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Wi^cmhch «rsibelnkn drei Nummern. Ppsnumeralio»»- Preis 22j Sgr. (s Tdlr.) möttNiätnU», Z Ttilr. nie da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen 'her Prcn«is»«n Monarchie. Magazin für die Man vrinumerirk auf dlcseS f'neraeur-Blan in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. C taaiS> Teilung Friedrich«,fr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Anölande bei den Wohttdhl. Poll - Aemiern. Litcratur des Auslandes. 9. Berlin, Mittwoch den 20. Januar Schwede n. Die Tugenden. Eine Parabel.') Eines schönen Tages bekamen es die Tugenden satt, alle ver einigt bei dem Bischof von S. zn wobnen, und sie beschlossen daher, eine Reise zu machen, um etwas frische Luft zu schöpfen. Als sic sich zu dem Ende anschicktcn, ein kleines Boot zu besteigen, trat eine arme Frau mit einem bleichen Kinde heran und bat um ein Almosen. Die Barmherzigkeit fuhr sogleich mit der Hand in den Ncisc- bcutel und holte einen Gulden hcranS; die Sparsamkeit hielt jedoch den Arm ihrer Gefährtin zurück und raunte ihr ins Ohr: „Welche Verschwendung! Gicb ihr eine Anweisung auf die Ljrmcu- Suppc." Die Vorsicht, welche stets eine gewisse Anzahl dieser An weisungen mit sich führte, ließ sich, nachdem sie nähere Erkundigungen über die Verhältnisse der Armen eingczogen,» willig finden, eine solche zu verabreichen; — die Barmherzigkeit, aufgemuutert durch emcn Wink des EdelmutheS, drückte ihr heimlich den Gulden in die magere Hand, — der Eifer überreichte ihr ein Exemplar des Pfennig-Magazins, und vergnügt und dankbar, obschon mit einem gleichgültigen Blick auf die letzte Gabe, ging sie von dannen. Schnell begannen nun die Tilgenden ihre Reise; laue Winde umspielten sie, und unter erbaulichem Gespräch über Vie letzte Pre digt des Bischofs wurden sie von hüpfenden Wellen dahingetragen'. Plötzlich zog jedoch eine schwarze Wolke am Himmel heraus. Die Vorsicht, welche sich eine neue Haube zur Reise angeschafft, ver langte, daß man ans Land gehen und Schutz gegen das nahe Ge witter suchen solle; der Muth war dafür, der Gefahr Trotz zu bieten, — die Klugheit trat jedocb der Vorsicht bei, und man ^m endlich überein, zu landen. Da bemerkten die Tugenden ein Boot, das gerade auf das ihrige lossteucrte, und dessen Passagiere äußerst munter waren und einen furchtbaren Lärm machten. ES war eine kleine Gesellschaft von Lastern, zu denen sich die gute Laune gesellt hatte und die nun höchst vergnügt reisten. Jin Vor überfahren gaben sie mit Absicht, wie es schien, dem Boote der Tugenden einen so heiligen Stoß, daß cS nahe daran war, umzu schlagen. -Der Muth brauste auf; er hielt das fremde Boot an und war im Begriff, ein Handgemenge zu beginnen, als die De muth sich jedoch dazwischen warf und auf ihren beiden Wangen die Ohrfeigen, welche die streitenden Parteien einander zugedacht hatten, entgegennahm. Der guten Laune gefiel dies so ausnehmend gut, daß sie mit einem Satz in das Boot der Tugenden sprang. Dabei gab sie dem der Laster einen so heftigen Sjoß, baß es, zur großen Bestürzung der Passagiere, beinahe umschlug und sich entfernte. Der Eifer und die Wahrheitsliebe schickten sich an, den Lastern eine Ladung von Grobheiten nachzusendcn, der Edelmuth gab ihnen jedoch ein Zeichen, zu schweigen; „denn", sagte er, „das Laster trägt seine Strafe schon mit sich." Unterdessen hatte sich die Gewitterwolke verzogen, und man setzte die Reise vergnügt und unter den angenehmsten Gesprächen fort. Die Tugenden besuchten eine Menge Städte nach einander, — überall, wo sie weilten, verbreitete sich Segen. Der Handel blühte, Vie Menschen wurden heiter, eine Menge Ehen kamen zu Stande, und man begriff nicht, woher cS sich schrieb, daß AUcS so herrlich zugmg auf Erden. Eiiies Abends, als die Tugenden in der guten Stadt Jön- - tränket, und Pfefferkuchen dazu aßen, rühmten sie sich ihres Erfolges. Die Klugheit, entzückt über die segensreichen Leistlingen, erhob sich eben, um eine Art Thronrede über den Einfluß der Tugenden auf die Menschheit zu halten, und hätte dies auch gethan, wenn ihre Augen nicht in demselben Augenblick auf die De muth gefallen waren, die ihr einen bedenklichen Blick zuwarf. Da machte nach manchem Hm- und Hcrreden endlich ein Mitglied der Gesellschaft die Motion, daß die Tugenden, da sie viel mehr Gutes wirken könnten, wenn sic nicht alle bei einander blieben, sich tren nen und über alle Theile der Erde verbreiten sollte», um, wie die Apostel, der Welt die Tugend zu predigen. Diese Motion ward Don Allen mit dem höchsten Beifall ausgenommen, doch muß ich ') Aus hem Re,MN! „Nina" lzoltiecmng Ler „Töchter des Pvä- tidenten"), von der Ver asserin der vielgelewnen „Skizze» au§ dem Alltagsleben" tKrcdnka Prcmer). bemerken, daß die Klugheit und die Mäßigung nicht anwesend waren; sie halten sich kur; vor der Einbringung der Motion beide ausgemacht, um in der Stadt die Kaffee- und Zucker-Vorräthc der Gesellschaft zu ergänze», die ziemlich zusammengcschmolzen waren. Als sie zurückkameu, versäumten sie nicht, sich gegen den gefaßten Beschluß zu verwahren; Muth und Eifer schrieen jedoch so laut, daß Vic sanfteren Stimmen kaum gehört wurden; u»v als endlich duch der Evclmuth, vom Eifer aufgehetzt, sich für die Trennung erklärte, da wagte die Vorsicht nicht mehr, ihxe'Taubcn-Stimme zu erheben, sonder» nagte an den Nägeln, schwieg und ging endlich aus, um sich ein Paar neue Schuhe zn bestellen. Am Tage darauf trennten sich die Lugende» und gingen, eine jede für sich, in die Welt, nachdem sic übercingekommen, sich am nächsten Jahrestage ihrer Trennung i» Stockholm an der Statue Gustav Wasa's auf dem Ritterhaus-Markt zu treffen und dort ein „Pleuum" zu halten über ihre eigenen und des Reiches Ange legenheiten. Der Muth schwärzte seinen Kncbclbart mit lapi^ insonmlm und wcndctc sich dem Süden zu. Auf dem Wege traf er den Ritter Don Quixote, der ihn ermahnte, ve» Ehrgeiz dcS so lange unter drückten schönen Geschlechts zu erwecken mw cS aufzumuntern zu tapferer Sclbstbüifc und Selbstvertheiviguiig. Dies behagte dem Mnthc gar sehr. Während die beide» Ritter sich über die crcigniß- rciche Verwandlung des bisher sogenannten schwächeren Geschlechts unterhielten, ritten sic an einer Kirche vorüber, auS der ein Hoch- zcitSzug kam. Die so eben Getraute war ein ausgezeichnet schönes, junges Frauenzimmer, die nicht ganz unbekannt mit rem Muth zu sepn schien, denn sic nickte ihm freundlich zu, als sie in den Wagen stieg; — dies gefiel dem Muth so sehr, daß er sie dazu anSexkor, ein Muster ihres Geschlechts zu werven, unv die erste Gelegenheit benutzte, sich bei ihr cinzuführen. WaS sich nach Vieser Einführung in der jungen Wirtbschaft zu- trng, das wissen alle Kaffee-Gesellschaften in der Stadt X., und sie haben darüber berichtet. ES wird erzählt, daß die sunge Fran un- mittclbar nach ver Trauung wie umgewauvelt gewesen und der Mann darüber beinahe toll geworden. Man hörte aus vem Munde des jungen Ehepaares nichts als Zankworte und Drohungen, die bald in Handgreiflichkeiten übergingen. Endlich forderte vie Frau ihren Mann zu einem Zweikampfe heraus, — da wurde sie jedoch auf den Antrag ihres eigenen Geschlechts in ein Irrenhaus geschickt, und es gab einen großen Skandal in Stadt und Umgegend. Die Vorsicht bekam in Stockholm in cincr Zeitung einen lan gen Artikel über diesen Vorfall zu lesen. Erschreckt über alles Unheil, das ver unweise Muth verursacht, überdachte sie alle Gefahre» und Widerwärtigkeiten, denen man ausgesetzt in der Welt, und beschloß in ihrer Weisheit, sich gänzlich zurückznziehen, überzeugt, daß vaS höchste hier zu erreichende Glück sep, mit heiler Haut davonznkom« men. In Folge dieser Betrachtung miethete sie sich bei cincr alten unverhciraihctcn Frauensperson ein, die aus Furcht vor Dieben vier Treppen hoch einige Dachstübchen bewohnte. Hier hätte die Vor sicht nun gute und ruhige Tage verleben können, wenn sic nicht von lausens Desürchtungcm »uv Vorstellungen von Gefahr geplagt worden wäre. Aus Furcht vor Feuer getraute sic sich kaum etwas zu kochen; sic besorgte, aus Mangel an frischer Luft, krank zu werden, aber an AuSgehcn war nicht zu denken; sic hätte ja vom ersten Wa gen übcrsahrrn werden können; ein Blumentopf hätte aus dem Fenster falle» und sie erschlagen können; sic hätte auf der Treppe ein Bein brechen können u. s. w. Nein, nein! AuSgehcn war rein unmöglich! Und solche Abneigung hatte sie dagegen, daß sie vor Furcht, cinmal anSgehen unv ein neues Kleid kaufen zu müssen, nicht den Muth halte, VaS alte zu tragen, das schon an mehreren Stellen zerrissen war. Zuletzt kam cS dabin, daß sie weder Hand noch Fuß mehr rührte. Mit allen ihren Befürchtungen und Skrupel» hatte sic sogar ihre Wirlhin, die alte Jungfer, angcsteckt, und alS einstmals Feuer im Hause ausbrach, wagten die beiden Freundinnen nichts z» ihrer Rettung zu unternehmen und wären unfehlbar i» den Flamme» umgekommen, wenn nicht ein Zimmermann und ein Schornsteinfeger sic auf den Rücken genommen und in Sicherheit gebracht hätte». Untcrbeß lief der Eiser in dcr Welt umher, schwitzte, schrie, predigte und stieb die Menschheit bald nach dieser, bald nach jener Richtung hin. Er riß den Bauer vom Pflug, die Mutter von ihren Kindern und den Beamten auS dem Geschäftszimmer, um ihnen andere Arbeit zu geben. Dann sprang er plötzlich davon und