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zulasten. Nach Owen's eigener Erktatung aber würde cs im höchsten Grade ungerecht seyn, denn unsere Handlungen gegen Andere sollen ja durchaus nicht durch Rücksichten auf Verdienst oder Unwcrth, auf Gut oder Böse bestimmt werden. Daß er aber so verfahren würde, davon kann man fest überzeugt seyn, selbst ohne seine wiederholten eigenen Versicherungen, daß sein ganzes System in dieser Absicht gegründet sep. Und auch hier ist es wieder merkwürdig, wie Owen, während er gegen das Christenthum auftritt, doch sich genöthigt sicht, gerade die Lehre anzunehmen, welche er verwirft, indem er nur das davon wegläßt, wodurch sie Werth erhält. Christus selbst hat vor I8W Jah ren dieselbe traurige Thatsache ausgesprochen, daß der Mensch von einer äußeren Macht abhängt, die er durch sich allein zu beherrschen nicht im Stande ist. Daher spricht er von dem Menschen als von einem Gefangenen, der nicht aus seinem Kerker entkommen kann, der fest gebunden ist in Elend und Ketten, als von einem Sklaven seines Fleisches und des Fürste» dieser Welt und der Finsterniß. Nicht das neunzehnte Jahrhundert erst hat diese Entdeckung gemacht. Welcher Gute und Weise, der jemals gelebt, hat nicht diesen Zustand seiner Knechtschaft auf Erden gefühlt und darüber geseufzt? Es ist ja eben das Wesen des Lasters, daß cs nichts dazu thut, sich aus diesem Zustande zu befreien. Aber von Alters her hat der Mensch in sich auch nicht bloß seine Ketten und Bande erkannt, sondern auch den Muth, dagegen anzukämpfen, das Auge gen Himmel gerichtet und nach Erlösung sich fehnend, die Stimme nach Hülfe rufend und das Ohr auf jeden Laut horchend, der Trost und Beistand verspricht. Dies bat Owen in seiner Blindheit vergessen. Bei ihm ist der Menfch ein Sklave, und ein Sklave soll er bleiben, nur soll die Gesellschaft ihn umschmclzcn und neu formen, um ihn seine Fesseln nicht fühlen zu lassen. Wie aber die Gesellschaft selbst jemals von dein Einfluß des alten Sauerteigs befreit werden, wie die Finsterniß jemals Lichl aus sich erzeugen soll, das hat er nicht erklärt. Wenn äußere Ein drücke entsprechende innere Empfindungen Hervorrufen und diese Em pfindungen wiederum nothwendiger Weise zu entsprechenden äußeren Handlungen antrcibcn, diese Handlungen aber ihrerseits andere ähn liche Empfindungen erzeugen, wie in aller Welt sollen wir da aus diesem Zirkel hcrauskommen? Der alte Mann bildet sich ein, dieser Fatalität dadurch ausgewichen zu sepn, daß er, wie Epikur'S Atome, plötzlich eine neue Bahn cingeschlagen; er verlangt, nach seinem eige nen Geständniß, eine wunderbare Macht, durch welche mit einemmal der Lauf der Nothwcndigkeit unterbrochen und zuerst der Mensch, dann die Gesellschaft zu etwas ganz Anderem gemacht werden soll, als wozu die Gesetze seiner Natur ihn und sie nach der eigenen Erklärung der Svcialisten machen müssen. Daß eine solche Macht in der Welt wirkt, das weiß das Christenthum sehr wohl; auch dieses verkündet eine neue moralische Welt, aber eine andere als die der Svcialisten. (Fortsetzung folgt.) T ü r k e i. Einblick in die Levante. Von dem Britischen Major Napier. Prächtig über alle Beschreibung war der Anblick, als wir, nach einer angenehmen zweitägigen Fahrt von Malta, an den klassischen Küsten Griechenlands landeten. Wenn Byron in einigen seiner orien talischen Beschreibungen etwas zu viel Poesie verschwendet, so kann man sagen, daß er an Morea's Küste der Oertlichkeit nur das ihr gebührende Recht widerfahren läßt; wir alle theilten diese Ucber- zcugung, als unser Dampsbvot, Ler „Powerfull^, nachdem wir die Höhen von Navarin zurückgelcat, imtcr den Schatten der Berge Morea's, hinter welchen die Abendsonne blutroth unterging, sanft durch die. Fluchen dahinglitt. Am 2. August erblickten wir Kap Colonna, das alte Sunium, und die prächtigen Trümmer des Minerva-TempclS. Am Morgen des Sten warfen wir Anker in der Beschika-Bai. Der werdende Tag enthüllte uns hier zu unserem Erstaunen das ganze vereinigte Britisch-Französische Geschwader, und bald erfuhren wir von dem Abfall des Kapudan Pascha's und der ganzen Türkischen Flotte, die bereits in Alerandrien vor Anker lag. Man wollte wissen, der Französische Admiral Lalande habe von seiner Negierung einen strengen Verweis (?) dafür bekommen, daß er diesen Abfall nicht verhindert hatte, da Vie Obhut über den Kapudan zu seinen Instructionen gehörte. Die Offiziere der beiden Europäischen Geschwader vertrugen sich sehr gut mit einander. Admiral Lalanve ist ein schöner Mann von echt militairtschem Ansehen, etwa 4S Jahr alt und in seinen Ma nieren der feinste Gentleman; bei seinen Subalternen paarte sich die Derbheit des Seemanns mit Französischer Artigkeit. Alle ihre Fahr zeuge schienen die größten ihrer Klaffe zu sepn; sie hatten volle Be mannung und waren anscheinend sehr gut diSziplinirt. See-Truvpen giebt eö auf der Frm>zöffschen Flotte nicht, da alle Matrosen im Gebrauch der Feuerwaffe geübt werden. Ehemals hatten die Fran zösischen Kriegsschisse, gleich den nnsrigen, besondere Trnppen-Abthei- lungen an Bord; aber die Offiziere sagten uns, dieser Plan habe nie gelingen wollen, da beide Theile einander beständig anfeindeten, und das gegenwärtige System bewahre sich vwi besser. Bei der Französischen Manne werden zwei Drittheile der Mann schaft nach Ancicnnctät und ein Drittheil »ach Wahl befördert. Ein Französischer Schiffs-Fähneich (enteign«! ü« vm.^em,) entspricht un serem Schiffs-Grhülfcn sm:„e, Holländisch Maar); eine Dienstzeit von sechs Jahren erwirbt ihm den Rang eines Lieutenants. Jede Be förderung nach Anciennetät hört auf, sobald man den Rang eines Post-Capitains erreicht hat, der nur durch die Wahl seiner Kame raden steigen kann. So erhalten die Franzosen tüchtige Befehlshaber ihrer Flotte, und Keiner muß vor Alter kindisch geworden seyn, um Flaggen-Offizier zu werden. Ein Französischer Contre-Admiral kann im ZSsten Jahre diese Stufe erstiegen haben. Doch jetzt genug hiervon; — werfen wir einen erfrischenden Blick auf die Landschaft in der Beschika-Bai, die bald von dem TageS- gestirn beleuchtet wurde, das herrlich über den entfernten Gipfeln des Ida emporstieg. Vor uns lag die weitberühmte Ebene von Troja, im Westen die Insel Tenedos mit ihren kahlen sonnenver brannten Höhen; von Norden her aber wand sich der Hellespont um Kap Jenischehr (das alte Sigäum), mündete in den Archipel und kam darauf, den Windungen der Küste folgend, als Strömung bei der Beschika-Bai vorüber, wo er die Schiffe der Flotte auf ihren Ankern zierlich schaukelte. Das Geschwader selbst gewährte einen sehr imposanten Anblick: die dreifarbige Flagge und die Britische National-Flagge wehten friedlich neben einander, und die ungeheuren dunkeln Kiele, welche sie trugen, wiegten sich, wie Leviathan's der Tiefe, aus den sanft gekräuselten Wellen. In kurzer Entfernung von dem Ankergrunde hatten bereits viele Griechen und Juden aus Smyrna und anderen Orten ihre Zelte aufgeschlagen, und man brachte uns in allerliebsten kleinen Böten Früchte, Brod und Waaren jeder Sorte zum Verkaufe. Die meisten dieser Böte waren mit stämmigen Leuten bemannt, deren rothe Scheitel-Käppchen, gebräunte Gliedmaßen und geschorene Gesichter — mit Ausnahme eines Stutz- bärlchcns an der Oberlippe — sie gleich als Griechen ankündigtcn. Diese Leute, größtentheils aus Tenedos und den benachbarten Inseln, kontrastirlen sehr mit den langbärtigen, Turbane tragenden Juden aus Smyrna, welche unsere rauhen Thccrmänner mit schönen Per sischen Teppichen, wohlriechende» Weichselröhren, Pfeisenspitzcn aus Bernstein, Räucherwerk u. vgl. in Versuchung führten. Die Scene wurde dadurch »och belebter, daß manches Griechische und Türkische Fahrzeug, einen in diesen Gewässern seltenen Südwind sich zu Nutze machend, bei uns vorüber nach Konstantinopel segelte. Ehe die Schatten der Nacht sich Herabsenkien, hatten wir ein neues sehr merkwürdiges Schauspiel. Als die Sonne in einem Ocean flüssigen Feuers unterging, zeigte sich, anfangs in sehr matten Um rissen, dann aber scharf und deutlich, im weit entferntcn Westen ein dunkler Körper am glühenden Abendhimmel; es war der Berg Athos, den man nur in de» wenigen kurzen Augenblicken eines morgen- ländischen Zwielichts aus solcher Entfernung (8» Engl. Meilen) schm kann. Die Behauptung des Naturforschers Plinius, daß dieser Berg von der Asiatischen Küste her gesehen werden könne, wurde früher bezweifelt, ist aber in den letzten Jahren durch mehrere Reisende be glaubigt worden, und ich freue mich, den Zeugnissen dieser Herren das meinige beifügen zu können. Mit Homer und Chevalier's bekannter Abhandluüg versehen, konnten wir eine leidliche Vorstellung von den Scene» erhalten, Lie in der Jliade beschrieben sind. Wie ganz anders ist aber der Anblick, den das große Schlachtfeld des Hektor und Achilles jetzt gewährt! Der weitaus so wilde und schäumende Skamander glitt jetzt ruhig in seinen mit SchilfgraS bewachsenen Ufern, unter deren Weiden lebensfrohe Gruppen die klassische» Forellen rösteten, die sie in seinen, klare» Wasser gefangen hatten, während die benachbarten Sümpfe von dem Geschrei verschiedener Eier- und Wildpretsucher wieberhallten, zum großen Wchrcck ihrer langgeschnäbelten Bewohner, unter denen Pulver und Schrot eine eben so furchtbare Niederlage »»richten mochten, wie die Speere des Diomcd »nd Ajar unter ihren Trojanischen Vorgängern gctha». Nachdem wir den Honig-Berg (Bal Dagh) hinangeklimmt, Hektor'S Grab in Augenschein genommen und den schlängelnden Lauf des, „silberne» Simois" mit unseren Blicken verfolgt hatten, zwang uns der Hunger, in dem Dorfe Bnrnabaschi einznkehren, das am Abhang dieses Hügels liegt. Man sorgte hier mit heiterer Bereit willigkeit, die ich stets in Begleitung Türkischer Gastfreiheit gesehen, für unsere Bedürfnisse; unser Frühstück bestand aus Weizenbrod, Quark, geLämpstem Fleische, Eier-Pfianzen und große» Scheiben sehr kühler und wohlschmeckender Wasser-Melonen. Den Schluß des Males bildeten eine Pfeife Taback und ein Täßchen Kaffee; daim beurlaubten wir uns mit einen, Xllalm i.>snmrl:>ü)ü! (Gott empfoh len!) von unseren gütige» Wirthe», die uns in biederem Tone ihr K»lr ola (wohl bekomm'ö!) nachriesen, bestiegen unsere Klepper und ritten fürbaß. Die Türkischen Bauern in diesem Theile Kleinasiens sind über haupt ein achtbares und gastfreies Volk. Sie sind arm, scheine» aber geringe Bedürfnisse zu haben, und was sie besitzen, das theilcn sie zu jeder Zeit gern mit den, reisenden Fremden, der, wenn er zu fällig ein paar Worte von ihrer Sprache versteht imd ihnen für ihre Bewirlhung danken kann, noch mehr Anspruch auf ihre Frcnndlichkeit hat. Der Türke ist zu stolz, um eine niedrige Handlung zu be gehen; allein eben dieser Stolz erhält ihn auch in seiner große» Un wissenheit, da er eine zu hohe Meinung von seinen Talenten hat, als daß er sich herablaffcn könnte, von Fremden zu lernen. Dieser nationale Dünkel acht so weit, daß ei» Türke, wenn er gleich in beständige», Verkehre mit Griechen lebt, nur selten ein paar Phrasen von ihrer Sprache weiß. Die Kleidung der Griechischen und der Türkischen Bauern — d. h. der Männer — ist nnr wenig verschieden. Ihre n csentlichen Stücke sind: sehr weite Beinkleider von grvbcm ungesarbik» Tuche, die an den Kniecn und um die Hüften fest sitzen; eine Jacke mit weiten Aermcln, ein breiter Gürtel und ein Turban aus weißem oder farbigem Stoffe'(denn das Feß ist auf dein Lande noch nicht populair). Ihre Frauen tragen zwar alle den Schleier, sind aber lm Verhüllen ihres Antlitzes viel weniger skrnpclhaft, als die Tür«