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382 Ali stark genug, um seinen großen Endzweck, die Ausrottung der Mameluken, durchzusetzen. Die Feier der Bekleidung seines Sohnes Tufsun mit dem Kaftan, als dieser das Kommando über die nach Arabien gegen die Wechabiten abgehende Erpedition erhielt, bot eine günstige Gelegenheit dazu. Ein Königliches Bankett war in der Citadelle bereitet, die Gäste waren eingeladen, 4 —SOO erschienen, und sie wurden alle, mit Ausnahme eines Einzigen, kaltblütig nieder gemetzelt, im Angesicht und auf Geheiß Mehmed Ains, dessen denk würdige Worte bei dieser Gelegenheit: „Nieder mit ihnen, nieder!" wohl nicht so bald in Vergessenheit kommen werden. Dies war eine Acgyptische Art von Reform, ein Loswerdcn alter Feinde, und wenn man die Schmeichler sprechen hört, welche in diesem Augenblick den Hof des Pascha's umlagern, so hätte der Vicekönig nur das Recht gesetzmäßiger Bertheidigung gebraucht. Sechs Jahre lang bekriegte er die Wechabiten, verschwendete die Hülfsquellcn seines unglücklichen Landes in diesem Kriege und gewann am Ende durch seinen Sieg nur einen großen Verlust. Nun fing er an, nach Kriegsruhm zu streben. Im Jahre 1824 sandte er eine bedeutende Erpedition, aus 1KM0 Mann Infanterie und 700 Reitern bestehend, gegen die Griechen ab. Die Schlacht vor Navarin brachte ihn um seine Flotte, und fast die Hälfte seiner Truppen kam in diesem Feldzuge um. Im Jahre 1831 fiel er mit 24,000 Mann Infanterie, 4 Kavallerie-Regimentern und KV bis 8v Kanonen in Syrien ein, angeblich um Kvvv Fellahs oder Aegyptische Untcrthanen zurückzuholen, die sich vor dem Schrecken, welches seine Regierung m der Provinz Tscharkyeh in Aegppten verbreitete, zu Abdallah Pascha, dem Gouverneur von St. Jean d'Acrc, geflüchtet hatten, an den er schrieb, „er würde nach Acre kommen, um seine KVOV Fellah's zurückzusordern, und er wolle sic uns noch Einen mehr mit hinweg nehmen." Er hielt sein Wort, denn nach einer sechsmonatlichcn Be lagerung führte er seine Fellah's und den Einen mehr mit sich fort. Kaum war Acre in die Hände Mehmed Ali's gefallen, so wurde er von der Pforte für einen Rebellen erklärt. Im Juli 1832 kam es zwischen den Türken und Aegyptern zu der Schlacht bei Konieh. Der Sieg war abermals auf Seiten dcü Pascha's, und Ibrahim Pascha hatte freien Weg nach Konstantinopel. Roch fünf Tagcmärsche stand Ibrahim von Konstantinopel, seine Vorposten waren bis Kjutajah vorgeschoben, da hielten, wie man wohl glauben darf, die Vorstellun gen des Herrn Cochelet den Pascha von der Ausführung seines großen Planes zurück, und Jbrahim'S Marsch gegen die Türkische Hauptstadt wurde aufgeschoben, doch verzichtete Mehmed Ali nie auf sein Vor haben, das gestehen seine Umgebungen vollkommen ein. Am 14. Mai wurde eine partielle Uebercinkunft abgeschlossen, die den Pascha als Statthalter von Syrien und Adana anerkannte. Unterdessen erholte sich der Sultan hinreichend von dem Schlage, der seine Macht bei Konieh getroffen hatte, so daß er im Stande war, im Jahre I8ZV eine zweite Armee unter dem Seraskier Hafis Pascha nach Syrien zu senden, und eS folgte die Schlacht von Nesib, die den Türken in militairischer Hinsicht den Todesstreich versetzt zu haben schien und Mehmed Ali in Besitz von ganz Syrien brachte. Im August 1840 langte ein Türkisches Kriegsschiff in Alcrandricen an, welches einen Türkischen Abgesandten, einen Englischen und einen Oesterreichischen Agenten an Bord hatte, die mit den Vorschlägen der vier Mächte an Mehmed Ali beauftragt waren. Diese Vorschläge brauchen hier nicht näher auseinandergesetzt zu werden; cs reicht hin, zu sagen, daß Mehmed Ali aufgefordert wurde, Syrien zu räumen und die Türkische Flotte zurückzugcbcn. Dafür wurden dem Pascha der lebenslängliche Besitz von St. Jean d'Acrc und die erbliche Statthalterschaft von Aegypten angeboten. So wie der Pascha die Nachricht von der erwarteten Ankunft der Abgesandten empfing, brach er augenblicklich nach Mansurah am Nil auf, um außer ihrem Be reich zu seyn. Durch dies Manöver hoffte er Zeit zu gewinnen, und seine Politik ging überhaupt, nach vem Eingcständniß seiner Freunde, dahin, hci allen künftigen Verhandlungen mit den verbündeten Mäch ten sich aufs Zögern zu legen, um unterdessen alle etwa eintretende Um stände zu benutzen, durch welche ihre Regierungen mit einander entzweit werden könnten, und auf diese Weise durch gegenseitige Eifersucht die seinen Interessen feindliche Coalition zu sprengen. Während die Abge sandten der Verbündeten das Ergebniß seines Entschlusses abwarteten, ließ Graf Malewski, ein natürlicher Sohn Napoleon'S und ehema liger Herausgeber des Pariser „Messager", den die Französische Re gierung als Abgesandten an Mehmed Ali geschickt hatte, keine Ge legenheit vorübergehen, den armen alten Pascha zur Verwerfung der Vorschläge aufzumuntcrn, und sie wurden denn auch wirklich so gut als verworfen, wenn auch Mchmed Ali in dem gewöhnlichen Stil seiner Türkischen Erfahrenheit in Englischem Doppelsinn den Worten nach erklärte, daß er die ihm vorgeschlagenen Bedingungen annehme, daß er Syrien bloß so lange behalten wolle, bis er Zeit gehabt, die Einwilligung des Sultans in seine unterthänige Bitte um Be lassung in vcr Statthalterschaft jenes Landes zu erlangen, und daß er die Flotte einstweilen nur für seinen Herrn aufbewahre. Mit dieser Sprache aber wollten weder die Abgesandten noch die Konsuln sich begnügen, und der Pascha wurde genöthigt, sich etwas deutlicher zu erklären. Da bedeutete er denn, nachdem er sich feierlich in Gottes Hand gestellt, einem der Konsuln, „er habe Syrien mit dem Schwert gewonnen, und er werde cs mit dem Schwerte behaupten." So standen die Dinge in Alcrandrien, als ich im August und September dieses Jahres mich dort aufhielt. Alerandrien glich da mals eher einem in Belagerungszustand befindlichen Ort als einer friedlichen Handelsstadt; seine Straßen blitzten von Bajonetten, und der Platz im Fränkischen Viertel war täglich mit Truppen gefüllt. Die unglücklichen Araber wurden überall von ihrem Hccrd gerissen und in Soldatcn umgcwandclt, ihre Dörfer am Nil entlang voll kommen entvölkert und sie selbst, die Armen, in Haufen von fünfzig bis sechzig Mann, mit Stricken gebunden, zu den verschiedenen Regi mentern abgeführt. In Alerandrien bildete man aus der weißen männlichen Bevölkerung eine Nationalgardc, unter der sich ein großer Theil dreizehn- und vierzehnjähriger Knaben befanden. Die Türkische Flotte verblieb unter der „Obhut" Mehmed Ali's, und viclc von den Türkischen Matrosen waren von ihren Schiffen entfernt und durch Aegyptcr ersetzt wordcn. Bon der Türkischen Mannschaft des Schiffs „Mahmudic" von 127 Kanonen, ric aus 1400 Mann bestand, hatte man 4<tt) nach Syrien gegen die Insurgenten geschickt. Des Pascha's einziger Rathgeber war Herr Cochelet, der Französische Konsul. Mehmed Ali steht jetzt in seinem 72stcu Lebensjahre. Er ist von gesundem, kräftigem Acußcrcn, etwas vom Alter gebeugt, aber die Energie seines Geistes, die Lebhaftigkeit seiner Gesichtszüge und der durchbohrende Blick seines Auges haben keine Veränderung er- littcn, seit ich ihn im Jahre 1822, also vor fast fünfzehn Johrcn, zum erstenmale sah. Er hat cine Größe von etwa fünf Fuß sechs Zoll, eine frische, rötbllchc Gesichtsfarbe und hellbraune Augen, die tief in ihren Höhlen liegen und von buschigen Augenbrauen über schattet sind. Seine Lippen sind dünn, seine Züge regelmäßig und äußcrst veränderlich, doch von höchst angenehmem Ausdruck, wcnn er bei guter Laune ist. Dann sieht cr aus wie ein offener, liebens würdiger und sehr geistvoller Mann. Seine Handbewegungen und Gcberden im Gespräch sind die eincS wohlerzogenen Weltmannes, und sein Benehmen ist leicht, ja oft würdevoll. Wenn ihn etwas beunruhigt, geht cr mit heftigen Schritten durchs Zimmer, dic Hände auf den Rücken gelegt, und pflegt dann auch laut mit sich selbst zu sprechen. Er schläft nur wenig und hat selten einen guten, gesunden Schlaf; seine Acrzte sagen, er scy dem Blutandrang nach dem Kopf unterworfen, wozu epileptische Symptome kommen, dic mit größerer Stärke wiederkehrcn, wenn er sich in ungewöhnlicher Aufregung be findet. Bei den letzten Unannehmlichkeiten mußten ihm die Aerzte, dieser Symptome wegen, am Arme zur Ader lassen und ein Pfund Blut ablaufen lassen, ehe er die Vorschläge der vier Mächte beant wortete. Einen dieser Aerzte ließ cr einige Nächte bei sich wachen und forderte ihn, wie er mit seinen Dienern zu thun pflegt, in der Nacht mehrmals auf, etwas zu erzählen. Sein Palast in Alcrandrien ist in Europäischem Stil «legant möblirt, mit Stühlen und Tischen, Spiegeln, mehreren Gemälden und einer großen Büste des VicekönigS selbst. Ich bemerkte ein prächtiges Bett mit vier Pfosten in seinem Schlafgemach, aber die Diener, welche mich durch den Palast führten, sagten mir, er habe es nie gebraucht, sondern die alte Türkische Gewohnheit beibehaltea, auf einer Matraze am Fußboden zu schlafen. Er steht zeitig auf, gewöhnlich zwischen 4 rind S Uhr, empfängt Jedermann, der zu ihm kömmt, diktirt seinen isecretaircn und läßt sich die Englischen und Französischen Zeitungen übersetzen und verlesen. Bon den letztere» ist eine als das besoldete Organ seiner politischen Ansichten bekannt. Er spricht bloß Türkisch, und zwar sehr fließend und eindrucksvoll, Im Gespräch ist er lebhaft, fein und verständig. Bei jeder Gelegen heit zeigt er sich scinc» Umgebungen als ein schlauer, scharfsichtiger und offener Kopf. Seine Aussprache ist sehh deutlich, was er Eng lischen Zahnärzten zu verdanken hat, und er drückt sich überaus be stimmt aus. Hu seiner Lebensweise ist er einfach, cr ißt nach Euro päischer Weise und trinkt fast täglich seine Flasche Klaret. Sein Benehmen ist höchst gefällig und sein ganzes Wesen schr cinnchmenv; er hat das Aussehen eines gutmüthigen, freundlichen Maynes; ist er jedoch verstimmt, so scheint er seine Gefühle und Mienen nicht im geringsten beherrschen zu können, und ist er aufgebracht, so möchte wohi Nicmand gern seinem Antlitz zweimal begegnen. Einer meiner ärztlichen Freunve, ver den Zutritt zum Palast hatte und den Pascha gerade an vcm Morgen nach der Ankunft der ihm überlieferten Tür kischen Flotte besuchte, fand ihn bet Tagesanbruch allein in seinem Zimmer am Fettster stehend und jene Fahrzeuge betrachtend, die seine Syrische Flotte hatten zerstören sollen, und die nun ruhig in seinem eigenen Hafen lagen; indem er sie so betrachtete, sprach er eifrig mit sich selbst, als ob er in der lebhaftesten Unterredung begriffen wäre. Der Arzt konnte nicht umhin, einige Augenblicke stehen zu bleiben und das Arbeiten dieses von Ehrgeiz erfüllten wacken Träumers zu belauschen. E« that ihm sehr leid, daß er dic Türkische Sprache nicht verstand, denn gewiß wären Mehmed Ali's Worte in einem solchen Moment vom höchsten Interesse gewesen. Vermuthlich dachte sich der Pascha im Gespräch mit dem Grvß-Wefir, seinem alten unversöhnlichen Feinde, und sagte ihm, daß er doch ihn und seinen Herrn überlistet habe; daß sie lange Zeit ihr altes Spiel ge heimer Feindschaft mit einander gespielt und Alles aufgeboten, nm sich gegenseitig zu stürzen; daß, während der Groß-Wesir seine Wuth gegen ihn auf dem heiligen Stein von Mekka gewetzt und das Schwert des alten Fanatismus zu seinem Verderben geschärft, er seinerseits die Grundsätze der neuen orientalischen Diplomatie in einer anderen Schule studirte, und daß für seine Fortschritte in der neuen Kriegskunst die Beweise in dem glücklichen Manöver vorlä- qen, welches den Sultan um die Türkische Flotte gebracht und den Prcmicr-Äinistcr von seinem Posten getrieben. Die« war ein großer cpup der Aegyptische» Politik. Die Türkische Flotte ist zu Alera». drien und der Groß-Wesir in der Vcrhannung. Die Paläste des Pascha's, sowohl zu Alcrandrien wie zu Kabira, sind geschmackvoll, wenn auch nicht prächtig, eingerichtet. In dem letzteren sah ich ein schönes Portrait seines Sohnes Seid Bey und mehrere andere Gemälde, die deutlich genug zeigen, wie cS Mehmed Ali mit den Geboten des Korans hält. Er hat jetzt drei Söhne am Leben. Ibrahim Pascha wurde im Jahre 178V zu Cavallo geboren und ist jetzt in seinem Slstcn Jahr, ein Mann von mittlercr Größe, sehr stämmig and nichts weniger als clnnchmend, weder in feinem Be-