Volltext Seite (XML)
Wichemlich ,ers<t>«men t«! Nummern. Pränuunrali«»»- P«iS 22^ Sgr. l! THIr.) vienchährlich, Z THIr. für LaS ganze Jahr, okne Er- dSdunß, in aUni Theilen der Preußische» Monarchie. für die Man pstnunnrirt auf diese» Litcraiur-Blait in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Sia.uS-gxitung sFrieLrichSsir. Rr. 72); in Ler Provinz so wie im Ausland« bei den Wobllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 1840 Berlin, Freitag den 9. Oktober Süd-Amerika. Politische Charaktere und Zustande der La-Plata Staaten. (AuS Lem Tagebuch« eines Englischen Reisenden.i Die Banda-Oriental (auch Orientalische oder Cisplatinische Re publik oder Uruguay genannt) war, wie der ganze übrige Theil von Süd-Amerika, seit den Zeilen der Spanischen Herrschaft in beständiger Anarchie begriffen; verschiedene Partcihäupicr erregten dort fortwährende Unruhen. Als Vie Patrioten die Republik und die Hauptstadt Montevideo der Spanischen Oberherrschaft entrissen batten, verstand es die Regierung oder Junta nicht, sich in Ansehen zu setzen, und so nahmen denn bald Anarchie und Verwirrung über hand. Die Brasilianer, welche dieses Land als die natürliche Gränze zwischen ihrem Reich und den Vereinigten Provinzen vom Rio de la Plata betrachteten, hatten schon lange ein Auge auf die Banda- Oriental geworfen; sic hielten Vie jetzige Lage der Dinge für günstig zur Ausführung ihrer Absichten »nv nahmen vaher unter der Maste veS Schutzes davon Besitz. Während es im Lande gar kein Gesetz gab oder doch wenigstens keines beobachtet wurde, hatte sich eine Unmasse von Raubgesindel und Ausreißern aller Parteien dort ein- genistct, und einzelne Abenteurer rissen, wie das in solchen Fällen gewöhnlich ist, die Macht an sich. Zuerst bemächtigte sich des Ober befehls Don Jose Artigas, ein kühner tapferer Gaucho^), dem eS an natürlichem Talent nicht fehlte, dem es aber an Erfahrung und Klugheit gebrach, nm seinen Ungestüm zu zügeln; als er gewahr wurde, daß er zu weit gegangen sey, ward er unsicher, seine Sol daten bemerkten sein Schwanken, es brach Meuterei unter ihnen aus, und Don Fructuoso Riveira war der Erste, der aus dieser Unordnung Vorthcil für sich zog. Riveira gehörte ebenfalls zum Stamme der Gauchos; er war ein kühner, talentvoller und um sichtiger Man», und obgleich er mit mancher anderen Eigenschaft nur prahlte, die Artigas und Rosas wirklich besaßen, so war ihm doch eine gewisse Verschlagenheit und Schlauheit eigen, die ihn das gehörige Maaß halten lehrte. Seine erste Sorge war, sich bei dem niederen Landvolk beliebt zu machen, und da ein Gevatter oder Patbe eines Kindes in diesem Lande für näher verwandt als Vater oder Bruder gehalten wird, so schlug Riveira nie eine Pathenstelle aus, zumal da ihm weiter keine Ausgaben daraus erwuchsen, als ein Paar Flaschen Ruin und drei oder vier Dollars für den Priester. Er erreichte auf diese Weise seinen Zweck, denn da er fast bei jedem Kinde zu Gevatter gebeten wurde, so stand er mit allen Familien der Provinz in ver genauesten Verbindung und konnte sic alle nach Gefallen lenken, zumal da er mit Versprechungen sehr freigebig war, obwohl er sie freilich selten hielt. Auch dem Niedrigsten und Geringsten wurde der freie Zutritt zu seiner Person nie versagt; selbst nach vielen Jahren erkannte er Leute wieder, die er nur ein mal gesehen; jeder Winkel der ganzen Provinz war ihm genau be kannt, und das war eS, was hauptsächlich seine Ueberlegenhcit als General seinen Feindcn gegenüber begründete. Wenn seine Gevat tern sich in Geldvcrlegenheitcn an ihn wendeten, so wies er sie ge wöhnlich mit den Worten ab: „Freund, Gelb habe ich nicht"; wurde er aber zu sehr bestürmt, so stellte er in der Regel einen Wechsel von hundert oder zweihundert Dollars auf einen reichen benachbar ten Estancicro oder Viehzüchter der Gegend aus; diese Wechsel wurden dann später durch Anweisungen aus den Schatz, unter der Rubrik von bcsondcrcn Ausgaben für die Armee, getilgt. Selbst wenn Riveira nicht am Ruder ist, werden doch seine Wechsel nie- mals von den Reichen zurückgewiescn; denn sic wissen sehr wohl, daß er, obgleich heute verbannt, dennoch nächster Tage wieder zurückkcbrl und seine Schulden mit Zinsen bezahlt. Auf solche Weise werden die ungcheurcn Einnahmen der Zölle von Montevideo verschleudert. Die Land-Bevölkerung ver Banda-Oriental zerfällt in zwei Klaffen, in Estancicros oder reiche Grundbesitzer und in wandernde Gauchos. Die Estancicros sind angesehene und ziemlich unabhängige Personen, die gewöhnlich zwei- oder dreitausend Dollars auf den Ankauf eines Stück Landes verwenden und dann die Rindvichzucht, besonders die der Kühe und Kälber, betreiben, was ihnen meistcn- theils so wohl gelingt, daß sich ihr Kapital nach drei oder vier Jahren schon verdoppelt hat. Die Kaufleute von Montevideo be- ') Lv heißt «m, L„o„L«r« KolkStlaff« in Lieser Nemwtik. sitzen solche Estancias, die sic von Aufsehern, Major-domos, verwal ten lassen, und ein solcher Guts-Inspektor war früher auch RosaS auf der AnchorenaS-Estancia in Buenos-Ayres. Die Gauchos odcr die wandcrndcn Araber Brasiliens haben gar keinen bestimmten Aufenthaltsort. Sie reiten überall umher und hüten das Rindvieh der Estancicros, von denen sie dafür monats- wcise mitLOPkLZjjDS^ bezahlt werden. Selten halten sie länger als zwei oder drei Monate an einem Orte aus. Sobald sie nur eine mäßige «ummc verdient haben, verlassen sie ihren Dienst, schaffen sich die nothdürstigsten Kleidungsstücke an und verjubeln den Ueber- rcst >n der nächsten Pnlxcriaoder Schenke. Dann durchstreifen sie wieder die Gegend und bieten sichbon neuem dem ersten besten Estan- ciero als Vichhirten an. Auf den Estancias werden sie überall sehr gut ausgenommen, denn es herrscht im Lande der Gebrauch, jeden Gaucho oder jeden Fremden, von welcher Farbe oder welchem Stande er auch sey, sobald er das HauS betritt, gleich gastfreundlich in das Besuchszimmer odcr in die Küche zu führen, je nachdem es der Fall erfordert, und ihn dort mit den besten Vorräthen zu bewirthen. Gewöhnlich setzt man dem Gaste Rindfleisch, Salz und Aerba odcr Paraguay-Lhcc vor, der durch eine enge Röhre aus einer Art Becher geschlürft wird. Mundcte dem Gaucho die Kost besser als anderswo, oder traf er eine hübsche Indianerin oder Negerin an, so verweilte er gewöhnlich 2 bis 3 Tage, und wollte der Estanciero das nicht zugeben, so setzte er Leben und Eigcnthum der größten Gefahr aus-, dann wurde sein Vieh gestohlen und. er selbst von dem Gesindel auf jcde nur erdenkliche Weise geplagt, ohne den Schutz der Gesetze in Anspruch nehmen zu können. RosaS that diesen Mißbräuchen Einhalt, und wenn man bedenkt, daß er dadurch einer alten Lieblingssute ent. gegenarbeitcte, so beweist dies gewiß keinen geringen Grad von Festig» kcit. Traf Rosas einen dieser Fremdlinge auf seinen Estancias an, so nöthiate cr dcnsclbcn, in seine Dienste zu treten, doch brachte cr dies Svstem freilich nicht eher in Anwendung, als bis er schon großen und mächtigen Einfluß auf die Gesetze des Landes ausübte. Die damals herrschende Unordnung begünstigte seine Pläne, denn die Ne gierung in Bucnos-Ayres war so schwach, daß sie ihn wie eine Art nothweudigen Uebels duldete und so lange zu seinem ganz ungesetz lichen Verfahren gegen die Landbewohner schwieg, bis sie selbst ihm untcrthan wurde. Er sah ein, daß sein Vaterland durch Mannszucht beherrscht werden könne; deshalb führte er sie überall ein, und sein Wahlspruch war: „gesellschaftliche Ordnung." Der Gaucho ist im Allgemeinen von guter Gemüthsart und nicht blutdürstig, nur muß man in mancher Hinsicht schonend mit ihm umgehen. Die häufigen Umwälzungen stimmen sehr wohl mit der Neigung der Gauchos überein, die von jeher an ein wanderndes, unstätcs Leben gewöhnt sind; so stehen denn die Soldaten auch unter keiner zu strengen Disziplin, denn da dieselben ohne die geringste (Schwierigkeit descrtiren können, so sind die Offiziere genöthigt, sich in die Umstände zu fügen und sie oft nach Gefallen handeln zu lassen. Nichtsdestoweniger herrschte doch in dcn Armeen derZstcnerale Ri- vcira, RosaS und Lopez von Santa Fö ganz vortreffliche Manns zucht, obgleich die Offiziere nur bei den allerwichtigsten Anlässen unbedingten Gehorsam forderten. Als ich mich im Jahre I83S in BucnoS-Ayrcs befand, rückte RosaS, nachdem er Balcarce's Em pörung gedämpft, oder besser, als er seine eigene Empörung gegen Balcarce unterdrückt hatte, — denn dieser diente ihm nur als Werk zeug, um seine Macht an ihm zu zeigen, — an der Spitze von 800» Mann regulärer Gauchos in Buenos-Ayres ein, und es fiel auch nicht die geringste Unordnung unter ihnen vor; freilich brachte die ganze Begebenheit einem Fremden nicht gerade dcn günstigsten Begriff von der Milde dieser Leute bei. Hier will ich gleich auch des Generals Pacheco gedenken, der zwar in der jetzigen Krisis der Französischen Blokade sich immer um Rosas befindet und Alles bei ihm gilt, eigentlich aber keine persön liche Bedeutsamkeit hat. Er ist und war immer dieses politischen Häuptlings erster General oder besser sein Schleppenträger, denn er ist weder ein Feldherr noch ein tapferer Mann, doch hält cr auf strenge Mannszucht und ist übrigens ein guter ehrlicher Soldat, der das in ihn gesetzte Vertrauen niemals täuscht. Die Gauchos dieses Landes mögen aber keinem Mann gehorchen, der sich nicht durch persönliche Tapferkeit ausgezeichnet hat; ist sein Antlitz gar mit Narben gezeichnet, so gefällt er ihnen um so besser. Bei ihren Mahlzeiten unterhalten sich die Gauchos beständig von der Tapfer» kcit dieses oder jeueS Kriegs-Obersten, und wenn sie auch seine Grundsätze odcr seine Sache verdammen, so lassen sie doch seinem