^ve >Iari» beschwichtigte,