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62 entspringt, sondern auch aus einer unbestreitbaren Thatsachc, auS der immer mehr anerkannten Würde des denkenden Menschen. Ueber den Trümmerhaufen unserer Revolutionen und den Verwüstungen der Demokratie erheben sich die Köpfe der Denker, welche zu den Völkern reden. Dichter, Schriftsteller, Literaten haben Anspruch auf eine bessere und würdigere Existenz. Aber noch sollte man meinen, daß einige Männer es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Literatur, diese edle Macht, in Mißachtung zu bringen. Sie lassen nicht ab, die jüngeren und enthufkastischen Schriftsteller zu entmuthigcn; über die warm sprudelnde Quelle der Begeisterung streuen sie das Eis ihrer Reflexionen. Man sollte kaum glauben, welche Beispiele sie in den Chroniken der Vergangenheit suchen. Wozu die Klagen, sagen sie, da Taffo und Camoens nicht klagten? Sirius der Fünfte hütete die Schweine, und I. I. Rousseau war Lakai; Ihr, die Ihr diesen nicht gleichkommt, könnt Euer Schicksal doch wohl tragen. Ist denn aber die Bildung nicht fortgeschritten? Hat der Mittel stand, indem er seinen Kreis erweiterte, nicht auch vie Muster des Gedankens und des Wortes in denselben ausgenommen? Der Bürger hat ausgehört, Lehnsmann zu sepn; auch der Schriftsteller ist nicht mehr Schmarotzer, Lakai und Bettler wie in den vergangenen Jahr hunderten, die man als Beispiel hinstellt. In welcher Absicht dies geschieht, ist leicht einzusehcn, aber man darf auch erwiedcrn, daß der Schweinehirt und der Lakai der Frau von BercelliS weder SirtuS der Fünfte, noch Rousseau waren. Der Winzer Felir Peretti konnte wohl 1529 die Heerden hüten; als er aber lesen konnte, als er sich Montalto nannte und seine erste Predigt gehalten hatte, da fühlte er, wozu er bestimmt war, und Niemand hätte es wohl wagen dür fen, ihn in den Stall zurückzuweiscn. Der Knabe, welcher aus dem Katechumeuen-Hospiz in Turin kam und seinen Rock auf einem Stocke trug, konnte sehr wohl Lakai sepn, ohne sich etwas zu vergeben. Als er aber die erste Seite geschrieben hatte und sühlte, daß er I. I. Rousseau war, welcher Fürst, welcher König hätte da wohl etwas Anderes auS ihm machen wollen, als den stolzesten, unabhän gigsten Bürger und Denker? Dieser so empfindliche und reizbare Mensch, welcher den vornehmsten Herren kaum nach zwanzigjähriger Bekanntschaft erlaubte, ihn zu Tische zu laden, gestand seine frühere Dienstbarkeit erst dann ein, als er so hoch stand, daß er es dreist thun konnte; er prunkte mit dieser dunkeln Stelle seiner Kindheit, nachdem er den „vontrac und den „Knute" geschrieben. Gerade Rousseau hat die Würde des Schriftstellers am besten gefaßt und gelehrt, und die Achtung, die derselbe vor sich selbst haben soll, nie aus den Augen gesetzt. Um zu behaupten, daß Taffo und Ca- moenS sich nicht über die Ungerechtigkeit ihrer Zeit beklagt haben, hätte man die Klagen und Seufzer, die der Eine im Hospital auS- stieß, hören, und die Zeilen, die der Andere an die Wände seines Kerkers schrieb, lesen müssen. Die zahllosen Ungerechtigkeiten der Gesellschaft, die ein Unrecht haben will, können durch keine Paradoxen gerechtfertigt werden. Es ist ein grausamer Schmerz, wenn man nach Verlauf von vier Jahrhunderten sagt, die Unglücklichen hätten sich nicht beklagt, weil uns die Zeit ihre Klagen nicht überliefert hat. ES ist ein merkwürdiges Raisonnement', wenn man sagt: „Beugt Euer Haupt unter der Ruthe, lasset Euch die Schmach und die Schande gefallen, nachdem Ihr Meisterwerke hervorgebracht, Ihr jungen Leute unserer Zeit, denn im loten Jahrhundert hütete ein achtjähriger Knabe, ver Sohn eines Bauern, die Schweine, ehe er Papst wurde, und im litten Jahrhundert war ein sechzehnjähriger Bursche Lakai, zwanzig Jahre früher, als er ein großer Schriftsteller wurde." Diesen sonderbaren Rathgebern wäre zu antworten: Wozu dienten denn unsere beiden Revolutionen, wenn noch solche Sachen geschrieben werden-? Ihr wollt unser Herz irren und uns Verachtung gegen uns selbst beibringen, indem Ihr Alles verwirrt. Sicherlich waren sie tief gebeugt, sie, denen wir Statuen errichten, aber sie konnten sich doch damit trösten, daß um sie herum und in ihrer bar barischen Zeit überall Unordnung und Ungerechtigkeit zu Hause war. AlS der Kriegsmann vom Plündern lebte und sein Blut dem Meist bietenden verkaufte, als die Bewohner einer Hauptstadt den üppigen Tänzen eines halbtollen Königs als Kandelaber dienten, als es nur Herren und Knechte, selten aber einen Bürger gab, da konnte der Literat, der nur zur Unterhaltung diente und höchstens unter der Hand belehrte, im Solde eines Finanzmannes stehen und demselben schreiben: „Ich habe die Ehre, Ihnen anzugehören." Aber wie wollt Ihr noch jetzt, wo jeder Arbeiter nach seinen Werken behandelt wird, und wo die Ansprüche auf ein unabhängiges und geachtetes Leben durch theuer erkaufte Institutionen geheiligt sind, unS den Rath geben, die Verachtung auf unseren Antheil zu nehmen ? Wenn unsere Werke schlecht find oder nicht gleich gewürdigt werden, so wollen wir schweigen und andere liefern. Können wir nicht so leben, so wollen wir nach unserer Weise leben, so wollen wir als Freiwillige nach Algier gehen oder als Tagelöhner in Paris leben, obschon entnervt durch die anstrengenden Arbeiten des Gehirns. Wenn wir krank sind, so soll man uns ins Hospital tragen wie Hegesippe Moreau; aber wir wollen protestiren und unsere Ansprüche auf ein anständiges und ehrenvolle» Leben wahren, welches ja das erste Bcdürfniß eines jeden gebildeten Menschen in unserer Zeit ist. (Schluß folgt.) Bibliographie. Herr Alexis DumesnU hat gegen Ende des Jahres 1840 «in Buch hexautk gegeben, das bekannter zu werden verdient, al« die Franiößschen Jour nale zu wünschen scheinen. ES ist, Lies die „Geschichte des öffentlichen Geistes in Frankreich seit 17W" (Ul-Noire öe !>-nc>c publlo en Nranro Nepa» 178S). In diesem Buche wird allen Eitelkeiten des Franwstschen Volfsgeiftes, die die trefflichen Eigenschaften desselben so ost varalnstren, ein Spiegel vorgehalten, und die Rückkehr »ur echten Religiosität, »um wahren Lhristenthnme, al« unbedingt nothwendlg für Land und Volk »argestellt. Rußland. Ausflüge eines Nüssen, zur Erforschung Slavischer Literatur und Geschichte. (Schluß.) In Berlin fand ich in Hinsicht auf das Slaventhum nichts beson ders Bemerkenöwerthes, ausgenommen einige Handschriften aus dem litten Jahrhundert, welche schon der verstorbene Sergei Michajlowitsch Strojev beschrieben hat. Von Berlin reiste ich später durch Böhmen nach Wien, wo ich einen nicht genug zu rühmenden herzlichen Em pfang von Seiten ver Wiener Gelehrten fand. Herr Kopitar, der Ober-Bibliotheker der K. K. Hof-Bibliothek, war außerordentlich höf lich und freundlich gegen mich, und verdanke ich ihm sehr Vieles bei der mir gestatteten Durchsicht der Slavischen Merkwürdigkeiten. Er ist ein großer Beschützer des Hieronyinitischen Alphabets und liebt die Slavische Literatux sehr. Er ist ein vortrefflicher Mann von ausgebrciteten Kenntnissen, den alle Gelehrten sehr achten. Schaffarik und Kopitar find die beiden einzigen Kenner Slavischer Alterthümer, mit denen nur unser Wostokoff allein noch rivalisiren kann, dessen Verdienst aber Beide auch sehr schätzen. Die K- K. Hof-Bibliothek steht Jedermann offen. Dieselbe be steht aus 270,000 Büchern, «000 musikalischen Werken und 16,076 Handschriften, 12,000 Inkunabeln und 8000 Original-Unterschriften von Kaisern, Königen, Fürsten, regierenden Herren und berühmten Leuten aus allen Zweigen der Wissenschaft. Bemerkenswerth sind in Wien noch die Bibliotheken: I) des Kaisers Franz, mit 40,000 Büchern, 70,000 Kupferstichen und »400 geographischen Karten und Plänen; 2) der Universität, mit 102,000 Büchern; Z) des Erzherzogs Karl, mit 25,0l)0 Büchern: 4) des Staatskanzlers Fürsten Metternich, mit 25,000 Büchern, 400 Inkunabeln und 75 kostbaren Handschriften. Diese Bi bliothek ist vorzüglich reich an diplomatischen Werken. 5) des Fürsten Lichtenstein, mit 40,000 Büchern; 6) des Fürsten Schwarzenberg, mit »0,000 Büchern; . 7) des Fürsten Rasumowskp (früheren Kaiserlich Russischen Ge sandten am Wiener Hofe), mit 15,000 Büchern; reich an klassischen Werken, Reisebeschreibungen und geographischen Karten re. Die Zahl großer Privat-Bibliotheken beläuft sich auf 12; die der geistlichen und weltlichen Institute auf 14. Die merkwürdigste Schatz, kammcr an Handschriften ist aber das geheime HauS-, Hof- und Staats- Archiv in der Kaiserlichen Burg, welches aus Oesterreichischen, Un garischen, Jtaliänischen, Lothringischen, Böhmischen, Serbischen und verschiedenen anderen Slavischen Handschriften, aus den ältesten Zeiten sogar, besteht. Nachvem ich mich mit den hier vorhandenen Slavischen Antiqui täten bekannt gemacht hatte, reiste ich durch Böhmen nach München und fand daselbst die sehr merkwürdige Bibliothek der Universität von 160,000 und die Hof- und Central-Bibliothek von 500,000 Büchern, 1»,OOO Inkunabeln, 16,000 Handschriften, unter denen sich 3>Z He bräische, »oo orientalische und an 1500 der ältesten Deutschen Hand schriften befinden. Von München reiste ich durch die Schweiz über Genf und Dijon nach Paris. Hier findet man einen kostbaren Vorrath für unsere neuere und neueste Geschichte in verschiedenen Europäischen Spra chen, so wie auch Griechische Handschriften, welche das Wesen der alten Slaven und der Griechisch-Russischen Kirche erläutern« Unter den Slavischen sind besonders bemerkenswerth: 1) Chronik von Georg Sinkell und-Theophan. 2) Die Komödien des Aristophanes. 3) Die Geschichte Sossim's. 4) Die Moral des AristoreneS, eines Schülers des Aristoteles, welcher zum Materialismus neigte und lehrte: „die Seele entstehe aus der Vereinigung der Lebenskräfte und stehe immer in Harmonie mit dem Körper wie die gestimmten Saiten eines musikalischen Instruments." Mit den Griechischen Manuskripten beschäftigt sich sehr fleißig der Protojere'i Dmitri Werschinski, von der Russischen Gesandtschaft am Französischen Hofe, und sehr wllnschenSwerth ist es, daß die Aufmerksamkeit unserer Archäographen und Liebhaber vaterländischer Alterthümer auf seine eifrigen und thätigen Arbeiten gelenkt würde. Seit lange schon mit allen Schätzen der Königlichen Bibliothek genau bekannt, würde er unseren Forschern daselbst ein nützlicher Führer sepn. Die bemerkenSwerthesten Bibliotheken in Paris sind: I) die Königliche, mit 726,000 Büchern (welche jährlich um circa 6000 Bücher vermehrt werden), 80,000 Handschriften in verschiedenen Sprachen, 100,000 goldenen, silbernen und bron zenen Münzen, 1,200,000 Kupferstichen, Karten und Plänen. Auf die Unterhaltung und die Vermehrung dieser Bibliothek verwendet die Regierung jährlich ^300,000 Francs. 2) die Mazarinsche, mit 90,000 Büchern und 3437 Hand schriften; 3) die des Arsenals, mit 175,000 Büchern und 6000 Hand schriften; 4) die zu St. Gknevteve, mit 160,000 Büchern und 3500 Hand schriften; 5) des Instituts, mit 80,0t»0 Büchern; 6) die städtische, mit 45,000 Büchern. Jede gute Lehr-Anstalt, wie z. B. die Sorbonne und die höheren Schulen — das vollege Se drsnee, das medizinische und das juristische Institut rc., fast jede Regierungs-Anstalt, so wie fast jede wohlthätige Stiftung, z. B. das JnvalidenhauS, haben sämmtlich ihre Bibliotheken, und zwar giebt es deren an »o.