Volltext Seite (XML)
Staatswohls verziehen; cs ist ganz natürlich, daß der Aermste, der keine andere Zerstreuung hattet als seine Zigarre zu rauchen und das Meer zu betrachten, die Gelegenheit ergriff, die sich ihm durch mich darbot, seine Beschäftigungen zu vervielfältigen. Endlich kehrte ich jedoch nach Söller zurück und lachte aus Herzensgrund darüber, daß man mich für einen Feind des Vaterlands und der Verfassung gehalten hatte." > Unser Reisender, der entschlossen war, kein Album anderswo als in den Staatsgefängnisscn von Majorka zu vervollständigen, beküm merte sich fortan um andere Dinge als um Bcrgpfade und befragte andere Dokumente als die Steine der Ruinen. Nach dreimonatlichem Aufenthalt in Majorka würde ich nicht weitet gekommen seyn als er, hätte ich nicht die wenigen Nachrichten zu Rathe gezogen, die uns über diese Gegenden zugckommen find. Da wurde aber nun meine Ungewißheit erst recht groß, denn diese schon alten Berichte wider sprechen sich dermaßen unter einander und strafen fich gegenseitig so sehr Lügen, daß man fich damit begnügen muß, einige Unrichtigkeiten zu verbessern und dabei vielleicht selbst so manche zu begehen. Hier wlgt nun übrigens mein Artikel für ein geographisches Handbuch, und um nicht aus meiner Rolle als Reisender herauszufallen, beginne ich damit, zu behaupten, daß er hoch-über allen ihm vorhergcgan- gencn stehe. ' Majorka, das Herr Laurens Balearis Major wie die Römer nennt, und von welcher Insel der König der Marokkanischen Ge schichtsschreiber, der Doktor Juan Damcto, sagt, daß sie ehemals Clumba oder Columba geheißen, wird jetzt allerdings Mallorka genannt; die Hauptstadt desselben hat aber nie den Namen Majorka geführt, wie cs einige Französische Geographen behaupten, sondern Palma. Diese Insel ist die größte und fruchtbarste des Balearischen Archipels und der Uebcrrest eines Festlandes, das, voib Mittelländi schen Meer-übcrfluthet, gewiß früher Spanien mit Afrika vereinigte und »och jetzt das Klima und die Erzeugnisse beider iheilt. Sie liegt 23 Meilen südöstlich von Barcelona, 43 vom nächsten Orte der Afrikanischen Küste und 95 oder IVO von der Rhede von Toulon cytfernt. Ihre Oberfläche beträgt 1234 Quadrat-Meilen, ihr Um fang 143, ihre größte Ausdehnung 54 und ihre geringste 28 Meilen. Im Jahre 1787 belief ihre Bevölkerung fich auf 136,006 Seelen und ist seitdem bis auf ungefähr 160,006 gestiegen. Die Stadt Palma, die früher 32,000 Einwohner zählte, hat jetzt 36,000. Die Temperatur weicht je nach den verschiedenen Lagen sehr von.ein ander ab. In der Ebene ist der Sommer brennend heiß; die Berg kette aber, die fich von Nord-Westen nach Süd-Osten hinzieht und durch diese Richtung ihre Identität mit dem Festlande von Afrika und Spanien andeutct, deren nächste Punkte dieselbe Neigung zeigen und mit de» hervorspringendsten Winkeln derselben übereinstimmen, wirkt sehr auf die Temperatur des Winters ein. So berichtet Mi guel de Vargas, daß das Reaumursche Thermometer in dem harten Winter von 1784 auf der Rhede von Palma nur ein einziges Mal im Januar bloß 6 Grad über dem Gefrierpunkt stand, gewöhnlich aber II Grad zeigte nnd zuweilen auf 16 stieg. Dies war denn auch ungefähr dieselbe Temperatur, die wir während eines gewöhn lichen Winters auf dem Berge Laidemosa hatten, welcher indeß für die kälteste Region der Insel gilt. In den kältesten Nächten, wo wir zwei Zoll Schnee hatten, stand das Thermometer auf 6 bis 7 Grad. Um acht Uhr Mvrgcns stieg es auf 9 bis 10 und Mittags auf 12 bis 14 Grad. Um drei Uhr Nachmittags, wenn Lie Sonne für uns hinter die uns umgebenden Bergspitzcn gesunken war, fiel das Thermometer gewöhnlich schnell bis auf 9, ja selbst bis auf 8 Grad. , Die Nordwinde stürmen hier mit außerordentlicher Wuth, und in manchen Jahren fallen die Regengüsse im Winter so übermäßig und so anhaltend, wie wir cs uns in Frankreich kaum vorstellcn können. Im Allgemeinen ist das Klima gesund und in dem ganzen" südlichen, gegen Afrika sich neigenden Theile, der durch den mittleren Bergzug und die starke Abdachung der nördlichen Küste gegen Lie Nordstürme geschützt ist, auch sehr fruchtbar. Der allgemeine Charak ter der Insel wäre also eine Flächc, die fich von Nord-Ost nach Süd- West neigt. Die Schifffahrt, die wegen der Zerklüftung und Schroff heit der nördlichen Küste kort fast unmöglich wird, ist leicht und sicher an der südlichen. Trotz der Stürme nnd zeitweiligen Rauhheit der Temperatur ist Majorka, das mit gutem Recht von den Alten die goldene Insel genannt wurde, außerordentlich fruchtbar, und alle seine Produkte find von der schönsten Art. Der Weizen ist hier so vor züglich rein und schön, daß die Einwohner ihn iammtlich auSsühren und man sich desselben ausschließlich in Barcelona zur Anfertigung LcS weißen und leichten Backwerks bedient, welches man pan üi »allorrs nennt. Aus Gallizien und Biscaya beziehen die Majorka- ner gröberes und billigeres Korn zu ihrer Nahrung; man muß daher in diesem Lande, das so reich an dem herrlichsten Getraide ist, mit ganz abscheulichem Brod vorliebnehmen. Ich weiß nicht, ob sie aus diesem Handel großen Vorthcil ziehen; in den Provinzen des inneren Frankreichs, wo der Ackerbau »och am »leisten zurück ist, beweisen die Gewohnheiten der Landwirthe nur ihre Unwissenheit und Hartnäckigkeit. In Majorka verhält cS fich gewiß eben so, und der Ackerbau ist hier, obgleich er auf das sorgsamste betrieben wird, doch noch in einem Zustande völliger Kindheit. Noch nie sah ich anderswo die Erde mit so. vieler Geduld und Mühseligkeit bearbeiten. Man kennt hier nicht einmal die einfachsten Werkzeuge; Menschenarme, und zwar sehr magere und schwächliche, verrichten Alles mit uner hörter Langsamkeit. Bei uns gräbt man in zwei Stunden ein grö ßeres Stück Land um, als hier in cinem halben Tage, und süns bis sechs der stärksten Männer schleppen hier kaum eine Last fort, die jeder Lastträger bei uns mit Leichtigkeit auf seinen Schultern fort tragen würde. Trotz dieser Langsamkeit ist aber doch Alles in Majorka dem Anscheine nach gut bebaut. Man sagt, diesen Inselbewohnern sey das Elend ganz fremd; mitten unter den Schätzen der Natur und unter dem schönsten Himmel führen fie aber doch ein härteres und viel kläglicheres Leben als die Französischen Bauern. Gewöhnlich ergehen fich die Reisenden in Phrasen über das Glück dieser südlichen Volker, deren malerische Phpfiognomieen und Trachten fie Sonntags beim herrlichsten Sonnenschein betrachteten, und deren gänzlicher Mangel an Nachdenken und Borficht ihnen für das Ideal eines ländlichen Stilllebens gilt. Ich selbst verfiel oft in diesen Jrrthum, doch bin ich davon zurückgekommen, seit ich Majorka besucht habe. Es giebt nichts Traurigeres und Aermeres in der Welt als so einen Land mann, der nichts versteht als beten, fingen und arbeiten, und der gar nicht denkt. Sein Gebet ist eine leere Formel ohne Sinn für den Geist; seine Arbeit nichts als eine Thätigkeit seiner Muskeln, die keine Verstandes-Anstrengung ihn vereinfachen lehrt, und sein Gesang der Ausdruck jener dumpfen Schwermuth, die ihn, seiner selbst unbewußt, beschleicht und deren Poefie uns zwar ergreift, ihm selbst aber unverständlich bleibt. Erweckte ihn nicht die Eitelkeit von Zeit zu Zeit aus seinem Stumpfsinn und triebe ihn rum Tanz an, so würden seine Festtage nur dem Schlafe gewidmet sepn. Aber schon überschreite ich die Gränzen, die ich mir selbst ge steckt. Ich vergesse, daß ein geographischer Artikel vor Allem sich mit den Produkten und dem Handel beschäftigen soll, und daß erst ganz zuletzt, nach Feldfrüchtcn und Vieh, die Menschen-Gattung in Betracht kommt. In allen geographischen Beschreibungen, die ich zu Rathe zog, fand ich unter dem Artikel „Balearische Inseln" folgende kurze Andeutung, die ich hier wiedergcbe, mit dem Vorbe halt, später auf die Umstände zurückzukomme», die ihrer Wahrheit Abbruch thun: „Diese Inselbewohner sind menschenfreundlich"; — be kanntlich zerfällt die menschliche Bevölkerung allcr Inseln in zwei Kategorieen, in Menschenfresser und in Menschenfreunde; — „sie find sanft und gastfreundlich, selten begehen sie Verbrechen, und der Diebstahl ist ihnen fast ganz fremd." Ich werde bestimmt später auf diesen Tert zurückkommen, vor Allem aber wollen wir uns mit den Produkten beschäftigen, denn vor kurzem sind, wie mich dünkt, einige wenigstens unbesonnene Worte über die mögliche Besitznehmung Majorka's von Seiten Frankreichs in der Kammer gesprochen wor den, und sollte diese kleine Abhandlung in die Hände eines Dcpu- tirten fallen, so wird sich derselbe wahrscheinlich mehr für das Ka pitel der Lebensmittel interessiren, als für alle meine philosophische Betrachtungen über den Geistes-Zustand der Majorkaner. (Schluß folgt.) Holland. Holland und der Charakter des Volks. (Schluß.) Von den sieben großen Bezirken, die ehemals das Land der Friess» bildeten, ist nur »och die Provinz Friesland übrig. Die Hauptstadt ist Lceuwardcn, eine regelmäßig und elegant gebaute Stadt mit 18,000 Eiwohnern. Das dortige Gcfängniß hat vielfach die Aufmerksamkeit der Sachverständige» erregt. Die Zweckmäßig keit der Einrichtungen, die Klassifizirung der Gefangenen wird all gemein gerühmt, aber schwerlich wird irgend Jemand diese Räume ohne ein tiefes Gefühl des MitleidcnS für die Unglücklichen verlas sen, welche hier wie die Neger in einem Sklavenschiffe ausgcschichtet find. Daß die Regierung die Ausgaben so viel wie möglich be schrankt, daß sie es sogar dahin gebracht hat, mit jährlich 12 Gul den Menschen zu ernähren, die den ganzen Tag arbeiten, daS mag noch Hingehen. Aber das wäre zu verlangen, daß sie das Gebäude, in welchem 700 Gefangene cingesperrt sind, erweiterte und ihnen etwas freie Lust gönnte; die Luft kostet ja nichts. Zehn Meilen von Lceuwardcn ist Gröningen, welches, wie die Sage geht, 150 Jahre vor Christi Geburt gegründet, von den Rö mern erobert und verschiedene Male von den Dänen verwüstet wor. den ist. Jetzt ist cs die Hauptstadt ciner Provinz. Die Stadt ist der Sitz einer Universität, hat einen guten Hafen und treibt einen beträchtlichen Handel nach Deutschland. AuS der Provinz Gröningen kömmt man nach Drenthe, dcr traurigsten und dürrsten aller Holländischen Provinzcii. Rechts und links vom Wege sieht man Heideland und Sümpfe, durchschnitten von Kanälen, welche das schlammige Wasser abführen. Die Torf- production und die Viehzucht sind die einzigen HülfSqucllen dieser unglücklichen Provinz. Assen, die Hauptstadt derselben, hat das An- sehen eines Dorfes. In dieser Provinz hat eine im Jahre 1816 vom General van dcr Bosch gcgründcte Wohlthätigkeit-Gesellschaft Armen-Koloniecn angelegt, welche schon die glücklichsten Resultate geliefert haben. Jeder Arme, welcher arbeiten kann, wird hier aus genommen. Die Gesellschaft überträgt ihm drei Morgen Landes, eine Kuh, ein kleines Schwein nnd einige Schafe. Außerdem erhält er täglich ein Pfund Brod, wöchentlich einen Scheffel Kartoffeln und einiges Geld, nicht in gewöhnlicher Münze, sondern in kleinen Kar ten, die für einen bestimmten Preis in den Berkausslädcn dcr Kolo nie angenommen werden. Dcr Kolonist muß allmälig der Gesellschaft die Vorschüsse zurückerstatten und außerdem 10 pCt. von seinem Ge winne zur Verwaltung der Kolonie hergcbc», so wie das Kapital, das zum Ankäufe seines kleinen Besitzthums gedient hat, verzinsen. Wenn er sich allcr dieser Verpflichtungen entledigt hat, so tritt er in ein anderes Verhältniß zur Kolonie, er schließt dann einen Kontrakt mit der Gesellschaft nnd wird Pächter. Aus dieser Zufluchtsstätte dcr Armuth kömmt man in den reich-