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nig ins Werk setze. Wir behalten uns vor, auch neue Berordnun- aen, die innere Einrichtung der Kerker betreffend, ergehen zu lassen, besonders aber den bisher geduldeten Verkauf von Speise-Artikeln und Getränken, den man mit Recht als ein Reizmittel zum Laster und eine Veranlassung häufiger Unordnungen betrachtet, abzuschaffen. In Uebcreinstimmung mit diesen Absichten hat Seine Majestät der König Folgendes zu verordnen geruht: „!) Es sollen drei neue Central-Gefängnisse für erwachsene Ver brecher und ein Zuchthaus für liederliche junge Leute erbaut und eingerichtet werden. Das Gefängniß zu Pallanza soll hinführo der ausschließliche Central-Kerker der weiblichen Vcrurthcilten sepn. 2) Die drei Central-Kerker sollen nur ausschließlich solche Ver- ürtheilte, die zur Strafe der Einsperrung und des KerkerS (Sella re- clusione e Sei esrrere) bestimmt sind, aufnehmen. Diese sollen eine thätige und schweigsame Lebensweise führen, über welche wir uns fernere Bestimmungen Vorbehalten. 3) Sobald eines oder mehrere dieser Gefängnisse im Stande seyn werden, und in dem Maße, als man alle Verurtheiltcn, von denen im vorigen Artikel die Rede gewesen, aus den vorhandenen Gefängnissen einer oder mehrerer Provinzen dahin transportiren wird, sollen diese Gefängnisse nur ausschließlich zur Haft der Jnqui- sitcn und der auf kurze Zeit Verurtheilten bestimmt sepn." In demselben Jahre 1839 stellte die Sardinische Regierung eine Preis-Aufgabe, die dahin lautete: „Es wird ein Bauplan verlangt, welcher das System der Absonderung in Zellen zur Nachtzeit und der mit Schweigen verbundenen gemeinsamen Arbeit bei Tage am besten realifiren könne." Den ersten Preis von SOOO Lire Jtaliänisch gewann der Französische Architekt Labrouste; den zweiten der Genfer Architekt Vauchcr-Crcmieur, der Erbauer des Besserungs-Gefängnisses zu Genf. Die Ausführung des Projektes des Herrn Labrouste erfordert 633,000 Jtaliänische Lire, was 1200 Lire (140 Thaler) für jeden Ver brecher gleichkommt, da das Gebäude 329 Sträflinge beherbergen kann. Die Arbeiten sollen im laufenden Jahre anfangen. Die in diesem Gebäude anwendbaren Aufsichts-Mittel werden jeden gefähr lichen Verkehr zwischen den Verbrechern wirksam verhindern. Da zweckmäßige Direktion einer Besserungs-Anstalt ein sehr schwieriges Geschäft ist, so hat die Regierung schon vor Erbauung derjenigen, die in Alessandria errichtet werden soll, für einen Direk tor derselben gesorgt. Die Wahl ist auf den Intendanten Candi gefallen, der in der Zwischenzeit auf Königliche Kosten die vornehm sten Gefängnisse Europa'S besuchen wird, um seine Erfahrungen noch zu vervollständigen. , Zu Gencrala bei Turin ist neuerlich der Bau eines BcffcrungS- hauses für 300 Jünglinge, das im Jahre 1841 vollendet sepn soll, begonnen worden. In dieser Anstalt herrscht ein gemischtes, d. h. halb landwirthschaftlichcs und halb industrielles Bcffcrungs-Systcm. Hätte die Sardinische Regierung bei Generala Krangütcr, so konnte sie das Projekt, den theoretischen und praktischen Unterricht mit den Feldarbeiten zu vereinigen, sofort realifiren; da jenes aber nicht der Fall ist, so wird man fürs erste auf die Theorie der Landwirthschaft sich beschränken müssen. Es ist schon viel gewonnen, wenn die in Haft befindlichen jungen Leute über die Natur der Ländereien, über Viehmast und wechselnde Bestellung der Felder Belehrung empfangen und mit der Handhabung aller landwirthschaftlichcr Gerüche vorläufig bekannt gemacht werden. Die industrielle Unterweisung in dem Bcsserung's-Hause zu Gc- ncrala hat den doppelten Zweck, die jungen Sträflinge in der Zeit, wenn cS keine Feldarbeiten giebt, zu beschäftigen und denjenigen unter ihnen, deren Constitution für Feldarbeiten nicht stark genug ist, oder die vermöge ihrer individuellen Lage in Künsten und Handwerken natürlichere und für sic verlässigere HülfSqucllen finden können, ein anderes Metier beizubringen. Es giebt in Turin noch eine besondere Anstalt zur einstweiligen Bewachung verdächtiger oder angeklagchr Individuen vom weiblichen Geschlechte. Erwähnung verdient dieses Etablissement besonders wegen der thätigen und erleuchteten Menschenfreundlichkeit, womit die Gräfin Barolle demselben Vorsicht. Im Reiche beider Sizilien ist ein neues Gefängniß in Palermo böinahe vollendet, und in Neapel schickt man sich eben an, ein Bessc- rungs-HauS für solche Verbrecher zu errichten, deren Urtheil auf ein oder zwei Jabrc Gefängniß lautet. Die dortige Regierung will außerdem in Neapel ein Zuchthaus für minderjährige Verbrecher organisiren, so wie ein Arrest-Haus in zwei Abtheilungcn; daS erste für Verdächtige und Angeklagte; das andere für Bcrurthciltc, deren Strafzeit weniger als zwei Jahre beträgt. Einc Reform der Gefängnisse hat auch in ToSkana bereits be gonnen — Dank der aufgeklärten Fürsorge des Fürsten dieses Landes. Die älteren Anstalten dieser Art, von denen die meisten noch jetzt bestehen, sind folgende: l Livorno. . . 194 Verbrecher. I. Bagno'S der Galeerensklaven Portofcrrajo 92 i Pisa . ... 7<> Summe 336 Verbrecher. Von diesen sind in auf Lebenszeit und die klebrigen auf eine be stimmte Zeit verurtheilt. Diese Bagno'S erfordern einc jährliche Ausgabe von 140,000 Toskanischen Lire, also 390 Lire für jeden ZwangSarbeitcr. Außer halb des Bagno'S werden die Sträflinge zur Reinigung der Straßen, zu Arbeite» m Salzwerkcn, Festungen u. dgl. verwandt. Im Bagno selbst müssen sie solche Handarbeiten thun, die sie früher schon ge trieben haben, oder zu denen sie Neigung und Geschick zeigen. Die Ucbung in denselben verschafft den auf eine bestimmte Zeit Verur- theiltcn nach wicvercrlangter Freiheit ein Subsistenz-Mittel und den lebenslänglich Verurtheilten theilS einen besseren Unterhalt, thcilS ein Schutzmittel gegen die unheilvollen Wirkungen des Müßiggangs. An Feiertagen, wenn die Messe gehalten ist, ertheilen die Kapellane den Sträflingen religiösen Unterricht. II. Arbeitshaus in Volterra, für Berurthcilte, die cS auf nicht mehr als drei Jahre sind. III. Zucht- und Arbeitshaus für Individuen weiblichen Geschlechts zu San Gimignano: Im Arbeitshause 8 Verurtbeilte. Im Zuchthause ... 18 Eingesperrte bis aus I Jahr. Uederhaupt . . 26 Sowohl die Verurtheilten als die bloß Eingesperrten übernachten in besonderen Schlaf-Lokalen und verweilen bei Tage in Arbeitssuchen, wo sie mit Spinnen von Flachs, Hanf und Werg beschäftigt sind. Die Eingesperrten müssen abwechselnd den inneren Dienst des Hauses versehen. Zu bestimmten Stunden des Tages dürfen beide Äbthei- lungen nach cinanocr im Hofraum und unter den Bogengängen des Etablissements frische Luft schöpfen. VI. Gefängnisse bei den Vikariaten und den üireklori üegll »ol, für Verurthcilte bis zwei Jahre gefänglicher Haft, desgleichen für Verdächtige und Angeklagte. Was man bis heute für die Reform der Gefängnisse in Toskana gcthan hat, besteht in Folgendem: In den ersten Monaten des Jahres 1840 ist in Volterra ein BeffcrungShaus für männliche Verbrecher (daS erste dieser Art in Toskana) errichtet worden, in welchem das Auburnsche System An wendung findet. — In Florenz erbaut man gegenwärtig ein Gefäng- niß mit Zellen, das für minderjährige Züchtlinge beider Geschlechter bestimmt seyn soll. Erst neuerlich ist von Seiten der Negierung die Aufhebung des Galeercn-Bagno's in Pisa, das, wie nian glaubt, in ein BeffcrungShaus für männliche Verbrecher umgcwandelt werden dürfte, beschlossen worden. Somit hätten wir dem Leser einc Ucbersicht dessen gegeben, was bis aus den heutigen Tag in Italien für die Reform der Ge fängnisse geschehen ist. Unser Zweck ist der gewesen, die Aufmerk samkeit dcS Publikums auf einen Gegenstand von höchstem moralischem Jutcreffe zu lenken und außerdem darzuthun, daß inan in Italien um Verbesserungen jeder Art keineSwcgeS so unbekümmert ist, wie lügenhafte Ausländer häufig vorgeben. (kiviae» lüuropea.) Mannigfaltiges. — Neue Wespenstiche. Das kalte Lcichenbcgängntß Napo- lcon's giebt dem Verfasser der „Lnopn«" zu mancherlei Sticheleien Anlaß. Unter Anderem erzählt er, es scy in Len Straßen von Paris eine kleine Schrift verkauft worden, deren Titel folgendermaßen auS- geruscu wurde: Do^cripcion üu cllar üe >apolöun er üe ceux gm I'ont rrabi. Die vielen schlechten Verse aus des Kaisers Rückkehr erregen natürlich auch manche satirische Bemerkung. Casimir Delavigne hat eine lange Ovc gedichtet, die, wie Herr Alphons Karr behauptet, sich dadurch auszcichnct, daß sie von allen an diesem Tage gesun genen Kaiscrliedcrn das schlechteste scy. Eine Strophe derselben endigt mit dem Vers: BoShaft fügt der Wcspenfrcund hinzu: „Ou a regrem- gl-u.'ralo moni: gue lr>8 vor8 üe Ü1. lUIavigno n'aicnr paz pr'm «xemgio mir cc vor uüeux apprm." Folgende Bemerkungen giebt Herr Karr der tanzlustigen Welt zu bedenken: „Wenn auf einem Balle ein Herr einc Danie aufsor. dcrt, die daraus nicht ciugchen kann, weil sie bereits cngagirt ist, so wendet er sich an eine Andere und scheint mir dadurch eine Ungezv- gendeit gegen zwei Damen zugleich zu begehen. Für oic Erste heißt eS so viel als: Ich habe mich an Sie als an die Erste gewendet, d(c gerade vor mir stand; von Wahl oder Vorzug war nicht Lie Ziebe; ich kann nicht mjj Ihnen, nun so werde ich mit einer Anderen tan zen. — Für die Zweite: Sic nehme ich, weil keine Bessere da. ist; wenn jene Dame nicht cngagirt wäre, so hätte ich an Sie nicht ge dacht; sic ist schöner, eleganter, geistvoller als Sic. — Mäuchc Herren, die dies vermeiden wollen, tanzen nicht, wenn die von ihnen ausgeforvcrtc Dame bereits cngagirt ist, — alsdann kann jedoch der Fall eintreten, daß man eine ganze Ballnacht hindurch nichl tanzt, so gern man cs auch möchte. Wie wäre cs nun, wenn man folgen den Gebrauch einiger Ortc des südlichen Frankreichs allgemein ein- führte: Jeder eintretendc Herr nimmt aus cincm bcrcitstehendcn Korb einc küustlichc Blume, und wenn cr eine Dame cngagiren will, so läßt cr die selten variirte Redensart: „Fräulein, kann ich die Ehre Habens" rc. ganz beiseit, sondern bietet seine Blume an, die sie an der Seite befestigt und hier trägt, bis der Tanz vorüber ist, zu welchem sic cngagirt wordc», worauf sie ihm die Alume^zurückgiebt, dic er einer Anderen anbictet. Will man auf mehrere Tänze voraus cnga giren, so mag man dazu verschiedene Blumen bestimmen: Tulpen, Rosen rc. Auf diese Weise setzt man sich nicht aus, eine bereits cu- gagirte Dame aufzusorvern, denn jede Dame, die keine Blume an der Seite hat, ist frei und erwartet noch ihren Tänzer." Herausgegchcn von der Erpedilion ter Mg. Preuß. Siaats-Icuung. Retigin von I. Lehmann. Gedruckt bei Sl. W. Hahn.