Volltext Seite (XML)
Seite ist." Jetzt wählte Suleiman vier Vögel — die Krähe, die Eule, den Staar und den Sperling — um eine» auf fünfzehn Jahre gültigen Vertrag aufzusetzen. Dieser wurde den Befehlen deS Königs gemäß abgefaßt und unterzeichnet. Als der Simorgh von Suleiman geschieden und den Blicken jedes lebenden Wesens entrückt war, flog er nach Abend und ließ sich in der Stadt nieder, wo die Tochter des Königs eben zur Welt ge kommen. In diefer Stadt war ein Garten, ein See und ein Baum, au welchem eine mit Edelsteinen reich besetzte Wiege aus Elfenbein und Ebenholz hing. DaS Kind lag in dieser Wiege, und Ammen und Mägde saßen rings umher. Da schoß plötzlich der Simorgh so groß wie ein Berg aus den Lüsten herab. Die dienenden Frauen fielen vor Schreck zu Boden; dann rafften sie sich wieder auf und flüchteten unter großem Geschrei in das Gartenhaus. Der Simorgh aber nahm die Wiege sammt dem Kinve und flog wieder in die Lüfte. Das Zetergeschrei der Weiber hatte unterdcß die ganze Stadt aufgeschrcckt, und sobald der König erfuhr, was vorgefallen war, schickte er seine Bogenschützen dem Simorghe nach. Sie stiegen auf Pferde, sprengte» davon, machten einen großen Lärm und schossen ihre Pfeile gegen den Riesenvogel ab; aber vergebens: der Simorgh verschwand gar bald den Blicken Aller. Der König des Abendlandes kehrte ganz Untröstlich zurück in seine Wohnung, weinte, heulte und konnte sich den Vorfall gar nicht erklären. Der Simorgh aber flog über die sieben Weltmeere hinweg bis zn einem ungeheuer hohen Berge, den dichtes und dunkles Gebüsch umzog. Er stellte die Wiege ans den Gipfel eines Baumes, der auf dem Berge wuchs, und holte Milch, um das Kind zu nähren. So wuchs die Kleine, fern von aller Welt, heran. Der Simorgh sprach zu sich selber: „Ich will dieses Mädchen bis in ihr fünfzehntes Jahr erziehen, ohne daß irgend Jemand sie kennen lerne, und bann will ich sie zu Suleiman bringen, damit er und die ganze Welt mit ihm erfahre, daß es kein Verhäng niß und keine Vorsehung giebt." Jeden Morgen pflegte und nährte er das Kind mit allerlei güten und schmackhaften Dingen. Die kleine Königstochter bildete sich ein, es gäbe keinen anderen Ort in der Welt, als wo sie wohnte, und überzeugt, daß der Simorgh sie ge schaffen habe, lebte sie sorglos und in Freuden. Der Allmächtige hatte dem Vogel solche Zärtlichkeit für die Kleine eingeflößt, daß er beinahe verzweifelte, wenn er sie, als sie schon laufen konnte, einen Augenblick ans dem Gesicht verlor. In seinem fünften Jahre war das Kind gar lieblich anzuschauen, und der Simorgh zählte mit Un geduld die Tage und Stunden bis zu der Zeit, wo er sie Suleiman vorstellen und ihm beweisen könnte, wie schön er die Beschlüsse der Vorsehung vereitelt hätte. Untcrveß war der Sohn des Königs des Morgenlandes auch fünf Jahre geworden. Dieser Knabe zeigte solche Lust zur Jagd, daß er alle Tage jagen wollte. Da der König nur diesen einzigen Sohn hatte, so konnte er sich keine Minute von ihm trennen. Jeden Tag sagte er zu seinen Großen: „Thut, was das Herz meines Söhn leins wünscht, und haltet ihn nicht von der Jagd zurück." Als der Kleine sechs Jahre zählte, war er schon so klug, so schön und ein so guter Reiter, daß der ganze Hof über seine Vorzüge staunte. Er blieb ost zwei bis drei Tage im Walde, und wenn er Heimkani, rief er die Weisen am Hofe seines Vaters zu sich, die ihm dann Mähr- chen aus alten Zeiten erzählen mußten. In seinem siebenten Jahre kriegte er Lust, auf dem Meere zu jagen, und er bat seinen Baler um Erlaubniß. Der König, wohl wissend, daß jede Weigerung vergebens wäre, ließ ein Schiff mit Vorräthen auf einen Monat ausrüsten, und vertraute seinem Sohn einen treuen Diener. Außerdem gab er ihm noch reich gekleidete Pagen und allerlei große und kleine abge- richtetc Falken mit. Sobald alle Vorkehrungen getroffen waren, verließ er seine Geburtsstadt, schiffte sich ein und jagte auf der Ueberfahrt jeden Tag, bis man zum jenseitigen User gelangt war. Hier ließ er Zelte aufschlagen, bezog sie mit seinem ganzen Gefolge und jagte mehrere Tage lang an der Küste. Am zehnten Tage schiffte er sich mit Proviant auf zehn Tage von neuem ein; sic segel ten zwischen Eilanden hin nnd landeten endlich auf einer Insel, wo es Tauben und Rebhühner in Ueberfluß gab. Der Prinz liebte diese Art Jagd so leidenschaftlich, daß er Hunger und Durst darüber ver gaß. Nach zehn Tagen war schon kein Vogel mehr ans der ganzen Insel: der Prinz langweilte sich und befahl den Matrosen, ihn auf eine andere Insel zn bringen. Aber kaum waren sie eine Tagereise weit, als plötzlich ein fürchterlicher Sturm entstand; die Fahrzeuge stießen so gewaltig an einander, daß sic auf den Grund sanken. Der Prinz klammerte sich an ein Brett und schwamm so drei Tage und drei Nächte weiter, bis er an ein Ufer geworfen wurde. Hier lief er wie unsinnig vor Hunger hin und her und verzehrte, was er finden konnte. Als zwei Tage herum waren, bemerkte er ein Schiff mit Handelsleuten; er winkte ihnen, sie steuerten heran und sahen zu ihrer Verwunderung einen Knaben, so schön wie die Scheibt der Sonne. , Sie fragten ihn, wer er sep und was er an diesem Orte schaffe. Der Prinz antwortete: „Ich bin der Sohn eines Kauf mannes und befand mich mit vielen Waaren auf einem Schiffe; allein das Schiff ist mit all meiner Habe untcrgegangen, und ich allein habe das nackte Leben gerettet. Ich bin ein armer hülfloser Knabe; wenn aber Einer von Euch so barmherzig scpn will, mich in seinen Schutz zu nehmen, so werde ich ihm dienen, und gewiß wird ihn Gott in dieser oder in jener Welt dafür belohnen." Der Prinz weinte, indem er so sprach, und alle die fremden Männer weinten mit ihm. Durch Gottes Fügung befand sich auf dem Schiffe ein Weiser voin Hofe Suleiman'S, der den Knaben zu sich rief, ihn tröstete und ihm sagte: „Sey wegen der Zukunst unbesorgt!" Der kleine Prinz dankte ihm vielmal; dann versteckte er einen goldnc» Gürtel, den er getragen, im Schiffe, legte Sklavenklcivcr an und blieb im Dienste des Weisen, der ihn sehr freundlich behandelte und, nachdem er ihn als treu und klug erkannt, ihm Alles anvcr- traut, was sein eigen war. Sie reisten noch eine Zeitlang herum und kamen endlich in eine Stadt Aegyptens, wo der Prinz zwei Jahre bei dem Weisen blieb. (Schluß folgt.) Spanien. Ein Ausflug nach Majorka. (Schluß.) Ich erwähnte schon, daß der Boden von Majorka vön erstaun licher Fruchtbarkeit ist, und daß eine thätigere und weisere Bearbei tung desselben seine Erzeugnisse verzehnfachen würbe. Mandeln, Orangen und Schweine sind die Hauptanikel des Handels. O ihr schönen heSperischen Früchte, Vie ihr von so unsauberen Drachen ge hütet werbet, meine Schuld ist es nicht, daß ich euren Namen mit dem dieses unwürdigen Schwarzviehs zusammenstellen muß, auf welches der Majorkaner eifersüchtiger und stolzer ist, als auf eure balsamischen Blüthen und goldenen Aepfcl! Der Majorkaner aber, der euch anbaut, ist nicht poetischer als der Deputirte, der mich liest, ich muß also auf die Schweine zurückkommen. Diese Thiere, theuerster Leser, sind die schönsten der Erde, und der gelehrte Miguel Bargas entwirft mit der naivsten Bewunderung das Portrait einer jungen Sau, die im zarten Alter von anderthalb Jahren schon vierunbzwanzig Arroben, bas sind sechshundert Pfund, wog. Da mals erfreute sich die Schweine - Ausfuhr in Majorka noch nicht des Glanzes, den sie in unserer Zeit erreicht hat; der Vieh-Handel war der Habgier der Lieferanten anheimgefaUcn, welchen die Spa nische Negierung die Verprovianlirung anvertraut, das heißt ver kauft hatte. Kraft der ihnen verliehenen Macht widersetzten sich diese Spekulanten jener Vich-AuSfuhr und behielten sich die Freiheit einer uneingeschränkten Einfuhr vor. Diese wucherische Maßregel verleidete den Landlcuten die Pflege ihras Biehstandes. Das Fleisch wurde zu niedrigen Preisen verkauft, und da der Handel nach außen verboten war, so blieb ihnen nichts übrig, als sich zu Grunde zu richten oder die Auffütterung des Viehs ganz anfzugcben. Der Biehstand verminderte sich reißend schnell, und der vorhin angeführte Schriftsteller beklagt für Majorka die Zeit, wo es im Besitze der Mauren war, weil man damals auf dem einzigen Berge Art« mehr Häupter fruchtbarer Kühe und edler Stiere zählte, als man jetzt, wie er sagt, in der ganzen Ebene von Majorka aufzutreiben ver- möchte. Diese Vergeudung war nicht die einzige, welche das Land seiner natürlichen Reichthümer beraubte. Derselbe Schriftsteller berichtet, daß die Berge, besonders die von Terella und Gaiatzo, zu seiner Zeit mit den schönsten Bäumen der Welt bepflanzt waren. ES gab dort einen Oelbaum, der 42 Fuß im Umkreis und 14 im Durchmesser maß; diese herrlichen Wälder wurden aber von den Zimmerleuten der Marine verheert, die zur Ausrüstung der Spanischen Erpedition gegen Algier eine ganze Flotille von Kanonen-Böten daraus zu- fammenzimmcrten. Die Bedrückungen, welchen die Waldbefitzer da mals ausgesetzt waren, so wie die erbärmlichen Entschädigungen, die ihnen bewilligt wurden, erbitterten die Majorkaner so sehr, baß sie ihr« Waldungen zerstörten, statt sie zu vermehren. Die Vege tation ist aber noch jetzt so üppig und so schön, daß der Reisenve nicht daran denkt, die Vergangenheit zu beklagen, aber heutzutage, wie damals, ist sowohl in Majorka wie in Spanien der Mißbrauch eine Haupt-Macht. Doch hört der Reisende nie eine Klage, denn beim Beginn einer ungerechten Herrschaft schweigt der Schwache aus Furcht, und wenn das Uebel geschehen ist, schweigt er aus Gewohnheit. Obgleich die Tyrannei der Lieferanten aushörte, so bat sich der Biehstand doch noch mchl wieder auS seinem Verfall erhoben un». wird auch nicht eher wieder gedeihen, als bis die AuSfuhr-Erlaubniß sich nicht mehr bloß auf den Schweinehandel beschränkt. In den Ebenen erblickt, man nur wenig Ochsen und Kühe, unv aus ben Ber gen gar keine; ihr Fleisch ist mager und zähe. Die Schafe sind von schöner Race, aber schlecht genährt und gepflegt; die Ziegen von Afrikanischer Zucht geben nur sehr wenig Milch. ES fehlt dem Erd- reich an Dünger, und trotz aller Lobeserhebungen, welche die Major kaner ihrer Bcarbeitungsweise crtheilen, scheint mir baS von ihnen angcwendete Seegras doch nur eine sehr dürftige Bemistung; daher trägt der Boden lange nicht baS, was er unter einem so segensreichen Himmel hervorbringen sollte. Ich habe das kostbare Gctraide genau geprüft, das die Bewohner zu essen sich nicht für würdig halten; eS ist ganz dasselbe, welches in den Provinzen deS inneren Frankreichs unter dem Namen des weißen oder Spanischen Korns angebaut wird, und eS geräth in diesen, trotz der Verschiedenheit des Klima'S, eben so gut. Das Getraide von Majorka sollte eigentlich einen Vorzug vor dem haben, welches wir unseren harten Wintern und veränderlichen Frühlingen abgewinnen. Der Französische Ackerbau ist auch noch barbarisch genug, und wir haben in dieser Hinsicht noch viel zu lernen; der Französische Landmann besitzt aber eine Ausdauer und eine Willenskraft, die der Majorkaner als eine unerlaubte Auf- regung verachten würde. Feigen, Oliven, Mandeln und Orangen gedeihen im Ueberfluß auf Majorka; doch kann der Handel auS Mangel an Wegen ins Innere der Insel nicht die nöthige Ausdehnung und Belebtheit ge winnen. Fünfhundert Orange» werden an Ort und Stelle mit drei Franken bezahlt; um nun diese umfangreiche Last auf Mauleseln vom Inneren nach der Küste führen zu lassen, muß man noch fast eben so viel entrichten; deshalb wird auch der Anbau der Orangen bäume im Inneren deS Landes ganz vernachlässigt. Nur i» dem