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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PriummerastvnS- Preis 22; Sgr. Tbtr.) vierteljährlich, 'Z Thlr. sstr das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerir! auf diese- Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zeitung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Au-Iande bei den Wohllöbl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. 146. Berlin, Freitag den 4. Dezember 1846. England. Neueste Literatur-Schau. . Von Philarete ChasleS. Ein Adjntaiit des Tiberius, der inindestens eben so viel Geist hatte wie sein Herr, äußerte, es sey mit den Tarnten und Geniels eine eigene Sache, sie zögen hataillonswcise durch die Jahrhunderte, in gleicher Uniform, möchte eS nun die der Mittelmäßigkeit oder die der Größe sehn. Die Bemerkung klingt etwas militairisch, aber sie ist doch sehr treffend; man wäre versucht, zu glauben, daß der Deutsche Philosoph Hegel, der Schöpfer des Epochen-Spstems, dieses von Vellcjuö Paterculus entlehnt hätte, so hieß jener Römische Offizier. Wirklich sieht man zu allen Zeiten die geistigen Kräfte, massenweise geschaart, dieselben Farben tragend und unter vicsclbc Fahne sich reihend. Der erhabene, feierliche Schwung all' dieser gleichsam geflügelten Geister, die von Acschplus bis Euripides durch Griechenlands stürmischen und glänzenden Himmel zogen, läßt sie der Phantasie wie eine einzige, nur durch Schattiruügen unter schiedene, in ihrem allgemeinen Charakter aber übereinstimmende Kohorte erscheinen. In Rom bildet die Periode des Ciceronischcn und Virgilischcn Genius eine Aera von bestimmtem Gepräge. In Frankreich haben wir einerseits das sechzehnte Jahrhundert mit Montaigne und Rabelais, andererseits das Zeitalter Ludwig's XlV., stolz darauf, Bossuet, Molivre uud Pascal in majestätischem Zuge, neben einander einherschreiten zu sehen. Unter der Königin Elisabeth in England verbinden ähnliche Unabhängigkeit, Schöpferkraft und Beobachtungsgabe Baco mit Shakespeare, Shakespeare mit Spencer, Spencer nüt Raleigh. Es ist, als erblickte man Brüder gemeinsam zum Kampf verrücken, wie die alten Celtcn, durch eherne Ringe an einander geknüpft und alle einander ähnlich. Dieser Vellejus, einer von denjenigen Alten, die fich am meisten jener Methode der philosophischen Verallgemeinerung nähern, welche die Neueren als ihr ausschließliches Eigenthum betrachten, hat also wohl Recht, wenn er behauptet, daß die Generationen der Talente gruppenweise mit einander durch die Jahrhunderte wandeln: eminonrissima cuiusgue proke8Rouis ingema, eujusgu« olirt operis eapscia, in «iuiilituüinem et temporum et pro'eetuum «emetip«» ich ichch xoparaverunt. °) Eine Aeußerung, die in Sinn und Form gewissen Stellen in Haller's und Schelling'S Werken vollkommen entspricht. Sie enthält die wahre Theorie der Literaturgeschichte, . die so cng verbunden ist mit der Geschichte der Völker uud mit dem Fortschritt der Bildung. Dieser abgemessene Gang, von dem der Römische Offizier spricht, ist eigentlich nichts Anderes als die Rc- production der verschiedenen Phasen, die das sociale Leben der Völ kerschaften durchwandert. England, mit dem wir uns jetzt allein beschäftigen wollen, zählte zwei Haupt-Epochen seiner socialen und ideellen Kraft: die eine von Shakespeare bis Milton, unter Elisabeth und Jakobi.: die andere mit Crabbe im Jahre I7l>!> beginnend und mit Walter Scott endend. Die beiden dazwischen liegenden Zeit räume sind von untergeordneter Bedeutung, was die geistige Ent wickelung betrifft, wenngleich sie durch die glänzenden Namen eines Dryden und Pope geschmückt werden. Die eine, unter Karl li. und Jakob ID, zwischen GSO uud 170», beschränkt sich auf leichtfertige Nachahmung Benserade's und Voltaire's. Die andere, die das ganze achtzehnte Jahrhundert umfaßt, erhebt sich bis zur gelehrtesten und künstlerischsten Kopie von Boileau und Horaz. Nachdem der Britische Gedanke diese verschiedenen Phasen durchgcmacht, scheint er im Jahre 1830 in eine Periode des Erbleichens einzutreten, die immer blasser uud matter wird, wenn sie auch noch nicht aller Kraft und alles Werthcs völlig beraubt ist. Wir wollen gern glauben, daß England seine Bahn noch nicht vollendet hat, daß cs noch nicht an den Hefen des Angelsächsischen Genius, noch nicht am Bodensatz seiner geistigen Bildung angekommen. Der ganze nördliche Theil Europa'ö bewahrt, vermöge seines Teutonischen Blutes, eine Lebens kraft, die den südlichen Ländern derselben Zone längst entschwand. Aber das geistige Licht hat sich verdunkelt; der Brennpunkt hat die zündende Kraft verloren; künstliche Surrogate sind an die Stelle der echten, wärmenden Flamme getreten; ,die Nachahmung und die Gewohnheit haben die Furchen des literarischen Feldes eingenommen. Man muß sich in Geduld fassen: die größten Völker haben dies '1 Di- ausgezeichnetsten und schöpferischsten Geister jeder Art haben st» stet- in Gruppen gethettt, je nachdem ste durch Zeit und Fortschritte mit einander verwandt waren. Schicksal getheilt. Die fruchtbarsten Volksstämme ruhen aus, schlafen und sterben. Wenn Shakespcare'S Dupperich"), einer der prächtigsten Cha raktere dieses Dichters, zum Kritiker geworden wäre unv über die jetzige Englische Literatur urtheilen sollte, er würde sie gewiß mit seinem LicblingSansdruck als mo^r ralerakle »ml not to bo enüureü, als „durchaus erträglich und unstatthaft" bezeichnen. Unter den Vielen komischen Personen, mit denen dieser Molierc-Aeschylus seine Welt bevölkert hat, findet sich auch jener treffliche Diener der Ge rechtigkeit, der gute kleine Friedensrichter Dupperich, ein ganz köst licher Mann, der Kani's Antmomieen schon ahnte, denn die besten Dinge sind in seinen Augen ein wenig schlecht. Er hat sich in seinem verworrenen Kopfe ein beständiges Schaukelsystem von Gut und Böse gebildet, auS dem die scharfsinnigste Kritik und das lächerlichste Symbol des schwankenden Skepticismus entspringt. Eine Physiogno mie kömmt ihm äußerst schön und doch ziemlich häßlich vor, eine Handlung erscheint ihm als verbrecherisch und dennoch als ganz tugendhaft. Das Für und das Wider, die sich in seinem wirren Gehirn so wunderlich durchkreuzen, erzeugen darin eine ewige Däm merung zwischen Licht und Finsterniß. Wirklich könnten die Aus sprüche dieses übertriebenen Eklektikers sehr wohl zur Charakteristik der heutigen Englischen Literatur dienen, denn sie ist von höchst dürftigem Reichthum, von höchst fruchtbarer Armuth, von höchst be wundernswürdiger Nichtigkeit, von höchst armseliger Ueppigkeit, von höchst mittelmäßiger und doch ausgezeichneter Ergiebigkeit. (Fortsetzung folgt.) Aegypten. Mehmed Ali mrd seine Familie. Nach den Briefen eines Engländers. Mehmed Ali wurde im Jahre 1769 zu Cavallo in Rumclicn geboren. Frühzeitig verwaist, fand er Ausnahme bei einem reichen Aga, wurde nachmals Tabackshändler, erwarb sich einiges Vermögen in-diesem Geschäft und machte eine gute Partie. Als Bvnaparte's Einfall in Aegypten die Pforte veranlaßte, Truppen aus den ver schiedenen Türkischen Provinzen zusammenzuziehen, stellte er sich an die Spitze von dreihundert Mann und wurde zum Bimbaschi oder Oberst dieser Streitkräfte ernannt. Er focht rm der Schlacht von Abukir mit und wurde zum Rang eines Sartschesmi oder Befehls habers von tausend Mann befördert. Kurschid Pascha, der damals Gouverneur von Aegypten war, hatte sich mit den Bey'S überworfen und wurde von seinen eigenen Alvanesischen Soldaten beunruhigt. Mehmed Ali benutzte diesen Zustand der Dinge, wußte sich bei dem Pascha in Gunst zu setzen und suchte die Albanesen zu gewinnen, die seinem Gebieter so feindlich waren. Kurschid entdeckte seine Ab sichten und befahl ihm und dcn Albanesen, in ihre Heimat zurückzu- kehrcn. Er heuchelte Gehorsam, ließ sich von dcn widerspänstigen Soldaten bcwegcn, in Aegypten zu blciben, sah der Plünderung Kahira's und der Absetzung des Pascha's ruhig zu und willigte, an scheinend mit Widerstreben, in.seine Einsetzung als Statthalter von Aegypten. Die Pforte, um seiner in Aegypten los zu werden, er nannte ihn im Jahre IMS zum Statthalter von Dschcddah und schickte später eine Flotte gegen ihn; ahcr eine Jntrigue zwischen Mehmed Ali's großem Freunde, dem Französischen Konsul Herrn Drovetti, und dem Kapudan Pascha gewann ihm die Verzeihung und Gunst des Sultans. Kaum war er in seinem Posten bestätigt, als die Pforte, auf die Vorstellungen der Britischen Negierung, die Mameluken in Aegypten wiedereinzusetzen strchte. Es wurde ein Ferman zu diesem Zweck an den Pascha abgcfertigt und ihm, statt der von ihm bekleideten Statthalterschaft, das Paschalik Salonichi angeboten. Abermals that er, als unterwerfe er sich, und abermals ließ er sich von seinen Soldaten bewegen, in Acgyhten zu bleiben, und im Jahre 180« ward ihm die Gunst der Pförte wieder zu Theil, unter der Bedingung, daß er 4000 Beutel an den Sultan zahlen sollte. Im Jahre 1807 drangen wir in Aegypten ein, und unsere damaligen Niederlagen sollen großentheilS dem trefflichen Verthei- digungsplan zuzuschrciben gewesen seyn, welchen Herr Drovetti für dcn Pascha entworfen hatte. Vier Jahre später fühlte sich Mehmed ') So heißt d«r GerichtSamtmann Dogberr» in der unter dem Titel „dir Qualgeister" bekannte« Deutschen Bearbeitung des Shake,peareschrn Lust spiel- Uoeb »st« »boot ootbiog tBiel Lärmen um Nicht») von Beck.