Volltext Seite (XML)
WöwcnMch erschien drei Rumnicr». PränumerattonS- Prei« 22i Sgr. (j Tdlc.) vierteljährlich, Z Tdtt. für. da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcriri auf diese« Literalur-Blatt in Berlin in der Expeditton der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Zriedrichkstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllibl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. «>4^ 147. Berlin, Montag den 7. Dezember 1840. Rußland. Finnland im Jahre 1840. Einer in St. Petersburg vor wenigen, Wochen im Druck er- schicnenc» Broschüre: Finnland im Jul; I84<> (begleitet von zwei Ansichten der Stadt Helsingfors und einer statistisch - geognostlsch-' historischen Karte deS Großfürstcnthums), von l>r. E. v. Muralt, Hülisprediger an der Deutsch-reformirten Kirche daselbst, verdanken wir manche interessante Notizen über diesen merkwürdigen, zur Zeit noch sehr mangelhaft gekannten Laüdstrich nno sie socialen Einrich- tuugev seiner Bewohner, die nun seit drei Dezennien dem Russischen Staat angchören. Die seit vier Jahren bestehende Dampfschiff- Commnnication zwischen den nordischen Staaten knüpft indessen mit jedem Jahre mehr Verbindungen zwischen dein alten Rußland und der neuen Provinz an. Neber Vie moralische Gesittung der Finnen heißt eS in der gc- kachren Schrift: „Die Festung Swcaborg kann in Beziehung aus ihre Lage und ihre imposanten Forts als das nordische Gibraltar angesehen werden. Sie ruht auf fünf den Eingang zn Helsingfors beherrschenden Felsen-Inseln. Dari» befinden sich an MM Finnische Zwangs-Arbeiter. Diese große Zahl der Sträflinge erklärt sich einigermaßen aus der Strenge der noch in Finnland geltenden Schwedischen Gesetze. So muß nach diesen der nur einmal des Trunks von zwei beeidigten Zeugen Ucberwicsene drei Silber-Rudel, ein zwciteSmal bas Doppelte zahlen, das drittemal Kirchenbuße thun; betrinkt er sich daun noch, so kommt er auf die Festung. Dies ist die Ursache, warum man in den Finnlandischen Städten so wenig Trunkenbolde sieht.*) Um der BoUerci in Finnland möglichst zu steuern und dagegen den Genuß des Biers zu erleichtern, wird überall Hopfen gebaut, "gleich wie in jedem Dorfe Finnlands sich Kartoffcl- und Gemüse-Gärten befinden, wodurch die Bewohner bei Gctraive- MißwachS sich besser gegen Hnngersnoth geschützt finden, als an manchen andere» Orten Rußlands und Schwedens, wo man das Mebl mit Baumrinde und anderen schädlichen Zusätzen vermischt. Einen unverkennbar wohlthätigeu Einfluß auf Volksbildung und Ge sittung übt in diesem Lande die Kirche anS. Der Landmann stebt gern unter der Leitung seines Kirchherrn, wie die Prediger allge mein in Finnland heißen, füblt sich nnter ihr zufrieden und glücklich. In Finnland hat die Reformation ihre gesundesten Früchte getragen: Kirche und Schule, letztere von der erste» in den Gemeinden aus gehend, wie die Kirche von seiner Hochschule, wirken vereint, gleich zwei Schwestern, einander fördernd und unterstützend. Die Geist liche», der Mehrzahl »ach Schwedischer Abkunft, erscheinen als die echten Repräsentanten Finnlands und seiner Bildung im Innern des Landes. I» der Nähe Petersburgs, wie in der Nähe von Helsing fors, vermischen sich schon diese Völks-Cigeuthümlichkcitcn mit an deren Nationalitäten- Ehescheidungen finden, vermöge des Einflusses der Geistlichkeit, in Finnland nur äußerst selten statt. Ein in Un einigkeit lebendes Ehepaar wird zuerst ins Pfarrhaus bcschieden, was, schon den Betheiligtcn zur Schande gereicht. Der Scheidung von Tisch und Bett gehen so viele kirchliche und gerichtliche Sühnungs- Versuchc, Bußen und Förmlichkeiten voraus, daß schon, uni sic zu vermeiden, eher Gedanken des Friedens als der Trennung in den Streitenden anfkommcn. Die Zahl der uneheliche» Geburten in Helsingfors, einer Stadt mit 4 —üWO Soldaten, die ILM» Mann starke Garnison in Swcaborg nicht mitgcrcchnet, nächstdem mit Ma trosen und Fremden aller Art gefüllt, beträgt jährlich kaum den 8ien Theil seiner, Gcsammt-Geborcncn, in den Land-Gemeinden aber höchstens den fiten Theil. Schlösser und imposante Edclsitze komme» dem Reisenden in Finnland selten vor, häufiger Kirchen und schlichte Pastorate. Ueber- haupt möchten die Prediger in diesen, Lande eher für die gebietenden Herren gehalten werden, als die adeligen Grundbesitzer. Sic er freuen sich hier fast durchgängig einer genügenden Subsistenz; im Besitz ihrer Pfarrgüter, ihrer Zehnten und Sporteln, von der Liebe ihrer Pfarrkindcr vervielfacht, find sic den Nahrungs-Sorgen des Landmanns cuthoben, aber durch ein ähnliches Leben ihm sehr nahe gerückt. Sv vermögen sie, die Gebildeteren im Lande, ibn zu sich bin- ,aufzuziehen und ihm ihr Gutes mitzutheilen, ohne daß er, der auf 'j Zu Schweben sewß scheint jedoch dieses Schwedische (Nesty ketten so wvblchattgen (hinckuß zu üben, denn dort wird überall über die znnchmmde, «ttttich herabwürdigende Trunksucht geklagt. eigenem Grund und Boden wirthschaftende, unter denselben Gesetzen stehende Bauer, von ihnen gedrückt werden könnte. Viclc Bequemlichkeiten, selbst oft nothwendige Lebensbedürfnisse muß freilich der Reisende auf Finnlands dürren mit Haidegras und Steinmassen größtcntheils bedeckte» Flächen entbehren; außer den Hauptortcn kann er selten frisches Fleisch bekommen, und ungeachtet viel Roggen im Lande gebaut wird, wird ihm selten ein anderes, als ein fast ungenießbares hartes Knackabrod geboten; — doch ihn entschädigt dafür einigermaßen der Anblick eines körperlich und geistig noch kerngesunden Volks, bci dem er die patriarchalischen Sitten der Vorzeit noch unverändert erhalten findet. Er wird sich in dessen Umgang gern an dem genügen lassen, was die in die wilde Natur dieser Felsen, Wälder und Sümpfe verpflanzte Kultur dem Finnen nur nach schwerer, durch gute Ordnung und Zucht geregelter Arbeit geboten hat. Das Nothwcudige wird er auch nicht leicht vermissen. Auf jeder Post-Station stehen immer einige reinliche Betten für die Ankommenden zu festgesetzten billige» Preisen bereit; diesem ent sprechen auch alle übrige vorräthige Bedürfnisse. In keinem Lande der Welt möchte man sicherer, billiger und schneller zu reisen ver möge», venu in Finnland." England. Neueste Literatur-Schau. (Fortsetzung.) Doch wir müssen uns näher erkläre». Es fehlt England jetzt an großen Geistern und Stilisten. Larlple, Macaulay und Bulwer sind die Einzigen- die sich von der einförmigen, trüben Masse seiner gegenwärtigen Schriftsteller ablöscn. Doch wird die verfallende Li- teratur immer noch cmporgehaltcn durch eine hohe und wirksame Civilisation, durch die Gewohnheit gelehrter Untersuchungen, durch Englands Central-Lage, durch seine» Welthandel und durch die glück liche, kraftvolle Organisation seiner alten Gesellschaft, denn die Schwingungen früherer Impulse dauern noch fort. Der Saft fließt nicht mehr mit jugendlich feuriger Gewalt ans den Wurzeln des BaumcS in seine kühnsten Triebe, aber er bleibt noch in sanfter, ruhiger, wen» auch kaum merklicher Eirculation. Die Frische des Laubes fängt an zu schwinden, doch stirbt noch nichts ab, und wenn das geistige Auge auch das Welken entdeckt, so vermag das äußere es doch nicht wabrzunehmeu. In fast gänzlicher Ermangelung glänzender Original-GenieS finden sich noch ge wandte Vielschreiber, einsichtsvolle Kritiker, Gelehrte, die sich dazu vcrurtheilen, den Weg der Altcrthümer und der Geschichte einzu- schlagcn, Dichterinnen, denen man zuhört, geduldige und gewissen hafte Herausgeber und Ucberfetzer, Vic es verstehen, die Denkmäler der orientalischen Idiome m die Englische Sprache zu übcrrragcn. Trifft man.auch selten auf jenen sprühenden elektrische» Funke», dessen Geheimniß einem Byron, Scott und Wordsworth aufgegan- gen war, so kann man doch aus den neuesten Werken der Eng lischen Literatur viel nützliche Beiträge und interessante Resultate schöpfen. So erscheint uns denn der gegenwärtige Flug oder, soll ich sagen, gemeinsame Schwung der Englischen Geister^ als nicht sehr hoch und nicht sehr lebhaft, aber als bedächtig und wohlanständig, als über die Mittelmäßigkeit erhaben, als fern von Ausschweifungen und frei von den traurigen und bedeutenden Fehlern der Aufschneiderei und Uebertrcibung, aber als sehr untergeordnet im Vergleich zu „Childe Harold" und „Old Mortalitp." Carlyle fängt mit seinen Mängeln schon an, eine Schule zu bilden: ein schlechtes stilistisches Muster, welches die Schülcr bald zur Karikatur verzerren werde». Kein bedeutendes Drama; kein neuer Dichtcrname. Die Volksbe wegungen deS Chartismus und SocialismuS baden keinen beredten Bertheidigcr gefunden. Nnr weibliche Dichlertalente haben sich in der letzten Zeit durch Fruchtbarkeit in Versen hervorgethan. Der Schmerz einer pcinlichcn Stellung, die ohne Zweifel durch Berleumkmig her bcigesührt worden, läßt die lyrischen Saiten des männlichsten Talents unter diesen Musen erbeben: Mistreß Norton'ü Klagen, vom Jam- mcr über ihr Schicksal ihr entrissen, sind mit Recht bewundert worden. Ihr neuestes Gedicht, „der Traum" betitelt, behandelt einen sehr ein fachen Gegenstand. Eine Mutter sitzt am Bett ihres schlafenden Töchter chens; plötzlich crwacht ras Kind und erzählt der Mutter seinen Traum, der das ganze Leben deS WeibeS umfaßt: die erste Liebe,