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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22j Egr. (j Tdlr.) vtenetjädriich, 3 Tdlr. kür da» ganze Jahr, ohne Er tz S düng, in allen Tkcilen der Preußischen Monarchie. für die Man »rinumerirt auf dieses kiteratur-Blatt in Berlin in der Expedition der AUg. Pr. Staats-Leitung ssäriedrichsgr. Nr. 72); in der Prorinz so wie im Auelande dei den Wodllsdl. Pog - Äcmiern. Literatur des Auslandes. ^1/ 8. Berlin, Montag den 18. Januar 1841. Griechenland. Das neue Athen und seine alten Erinnerungen. Am 7. Juli 1839 verließ der „Leonidas", eine herrliche Dampf- freaatte von Französischem Bau, aber mit Englischen Maschinen, den Hafen von Alerandricn. Aus dem Mittelländischen Meere findet man kein schöneres und schnelleres Schiff. Die Ueberfahrt von Alexandrien nach Syrien kostete uns nur 18» Fr.; so wie 6 Fr. für die tägliche Beköstigung und bä Stunden Zeit. Man braucht auf diesen Dampf- sahrzcugcn, welche die Französischen Ingenieure auf eine merkwürdige Weise vervollkommnet haben, keiner Gewohnheit des eleganten LebcnS zu entsagen. Durch die Französischen Pakctboote ist die Verbindung zwischen Malta, Alerandricn, Athen, Konstantinopel, Smyrna und Marseille außerordentlich erleichtert. Im Falle eines Krieges könnte Frankreich in noch nicht einem Tage eine Flotte vortrefflich ausge rüsteter und zum Dienst geeigneter Dampfschiffe versammeln. Die Ausrüstung der Englischen gewährt nicht dieselben Vortheile; sie sind nur zum Transport der Briefe und Reisenden geeignet, und ihre Langsamkeit ist bekannt. Ein sonniger Himmel, dessen Gluth durch einen leisen Windhauch gemildert wurde, lächelte auf das ruhige Meer hernieder. Am fol genden Tage uni sechs Mr Morgens hatten wir zu unserer Linken Ämorgo und die kleine Insel Anapi; vor unS die Cykladen. Wir fuhren zwischen Paros und NaroS hindurch, und um 2 Uhr Morgens warfen wir im Hafen von Syra Anker. Wir sollten das Schiff nicht verlassen, ehe wir nicht die Quarantaine bestanden hätten. Die In seln des Aegäischcn Meeres, so berühmt im A^crthume, setzt unfrucht bar und ohne Vegetation, nähren dennoch eine thätige, rührige und redliche Bevölkerung, welche die Dampfschifffahrt in einem gewissen Wohlstände erhält. Naros und ParoS bringen etwas guten Wein hervor. Das berühmte Delos ist so gesunken, daß ein Esel, der hier ausgesetzt wurde, um seine Quarantaine abzuhalten, nichts z« fressen fand. Syra, dessen tiefer, hufeisenförmiger Hafen nur gegen die Nordwestwinde keinen Schutz gewährt, war vor der Griechischen Revolution ein Sccräubcrncst. Da die Pakctboote, welche den öst lichen Theil des Mittelländischen Meeres befahren, hier anlegcn, so hat sich eine kleine Stadt von l8,ovo Einwohnern gebildet. Wir wollten zuerst Konstantinopel besuchen; aber die strenge Quarantine, der die von Stambul kommcnvcn Fahrzeuge in den Griechischen Häfen unterworfen find, schreckte unS ab, und wir be schlossen deshalb, zuerst Griechenland zu besuchen. Mit dem „Leonidas" wollten wir nun die Fahrt nach Athen- machen. Ich habe schon er wähnt, daß wir das Ufer nicht betreten durften, und daß der „Leo nibas" unS als Gesängniß diente. Die Gefälligkeit des CapitainS gestattete uns indeß, in der Schaluppe mehrere Streiffahrtcn um die Insel zu machen. Man kann sich übrigens keinen belebteren Anblick denken, als den kleinen Hafen, in dem die Englische, Russische, Amen- kanische und Türkische Flagge wehten. Drei Oesterreichische und drei Französische Dampfschiffe erhoben ihre Schornsteine in dieseig Mastcnwaldc. Am litten Abends fuhren wir in Gesellschaft dcS „Mahmudie" ab; oder vielmehr segelte dieser eine halbe Stunde vor uns ab, gleichsam, um uns zum Wettlaufe herauSzufordcrn. Wir eilten rasch hinterdrein, und unsere in Soho-Square verfertigten Maschinen spritzten den klassischen Schaum dcS MecrcS auf, aus welchem Aphrodite hcrvorgcsticgcn war. Ein solches Kirchthums- rennen von den Cykladen nach dem Piräuö hat wohl ein gewisses Interesse, aber an und für sich ist eS doch so wenig poetisch und steht in solchem Widerspruch zu der ruhigen Schönheit des Himmels und zu den klassischen Erinnerungen, daß man sich dadurch eher zu senti mentalen Empfindungen als zu Gefühlen der Bewunderung aufgcfor- dert fühlt. Ich wollte die ersten Strahlen der Sonne sich am Vor gebirge Sunium brechen sehen. Ich stand deshalb um zwei Uhr Morgens auf und sah wirklich das verschwimmcndc Bild des Tem pels und deü Felsens. Um ä Uhr Morgens stieg ich wieder auf das Verdeck. Auf dem klaren Meeresspiegel kreuzten sich tausend kleine Barken; rechts tauchten die hehren Umrisse des Parthcnon'S und der Akropolis auf, links Acgina mit seinem zerfallenen Tempel. ES war mir nicht möglich, das Verdeck zu verlassen. Die Aufmerksam keit der Offiziere wurde durch einen weit ruhmvolleren und interessan teren Gegenstand angezogcn. Wir waren in der Nacht so rasch gc- fahren, daß der „Mahmuvie" nur einen kleinen Vorsprung hatte. Um " Uhr lief dieser in den PiräuS ein: um K Uhr ü Minuten wir. Ein sehr belebtes Bild zeigte sich unseren Augen; aber die ent täuschte Phantasie minderte das Vergnügen dcS Anblicks. Anstatt der Galeeren des Themistokles beleidigten moderne Schaluppen und Jachten den Blick des Reisenden, und der schneidende Ton der BootS- pfeife erinnerte an Portsmouth oder Calais. Die in Jtaliänischcm Styl erbauten Häuser, die flachen Terrassen, die abendländisch aus- schcnden Straßen, überhaupt die hervortretende Nachahmer« erkältete den Enthusiasmus. Das schöne Englische Schiff „Asia" lag vor Anker; die Mannschaft sang das „liulo liriinnuia"; wir wurden da von ergriffen, aber die klassischen Bilder wichen aus unserer Seele. Sogar das Grab deS Themistokles ist entweiht; hier prangt an einem Pfahle mit rothen Buchstaben der Name des LiqueurhänvlcrS John Johnson. Der Amerikanische Reisende Stephens gericth über diese Entweihung so in Zorn, daß er eiligst den Platz verließ, um, wie er sagt, das wüthendste und verzweifeltste Mahl cinzunchmen. Die gelbe Flagge, die an unserem Maste wehte, zeigte an, daß wir unsere Quarantaine noch nicht abgchaltcn hatten. Man hielt UNS daher überall in angemessener Entfernung, und wir mußten unS auf die bloße Beobachtung beschränken, lieber die modernen Ge bäude am Ufer ragte der Gipfel des Parthenon hinaus und weiter hin der Hymettus und Pentelikon. Am Strande herrschte eine außerordentliche Mwegung. An den Thüren der Kaffeehäuser theil- tcn sich die Kaufleute die Tagcsueuigkeiten mit, die Schiffe luden ihre Waarcn aus, und die Schilvwachen in weißen Westen und blauen Röcken schritten auf und ab. Die Schaluppen der Kriegs schiffe, welche mit regelmäßigem Rudcrschlagc die Wogen durchschnit- ten, vervollständigten dieses ganz moderne Bild und verwischten die letzte Erinnerung an das alte Griechenland. Wir blieben am Bord ves „Leonidas", so lange derselbe auf der Rhede lag. Am 19ten ging dieser nach Syra ab, und wir mußten unse- ren liebenswürdigen Gastfreunden Lebewohl sagen; das neue Lazareth, welches die Regierung hinter dem Zollhause hat erbauen lassen, wurde nun unser Aufenthalt. Diese Lage entzieht den unglücklichen Getan- gegen jede Aussicht auf den Hafen. An LuruS war nicht zu denken. Die nackten Mauern, die kaum möblirten Zimmer, die Fenster ohne Scheiben, die Betten, in denen sich Schaaren von unwillkommenen Gästen eingcmiethct hatten, sprachen für die ökonomischen Grund sätze derjenigen, die uns dieses Asyl eröffneten. Dafür mußten wir täglich 18 Schillinge bczahlen. Der Preis der Nahrungsmittel, die unS ein Restaurateur lieferte, war nicht weniger übertrieben. Der Direktor dcS Lazarets bot uns als ein Mittel gegen die Lange weile Jtaliänische Ueversctzungen der „Corinna" und des „dreißig jährigen Krieges" von Schiller an. Unsere Hauptzcrstrcuung be- stand^abcr darin, daß wir unsere Romaische Philologie aus Kosten der Schilvwache übten, die nicht wußte, was sie auf unsere unver ständlichen Fragen antworten solle. Nach fünftägigem Harren wurde endlich unsere Thür geöffnet und wir in Freiheit gesetzt. Jetzt er hielt Alles eine andere Gestalt; unsere Wächter, welche uns mit ihren langen Stangen in ehrfurchtsvoller Entfernung gehalten hatten, näherten sich unS jetzt vertraulich. Der Direktor reichte uns die Hand und frühstückte mit uns, und die Schildwache sah uns mit einem Blicke nach, der zu sagen schien: „Glückliche Reise! Gott sey Dank, daß ich Euch los bin, und hole Euch der Teufel!" Der erste Gegenstand, der unsere Aufmerksamkeit erregte, war ein Omnibus. Wer sollte eS glauben? Zur Beglaubigung führe ich die Ankündigung an. „Der OmnibuS", lautet diese, „geht vom Basar im PiräuS und von der Ecke der Hermes- und AcoluS- Straße ab. An beiden Orten macht er einen Halt von fünf Minuten; während des Halles bläst der Conducteur in die Trom- pete. Preis des PlatzeS: eine Drachme." Empört von dem Om nibus mietheten wir zwei Kaleschen, welche eine wahre Parodie auf alle Wagen waren. Kaum hatten wir die Ruinen der Mauer des Themistokles bewundert, als wir vor einer Schenke anhielten, ja vor einer wahrhaften Schenke, wo Branntweine und gewürzte und gepfefferte Liqucure, wie sie die Griechen lieben, verkauft werden. Die Fruchtbarkeit der Ebenen um Athen ließ uns diese schandhafte Neuerung einigermaßen vergessen, und wir zogen in die Stadt ein, ohne den Tempel des Theseus, bei welchem der Weg vorbeisührte, angesehen zu haben. Alle Gasthöfe waren überfüllt, mit Ausnahme des alberp» re»ki von Ossli, wo wir ein theureS Unterkommen sanden. Ucderhaupt ist es schwer für einen Fremden, der einen Bedienten hat, in Athen weniger als eine Guinee täglich auSzugebcn. Und welche grausamen Nächte verlebt man in diesem theuren Gasthose! Die einzigen Götter und Göttinnen, denen wir bei unserer Ankunft opferten, waren die