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reich in Betracht kämen, al- diejenigen Mächte, die in den Reformfragen die Führung übernommen haben. In einflußreichen Fremdenkreisen würden bereit» diejenigen Schritte erwogen, die nötigenfalls zur Er« zwingung de» Willen» der Mächte geschehen müßten. E» sei einleuchtend, daß da» Ein schreiten Europa» einen Krieg gegen die Türkei entwickeln könne, dessen Ergebnis noch folgenschwerer für die Türkei sei, als wenn sie einem anderen die Ordnung in ihrem Hause machen lasse. — Stuttgart. König Georg von Sachsen wird sich, wie der »Schwab. Merkur- be richtet, bei seinem hiesigen Aufenthalt nächsten Freitag nach Ludwigsburg begeben, um dort da» Infanterie-Regiment „Alt-Württemberg" zu besuchen, dessen Ehef König Albert ge wesen war. Au» diesem Anlaß findet dort eine größere militärische Feier statt. — München. Die am Diphthcritis erkrankte Herzogin Karl Theodor hatte eine gute Nacht. Die Krankheit nimmt einen gutartigen Verlauf. — In Wien hat die Verfolgung eines Militärballons durch Motorradfahrer mit dem Siege des ersteren geendet. — Die Strafkammer zu Bamberg in Bayern verurteilte den Bürgermeister Lahner wegen fahrlässiger Tötung einer Armen- häuslerin zu vier Wochen Gefängnis. Die Frau war im Armenhause vergessen worden und verhungert. — Der unglückliche Bayernkönig Otto vollendete am Montag sein 55. Lebensjahr. Da» Befinden de» geisteskranken Fürsten, der seine Tage auf Schloß Fürstenried verbringt, ist fast unverändert. — Der aus Marinekreisen stets wohl informierte römische „Meffagero" kündigt den Besuch einer französischen Flotte in den italienischen Häfen für Ende Mai an. — Monte Carlo, 29. April. Hier ertränkte sich ein junger Mann aus Köln, Joseph Bruck, nach Verlust von 100000 Mark an der Spielbank. — Das Ergebnis der Wahlen zu den spanische« Cortes liegt jetzt vor: Gewählt wurden 240 Ministerielle, 73 Liberale, 10 Demokraten, 6 Anhänger des Herzogs von Tetuan, 6 Anhänger Romero Robledo», 31 Republikaner, 7 Karlisten, 6 Katalonier, 2 Jntegristen, 8 Unabhängige und 2 Wilde 16 Bezirke stehen noch aus. In Magarita kam e» zu Wahltumulten, bei dem der Alcalde getötet und 6 Personen schwer verwundet wurden. — Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Verblendung. Es scheint fast, als solle das alte Wahrwort auf König Alexander von Serbien zutreffen. Kaum hat er den jüngsten Staatsstreich, das Jonglierexperiment mit der Verfassung, hinter sich, da plant er schon einen Kabinettswechsel und damit eine neue Herausforderung der stärksten Partei seines Landes, der Radikalen. Er will ihre Führer aus den Minister stellungen, die sie zur Zeit einnehmen, hinaus- drängenund obendrein eine Wahlrechtsänderung einführen, die bei allen Parteien Widerspruch finden dürfte. Aus Stadt und Land. Naunhof, den 1. Mai 1903. Naunhof. Wir machen noch besonders darauf aufmerksam, daß morgen Freitag, den 1. Mai der neue Sommerfahrplan in Kraft tritt, der mehrfache Veränderung mit sich bringt. Vor Allem ist darauf zu achten, daß mehrere Züge in der Richtung nach Leipzig einige Minuten früher abfahren als seither. In der vorliegenden Nummer ist der neue Fahrplan abgedruckt, ferner find auch die üblichen Plakatfahrpläne, auf Karton ge druckt, bereits heute in der Buchhandlung von Günz L Eule zu haben. ch Maiblume« soll man nicht im Munde tragen! Es ist jetzt die Zett der Mai blumen. Wir möchten darauf Hinweisen, daß der Saft dieser lieblichen Blume giftig ist. In dieser Pflanze sind zwei Giftstoffe ent halten. Die Gewohnheit Maiblumen einige Zeit im Munde zu tragen, kann verhängnis voll werden. -1 Als Merkzettel zum Ausschneiden und Aufbewahren für diejenigen, welche gerne Zeitungen herausgeben wollen, diene nach stehende Notiz: Wegen Wechselfälschung in 27 Fällen und im Betrage von 5000 Mk. verurteilte das Landgericht Zwickau den Buchhdl. und Buchdruckereibesitzer Schröder in Glauchau zu 1'/, Jahren Gefängnis. Schröder hatte die „Glauchauer Neuesten Nachrichten herauSgegchen und war dadurch um sein Vermögen gekommen. ch Im Verlage der Firma M. L R. Zocher ist die Sommerausgabe des „Blitz"- FahrplaneS für das Königreich Sachsen er schienen. Der Inhalt ist durch Aufnahme von 65 neuen Linien vermehrt worden; trotzdem ist dieses beliebte Kursbuch nicht un handlicher und der Preis nicht teurer ge worden. Der „Blitz" ist für 20 Pfg. in allen Buch- und Papierhandlungen, bei Bahnhoföbuchhändlern und Kolporteuren zu haben. Durch die vermehrte Linienzahl machte sich die Zerlegung des eingeschnittencn Registers in drei Teile nötig, wodurch das Auffinden der Linien außerordentlich schnell erfolgt. Die Lokalfahrpläne für Thüringen Harz, Nordböhmen, Riesen- und Isergebirge sind noch ausführlicher als bisher ausge nommen worden. Der „Blitz" enthält wieder eine klare Eisenbahnkarte, den Dampf- schlffahrtSplan, die Postkurse für Personen- beförderung, eine Hoteltafel, und die Be rechnung der Fahrkartenpreise wird durch die vorgedruckten Kilometerzahlen mit Hilfe der auf Seite 50 aufgeführten Fahrpreise per Kilometer sehr leicht gemacht. Zu beziehen durch die Buchhandlung von Günz L Eule. ch In der Residenz Dresden arbeitet man an einem gekünstelten Empfange unseres Königs weiter. In der katholischen Hofkirche soll von der königlichen Kapelle ein feierliches Tedeum aufgeführt werden; die gesamte Dresdener Studentenschaft wird am Abend des 3. Mai dem König einen Fackelzug bringen. Nach den vorliegenden Listen werden sich 6000 Damen die Schleifen in Landesfarben mit entsprechendem Ausdruck erhalten, an der Huldigung beteiligen. Welche Stimmung übrigens in einem Teile der Säugerschaft vorwalten muß, erhellt aus folgenden Rundschreiben, zu dem sich der Ausschuß der Gruppe Dresden des Elbgau- sängerbundeS veranlaßt sah. Es lautet den „Leipz. N. N." zufolge: Liebe Herren Sangesbrüder! Obwohl in der Sitzung der Herren Vereinsvorstände am 15. April durch das Ergebnis der Abstimmung — 22 für, 25 gegen — eine offizielle Beteiligung der Gruppe Dresden unseres Bunde» abge- lehnt worden ist, glaubt der ergebeyst unterzeichnete Bunde»au»schuß nach erfolgter Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Festausschüsse», Herrn Dr. Nowack und mit Rücksicht darauf, daß die beiden anderen Sängerbünde Dresden» tatsächlich an der Ovation sich ebenso beteiligen, wie die Turnerschaft und die Militärvereine, unserer sehr geehrten Sängerschaft dringend ans Herz legen zu müssen, einzig und allein im Interesse unseres Bundes (!) und au» diplomatischer Klugheit sich dennoch gesang lich an der Ovation zu beteiligen und wenigstens die beiden Proben am 27. April und am 1. Mai im Ausstellungs palast zu besuchen. (Bundeshefte: Die anderen Noten werden geliefert.) Vertrauen Sie — wir bitten recht herz lich — der wohlmeinenden Einsicht des Ausschusses und lassen Sie denselben nicht im Stich! Zweihundert Sänger werden sich doch treu zum Bunde finden. Eine Erläuterung der oben erwähnten Aussprache zwischen Herrn Dr. Nowack und dem Bundesvorsitzenden wird später gegeben. Dresden, 25. April 1903. Mit herzlichem „Grüß Gott." Der Bundesausschuß. Gebauer. Es wird sich ja wohl schließlich beim Einzüge des Königs durch allerlei Mittel eine „huldigende Menge" zusammenbringen lassen. Ob aber dem König von Sachsen damit ge dient ist, daß man ihn durch solche Kunst stückchen über die Stimmung de» Volkes hinweggetäuscht, das ist doch sehr die Frage. ch Sehr bezeichnend für unsere Zeitver- hältnisse bezüglich des privaten Bauwesens, schreibt der „Dr. Anz ", ist die Beräußerung des Gebäudes Pragerkraße 49, jenes neuen, sechsstöckigen Hauses neben dem das Kaiser- kafo enthaltenden Eckhause. Das Gebäude mußte versteigert werden. Verpflichtete Bau sachverständige schätzten seinen Wert auf 910000 Mk. (Taxe des Gerichts), 996000 Mk., 1 052000 Mk. und 1181000 Mk., und trotzvem wurde es am Freitag für nur 568000 Mk. veräußert, also weit unter dem Taxwerte. Noch drastischer wird das Ver hältnis, wenn man bedenkt, daß das Haus mit zahlreichen (I4) Hypotheken belastet war, die einer Gesamtsumme von 917000 Mk. gleichkommen. Bei der Versteigerung ist nur die erste, 550000 Mk. betragende Hypothek berücksichtigt worden, die zweite, 120000 Mk. betragende, büßt den größten Teil ein, die übrigen Hypotheken in Höhe von 1000, 4000, 8000, 10000 bis 53000 Mk. sind völlig verloren. Tief zu bedauern ist es, daß die an 15. Stelle stehenden 70000 Mk., die natürlich gleichfalls vollständig ungedeckt bleiben, die Gelder einer großen Zahl Hand werker umfassen. Es sind zahlreiche Rechnun gen inbegriffen, die nun nie beglichen werden, Verluste, die mancher kleine Handwerker schwer überwinden wird. DaS Haus bringt an Miete, wenn alle Räume vermietet sind — mehrere Gelasse sind jetzt unvermietet und haben einen bedeutenden Ausfall zur Folge gehabt — 53000 Mk., denen allein gegen- überstchen: 43 675 Mk. zu leistende Zinsen für Hypotheken-Jnhaber und andere, sowie die Hausverwaltungskosten, die jährlich (Steuern, Wasserleitung, Gaß, Zentralheizung usw.) 5325 Mk. betrugen. Leipzig. Ein Akt empörender Roheit vollzog sich an einer der Schaubuden de» Fletfcherplatze». Dort stand ein 12jährige» Mädchen und suchte durch eine Lücke de» Bretterbaues etwas von den Sehenswürdig keiten zu schauen, al» von innen ein StcÄ herausgestoßen wurde, dessen Spitze dem un glücklichen Kinde da» rechte Auge durchstieß. Leider konnte der rohe Täter nicht ermittelt werden. Zwei Kinder eine» in Leipzig wohnhaften Fleischermeisters, ein dreijähriges Mädchen und ein zweijähriger Knabe, hatten am 27. d. M. eine in der Küche auf einen Stuhl gestellte, mit heißem Wasser gefüllte Wanne umgekippt und sich derart verbrüht, daß der Knabe bald darnach an den erlittenen Ver letzungen verstarb, da» Mädchen an erheblichen Brandwunden darniederliegt. Stötteritz. In dem der Firma Ohme und Bechert in Leipzig gehörigen, an hiesiger Eichstädtstraße gelegenen Fabrikhintergebäude brach am Dienstag Morgen gegen 3 Uhr Feuer aus. Dasselbe griff in kurzer Zeit rapid um sich und äscherte da» Grundstück bis auf die Umfassungsmauern ein. 6 aus wärtige Spritzen waren an der Brandstelle erschienen, hierunter auch je eine Land« und Dampsspritze von Leipzig. E» kamen sämt liche Spritzen in Tätigkeit, da e» insbesondere galt, die übrigen Grundstücke vor Brand schäden zu bewahren. Den vereinten Kraft anstrengungen der schnell nacheinander mit sechs Spritzen erschienenen Wehren gelang e« nach 5 Uhr dem Feuer insoweit Einhalt zu tun, daß die Nachbargebäude als geschützt erschienen. Zwei Waldbrände gab e» bei Werms dorf am Sonntag Nachmittag. Während der eine, auf tzubertusburger Revier, Abt. 68 (Bulterweg), nur 25 bis 30 Quadrat meter vernichtete, nahm der andere Brand auf Wermsdorfer Revier, Abt. 11, größere Ausdehnung an. Ihm fielen ca. 20 Ar größerer Bestand zum Opfer. Beide Brände sind auf Fahrlässigkeit im Gebrauch von Streichhölzern oder dergleichen zurückzuführen. Weinböhla. Die Herren Baumeister Otto L Schlosser in Meißen beabsichtigen hier eine Gasanstalt zu errichten. Zur Ge winnung von Unterlagen über die Ausführ barkeit des Unternehmen» gelangen derzeit Fragebogen zur Austragung. — Gestern Vormittag wurde unweit des Restaurants „Zum Waldfrieden" ein Fuchsbau ausgegraben. Herr Förster Rentsch sandte seinen Dachs hund in den Bau, der die alte Füchsin stellte. Nach mehrstündigen anstrengenden Aus grabungen gelang e», das Nest zu ermitteln und einen alten und fünf kleine Füchse ein zufangen. Rosse«. Wie der hiesige „Anzeiger" berichtet, wurde nahe bei Moldau ein dem Beurlaubtenstande angehörender ehemaliger österreichischer Soldat von einem österreichischen Gendarm erschossen. Der Erschossene hatte zweimal Ordre zur Ableistung einer Uebung bei seinem Truppenteile er halten, sie jedoch nicht beachtet. Der Gen darm griff zur Waffe, da sich der Mann der Arretur widersetzte. Der Klempnermeister Julius Würkert in Leisnig wurde anläßlich seines 50 jährigen Meisterjubiläums von der Klempnerinnung Aermißt. Roman von Ewald August König. 5 „Aber ich kann nicht von ihm lassen, Papa," klagte Erna, die thränennassen Augen mit flehendem Blick zu ihm ansschlagend, „ichwürde grenzenlos unglücklich werden." „Dummes Zeug!" fiel er ihr mit einer energischen Handbe wegung ins Wort, „Redensarten, die Du einmal in einen: Ro man gefunden hast. Bedenk' doch nur, wie viele Bräute jetzt von dem Verlobten lassen müssen. „Theobald Weimar ist auch Sol- dat, er muß heute oder morgen schon marschieren ; ihn kann so gut eine Kugel treffen, wie jeden anderen. Na, was dann? Einige Thronen werden geweint, und nicht lange dauert's, so isterver- gessen. Also, mach' es auch jetzt so, denk', er sei nicht mehr unter den Lebenden." „Wie wäre mir das möglich, Papa?" ! „Möglich ist alles, wenn man nur will. Und ich will es, und Deine Mama will es auch, damit basta! Dem Sohne eines Zucht häuslers kann ich meine Tochter nicht geben, das müßtest Du doch einsehen, und darin, daß Du ihm entsagen sollst, sehe ich wahrhaftig kein Unglück." Erna bedeckte die Augen mit dem Taschentuch und schwieg. Sie hatte schon am Abend vorher alles gesagt, was sie zur Ver teidigung ihres Verlobten und ihrer Liebe sagen konnte; sie wußte, daß es fruchtlose Mühe war, die Anschauungen der Eltern zu bekämpfen. „Gütiger Himmel, wie viele Worte um eine Sache, die unab- änderlich ist," nahm nun die Mutter wieder das Wort, während sie einen Blick in den Spiegel warf, und die koketten Löckchen auf ihrer Stirn ordnete. „Man verbietet dem Herrn einfach das Haus, damit ist die Sache abgemacht. Wegen einer solchen jämmerlichen Partie Thränen zu vergießen, ist einfach lächerlich. Ich war mit dieser Verlobung niemals von Herzen einverstan den ; mit Deiner Schönheit und Deinem Reichtum kannst Du auf einen Baron Anspruch machen, Erna " „Na, na, da hinaus möchte ich doch nicht," sagte Unger kopf schüttelnd. „Ein armer Edelmann mit seinem Hochmut und sei nen noblen Passionen könnte mir auch nicht dienen." „Wir haben die Mittel, uns diesen Luxus zu erlauben," er widerte seine Frau, das Haupt stolz erhebend, und Du wirst für unser Kind gern ein Opfer bringen, wenn sie Baronin werden kann. Wie gesagt, das kann alles noch werden, nachdem die Ver lobung mit diesem Manne gelöst ist. In den dunklen Augen Ernas blitzte es nun doch zornig auf; es verletzte sie tief, daß man in dieser frivolen Weise über die innersten Gefühle ihres Herzens reden konnte. „Ich werde nim- mermehr von dem Geliebten lassen," sagte sie, aber schon im ersten Moment schlug sie vor dem höhnischen Blick der Mutter die Augen nieder und sie hatte nur noch den Mut, in schüchter nem Tone hinzuzufügen, daß sie nur an seiner Seite glücklich werden könne. „Dummes Zeug," brummte der dicke Herr, der nrit dieser Redensart stets zu antworten pflegte, wenn er eine ihm unlieb- same Bemerkung nicht mit Vernunftgründen zu wiederlegen wußte. „Von der Liebe allein kann man nicht leben und glück lich ist man nur, wenn man reich ist, wenn man die Mittel be sitzt, jeden Wunsch zu erfüllen." „Erna weiß das," fügte seine Frau mit gelassener Ruhe hinzu, „sie wird nicht so thöricht sein, an einem Manne fcstzuhalten, der ihr diese Mittel nicht bieten kann. In Romanen kommt es wohl vor, daß ein reiches Mädchen sich von einem armen Schlucker entführen läßt und mit ihm glücklich wird, aber in Wirklichkeit sind die Folgen anders. Wir drohen anch nicht, wie es in Ro manen geschieht, mit unserm Fluch; wir würden uns einfach sa gen, daß wir keine Tochter mehr haben, und von Verzeihung und Versöhnung könnte nach solchem Ungehorsam keine Rede mehr sein." „Ganz meine Meinung," nickte Unger, „und nun, denke ich, sind Worte genug darüber verloren worden. Dn wirst die Briefe und Geschenke, die Du von diesem Manne erhalten hast, ein packen, Erna, und ihm alles heute noch zurückfenden; er muß mit voller Bestimmtheit wissen, daß er nichts mehr zu hoffen hat. Ich verlange Gehorsam, ich habe damals Dir zu Liebe in die Verlobung eingewilligt, nun bringe auch mir zu Liebe ein kleines Opfer, das schließlich doch nur Dir zum besten ge- reichen wird, dann bleibt in diesem Hause der Friede erhalten." Erna hatte sicherhoben, warf noch einmal tief aus ihren thrä- nenumflorten Augen einen vorwurfsvollen Blick auf die Eltern, dann ging sie schweigend mit wankenden Schritten hinaus. „Sie wird's überwinden," sagte die Mutter mit einem ge ringschätzenden Achselzucken, während sie die Zeitungen wieder aufnahm, „vielleicht fällt er schon in der ersten Schlacht." Sie brach ab. Ein galonierter Diener war geräuschlos ein getreten und meldete den Besuch des Herrn Weimar. „Sollen wir ihn hier empfangen, Emma?" fragte der Rentier mit einem bedeutungsvollen Blick auf das silberne Frühstücks geschirr. „Weshalb nicht?" erwiderte sie sehr gleichgiltig. „Wir lassen den Herrn bitten," wandte sie sich zu dem Diener. Einige Minuten später trat Theobald ein. Er wußte bereits, was ihn erwartete, war ihm doch früher nie zngemutet wor- den, draußen zu warten, bis er angemeldet worden. Er war sich keiner Schuld bewußt, und der Groll über diese demütigende Behandlung loderte jäh in ihm auf und blitzte aus seinen Augen, als er in das hochmütige Gesicht Ungers blickte, der seinen Gruß nur kühl erwidert hatte, während die schöne Frau ihn nicht ein- mal soviel Beachtung schenkte, daß sie von der Zeitung aufblickte. „Sie werden das Schicksal meines Vaters bereits kennen," nahm er mit erzwungener Ruhe das Wort, während er sich in demfel- ben Sessel niederließ, in dem kurz vorher Erna gesessen hatte, „ich habe Ihnen oft genug gesagt, daß er schuldlos ist, ich be haupte es auch jetzt noch." „Sie werden es beweisen müssen, wenn wir es glauben sol len," sagte der dicke Herr, der eine gewisse Verlegenheit nicht ganz verbergen konnte. „Ich habe gestern abend noch mit dem Advokaten über diesen Fall gesprochen, auch mit dem Verteidi- ger Ihres Vaters; die Herren teilen Ihre Ansicht nicht." „Ich werde die Beweise suchen, und ich hoffe sie zu finden," erwiderte Theobald in zuversichtlichem Tone. „Wo? In Frankreich? Sie werden ja nun auch wohl die Uniform wieder anziehen müssen?" „Ich erwarte stündlich meine Einberufungsordre. Der Krieg wird wohl nicht allzulange währen, dann beginne ich mit mei ner Aufgabe, die meinen armen VaterEhre und Freiheit zurück geben soll." „Wenn Sie glauben, diese Aufgabe lösen zu können, dann begreife ich nicht, daß Sie sich nicht vor der Verurteilung Ihres Vaters damit beschäftigt haben," spottete der korpulente Herr. „Konnte ich denn an die Verurteilung eines Schuldlosen glau ben?" entgegnete Theobald gereizt. „Jedermann hätte Ihnen sagen können, daß an ihr nicht zu zweifeln sei. 107,20