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Wöchentlich erscheinen drei Nummern, 'prönumeraiion»- »rei« 22; Sgr. Tblr.) Mkrteljildrlich, 2 Tdlr. kür da« ganze Jahr, ohne Er- »»düng, in allen Tb-iUn der Vrruüischtn Monarchie. Mag a z i n für die Man vränumrrirt ans diese« Virerat»r-Z«laii in Brrli» in der Ervedirion der Allg. Pr. Tlaae«. Lemina s^riedrichsgr. Nr. 72): in der prooinz s» »n- im Äu»lande bei den SSadttödl. Poi? - Äcmiern. Literatur des Auslandes. Bcrliii, Freitag den 8. Januar 1841. Frankreich. Neiscbn'efe eines Glücklichen. Von I Janin. I. St. Etienne und das südliche Frankreich. Ich habe nicht vergessen, gnädige Frau, daß Sie mir erlaubt haben, Ihnen zu schreibe», und Sie baden mich in der That an so Viele Güte und Nachsicht gewöbnt, baß ich sehr undankbar und sehr ""gezogen seyn müßte, wenn ich Ihnen nicht einmal dieses Zeichen meiner Erinnerung und meiner Ehrfurcht wollte znkommen lassen. Ich bin als- am 24. August von Paris abgercist, allerdings etwas traurig, denn diejenigen, die ich liebe, liebe ich so sehr, und ich bin am folgenden Tage noch so ühr der Mann des vorigen, daß cö mir schwer wird, während eines Monats meine Freunde, meine süße» Träume aufzngkben. Dennoch sind wir in alter Eile und ohne größere Vorbereitungen als der Held der rmpsindsamen Reise auf- gebrochen. Nasch geht'S vorwärts, denn wir reisen mit vier 'Pferden Wie Ebeüeute. Da ist schon Fontainebleau, die Königliche Stadt; Wir begrüßen diese Masse von Schlössern, die sich in ihren Fran zösischen Gärten blähen. Am Abend machen wir Halt in einer Her berge; aus dem von Ephcu umschatteten Fenster sehen wir eine Neu vermählte vorübcrziehen. Diese Neuvermählte war nichts Geringeres, als eine junge und schöne Pariserin, noch vor kurzer Zeit die Zierde der Oper, der Bälle und der Feste, welche nun der Welt, dem Pariser Satan und seinen Stockungen entsagt hatte, um den Post meister des Orts zu heirathen. Die junge Dame lächelte uns im Börübergehen anmutbig zu; wir leerten ei» GlaS auf ihre Gesund heit. Dann aber rasch in den Wagen! „Reisen Sie nicht", sagte sie, „es wird eine sehr stürmische Nacht werden." — Nein, nicht morgen! Heute, gleich! 'Noch ist Paris nicht so fern, daß eü uns Nicht noch erreichen könnte. Rasch, i» den Wagen! den» schon ig es mir, als ob ich die Kronenleuchtcr im Theater anzünden sähe; schon höre ich die Musikanten stimmen. Und diese kreischende Stimme, welche unter dem Kulschihor seufz», ist das nicht der Mime, der seine Verse herauSsprudelti Also rasch in den Wagen! Vorwärts! Vorwärts! Da liegt schon Pouilly. Wir durch- fähren ein Sanvmeer, und man sagt uns, daß das die Loire ist. Am Abend waren wir in Moulins. Der Postillon singt, mit heiserer Stimme rin Volkslied: Junker la Palice <6 tobt; Uonkienr ptlierk k?rt mvrt; Äch? zehn Minuten vor dem Tod klu tjttiirt «t'dvttfe itVLut mvrt Da §vür er noch lehendig. kl e« vie. „Postillon, wir sind in la Palice?" — Er zeigt mit der Peitsche aus das alte Schloß. Sie denken, wie ich, daß, wo cS sich um den Ruhm handelt, nichts gering zu achten ist. Dies lächerliche Lied, das zu seiner Zeit die Herren von la Police' gewiß nicht wenig geärgert hat, ist jetzt eine Ehre und Freude für ihr Andenken. Wir wackere Leute auch diese Herren gewesen scpn mögen, so waren sie doch sicherlich um kein Haar besser als eine Menge von. Rittern, deren-Namen wir nicht inehr wissen, -«r<mc gui» vme ->ncr<>, wie Horaz sagt. Der Dichter, der Herrn von la Palice auf diese bur leske Weise besungen, hat ihm also den größten Dienst geleistet. Herrn von la Palice und Marlborough wird man noch von einem Ende der Welt zum anderen feiern, wenn von der orientalischen Ä»age langst nicht mehr die Rede ist. Wrr besuchen das Schloß la Palice, indem wir das Lied vor uns hinsummen. Von da geht'S nach Roanne. Ader welcher Him mel! Welche Berge! Nicht so rasch! Die Industrie ist noch nicht hierher gedrungen. Nicht so rasch! Die Steinkohlen haben noch nicht mit ihrem verpesteten Hauch das Grün der Felder und Saaten er stickt. Nicht so rasch! Denn bald werden das Eisen, die Steinkohlen, die die Wedestühle, die Schmelzöfen auch hier ihr un ¬ barmherziges Recht geltend machen. In FenrS — korum Kuimnwm, aber entschuldigen Sie, gnädige Frau, meine Gelehrsamkeit; man ist ja so Pedantisch, wenn man gut gelaunt ist — in FeurS begrüße ich die Statue des Obersten Combes. Endlich, einige Stunden später, zieh, ich unter einem Wirbel Von Feuer und Rauch, unter erschrecklichem Gelärm, unter dem Klappern der Webestühle, unter dem Toben der Maschinen ««d Blasebälge in meine GrburtSstadt St. Etienne rin, diesen bewun- dernSwerthen Kohlen- und AtlaShausen, von dem ich schon so ost gesprochen habe, und von dem ich immer sprechen werke. Inmitten dieses wogende» Lebens, vieles gährenven Strudels giebt cS nichts Interessanteres, als eine Seite der zu lesen, vicses schönen Romans, der in diesen Gebirgen ccfoimc» und uiedergcschriebcn wurde. Man denke sich nur zu vussen lärmenden Straßen, zu diesen geschwärzten Gestalten, zu diesen Frauen, welche man für Männer halten konnte, eine Seite der zärtlichen 'Pastorale wie die folgende: „Soll ich Ihnen das ganze Glück Philandcr'S schildern s Tausend mal hat er mir vethcnert, daß er, trotz der Ungeduld seiner Wünsche, nie glücklicher gewest» stp. NachlS stieg er i» den Garten hinab u»b Machte einen Theil derselben unter den Bänmcn zu. Daphne, welu in demscl^n Zimmer schticf, wurde dies gewähr, und da man gewöhnlich eher oas Schlimme a!S das Gute vc^nuthet, so arg wöhnte sie, daß Amivor und er sich ei» Stelldichein gäben. Eines AbendS, alS die falsche Calcirea sich wie gewöhnlich entfernte, folgte sie ihm, um sich zu überführen. Da fad sie ihn denn in «inen Garren eintretc«, der unter meinem Fenster liegt, sich hier unter tinrn Baum setzen uuv hörte ihn mit «lauter Stimme folgende Verse hcrsagcn: Diava, Deiner Schönheit Wunderpracht llcdergrahlct >eder Schöudcii Schimmer, Wie des Mondes SilderschM del Nacht Ned erglänzet andres .pichtgeftimmer.' Sic können sich nicht verstellen, gnädige Frau, welchen Kontrast die schöne durchsichtige Prosa des guten Urse, seine wohlgezogenen Ltebescmpfmdnngen, seine klingenden poetischen Namen mit der Ge genwart dieser Oerter bilden. Wo sepv Ihr, Dorinde, Macilli, Periander, Merindor, AvamaS, Flvrice, Palinice, Circine; wo sepd Ihr, Selado», Melampus, LpciduS, wo Eure strahlenden Augen, di« mit Perlen durchsiochtcncn Haare, wo die Schäfer, welche, ün Grase gelagert, so lieblich saugens Q, ibr schonen Träume dieser schönen Oerter, o, ihr schonen Oerter Vieser schönen Träume, was ist ans euch geworven? Ach! die Poesie ist entwichen, um nie wiedrr- zukchrrn; das Ideal ist entschwunden und die harte Arbeit geblieben. Der Rasen und die Quellen sind vertrocknet. Nachdem wir Lie Stadt begrüßt, wünschen wir einen gute» Tag den Freunden nnserer ersten Jahre, einen guten Tag auch den Freunden unseres Vaters, den alten Freundinnen unserer Mutter, guten Tag der Familie, den Kindern, die Dich wie einen Fremden ansehen. Dann aber wieder weiter. — „Aber doch wenigstens bis morgen, mein Bruder." — „Rein, nicht bis morgen; wenn ich bis morgen bleibe, so bleibe ich auch acht Tage, und ich muß vorwärts; also lebe wohl!" — Eine Stunde später lag der Dampf und das Gelärm hinter »ns. Wir betraten „die köstlichste Gegend aller Ge genden, welche Gallien enthält. Die Lust, die man daselbst eiü- alhmet, ist m:lv,«d.iS Klma so strich,bar, daß es nach Belieben allerlei Früchte hervorbringt. In der Mitte ist eine bezaubernde Ebene, welche die Loire durchströmt und verschiedene Bäche benetzen.'^ — Urst fügt hinzu, und wir müssen ihm wohl ausS Wort glauben: „An den Ufern dieses köstlichen Flusses hat man von jeher eine große Menge Schäfer gesehen, welche vermöge ihrcr natürlichen Sanft- muth und der Vortrefflichkcit des Klima'S nm so glücklicher lebten, je weniger sie den Reichthum kannten." Wir haben keinen einzigen dieser vielen Schäfer wicdergefundcn, wohl aber die finsteren Wälder, die brausenden Gußbäche, daS Heulen des Windes, die düsteren und hohen Berge. Niemand übersteigt fie, aber an diesem Tage zogen zwei Personen über sie bin, Se. Hochwürden der Erzbischof von Bordeaux und ich, zwei Söhne dieser Berge. Wir hatten beide das väterliche HanS wieder ausgesucht und die Linde, unter der unser Her; zum erstenmal der Liede entgegengeschlagen hatte. Die ganze Gegend war festlich geschmückt, um den Kirchcnfürsten zu empfangen; jedes HauS putzte sich aufs schönste heraus. Hört Ihr in der Ferne die Abendglocken läuten? 3» dem Hühnerhos des Pächters ist ein furchtbares Blutbad, in der erleuchteten Kirche ertönen fest licke Ge sänge, die ganze katholische Armee strömt von allen Seiten herbei, um ihren Hirten zn begrüßen. Denn diese Gegend hat von ihrer alten Poesie noch ven Glauben bewahrt. Sie glaubt, fie hofft; sie gehorcht dem Evangelium als der rührendsten Idylle, als dem er habensten Gedichte. Wohl verfertigt sie den AtlaS, welcher den Leib der weltlichen Damen deckt, aber sie selbst trägt «in einfaches Gr. «and; wohl schmiedet sie Flinten, aber auch Pflugfchaaren. Fraget doch die, welche so eilig vorübrrzirhcn, und sic werden Euch sage«, daß sie stolzer darauf find, einen Erzbischof als »inen kommandier«-