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Wöchtmlich «scheinen drei Nummern. Pränumcratwn»- VreiS 22; Sgr. THI«) rierMjährtich, Z Lhlr. für baS ganz« Jahr, ohne Er. bihuny, in allen Theile» der Prenlüschrn Monarchie. Magazin für die Man prünumerirt auf LirskS Linratnr-Klcm in Berlin in der Expedition AUg. Pr. Tiaats-Zeitung fönedrichestr. Nr. 72); in der Provinz s» wie im Auslände bei den WobUöbt. Pvü-Acmlern. Literatur des Auslandes. !2:;. Berlin, Montag den 12. Oktober 1840. Türkei. Die Schlacht von Navarin. Bon einem Französischen Marine-Offizier. .... Der Kommandant des „Scipio" kehrte an Bord zurück; sein Auge strahlte, sein Auftreten war das eines Mannes, der im Besitz einer wichtigen Neuigkeit ist und vor Begierde brennt, sie denjenigen mitzuthcilen, die er gern für seine eigene Begeisterung empfänglich zu machen wünscht. Der Capital» Lee Fregatte stand zu seinem Enipfange am Fallreep bereit. „Mein Herr", sprach er zu vielem, „laden Sie gefälligst das ganze Offizier-Corps ein, mir in das BerathungS-Zimmer zu folgen." Und als die Offiziere nach-einiger Zeit aus demselben zurück- kehrten, glänzte die Freude auf allen Gesichtern; die jungen Zöglinge der Marine vermochten, trotz der sprechenden Blicke ihrer Vorge setzten, sich in ihrem Entzücken kaum zu mastigen, um daü Geheimniß nicht zu verrathen, das ihr Befehlshaber ihnen anvertraut hatte. Als nun aber der Capitain der Fregatte die Steuerlente und Bootsmänner zusammenberufen ließ, um ihnen seine Befehle zu er- theilen, war die ganze Besatzung keinen Augenblick länger darüber in Zweifel, welche Mittheilungen der Kommandant dem Offizier- CorpS gemacht habe. Jetzt bemächtigte sich ein Enthusiasmus, dessen Natur schwer zu beschreiben ist, aller Gcmüther; Frcndcnruse wurden vernommen, deren Ausdruck Vie größte Erregtheit der Jubelnden kundgab. Die Stunde des Gefechts rückte näher. Auf den Gesichtern der Seeleute, in ihrer Aufregung, in ihren Bewegungen malte sich, wie in einem Spiegel, der Zustand ihres inneren GemüthcS. Der HochbootSmann erschien mit dem Segelmeister auf dem Verdecke: alles laufende Tauwerk wurde verdoppelt, die Racktaillen wurden verstärkt und die Unterraaen zur größeren Sicherung mit eisernen Reifen umschlungen. Die MarSgastcn brachten vierte, Feuerdehälter, Talg, Flaschenzüge und andere Gerälhschaften, die man während einer Seeschlacht bedarf, in die Mastkörbe unv auf die Schanze. Große Balken, mit scharfen eisernen Spitzen versehen, wurden weit über den Bord hinauSgeschobcn, um Vie etwa herautrcibenveu Brander abzuhaltcn. Die Naaen wurden mit Steinschleudern und Karabinern gespickt. -Der „Bootsmann am Steuerruder" bereitete die nöthigen Steuer-Signale vor und ließ Alles in den Stand setzen, uni für den unglücklichsten Fall sogleich ein Nothslcuer anbrmgen zu können. Der Ober-Kanonier mit seinen Gebülsen untersuchte die Battcrieen, ließ die Deckluken abnchmen und Alles in den Stand setzen, was zur Ausführung der Manöver dienlich sepn konnte. Der Waffen meister und der Waffenschmied untersuchten alle Feuergewehre, die Säbel, die Enterbcile und die Piken, und vertheilten die Patronen. Der Ober-Kalfaterer und der Ober-Zimmermann nahmen aus ihren Kisten die nöthigen Werkzeuge hervor; daun besichtigte der Erstere die Pumpen, Letzterer die Seitenborde. Die Battcrieen und das Zwischendeck wurden darauf von allem unnützen Geräth befreit, um das Manöver mit den Kanonen nicht zu behindern und für die Unterbringung der Verwundeten den nöthigen Raum zu gewinnen. Aus diese Weise wurden alle Vorkehrungen zum Gefechte getroffen, während das Schiff längs der Küste hinscgelte. Mit welchem Eifer gaben sich sowohl vie jungen als die alten Seeleute diesen unge wohnten Arbeiten hin. Es war ein herrlicher Anblick, zu sehen, wie die jüngeren Leute, wenn sie über das Verdeck hinrauntcn, ihre Arme von der Last, die sic trugen, befreiten und den alten Matrosen, die ihnen entgegenkanicn, mit dem Zurufe die Hand schüttelten: „Mor gen, mein alter Seemann!" Und dieses „Morgen!" will so viel sagen, als: Morgen stchc« wir uns Alle gleich, morgen sind wir wahrhaft Brüder, denn morgen wird die Schranke fallen,' Vie zwischen den Matrosen, die sich bereits im Pulvcrdampfe berauscht haben, und denen aufgerichtet ist, die ihren Muth noch nicht anders als in dem Kainpfe mit den Elementen erproben konnten. „Auf Morgen!" entgegnet der alte Matrose, indem er hie Hand schüttelt, die der junge Seemann ihm darbietet, und belobt diese edle Aufwallung durch ein huldvolles Lächeln. Beim Einbrüche des Abends, da aste durch die nahe bevor stehende Schlacht nöthig gewordene Arbeiten beendet sind, beginnen Gesang und Tanz. Als man Vic Seeleute so lustig durch einander wogen sah, hätte man glauben sollen, sie begingen die Vorfeier eines morgenden Festes. Und war es am Ende für ihre in Gefahren ad. gehärteten Herzen kein Fest? Dem Tanz und dem Spiele folgten die fröhlichen Refrains, die patriotischen Gesänge! Bald hallten alle Schiffe der Französischen Escadrc von den Gesängen der Freude und des Ruhmes wieder; von den Englischen und Russischen Schiffen antwortete man mit ernster klingenden Liedern. Ein majestätisches Konzert steigt von den Wellen zum Himmel empor, die srischgchcnde Brise trägt die schallenden Töne weiter, sie schlagen wie ein TodcS- schrei an vaS Ohr der Söldner Ibrahim Pascha'S; aber wieder- c hallend in den Felscn-Echo'S der nahen Insel werden sie zugleich ein Frciheitsgruß für die unglücklichen Nachkommen des Epaminonvas. Jetzt sinkt die Sonne in die Wellen hinab, nur einige vom Abendroth bestrahlte Wolken schwimmen am Horizonte hin nnd werfen einen leichten Schimmer auf die Spitzen der Maste. Der Kom mandant, der wohl weiß, daß seine Leute an einem Tage, wie der morgende, ihre ganze physische Kraft nöthig haben, läßt unter Deck pfeifen, und alle Leute, die nicht zum Wachtvolk gehören, eilen in VaS Zwischendeck und kriechen in ihre Hängemattem Die Aufregung, welche bis jetzt am Bord geherrscht hat, legt sich und macht dem Nachdenken Platz; man denkt über die wahr scheinlichen und möglichen Wechselfälle des bevorstehenden Gefechtes nach, das muthmaßllch ein sehr blutiges wird; den alten Seemann überrascht eine Thräne, indem er seines Weibes und seiner Kinder gedenkt, die er vielleicht nicht Wiedersehen, nicht mehr umarmen soll; der Neuling gedenkt der Mutter und der Schwester, die daheim seiner harren; still zieht er aus seinem Gürtel den letzten Brief, den er von ihnen empfing, und drückt ihn mit einer fast religiösen Empfindung an seine Lippen. Einige schwelgen in süßen Erinne rungen, Andere seufzen bei dem Anblick der trüben Bilder, welche Vie Phantasie vor ihre «Seele zaubert; aber alle diese Gemüths- zustände sind nicht im Staude, ihre Energie zu schwächen, denn die Liebe zum Ruhme ist kühner und gewaltiger als alle andere Empfin dungen. Der Tag bricht an, und eine wolkenlose Sonne steigt empor; sie bestrahlt die bergigen Gipfel von Sphacteria und schmückt Vas bläuliche Meer mit ihrem flüssigen Golde. Auf dem Verdeck und in den Batteriecn wird die Trommel gerührt. Es ist das Signal für die Matrosen, ihre Hängematten zu verlassen (I« In »nie-b»»). Und m einem Momente sind sämmtliche Hängematten verschwunden; die Offiziere verlassen ihre Kajüten; man bezieht sich auf vaS Verdeck; der Appell wird abgchaltcn. Welch' ein imposantes Schauspiel gewähre» die 1200 Seeleute, die auf beiden Seiten des Verdecks ausgestellt sind! In einigen Stunden haben die Kugeln ihre Reihen dccimirt, und doch glüht ihr Gesicht vor Freude und Erwartung; in einigen Stunden wird ihr Blut von den« Verdeck in das Meer hinabströmcn, und doch ant worten sic bei dem Namensaufruf mit fester, fast freudiger Stimme, als ob sie zu einem Feste aufgcrufen würden. Sobald der Offizier sic aus einander gehen heißt, bezieht sich Jeder an seinen Posten; an tausend Köpfe sehen über die Verschan zungen hinweg, ibrc Augen ruhen mit Wohlgefallen auf den drei vereinigten Geschwadern, während der Soldat seinen liebsten Kame raden durch einen vielsagenden Blick auffordert, während des An- griffs au seiner Seite zu fechten. Und wie fie in der Bai von Navarin den Mastenwalv der feindlichen Flotte erblicken, gleicht ihr Auge dem Auge des Avlerü, der seinen nahenden Feind schon mit Blicken zu Boden schmettern will. Uni 10; Uhr werden an dem großen Bramtopp der „Sirene" drei Flaggen sichtbar. Das ist das Signal, daß zum Gefecht aus- gerufen werden soll. Jedermann tritt an seinen Platz. Die Pulver- Kisten werden geöffnet, Waffen auf das Verdeck geschleppt; die Raae» werden von Leuten bcscPt, die als Scharfschützen dienen. Die Kano- nicre stehen bei ihren Stücken, und die Leute, welche während dcS Gefechtes zur Ausführung der Manöver bestimmt sind, stehen um die Maste geschaart. Der Bootsmann am Steuerruder ergreift die Ruderpinne; der Befehlshaber dcS Schiffes besteigt seinen erhöhte» Platz auf dem Quarterdeck und überschaut mit Rubc die Bewegungen der Flotte. In den Batteriecn werden die Kanonenpforten geöffnet und die Pfropfen aus den Stücken genommen; die Lunten sinv angezündct und die Gefchützwannen nnt Wasser gefüllt. Die Offiziere der Battcrieen, der Gcschützmcister und die Eleven treten nach einander zu den einzelnen Stücken, ertheile» ihre Befehle und richten aur- munlerndc Worte an vir Leute. Die Aufseher der Pulverkammer vcrtheilen die Patronen. Der Stuhl, mit welchem di« Verwundeten