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ner die wörtliche und ost noch nachträglich verbesserte Rcproductiou seiner Rede gebieterisch verlangt; der Redacteur der höheren Tri» büne dagegen ist ein unabhängiges Wesen, dessen Willen oder Ca price es überlassen ist, seinen Lesern das ihm gut Scheinende oder, doch stets nach Recht und Billigkeit, das Lächerliche aus den Reden seiner Gegner zu geben: daher in gewissen Journalen die vollstän dige Mittheilung der Reden dieser oder jener Herren und die be lustigenden Citate aus den Reden Anderer. Aus dieser Verschieden heit der Stellung ergiebt sich eine sehr leicht begreifliche Thatsache, daß nämlich die Redner bei den Einen als Pflicht betrachten, was sie von den Anderen als Gefälligkeit ansprcchen. Pairs und Depu- tirte begreifen sehr gut, dass der offizielle Moniteur nirgends gelesen wird, während man in allen Schlössern, allen Salons, allen Kaffee häusern in Paris und den Departements den vourrier b'rsnxais, den Lonstikutionnel, die Huytistiennc, das Liecie und die 6are,t« üe Unc« bekommt und es für den Deputirten, der wiedererwählt werden, wie für den Pair, der sich populair machen will — denn die Pairskammer strebt jetzt nach Popularität — wichtig ist, daß man in den viel gelesenen Journalen nicht bloß liest: Herr N. be kämpft das Amendement, oder: Herr N. hält zu Gunsten dcS Gesetz- Entwurfs eine Rede, die das Geräusch der Privatunterhaltungen uns zu hören verhindert, und da die Kammern jährlich im Budget fünftausend Franken monatlich für die Hülfs-Stenographen, die der Moniteur während der Session braucht, bewilligen, so fordert man von dem Einen und bittet von den Anderen. Wir führen- folgende Thatsache zum Belege unserer Angaben an. Der Redacteur eines der verbreitetsten Journale ersuchte schrift lich einen sehr bekannten Deputirten, ihm für die Sitzung des fol genden TageS zwei Eintritts-Billets zu verschaffen. Der Deputirte, ein Mann von vielem Geist, antwortete ihm folgendermaßen: „.Mein Herr, ich beeile mich, Ihnen die beiden Entree-Billets, die Sie für die morgende Sitzung verlangen, zu schicken. Bei dieser Gelegenheit ersuche ich Sie, künftig die „Gelächter" am Schluffe aller Phrasen meiner Reden gefälligst wegiaffen zu wollen. Ihr ergebenster u. s. w." (Schluß folgt.) Italien. Die Bauern der Romagna. (Fortsetzung.) Die Romagnolen halten alle Tage sür verhängnißvoll, in deren Namen ein R ist, also Dienstag, Mittwoch und Freitag (iNarleüi, ^lercnlvüi, Venerüij; den Planeten Mars und Merkur sind immer schäd liche Einflüsse zugcschriebcn worden: der Freitag hat erst als der Todes- tag Christi eine üble Vorbedeutung erhalten. An Freitagen beginnen die Frauen der Romagna keinerlei Arbeit; das Zeug, welches sie an einem solchen Tage zuschneiden wollten, würde reißen und von den Motten verzehrt werden, Nätbe, während seiner Dauer gemacht, würden auSeinandergehcn, ein Freitagshemd würde stets voll Unge ziefers skpn mW auch sonst demjenigen der es trüge, Hautjucken ver ursachen. Sodann hängen die ganzen Monate von ihren Planeten ab; der März, der Marsmonat, ist schädlich, sonderlich für die Hül- scnfrüchtc; nur wenn fünf Freitage in seine Dauer fallen, wird sein verderblicher Einfluß gebrochen, worin wohl keine christliche, vielleicht eine Beziehung aus das Uebergewicht des Venusgcstirus liegt. Endlich tritt auch das Jahr selbst in den Streit des Lichts und der Finsterniß ein, welcher sich sonst nur innerhalb seines Kreises, durch Sommer und Winter, gute und böse Monde, glückliche und unglück liche Zeiten, Tag und Nacht vollführt; das Schaltjahr nämlich ist unglücklich; jede Arbeit, welche sich irgend aufschicbcn läßt, unter bleibt; man pflanzt nicht, man pfropft nickt, man versetzt nicht, man macht keine Senker; denn das Jahr des bi.^rll« ist ein Ver- dcrbjahr, ein Fauljahr. Um die Wetterregeln der Romagna, welche, an Heiligcntage und kirchliche Zeiten geknüpft, sich auf die Abhängig keit der verschiedenen ländlichen Arbeiten von Frost und Hitze, Dürre und Nässe beziehen, mit denjenigen, welche bei unseren Bauern her kömmlich sind, in Vergleich zu stellen, wird eine Ucbersicht des dor tigen Wirthschaftsjahrcs dienlich sevn. Nicht alle Vorsichtsmaßre geln, welche, namentlich in Nord ^Deutschland, angewendet werden, um die Gewächse vor Kälte zu schützen, find in der Romagna nöthig, aber doch einige; junge Pflanzen wenigstens werden mit Stroh gedeckt, vorzüglich im Januar. Im Ucbrigcn geht dieser Monat meist mit Vorbereitungö Arbeiten hin; man bringt die Gränzgräbeu in Ordnung, macht Abzugskanäle und Wafserlcitcr für die Getraide- feldcr, bessert Hecken und Zäune aus, und bei trockenem Wetter wird Rohr geschnitten. Maulbeerbäume und alte Weinstöcke, welche im November versäumt worden find, werden nunmehr ausgeputzt, die Maulbeerbäume und Oliven vom Moose gereinigt, zum Theil auch, wenn dies nicht schon in den vorigen Monaten geschah, umhackt und gedüngt. Manche düngen zugleich ihr Hansland; das Malsfeld wird umgcgraben, auf Flachs- und Kornfeldern ebenfalls die mag^iarica (Umbrechung) für die Märzsaat vorgenommen und das Gartenland rajolt und mit Dung befahren. Im Februar wird die Graben- Arbeit fortgesetzt; besonders sucht man dem stockenden Wasser Abfluß zu verschaffen, und wenn kein Schnee mehr zu fürchten ist, so wervcn die Liniengräben für den Weinbau gezogen ((„ssi zwi Mani). Mit dem Rohrschneiden fährt man bei trockener Witterung fort. Man pflanzt Hecken, besonders Fliederheckcn. Die Wiesen (prall), welche erneut werden sollen, werden gepflügt. Bäume verstutzt man («caporrarej und bricht Reisig zur Feuerung; die Weinstöcke aber werden nicht angerührt. Die Feldarbeit wird fortgesetzt; im Garten die Aussaat von Kohl, Salat und allerlei anderem KüchcngrwächS besorgt. Im Februar Pflegen Schnee nnd Regengüsse mit einander abzuwechseln, während schon einzelne heiße Tage eintreten; darauf zielt das Sprüchwort: v» i so ms! reUrriol Kein Februar tinbt statt, kllo 'allstes, e caa »I or (vmdea). Daß Ler Hund nicht suche Schatt'- Bei uns bekanntlich ist Schnee und Kälte begehrt. „Die weiße Gans im Februar brütet wohl", und „zu Lichtmeß sieht der Land mann lieber den Wolf im Schafstall, denn die Sonne." Dem Ro- maanolen ist die Sonne erst im März verhaßt, nicht weil er Spät fröste fürchtet, sondern weil er Regen braucht. Hierauf bezieht sich eine seltsame Sitte; die Buben steigen am I. März auf das Dach, machen der Sonne diejenige feine Geberde, mit welcher Mephistopheles der Here seinen Adel illustrirt, und singen dazu: 8»I st'IAerr curum e cul, s nom cur' etur (8ole <Ii Uarro, cuneimi ii c., ins non cuncere aualcb' slcra cnsa). Der Deutsche Bauer behauptet da gegen: „Märzenregen sollst aus der Erd' fegen." Im März werden die Arbeiten für neue Rohrpflanzungen begonnen; die Rohrstäbe werden bekanntlich in Italien überall in großer Menge zum Tragen der Weinguirlanden gebraucht. Man besäet die Pflanzschule, jätet fleißig, verstutzt die Bäumchen vom vorigen Jahre, mit Ausnahme der Oelstämmchen, welche erst im dritten Jahre verstutzt werden, verpflanzt Bäume aller Art, säubert die Spalierbäume vom vorigen Jahre und lockert (vaugarv) das Erdreich üb«: den Wurzeln auf. Man behackt den Weinberg, beschneidet die Ranken, jedoch nur vor dem Ausbrecher, der Augen (sü occblo uwrto) und bei abnehmendem Monde, steckt man Pfähle und beginnt mit dem Heften. In den ersten Tagen des Monates aber nimmt man keinerlei Arbeit in den Obst- und Wein- Pflanzungen vor, denn man sagt, der Hundsstern dringe für Holz- fällen, Beschneiden und Verputzen der Obstbäume eine unglückliche Stunde, deren genauen Eintritt man nicht kenne. Aehnlich warnt das Deutsche Sprüchwort: „Zu Anfang oder zu End', der März seine Gifte sendt." „Zu End'" möchte das Aequinoctium im Spiele feyn, an welches auch die Romagnolen sich häufig erinnern, indem sie den Reim absingen: »er-, »l-rrott, März, Märzeleln, D»ul e Se qllllllt e voll. Tag und Nacht überein. Im Uebrigcn ist der März ein großer Saat-Monat. Man säet Märzenkorn, Flachs, AnieS und Hirse, also um Einiges früher als bei uns, wo „Sankt Ezechiel's Tag (lv. April) zum Leinsäen der beste Tag" oder auch „Sankt Urban, Tag (2S. Mai) Hanf und Flachs gesäet werden mag." DaS Maisfeld wird vorbereitet; das Gartenland für neue Saaten umgerodet, besonders für Hülsensrüchte; nur die Märzenbohnen (kav- marrollne) werden schon gelegt; man legt auch Gurkenkerne. Die Rückung der Monate gegen unser Jahr geht ferner noch über den März hinaus. Bei uns gilt im März viel Blühen für gefährlich und ist selbst im April nicht ganz er wünscht: „Märzenblut ist nicht gut, Aprilenblut ist halb gut, Maien- blut ist ganz gut." Der Romagnole aber sicht im März schon mit Freuden die Blüthen- und Farbenpracht beginnen. Er sagt: klerr « März färbet was, e tpenr, April malet bas, L ein r ä' boo» forma Schön aber, schön ist erst, I)' Llarr US arlor»-. Was im Mai wiedertehrt- Im April werden die Rohrflcckc noch zum Theil gegraben und mei stens bepflanzt. Auch pflanzt man Oliven, beschneidet die älteren Bäumchen und nimmt besonders das wilde und dürre Holz von den Stämmen weg, düngt auch die alten Bäume, wenn eS nöthig befun den wird, indem man Asche einmischt oder manchmal Schutt (c»Icl- naccio). Den Maulbeerbäumen wirb die Erde um den Stamm her auf gelockert; das Kopulircn (» tagst») ist in diesem Monate vorzüglich im Gange. Man bepflanzt die verschiedenen Weinanlagen (vignv und iiloni). Man säet Hanf und Mais, legt Kartoffeln, richtet das Reisfeld zu und macht die Aussaat auf demselben. Im Garten säet und pflanzt man vielerlei. Erbsen werden besonders in den ersten Apriltagen gesteckt, welche die Tage der alten Mütterchen (stell» veccstia) heißen, vielleicht noch von den Römischen Cerealien her, zu deren Feier im Anfänge des April die Matronen sich vereinigten. Im Mai wird an einigen Orten, z.B. in der Gegend von Nimino, mit dem Rohrpflanzen fortgcfahren. Unverständige Bauern fangen au, den Wein zu behacken. Indessen pflanzt man bisweilen noch Reben, besonders in schwachen Jahren. Auch macht man gern Sen ker. DaS Weizenfeld wird zum erstenmal beackert, desgleichen das Maisseld behackt und Erde aufgcschüttct. In diesem Monat findet die Schafschur statt. Der Juni bringt die Heumad und deshalb große Arbeit und große Schmauserei; nachher werden die neuen Wiesen gepflügt. Zugleich wird das Korn geschnitten und in Gar ben gesetzt. Den Mais behackt man zum zweiten Male. An Bäu men giebt eS mancherlei Arbeit; die Bäumchen, welche zu voll- saftig scheinen, werden geschröpft, was bei uns schon im April und Mai zu geschehen Pflegt; die Maulbeerbäume werden gekappt, besonders wegen dcS Pfropfens, welches bald darauf beginnen soll; Die Reben werden gegipfelt; au sumpfigen Orten werden noch Sen ker gemacht. Im Jul, geht das Behacken und Verputzen der Bäume fort, besonders der Maulbeerbäume und Wcinstöcke; in sehr nassem Boden werben Senker erst jetzt gemacht. Man betreibt das Pfropfen inS schlafende Auge (a sonst,nco oder ast occln» Man»). Der Mais erfährt seine dritte Zappatur. Der Lein wird geschnitten, gebunden, getrocknet, auSgeschlagcn, eingeweicht; dann übernehmen die Weiber das Uebrige. Auf der Tenne wird Korn gedroschen, auch werden daselbst Hülsensrüchte, besonders die großen Bohnen (kave), auSge- schlagen. Im August werden dann die Linsen und Erbsen, welche zur Winterkost aufbewahrt werden sollen, im Ofen gedörrt. Man behackt das Bohnenland wieder nnd dünget cs nach dem ersten Re- gen, auch säet man Lupinien. Der Weizen wird zum drittenmale