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487 Bizarro's, eines Arbeiters im Arsenal, geschrieben. In den drei ersten Gesängen rast Rasps vor Liebe und Eifersucht; er sagt: „Meine Blonde, Deine Augen find funkelnder als die Sterne des Himmels und Indiens Diamanten, nur ein Titian kann Dich malen; die Schäpe der Zccea, des Arscnal's und des Bucentero können Deine Schönheit nicht bezahlen u. s. w." Und einige Stanzen wei ter fügt er hinzu: „Madame, sagt diesem durchduftcteu Fremden mit de» Schuhen und dem Degen von Sammt und den gestickten Aufschlägen an den Aermcln, daß er nicht mehr unter Eurem Fen ster schlcnvre, wenn er sein Leben liebt, ich werde meinen Dolch spie len lassen. Die letzte Nacht habe ich schon mit Tecla, Merlin, Maron kurzen Prozeß gemacht u. s. w." — Der vierte Gesang ist betitelt: Ende der Liebschaft Naspo Bizarro's, der seine Geliebte geheirathet hat, um als guter getaufter Christ zu leben. — Der fünfte enthält die Klage des Arbeiters, der seine Ehe bereut; er wird von seinen Gläubigern und seiner Frau gequält; seine Freunde rathen ihm, fie zu schlagen. „Was wollt Ihr?" antwortet er mit Humor; „fie würde wüthend werden und sich an meiner Ehre rächen." — Pino fährt in diesem Ton fort; er befingt, wie Caravia, die Wunderlich keit Naspv'S, der jetzt geneigt ist, seine Frau zu schlagen. Diese Pocfiecn find aus dem Gefängniß oder der Verbannung datirt. Der Arbeiter bittet seine Frau, ihre Mäntel zu verkaufen, um ihn aus- zulöscn; oft fährt er sie an, weil sie ihm den Dolch und den Degen verborgen hatte; wenn er mit seiner Klinge ausgcgangen wäre, hätte er sich vcrthcidigcn und die Sbirren hätten ihn nicht fangen können. Immer gicbt cs Schulden, Dolchstiche, Liebe und Stock- schlägc selbst für die Schöne. Er ist so gewohnt, zu schlagen, daß er sic aus Versehen verstümmeln könnte. — Britti (geboren 1820; er verlor das Gesicht und ward >641 eingckcrkcrts schließt die Reihe dieser Lyriker. Weniger elegant, als seine Vorgänger, übertrifft er fie durch den rgsehen Fluß des Metrums,' durch die Komik der Re frains und die Leichtigkeit der Sprache. Um lü'U> hört die poetische Ader des I6ten Jahrhunderts auf zu fließen, die lyrische Periode der Venctianischen Poesie ist zu Ende; Benicro hat keine Nachahmer mehr, man denkt nicht mehr an die Eastellani's, noch an die Nicoloti'S; die Liebe ist weder leidenschaft lich, noch poetisch, und die modernen Ideen erscheinen zum ersten Male in Venedig im Gefolge der gegen die Freiheiten des Mittelalters wie gegen die Freiheiten der Reformation gerichteten katholischen Reac- tion. Aber in Venedig bringen die modernen Ideen nur Erstaunen her vor. Bona, der Dichter der Epoche, in der Mitte stehend zwischen den Forderungen der Moral und der sinnlich malerischen Verdorbenheit Venedigs, wird schwindlig; er betrachtet die Welt als einen Narren käfig. Die großen Herren, die mit Goldhausen spielen, die Arme», die Hungers sterben, Apicius, der aus Langeweile reist, Regulus, der sich von den Afrikanern maffakriren läßt, für ihn sind das Alles Maskeraden, die er ohne Umstände in den Venctianischen Karneval, die Jtaliänischen Masken und alle Thorheitcu des Landes mischt. Er leugnet Laster und Tugend, und diese Ideen setzt er in zwanzig Broschüren aus einander, die er mit vielen Beispielen aus Geschichte und Mythologie in die Länge zieht. Dasselbe Chaos findet man in Bcldati's Gesängen über Venedigs Gründung; die Götter deS Olymp und die Heiligen des Christenthums, der VenuSoicust und die sinnlich katholische Frömmigkeit werden hier unter einander gemengt. Die Venctianische Gesellschaft spiegelt sich in dieser allarchischen Poesie ab: Diana, Venus und die anderen Göttinnen Bcldati's sind lie benswürdige Dcnctianerinncn, die den Olymp mit ihrein Geklatsch betäuben; sie habcn Liebhaber, stürzen Alles, was sie umgiebt, über den Hansen und leiten die Verschönerungen der Stadt. Gott, die Jungfrau und die Heiligen thronen über dieser heidnischen Gesell schaft, wie der Senat und die Inquisition über dcm Venctianischen Karneval. So war das Jahrhundert Ludwig'S XI V. am Adriatischen Meere. - , (Schluß folgt.) Frankreich. Die Garde-Zöglinge Napoleon's. Bon Marco de Saint-Hilaire. An einem Sonntage des August I8II, vor zehn Uhr Morgens, drängte sich eine wogende Mcnschenmaffe an den Gittern des Car- rousel in Paris. Napoleon sollte um die Mittagszeit eine jener prächtigen Nevücn abhaltcu, welche die etwas stupide Bewunderung der Pariser stets in Hohem Grade erregten. An jenem Tage war die Neugier des Volkes noch lchbastcr, als gewöhnlich; kenn ein ganz neu geschaffenes militairischcS Corps, die Garde-Zöglinge (pupiliu.-i W tzanlv), das noch Niemand in Paris gesehen hatte — es war erst gestern Abend von Versailles in der Militair- Schnle angckommcn — sollte zum ersten Mal vor dcm Kaiser auf- marschircn. Das Schicksal, welches Napoleon bis dabm immer hold ge wesen, hatte ihm sechs Monate vorher einen Thronerben geschenkt und somit alle seine Wünsche erfüllt. Nachdem er seinem Sohne cincn Thron als Wiege unv ein Sccpter als Spielwerk gegeben, beschloß er, auch eine Leibgarde sür ihn zu organisircn, die seinem Alter angemcsscn wäre. Biele seiner tapferen Soldaten hatten Söhne ober Neffen, die noch zu jung waren, um in die Regimenter einzu treten: Keiner war wohlhabend genug, »m diese Knaben in einer Militair-Schule erziehen zu lassen, und außerdem befanden fick unter Lei Lctzicren viele' Waisen; denn der KriegSruhm hat bekanntlich auch /eine böse Seite, und mancher Triumph, der die Nation ver herrlicht, stürzt viele Familien in Trailer und Herzleid. Damit nun der Krieg dein unvermeidlichen Unglück, das er über diese Kinder brachte, einigermaßen wieder abhclfe, kam Napoleon auf den Ge danken, ihnen wiedcrzugcbcn, waS sie verloren hatten. „In den Reiben meiner Armee", so sagte cr, „sind ihre Väter gesallen, und dafür soll die ganzc Armee ihnen Vater und Vormund seyn." In Folge dessen war am ZO. März 1811 ein Dekret erschienen, welches die Organisirung cincS Regiments aus zwei Bataillonen, jedes zu sechs Compagmecn, anbefahl, das den Namen I'mnit^ ü« la liarüe führen sollte. Dieses Corps sollte auf demselben Fuße er halten werden, wie die junge Garde in Friedenszeitcn, den Sold ausgenommen, der geringer war. Jeder in dasselbe auszunehmcnde Soldaten-Knabe mußte gesund und wohlgcwachscu, jedoch weniger als fünf Fuß hoch seyn") und die Spuren der Pocken-Impfung vor zeigen können. Er durfte nicht unter zehn und nicht über fünfzehn Jahre alt seyn, und außerdem war cS unerläßlich, daß er lesen und schreiben konnte. Die Uniform bestand aus einem grünen Nocke mit gelben Schnüren, einem Tschako, grünen Pantalons und Kamaschen. Nur die Unteroffiziere hatten das Recht, einen Säbel zu tragen; der Degcn war die Waffe der Offiziere. Die Unteroffiziere — Korporale, Fourriere, Sergeanten und Sergeant-Majors - wurden nach dem Rechte' der Anciennetät gewählt; die Offiziere aber, vom Sccondc- Licutcnaut bis zum Obersten, crnamftc der Kaiser auf Antrag des Kriegs-Ministers. In Versailles wurde dieses Miniatur-Regiment organifirt. Oberst Bardin erhielt das Kommando desselben, und der Bataillons- Chef Dibbets ward zu seinem Adjutanten ernannt. Die meisten Offiziere wurden unter Len Zöglingen der Militair-Schulen von Saint-Cyr und Fontainebleau gewählt. Die kleine Infanterie stieg bald auf 4ONO Mann oder Männlein; später vermehrte sic der Kaiser in solchem Maße, daß sie zu Ende des Jahres 1812 acht Bataillone, jedes zu acht Compagnieen, zählte. Die Zöglinge hatten einen be sonderen Unter-Intendanten, ein Musik-CorpS, Pfeifer, Trommler, einen RcgimenlS-Tambour und sogar Sapeurs. Eine einfache Standarte mit den National-Farben vertrat bei ihnen die Stelle der Fahne, da der Kaiser keinem Regiment einen Adler bewilligte, bevor cs ihn auf dem Schlachtfclkc verdient halte. Schon waren die vier Regimenter der alten Garde im Hofe der Tuilcrieen ausgestellt, als man plötzlich mit Staunen sah, wie ein Regiment kleiner Infanteristen, von denen der älteste kaum >4 Jahr zählte, aus dem Psörtchen des Pont-Royal dcbouchirtc und in guter Ordnung heranzog. Ihre Haltung war so echt militairisch, ihr Marsch so regelmäßig, daß sie einem der anwesenden Garde-CorpS, wenn man cs durch die umgekehrte Lorgnette betrachtet, aufs Haar ähnlich sahen. Voran schritt mit ledernem Schurzfell ein Peloton kleiner SapeurS, deren glattes Kinn und knabenhafter Blick mit dem furchtbaren Ansehen, das sic sich zu geben bemühten, wunderlich kon- trastirten; dann kam ein Regiments-Tambour von fünf Fuß zwei Zoll, der, als cr an seinem Kollegen von der alten Garbe, einem wahren Koloß, vorbcikam, seinen Stab wie herausfordernd über dcm Kopfe berumschwang. Ihm folgten seine Trommler, die Favorite wirbelnd, jenen berühmten Marsch der alten Garde, der so oft in der Schlacht das Zeichen gab, und hinter ihnen die Spicllcutc, denen nur die große Trommel und der Halbmond mit den Ropschweiscn fehlte, weil Keiner stark genug war, so gewichtige Instrumente zu tragen. Nach der Musik kam das Regiment, seine berittenen Stabs- Offiziere an der Spitze. Diese Helden in der KuoSpc rangirten sich nun dcm ersten Re- guncnt der Kaiserlichen Grenadicrc, von denen keiner weniger als zwei Dachsparren ans dem Acrmel trug, gegenüber in Reihe und Glied. Die alten Kricger lächelten und 'flüsterten einander spaßhafte Bemerkungen zu, bis'der Fcldmarsch, die Ankunft des Kaisers ver kündend, Alles stumm und unbeweglich machte. Napoleon ritt gcra- deswcgcs auf die Garde-Zöglinge los, die ihre Reihen geöffnet hatten, stieg vom Pferde, sagte dem Oberstcn Bardin ein paar Worte und begann darauf in Begleitung des großen General-Stabes die Musterung des Regimentes. Plötzlich faßte-er cincn Korporal beim Ohr und zog ihn zu sich heran. „Wie alt sind Sie, Herb Eclbscbnabcl?" fragte der Kaiser in ziemlich strengem Tone. — „„Mein Kaiser, ich bin am 2». März dieses Jahres, dem Geburtstage des Königs von Nom, dreizehn Jahr geworden."" — „Und warum lachten Sie eben, als ich mit Ihrem Capitain sprach?" — „„Weil cS mir Freude machte, Ew. Majestät zu sehen."" — „Und wenn ich Dich nun, sobald ihr wieder in Versailles seyd, ans den Polizcisaal bringen ließe, um Dich zu lehren, daß cin Unteroffizier in den Reihen nicht lachen darf: wie gefiele Dir das?" — „„Ich würde mich sehr glücklich fühlen, Sire, weil ich daraus ersähe, daß Ew. Majestät au mich gedacht hätten."" „Der kleine Kanz hat eine Antwort sür AllcS", sprach Napoleon; und auf ein Zeichen des Major DibbetS trat Ler Korporal wieder ins Glied. Nach beendeter Musterung ließ der Kaiser die Zöglinge ein paar Schritte vortreicn, stellte sich zwischen sie und seine Grena diere und sagtc: „Soldaten meiner alten Garde! diese hier sind Eure Kinder! An Eurer Seite sind ihre Väter gefallen — Ihr sollt ihnen Vaterstelle vertreten. In Euch werden sie Beides, eine Stütze und ein Vorbild, finden.' Euer Beispiel wird sic zu Tapferen, Euer Nath zu den ersten Soldaten der Welt hcranbildcn! Ich habe ihnen die Bewachung mcincs Sohnes aubcriraut, wie ich Euch die meiner Person aupertraut habe; und sic werden mich unbekümmert machen wegen seiner, so wie Ihr mich wegen meinet: unbekümmert macht. Seyd ihnen Freunde und Beschützer!" '1 bttim Pariser Fuß dctraam nach »nur m Mttttairmaßc 2 Fuß 1 Zoll 8?, Stricdi r.uu der n^r Nu rui in Steiw orcr ZuwEldttte emc'S Zous langer als der Rheinländische-