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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrLnumcralirn«- >Srei« 224 Sgr. (j THIr.) viertetzihrtzch, Z Thlr. für La« ganze Jahr, ohne Er tz »Lung, in allen Tbeelen Ler Preußischen Menarckie. Magazin für die Man priinnmerirt auf Liese» kiteratur-Llatt in Berlin in Ler Expedition Ler AUg. Pr. Staats-Zeitung (Friedeichsgr. Rr. 72); in Ler Provinz so Ivie im AuslanLe bei Len WohllStzl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. 6 Berlin, Mittwoch den 13. Januar 1841. Frankreich. Die Stenographen bei den Kammer-Verhandlungen.") Wir wollen hier nicht von dem eigentlichen Stenographen spre chen, jenem gewissenhaften, immer gleich ruhigen Schüler PrepeanS und Taylor's, der mit derselben Genauigkeit die Worte des Herrn Fulchiron oder die des Herrn Lamartine wiedergiebt, der mit gleicher Sorgfalt und, ohne sich etwas dabei zu denken, die Reden Odilon Barrol's oder Jollivel's, Jacfluc's, Lcsävre'S oder Verrper's nach- schrcibt, von dem Stenographen endlich, unter dessen unermüdlichen Fingern jene zahllosen Supplemente entstehen, womit die Witwe Agaffe oder ihre Erben während der Zession unaufhörlich diejenigen ennuyiren, die durch ihre gouverncmcntale oder administrative Stel lung dazu vcrurtheilt sind, den „Moniteur" zu empfangen und zu lesen. Die Stenographen des Moniteur bilden gewissermaßen das Armee-Corps, das Gros der parlamentarischen Presse; die redigirenden Stenographen der höheren Tribüne bilden die leichte Kavallerie der selben, die TirailleurS, die Kosaken, wenn man will. Sie müssen das schwere Talent besitzen, sich eine Abbrcviaturmethode zu schaffen, vermittelst deren sic im Stande sind, statt einen trockenen, kalten Be. richt von den Sitzungen zu geben, ihre Leser mitten in die lebhaften und aufgeregten Diskussionen hinein zu versetzen; ihnen muß die Kunst gegeben sepn, mit einem Takt und Geschick, die wohl ihr Ver dienst haben, sich den Forderungen des Formats und der Meinung threö Journals anzubcquemen; besonders aber müssen sic es verstehen, aus ihrem Bericht alles Neberflüsstge, jede Wiederholung zu cntfer- neu, den Redner, nach einem auf der Tribüne hergebrachten Ausdruck, „waten" zu lassen, wen» er „im Kothe patscht", überhaupt Alles, was den Fortschritt der Debatte hemmt, mit Stillschweigen zu übcr- heben dellen Aves, was ihr Klarheit und Relief zieht, hervorzu- Der redigirendc Stenograph hat allein das Recht, seine Sitzung zu dramatisiren oder sie pikant und heiter zu machen, je nachdem die Diskussion ernst oder, was zuweilen vorkommt, bis ins Lächerliche spaßhaft war. Ihm liegt es ob, mag er an einem ministeriellen Blatt oder an einem Journal der Opposition Mitarbeiten, die Herren S... oder B... Französisch sprechen zu lassen oder ihr ledernes Gewäsch zu wiederholen, die Reden selbst der Herren D... und C ... klar und gedrängt zu machen und an der rechten Stelle die gehört, gen Parenthesen einzuschalten, als da sind: „Gelächter", „anhaltende Sensation", „Beifall", „Mißbilligung", „sehr gut", die glänzenden Tiraden eines Redners mit den Worten: „Herr N. N. empfängt, indem er die Bühne verläßt, die Glückwünsche seiner zahlreichen Freunde", zu begleiten oder unter eine Rede, die ihm im Manuskript vor der Sitzung mitgetheilt worden, zu schreiben: „Eine lauge Auf regung folgt auf diese glänzende Improvisation; die Sitzung wird auf einige Augenblicke suspcudirt", u. s. w„ und andere ähnliche Verzierungen Hinzuzuthun, welche seiner Darstellung das geben, was man allgemein die Lokalfarbc zu nennen beliebt hat. Gegen diese leichten Truppen der Presse, die sich besonders in Scharmüzeln, Uebcrraschungen, Vorpostenkämpfen gefallen, sind die ernsten und schweigsamen Stenographen des Moniteur sehr achtbare, aber auch sehr zu beklagende Wesen; auch sicht man sie nicht ohne ein Gefühl von Mitleid alle fünf Minuten mit gravitätischem Schritt sich nach ihrem Platz am Fuß der parlamcntarischcn Tribüne in dem für die AuSerwählten rcservirten Umkreis binbcwegen, wo sic gezwum gen sind, vor der Versammlung ein gewisses Dekorum zu beobachten. Besonders bedauert man sie, wenn man sie sehnsüchtige, neidische Blicke aut jene heitere Tribüne der Journalisten werfen sieht, wo cln Epigramm, ein Bonmot das andere jagt und wo gewisse ehrbare Männer eben so erbarmungslos zergeißelt, als andere enthusiastisch vergöttert werden. Hier ist der Ort, wo nian ohne Rücksicht auf dle politische Partei, der er angchört, dem großen Redner vollständige Gerechtigkeit widerfahren läßt; hier werden vor der Eröffnung der Sitzung die ernsten Fragen, die gerade der Gegenstand der parla- mentarische» Kämpfe sind, besprochen und ans dem, was bisher ge sagt worden, auf das, was noch kommen wird, geschlossen; hier giebt man sich ganz dem Genuß hin, Berrper anzuhören, den man schon, mit den Händen hinter dem Rücken, in einem der Couloirs auf und „ '1 Aus LON vei»>n«, einer Reitze von Skizzen, die al» Fortseoung Lee lix pciot'i eux-mi-rue.'» attzuschh'» ist. abgehcn sieht, über eine jener glänzenden Haranguen sinnend, die man nie ganz treu wiederzugebcn vermag, weil man der Lockung, mehr zu hören, als zn schreiben, nicht widerstehen kann; denn, nian muß es sagen, Berrper ist der Schrecken der Journalisten auf der Tribüne sowohl als vor den Schranken. Bei ihm kommt man nicht mit jenen Hülfsmitteln aus, die bei anderen Rednern so gute Dienste leisten; wehe dem Stenographen, der sich auf Berrpcr's eigene Noten verläßt: Berrper schreibt nichts auf, die Fakta, die Data, die Zahlen sind alle seinem Gedächtniß mit wunderbarer Sicherheit und Ord nung cingeprägt; dazu füge mau noch das mächtige Organ, das imponirende Gcberdenspicl und den hinreißenden Fluß der Rede, und nun versuche man es einmal, eine Rede Berrper's wicdcr- zugcbcn, und zwar so, daß sie den Leser eben so elektrisirt, als den Zuhörer: vergebens, es ist unmöglich, man kann seinen Freun den nur rathen, den großen Redner lieber selbst zu hören, als ihn zu lesen. Ihr seht, wir vcrrathen die Geheimnisse der Kunst. Doch glaube man ja nicht, daß man in der Journalistenloge nicht arbeitet: das wäre ein großer Jrrthum. Wenn die Versammlung, ganz Ruhe und Aufmerksamkeit, eine jener schönen beredten Er gießungen hört, in welchen die höchsten Interessen des Landes, seine Ehre, sein Ruhm, seine Größe, mit hinreißender Wärme besprochen werden, dann herrscht in der Loge der Journalisten ein feierliches Schweigen, kaum unterbrochen durch das Geräusch der über das Papier fliegenden Federn. Dann wehe dem, der sich einen Scherz erlauben, nur ein Wort auSsprechen würde; in den großen Debatten ist cS nicht einmal erlaubt, zu husten. Dann muß man aber auch den nachschreibendeu Journalisten sehen, um ihn ganz kennen zu lernen: sie bieten ein kurioses Schau spiel, diese Menschen, die, ganze Stunden aufmerksam dasitzend und kaum zu athmen wagend, alle ihre Kräfte, ihre Phantasie, ihr Ge dächtniß, ihre Fassungskraft durch die Gluth der Arbeit exaltircn, di» mit dem Blick von den Lippen des Redners ein Wort holen, das ihrem Ohr entgeht, und deren rasche, unermüdliche Hand den ab straktesten, tiefsten Gedanken, wie die glänzendste wohlklingendste Periode, in Hieroglpphen übersetzt, zu denen sie allein den Schlüssel besitzen. Zum Glück erfordern nicht alle Sitzungen eine gleiche Anstren gung: wer könnte auch sechs Monate hindurch bei einer solchen Ar beit aushalten! Die Redactcure haben von Zeit zu Zeit ihre Erho« lungssttzungen, wo viel abgcstimmt wird, wo die Berichterstatter der Kommissionen ihren Anträgen endlose schriftliche Berichte vorauSge- hen lassen, die den geduldigsten Lescr ermüden würden und die jedes nur irgend vernünftige Journal seinen Lesern erspart. Auch ist das Kapitel dcr politischen Rücksichten nicht zu vergessen; diese sind zwar nicht für alle Journalisten dieselben, aber jeder hat die Seinigcn. Halt ein! wird hier mancher strenge Ccnsor rufen; wenn du in weite- res Detail eingehst, wirst du am Ende die ganze „Küche" der Jour nale, wie Herr Janin in seinem Brief an Madame Emilc Girardi» sagt, ver Oeffentlichkeit prcisgeben: aber warum nicht? Warum sollte dieser unabhängige Thcil dcr Presse nicht offen bekennen, was sie thut? Weshalb tadelt man sie? Man nenne das große Talent, das sie getödtet, die parlamentarische Null, die sie in die Höhe geschraubt! Haben etwa die von den verschiedenen Ministerien den Journalen bewilligten Unterstützungen Berrver die Palme der Beredsamkeit cnt- risscn? Hat der Parteigeist die Mailgums, die LamartincS, die Odi lon-Barrots, die Aragos, die Garnier-Pages verhindert, große Redner zu sepn? Nein, diese unabhängige Presse, die man verleum det, hat die Dorf-Reputationen, die sich auf die Tribüne verirren, aus ihren wahren Werth reduzirt; sie hat sich nicht gescheut, die geistreichen Angriffe, die sie von Seiten des Grafen I .... erfuhr, wiederzugebcn, aber sie gab auch mit derselben Gewissenhaftigkeit die rohen, brutalen Beleidigungen des Herrn B ....; beide waren eine unwillkürliche ihrer Macht dargcbrachtc Huldigung. Man verschwen det nicht so viel Geist, um einen Feind anzugrciscn, den man ver achtet, und nian verthcidigt sein Mäßchen Haber nicht so heftig gegen den lästigen Kritiker, von dem man nichts fürchten zu dür fen glaubt. Wir haben es schon gesagt: man hegt in dcr Journalistcn-Loge die tiefste Achtung für die Schnellschreibcr des Moniteur, aber man treibt die Achtung gegen diese würdigen Kollegen nicht so weit, die Verschiedenheit der Stellungen zu übersche», in welchen sich dieSchncll- schreiber des Moniteur und die Redaktoren der Debatten befinden in Folge von Umständen, die von ihrem Willen unabhängig sind. Der Stenograph des Moniteur ist ein Sklave, von welchen) jeder Red-