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des Fort» Saint-George »erließen die Stadt im Angesicht von funfzigtausend Bewohnern und wanderte» unter guter Bedeckung nach Pondickcry. Da verkleidete sich Robert Clive, an den kein Menlld dachte, als Muselmann, cntflob bei nächtlicher Weile und barg sich in dem Fort St. David, das in geringer Entfernung von Madras lag. Er zädlte 21 Jabr: seinem kriegerischen Sinne war jetzt die einzige Laufbahn, an der er Gefallen fand, eröffnet. Er bewarb sich um eine Fähnrich-Stelle und erhielt sic; er tövtcte einen der gc- sürchtctffen Männer seiner Eompagme im Zweikampf und zeigte sich in seinem neuen Berufe so unerschrocken, eifrig und pünktlich, als er in seinem Cwil- Amte indolent, lau und fahrlässig gewesen war. Balo darauf kam es zum Frieden zwischen England und Frank reich; Dupleir ließ die Stadt Madras unzerstört. Jetzt aber ent spann sich ein folgenreicherer Kamps zwischen der Französischen und der Britischen Eompaguie in Ostindien: zwei Corporationen von Kaufleuten stritten um das Erblhctl Babcr'S und Aurcng Scb's mit einander. Sultan Babcr und seine Türkischen Krieger hatten im 16ten Jahrhundert diesen Staat gegründet. Nic war ein Europänchcr Fürst so reich und — wenn man Vie Zahl ihrer Untcrthanen be denkt — so mächtig gewesen, als die sogenannten Groß-Mogulc. Bloße Satrapen des „Psaucnthrons" walteten despotisch über Millionen, und ihre Einkünfte kamen denen des Deutschen Kaisers gleich. Die Statthalter dieser Bice-Könige zählten so vwlc Untcr- tbanen uns standen in demselben Ansehen wie der Herzog von Tos kana oder der Kursürst von Sachsen. Die von Staunen hinge rissenen Reisenden versicherten, daß alle Pracht des Vatikans und aller Glanz von Versailles vor dem unerhörten Pompe des Hof s zu Delhi verschwinden müßten. Der Despotismus schafft Reich- tbümer,'»äust Schätze; allein er abiörbirt sie wieder; er verschlingt seine Hülfsgucllcu und vernichtet sich durch die Entfaltung seiner cigcncn Größe. Die Erschlaffung der Völker, dic Tyrannei der Großen, die Empörung wilder Bergbewohner führten nach Aurcng Scb's Tode eine ähnliche Zerstückelung herbei, wie Europa sic nach dem Hinschciden Karl'S dcs Großen crlebtc. Aurcng Sed'S Kraft und Klugheit batten sein Reich zusammengehalten; diese Eigenschaften sanken mit ihm ins Grab, und seine Nachfolger waren Schatten- Monarchen, die, unter Hofnarren und Buhlerinnen ihr Leben ver träumend, das Riesenreich Jedem Preisgaben, der cS nehmen wollte. Die kriegerischen Bergvölker drangen zuerst ans ihren uneinnehm baren Schluchten und verheerten bas platte Land; bald darauf zog ein Persischer Eroberer über den JuduS, erstürmte Delhi, raubte unermeßliche Sch.äye und bemcistcrtc sich jenes „Pfaucntbronü", vcn dic kunstreichsten Meister Europa's mit Juwelen aus Golkonda be säet hatten. Selbst der berühmt« Diamant Kobi-Nur (Lichl- Berg), der jetzt aus dem Idole von Orissa funkelt und vorder in das Armband Rcndschit-Singh'S gefaßt war, fiel damals in die Hände veS gräulichen Tamasp-Kuli-Chan. Die Afganen, dic Sihk'S und Dscbaht'S setzten das begonnene ZerstörungSwerk rüstig fort. Dir kriegerischen Radschputen-Stämme schüttelten ihr Joch ab. Daö furchtbarste dieser Raubvölkcr, die Makarattcn, eroberten Puna, Gwalior, Guserat, Berar und Tand- schore. Die Satrapiccu plündernd und HindostanS Ebenen verödend, vertrieben sie den erschrockenen Landmann, der sein kümmerliches Er- sparuiß im Gürtel barg und im dichtesten Urwalvc, bei Tigern und Hyänen, ein Asyl suchte. Noch faullenzte ein Kaiserlicher Schatten m Delhi und erkaufte das Mitleid dcr Barbaren, deren Wachtfeuer schon die Mauern seiner Hauptstadt beleuchteten, um Golvcs Preis. Die Europäischen Faktoreien zitterten auch vor ihnen; man mußte Kalkutta selbst befestigen. Ein halbes Jahrhundert lang vergeudete England Blut und Gelb, um die Mabratten zu bändigen oder zu schwächen. Welches sollte Indiens Schicksal seyn? welcher Monarch sollte auS diesen Trümmern wieder eia Ganzes machcnk Dic Vicc- Königr des Groß-Moguls waren nur noch unabhängige, von Räu- bcrbördcn gcbrandfchatztc Vasallen. Die in den Händen einiger muselmännischen Familien ruhende parzielle Macht wurde mit einer Grausamkeit ohne Energie gehandhabt — neben dem Plünderer wüthete dcr Despot; nirgends >var eine hierarchische Gewalt, nir gends Ordnung und Zucht. Der Titular-Kaiser von Hinvostan ver lieh Titel, empfing Geschenke und gab fremden Gesandten Audienzrn; seine Titular-Vasallen machten eS eben so. Nock jetzt giebt eS in Lucknow und in Heiverabad kleine Gutsbesitzer, die sich Fürsten nennen, und denen man diese Freude nicht verdirbt, weil sie ganz unschäd lich sind. (Fortsetzung folgt.) Frankreich. Dic Napoleonidcn als Schriftsteller. (Schluß.) Madame Lucian Bonaparte thcilte das literarische Schicksal ihres Gemahls. Sie gab rin Gedicht „Bathilde" heraus, das sich durch eine gewandte Sprache empfiehlt. Aber eS ist nicht Baltc- Hilde, das kühnc Weib, welches mit männlicher Hand das Sccpter «ährend der Minderjährigkeit ihre« SobneS führte und gleichsam der letzte Ausdruck dcs Mcrovingischcn Königtbumü war; auch nickt dic köstliche Perle Gottes (»prim» Doi margnrim). wie die Legende sagt, dir heftige Nonne des Klosters ChellcS. Diese beiden so ber- vorspringcnden Seiten dcs Lebens der Bathilde boten Gegensätze, welche Madame Bonaparte unbrnutzt gelassen hat. Die Vermählung der Heldin mit dem König Chlodwig U. bildet die ganze Handlung. Dir Legende behandelt die Thatsache mit naiver Einfachheit. Bathilde wird von Seeräubern gefangen und als Sklavin in Gallien verkauft; sie erschrickt vor der Liebe ihres Herrn und sticht in die Wüstc. Der König begegnet der Jungfrau auf der Jagd, wird von Lirbe zu ihr ergriffen und erhebt sie auf den Thron Galliens. An die Stelle dieser romantischen Begegnung hat dic Dichterin unerwartctc Ver wickelungen und die künstlichsten Ingredienzien der poctisckcn Fabel gesetzt. Der Ehrgeiz Ebroiu's und die nnverhüllte Liebe seiner Schwester Alpende zu dein jungen haarumwalllcn Könige sind die » Hebel bcS langsam weiterschleichcnvcn Gedichts. Zur Zeir, wo Lucian in vcr literarischen Wclt auftrat, gab auch Joseph einen Roman heraus: ..VGüm" ober „la Villip:«.,ixe ,lu lAmu-l'mux" (>7W). DaS Merkchen windet sich ziemlich glücklich zwischen den Klippen dcr damaligen Zrit, der Declamation und der Empfiuvelei, hindurch. Die Zeit hat inscß ihr llrrhcil gesprochen, und eine wohlwollende Grabschrist ist wohl Alles, was man ihm ge währen kann. Joseph hat wohl keinen anderen Versuch auf dem Gebiete des Romans gemacht; später ging er, wie Lucian, zur Poesie über. Er hielt sich an vie ncucrc Zeit, und was konnte er da wohl Anderes wählen als seinen Bruvcr Napoleons Keine Wolke hatte je ihre Einigkeit getrübt. Er besang seinen Helden in zehn Gefangen, aber sein Talent, das sich mehr zum Bukolischen neigte, entsprach nicht seiner brüderlichen Liebc. Das Gcvichl kam IK2L zu Philadel phia heraus. Und durch welches Triumphthvr sollen wir denjenigen, den man den größten Dichter der neueren Zeit genannt hat, in unsere Ga lerie einziehcn lassens Sollen wir ihn unter allen diesen Dichtern seines Geblüts auftrctcn lassen? Wir wollen nur die Quelle belau schen, nur vaS betrachten, was er mit seiner Familie gemein hat, die ersten Versuche seines Geistes auf dcm Gebiete der Speculation, Schüler - Versuche, Garnison - Uebungcn. Als die „Cyrnoipc" erschien, gaben einige Blätter zu verstehen» Napoleon mögc an dieser Produelion wohl einigen Antheil haben. Sollte das vorgebliche Gedicht über Korsika des Schülers von Bricnne nicht Einiges dazu beigestcuert haben? Vor allen Dingen steht aber die Authentizität dieses Gedichts keineSwcgcs fest. ES ist überhaupt sehr zweifelhaft, ob Napoleon zu Brieune Verse gemacht habe. Bourricnne crwäbnt nichts davon, und auch das ..VK-umrial" schweigt darüber. UcberdleS findet man nichts in der „Cyrnölve", was an die flamlncnde Prosa Napolcon'S erinnert. Auch ist eS ja bekannt, wie wenig Geschmack cr an den klassischen Studien fand. Sein glühen der Geist, obschon cr sich durch den Schwung scincr Phantasie vcr Poesie näherte, konnte nicht lange den prosodischen Zwang dulden. Die Geschichte war seinc Leidenschaft, und wenn cr auch kein Gedicht über Korsika verfaßte, so doch eine Geschichte seines Vaterlandes. Er arbeitete an derselben während der Ferien, die er zu Ajaccio zu- drachte. Sein Bruder Lucian machte zwei Abschriften davon unv machte Naynal mit dem Werke bekannt. Dieser thcilte es Mirabeau mit, dcr erklärte, daß der Verfasser dcs kleincn Versuches cin Schrift steller ersten Ranges sev. Beide Abschristcn gingen durch eine Feuers- brunst unter. In Valence lcbte er ganz auf seinc Bücher beschränkt, als er von ciner Frage Kcuntniß erhielt, welche die Akademie von Lyon ausgestellt hatte. Dies« lautcte: „Welches sind die Grundsätze und Einrichtungen, denen die Menschen unterworfen werden müssen, um sie so glücklich wie möglich zu machen?" Dcr junge Offizier, der später so schlecht aut die Ideologen zu sprechen war, verschmähte es damals nicht, das Gebiet der Speculation zu betrete«. Seine Denkschrift trug den Preis davon. Die Theoriccn des gekrönten Werks entfern ten sich nur wcnig vom Schiboleth der sensualistischen Philosophie, und Naynal, der die Frage gestellt hatte, mußte mit dcr Lösung zu- fricdcn scyn. Der junge Laureat sucht das Glück darin, daß man des LcbcnS so viel wie möglich genieße und aus die unserer physi- schcn und moralischen Organisation angemessenste Weile. Napoleon erwähnte auf Helena, daß cr als Kaiser mit Herr« von Tallevrand von Vieser Prelsschrift sprach. Ler geschickte Höfling überreichte sie ihm einig» Tage später. Der Kaiser nahm sie, laS einige Seiten und warf sie dann ins Feuer. Lucian und Joseph hatten ihr Glück zuerst mit Romanen ver sucht; eben so ihr Bruder LvuiS; nur stand dieser schon in reiferem Alter. Sein Roman, welcher „Vliirw »n I> < lleine.-. üe l'äm.mr" hieß, war nicht ein reines Erzeugnis der Phantasie, sondern trifft in mehr als Einem Punkte mit dcm Privatleben dcs ehemaligen Kö nigs von Holland zusammen; es ist ein sehr zarter Abschnitt dcr Geschichte seines eigenen Lebens. LouiS Bonaparte wurde nicht wie seine Brüder erzogen; er be suchte nicht, wie sie, öffentliche Schulen. Seine Erziehung, welche kaum begonnen hatte, als dic Revolution ausbrach, wurde von vorn herein unterbrochen. Seine Familie, welche nach Frankreich flüchtcte, hatte die Hülfsqncllcn eingcbüßt, die seinen Brüdern zu gute gekom men waren. Mit den Schulen sah cs übrigens damals schlecht aus, und dcr junge Louis, dcr die Artillcric-Schule von CH»lonS besuchen sollte, fand, als er dorthin kam, die Thürcn geschlossen. So aus sich felbst beschränkt, entwickelte sich in ihm ein Anflug von Schwcrmuth. Napoleon sagte, Rousseau habe ihn verdorben. Er kam sehr jung in den Generalstab seines Bruders, wo er Beweise von Muth und Ehre gab; cr dicntr mit Ehrcn in dcn Feldzügen von Savoyen und Italien. Aber seine düstere Stimmung zeigte ihm das militairische Leben von der traurigsten Seite. Der Sturni von Pavia und die Plünderung dcr Stadt cmpörtcn ihn. Als cr leidend aus dcn» Feld- zuge zurückkebrtc, suchte unv fanv er das Glück in den Familienbe- ziehungcn. Er besuchte häufig seine jüngere Schwester Karoline in St. Germain in der Pension dcr Fran von Campan. Dort flößte ihm eine Freundin scincr Schwester, die Tochter eines Emigranten, eine lehhaftc Neigung cin.