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Straße. Die Maschine mit Tender, der Gepäckwagen und 1 Personenwagen waren au» dem Gleise gesprungen, Menschen sind nicht dabei zu Schaden gekommen. Der Verkehr wurde durch Umsteigen an der Un fallstelle aufrechterhalten, wodurch freilich mehrere Züge nicht unwesentliche Verspätung erfuhren. Der fahrplanmäßige Belieb konnte erst heute Vormittag wieder ausge nommen werden. Naunhof. In aller Stille hat sich ein sehr erfreuliches Ereignis vollzogen. Eine Anzahl Jünglinge unserer Kirchgemeinde hat sich zusammengetan zur Gründung eines evangelischen JünglingSvereinS und bereit willigst ist ihnen auf ihre Bitte vom Kirchen vorstande der Konfirmandensaal für ihre Zusammenkünfte zur Verfügung gestellt worden. Möge dem schlichten Anfänge ein gesegneter Fortgang beschieden sein. P Nach einer neueren Verordnung des Königlichen Ministeriums des Innern können die landwirtschaftlichen Kreisvereine die in landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Wald- und Gartenarbeiter für treue Dienste ebenso auszeichnen, wie einen landwirtschaft lichen Arbeiter. — Noch neuerer höherer Entscheidung brauchen Vereine, die einem landwirtschaftlichen Kreisverein angeschloffen sind, sich nicht in das Vereinsregister eintragen zu lassen, sie bedürfen auch nicht der Ge nehmigung der Verwaltungsbehörden. P Der ärztliche Kreisvereinsausschuß in Bautzen warnt vor einem Dr. Reimann« i» Valkenberg in Holland, der sich erbietet, Bruchletden zu heilen. Wer sich an ihn wendet, erhält ein Büchschen Bruchsalbe und ein Bruchband. Die Bruchsalbe, von welcher ein kleines Töpfchen für einen einzelnen Bruch etwa einen Monat auSreicht, kostet 5,50 und da- Bruchband auch soviel. Beide müssen immer zusammen angewendet werden. Zu sendung an den Besteller erfolgt nur gegen vorherige Einsendung de« Betrages oder unter Postnachnahme. Eine briefliche Be ratung und Behandlung ist bet Bruchleiden ganz besonders verwerflich, da nur eine ge naue körperliche Untersuchung dem Arzte ein sicheres Urteil ermöglicht,-ob überhaupt ein Bruch bez. ein Eingeweidebruch vorliegt, welcher Art derselbe ist und welche Maß nahmen angezeigt erscheinen. Unsachgemäßes Verhalten gerade bei Brucherkrankung kann innerhalb weniger Tage zu qualvollem Tode führen. Man hüte sich also vor dem holländischen Schwindler. P Die Königs. Sächsische Regierung hat durch die Verordnung vom 12. Februar 1903, »Die Baumeisterprüfungen und den Bau meistertitel" betreffend, eine für den Bau meisterstand Sachsens bedeutungsvolle Für sorge getroffen. Die vom Jahre 1842 be stehende Prüfungsverordnung für da» Bau gewerbe ist nicht nur, dem Reichsgewerbegesetz angepaßt, im Wesentlichen erhalten, sondern auch den Wünschen des Bezirks-Verbandes Sachs. Bauinnung entsprechend erweitert worden. Zur Führung des Titels „Baumeister" ist nur berechtigt, wer die Baumetsterprüfung nach dieserVerordnung oder der Verordnungvon 1842 oder die Abschlußprüfung bei einer tech nischen Hochschule bestanden oder diese Berechti gung durch ausdrückliche Verleihung de» Mini steriums des Innern erlangt hat; anderen Per sonen ist die Führung de» Titel» „Baumeister" vom 1. April d. I» ab bei Vermeidung der in § 360 Ziffer 8 des Strafgesetzbuches angedrohten Strafe untersagt. P Beim Verkauf von Gastwirtschaften pflegt der bisher erzielte Bierumsatz eine große Rolle, namentlich für die Bemessung des Preises, zu spielen, und häufig entstehen nachher Streitigkeiten weil der Umsatz zu hoch angegeben sei. In einem solchen Falle, in welchem der Käufer au» diesem Grunde die Aufhebung des Kaufe» verlangte, hat das Reichsgericht die Klage für unbegründet erklärt, weil die Zusicherung des Verkäufers über den Bierumsatz nicht in dem gerichtlichen Kauf ausgenommen, sondern bei den Kaufver handlungen nur mündlich gemacht worden und deshalb als ungültig anzuschen war. Die Angabe über den Bierumsatz sei die Zusicherung einer unbestimmten Eigenschaft des Gastwirtsgrundstückes und als solche Teil des Kaufvertrages und müsse deshalb, wenn sie giltig sein solle, in dem gerichtlichen oder notariellen Kaufe mit enthalten sein. f Die Bienenzucht in der Gegend von Grimma wird den „Grimmaer Nachr." zufolge durch eine Seuche, die Faulbrut heimgesucht. Aus Wurzen, Dahlen, Oschatz berichtet man über ihr Auftreten, und auch in Grimma und Umgegend sind schon mehrere Stöcke durch sie vernichtet worden. Die Krankheit bewirkt, daß die Larven der Bienen vor der Verpuppung absterben, in Fäulnis übergehen und zu dunkelbraunen Krusten eintrocknen. Im Anfänge der Krankheit beißen die Bienen die Zellenwände ab, um die Kruste, welche an einer unteren Seite der Zelle festsitzt, zu entfernen; ist die Krankheit aber weiter fort geschritten, so lassen sie die Kruste stecken, und dem Flugloch entströmt jetzt ein wider licher Geruch. Das Volk wird immer schwächer, stellt das Bauen neuer Zellen ein und verläßt entweder die verpestete Wohnung oder geht im nächsten Winter oder Sommer zu gründe. Die Faulbrut ist höchst ansteckend und verbreitet sich bisweilen über alle Bienen stände einer Ortschaft und Gegend. Tie Entstehung der Krankheit ist noch in Dunkel gehüllt. P Um sich vor Nachteilen zu schützen, die für diejenigen eintreten können, die ihre Habe gegen Feuer versichert haben, ist eS notwendig, beim Wechsel der Wohnung dem Agenten der Gesellschaft, bei welcher man versichert ist, sofort Anzeige zu erstatten. Bei einem Brande, der in der neuen Woh nung ausbrechen sollte, hat der Versicherte keinen Anspruch auf Enschädigung der ver brannten Gegenstände, wenn die neue Woh nung bei dem Versicherungsagenten noch nicht angemeldet war. P Krieg den Wespen. Es dürfte viel leicht manchen noch nicht bekannt sein, daß mau es im April in der Hand hat, das Auftreten der Wespen,'welche unter Umständen zu einer Plage werden können, zu beschränken. Jede im April auftretende, durch Ausstreuen von Zucker anzulockende Wespe ist nämlich eine Königin, und man vernichtet in ihr, wenn man sie tötet, eine fruchtbare Stamm mutter ganzer zukünftiger Wespenkolonien. Sin in Ammelshain in Stellung be findlicher, 34 Jahre alter Dienstknecht hatte mit einem Arbeitskollegen im Scherz ge rungen. Er kam hierbei zu Falle und er litt einen Kniescheibenbruch, sodaß er dem Leipziger Krankenhaus« zugeführt werden mußte. Grimma. Der sächsische Bäckerinnungs verband „Saxonia" wird seinen diesjährigen Verbandstag hier abhalten. Als Zeit der Tagung sind der 9. und 10. Juni in Aus sicht genommen. Leipzig. Der vormalige, vom Schwur gericht jüngst zu 2 Jahren 6 Monaten Ge fängnis verurteilte ehemalige Direktor der Leipziger Bank, Exner, hatte an die zustän dige Behörde do» Gesuch gerichtet, die ihm zuerkannte Gefängnisstrafe im GerichtSge- fänqnis zu Leipzig verbüßen zu dürfen. Dieses Gesuch ist abgelehnt worden und Exner wurde demzufolge gestern in das LandeS- gefängni» zu Zwickau eingeliefert. Die Ungunst der Zeitveshältniffe, nament lich aber auch der schlechte Sommer des Vor jahres verschulden di- Tatsache, daß das be kannte Palmengarten-Etabliffement zu Leipzig in seiner Rechnung mit einem Fehlbetrag von 10143 Mark schließt: außerdem sind noch 36700 Mk. notwendige Abschreibungen zu machen. Leipzig. Der von der Stadt Leipzig zum Völkerschlacht-Denkmal unentgeltlich überr lassens Bauplatz umschließt 14 Acker oder annähernd 80 000 Quadratmeter Land. Zur Auffüllung des Berges und der Wälle, die später das Denkmal umgeben werden, ge hören 520000 Kubikmeter Erdreich, zur Er richtung des Denkmals aber 100 000 Kubik meter Sand und Kies, und zur architektonischen Ausgestaltung der Schauseiten 7000 Kubik meter Granit; 15 000 Kubikmeter Mauer werk sind bereits fertiggestellt. Aus diesen Angaben geht hervor, daß Ernst Moritz Arndts Vorschlag, der größten deutschen Volkstat gehöre ein würdiges RuhmeSmal, in Erfüllung gehen wird. Da zur Erlangung der nötigen Mittel die privaten Spenden nicht ausreichen, sollen die Baukosten zum Teil aus einer Geldlotterie Deckung finden. Die nächste Lotterie wird vom 10. bis 13. Juni gezogen. Döbeln. Eine Festhalle, wie sie Dobeln den Kegelbrüdern zum 7. Sächsischen BundeS- kegeln bietet, bat noch keine Feststadt bisher aufzuweisen gehabt und dürfte so leicht keine andere Stadt eine solche bieten können. Die stattliche Exerzierhalle des 13S. Infanterie- Regiments, 82 Meter lang, 25 Meter breit und 12 Meter hoch, mit großen Fenstern versehen, wird in eine herrliche Festhalle umgewandelt werden. Die Bodenfläche, 2050 Quadratmeter, gewährt Raum für 4—5000 Menschen. Geht nun auch die Hälfte des Raumes für die Kegelbahnen usw. ab, so kann immerhin noch bequem die statt liche Zahl von ca. 2000 Festteilnehmern untergebracht werden. Die Festhalle liegt inmitten der Stadt, auf der einen Seite der schone Wettinplatz, auf der andern die in frischem Grün prangenden Klostergärten mit dem Restaurant „Muldenschlößchen." Auf dem Festplatze finden wir unter verschiedenen Belustigung» - Unternehmungen Wein- und Bierzelte und eine vorzügliche Konditorei. Dresden. Da» Kriegsgericht der 3. Di vision verurteilte heute den Leutnant Münzen- berg vom 1». Jnfanterie-Regt. Nr. 148 in Kamenz wegen Fahnenflucht zu 3 Monaten Gefängnis und Dienstentlassung. Dresden. Auf einem Neubau auf der Chemnitzer Straße in Vorstadt Plauen waren gestern Bauarbeiter mit dem Aufwinds« eiserner Träger beschäftigt. Bei dieser Ge legenheit gab einer der Balken nach, an denen die Winde befestigt war; der Träger stürzte herab und traf einen Arbeiter so un glücklich, daß ihm der Kopf gespalten wurde. Zwei andere Arbeiter erlitten schwere, aber nicht tätliche Verletzungen. Der Getötete ist der Maurer Kaubisch aus Meißen. In der Zwangsversteigerung wurde das an der Leipziger Straße in DreSden-Piescheu gelegene Gasthofsgrundstück „Stadt Leipzig" dem Wirtschaftsbefitzer C. F. Schimak für 290000 Mk. zugeschlagen. Ausgefallen find 135 000 Mk. Hypotheken. Der seitherige Besitzer Kunze hatte seinerzeit das Grundstück für eine halbe Million erworben. Da» 10'/, Jahre alte Töchterchen Frieda der Arbeiterfamilie Nitzschler in Dresden, warf in der Abwesenheit ihrer Eltern eine Spiritusflasche vom Regal herab. Der Inhalt floß bis zum Ofen und geriet in Brand. Dabei erlitten daS arme Kind und ihre S Jahre alte Schwester schwere Brandwunden. Frida starb, die jüngere Schwester hofft man am Leben zu erhalten. Der Kredit- und Vorschußverein, A.-G., Lommatzsch beschloß in seiner Generalver sammlung die Verteilung einer Dividende von 12'/, Prozent. Durch eine Katze ist in Hohenstein-Ernst- thal ein Brand verursacht worden, dem leicht ein Menschenleben zum Opfer fallen konnte. Das Tier war in einer Kammer, in welcher ein Kind schlief, auf das Fenster brett gesprungen und hatte dabei eine brennende Lampe umgeriffen. Das entstandene Feuer wurde von der Straße aus bemerkt und konnte da» Kind noch gerettet werden. Reichenbach. Die Veteranenzählung hat hier noch 246 alte Soldaten namhaft ge macht, die an einem der Kriege von 184S, 1866 oder 1870/71 beteiligt gewesen sind. Tie sogenannte Bornaische Pferdekrankheit tritt zur Zeit im Vogtlande auf, so besonders in Plauen, wo gegenwärtig täglich zwei bis drei Pferde von dieser Gehirnkrankheit be fallen werden. Olbernhau. Ein tollkühnes Wagestück unternahm ein Schulknabe aus Seiffen, indem er nahe der Hüttereihe sich auf einen Puffer des nachmittags 5 Uhr nach Neuhausen ab gegangenen Zuges schwang, um auf diese gefahrvolle Weise heimzukommen. Der Wagehals wurde jedoch hcruntergeschleudert und von einem Gendarm festgenommen. Im Dorfe OelSnitz bei Großenhain versuchte das siebenjährige Söhnchen des Gastwirts Heide aus Niederoda zwischen den Flügeln einer im Gange befindlichen Wind mühle durchzulaufen. Der Knabe erhielt dabei von einem Flügel einen solchen Schlag an den Kopf, daß er schwer verletzt hinstürzte und nach wenigen Stunden an den Folgen der Verletzungen starb. Zwickau. Gestern verstarb der Ehren bezirksvorsteher des Bezirke« Zwickau des Kgl. Sächsischen Militärvereinsbundes, Herr Joh. Porstendorfer, der 23 Jahre ununter brochen al» Bezirktzvorsteher dem hiesigen Bezirke vorgestanden hatte. — Der 22 Jahre alte Postbote Hermann Martin au» Vielau wurde wegen Unterschlagung im Amte von der Strafkammer des hiesigen König!. Land gerichts zu zehn Monaten Gefängnis ver urteilt' Martin hatte ungefähr 50 Brief- Die Waise. Roman von Willy Sartory. 34 Er fürchtete mit Recht, daß diese jedes Almosen zurückweisen und lieber hungern würde. Gestern war Edmund noch bei ihr gewesen. Einige Stunden lang hatte er dort vor ihr gesessen, stumm und schweigend. „Warum hat das Schicksal es nicht anders gewollt," stöhnte er in seinem Innern. Wie könnten wir glücklich sein." Schweigend, nur mit einem warmen Händedruck hatte er sich entfernt; kaum wagte er es, ihr in die thränenschwcren, vom vielen Weinen geröteten Augen zu sehen. Die ganze Last seines Schuldbewußtseins kam wieder über ihn und drohte ihm zu Boden zu drücken. Wie gehetzt war er aus der stillen Straße geeilt nach der lärmenden Stadt zu; erst hier atmete er etwas auf. Ziel- und planlos war er durch die Straßen geeilt, nur um seinen schweren Kummer, sein Schnldbewußtsein zu unterdrücken. Er schrieb sich unbarmherzig die ganze Schuld an Hedwigs Un glück zu. Warum hatte er das arme verlassene Mädchen in das Haus gelockt, warum ließ er sie nicht in dem Kreise, in dem sie zufrieden und glücklich lebte. „Ich wollte ja glücklich werden," schrie es in ihm auf, Mitten auf der Straße lachte er laut und Hönisch auf, so daß einige Passanten stehen blieben und ihn an sahen. Edmund merkte es und eilte weiter. Langsam schlenderte er dem Viertel zu, in dem seines Ba- ters Haus stand. In demselben angekommen, begab er sich auf sein Zimmer Unruhig und nervös lief er im Zimmer auf und ab. „Ruhe, Ruhe!" flüsterte er sich selbst zu. Ein trauriges Lächeln glitt um seinen Mund. Er konnte das Opfer, daß seine Eltern von ihm verlangten, nicht bringen. Jetzt trat er an seinen Schreibtisch, nahm Papier heraus und schrieb mit zitternder Hand drei Briefe. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, hastig, ohne Aufenthalt glitt die Feder über das Papier. In dem Briefe an seine Eltern bat er um Verzeihung, er könnte so nicht leben. Seiner jetzigen Braut legte er alles aus einander. Den längsten Brief schrieb er an Hedwig. Als er dann fertig war, war er ruhiger geworden. Mit fe ster Hand schrieb er die Adressen auf jedes Couvert, stand wieder auf, um im Zimmer auf- und abzugehen. Eine halbe Stunde mochte er so nachdenkend gewandert sein, dann trat er an den Tisch und legte die Briefe in seinen Schreib tisch, verschloß diesen und verließ das Zimmer. * * -st Hedwig ließ die Hände in den Schoß sinken. Es war eines Nachmittags, Hedwig setzte sich, müde von ihrer anstrengenden Arbeit an den Tisch und las die Zeitung, die ihr Frau Helm jeden Tag auf den Tisch legte. Schon woÜte sie das! Blatt wieder beiseite legen, als ihr Blick zufällig auf einer An- j zeige haften blieb. Wie abwesend starrte sie darauf, und doch, es mußte ja so kommen, sie hatte es ja gewußt! Es mar die Ver-1 lobuugsanzeige Edmunds mit Fräulein Adams. Aber sie hatte gedacht, diese Nachricht würde sie nicht mehr erschrecken. Noch immer hielt sie die Zeitung in der Hand und starrte da rauf. Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen, ein Schwindel faßte sie, daß sie die Augen schließen mußte, um nicht von dem Stuhle zu sinken. Erst als Frau Helm, deren Klopfen sie aus ihrer Erstar- rung zurückgerufen hatte, eintrat, kam sie wieder zu sich Sie fand keine Thränen mehr in ihrem Schmerz, nur ihre Lippen zuckten krampfhaft. Frau Helm gab ihr ein Schreiben und entfernte sich dann wieder schweigend. Hedwig ließ das Schreiben zuerst achtlos auf dem Tische lie gen, als sie es dann zögernd zur Hand nahm, zitterten ihre Hände noch. Sie machte den Umschlag auf und zog den Brief heraus. Drei Scheine flatterten zur Erde. Was war das? Erstaunt be sah sie einen derselben, es war ein Hundertmarkschein. Woher kommen sie? Doch das mußte,ja in dem Briefe stehen, also schnell lesen. Hedwig begann zu lesen. Ihre Züge nahmen dabei einen im mer starreren Ausdruck an. Als sie zu Ende war, warf sie den Brief zur Erde und sprang auf, sie faßte mit beiden Händen nach ihrem Kopfe und stöhnte: „Das wagt man mir zu bieten! Geld? O, Gott, so weit mußte es kommen?" Mit verglasten Augen starrte sie zu Boden, und trat dann in höchster Erregung auf den Geldscheinen herum. Tann wurde sie ruhig, ängstlich ruhig. Sie bückte sich, nahm die Scheine auf und steckte sie sorgfältig mitdem Briefe wieder in das Couvert, dann zog sie sich zum Ausgehen an. Keine Miene in ihrem blassen Gesicht zuckte, es schien als ob kein Leben in den marmornen Zügen sei. Sie steckte den Brief sorgfältig zu sich und ging dann leise aus dem Zimmer, die Treppe herunter. Schnell eilte sie durch den Hausflur, machte vorsichtig die Thür auf und eilte auf die Straße. Hedwig lief, so schnell sie ihre Füße zu tragen vermoch ten, durch die Straßen, dem Jangloschen Hause zu. Als sie dort angekommen war, mußte sie sich einen Augenblick gegen einen Thorpfeiler lehnen. Eine Schwäche überkam sie, sie raffte alle Kräfte zusammen und drückte auf die Schelle. Johann erschien und machte ihr auf. Er hatte sie noch nicht erkannt, erst jetzt, als sie sich an ihm vorbeidrängte, sah er ihr Gesicht. „Sie? Fräulein Hedwig?" kam es verwundert über seine Lippen. Sie antwortete nicht Wie ein gehetztes Wild eilte sie nach dem Portal, kaum vermochten ihre Füße sic noch die paar Stu fen heraufzutragen. Im Flur angekvmmen, mußte sie wieder einen Augenblick ausruhen. Eine Dame trat aus einem Zimmer, es mochte wohl die neue Gesellschafterin sein. Mit schwankenden Schritten ging Hedwig auf sie zu. „Ist Herr Jauglo zu Hause?" fragte sie mit schwacher Stimme. Diese sah Hedwig etwas von oben herunter an: „HerrJanglo wird wohl nicht zu sprechen sein, es ist Besuch da," dann ging sie weiter, ohne sich noch einmal nach Hedwig umzusehen, welche zö gernd stehen geblieben war. Hedwig schwankte wieder weiter, nachdem kleinen Salon. Sie war wie von Sinnen, sie wußte uicht mehr, was sie that. Mit zitternder Hand öffnete sie die Thür. Sie sah nichts, alles war ihr schwarz vor den Augen. Erst als die harte Stimme Janglos an ihr Ohr drang, kam wieder Leben in sie. Jetzt sah sie, wie Edmund, der neben seiner Braut gesessen, aufgesprungen war nnd sie wie eine Geistererscheinnug anstarrte. Clara begriff den Auftritt noch nicht und sah verwundert und ängstlich von einem zum andern. Frau Jauglo hatte die Fassung verloren, als sie das bleiche Gesicht mit den geschlossenen Augen gesehen. Auch Herr Janglo war aufgesprungen, er hatte Hedwig so fort wiedererkannt und rief ihr mit harter Stimme zu: „Was suchen Sie hier?" Aber anstatt sie damit zu verscheuchen, er wirkte er das Gegenteil. 99,20