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428 bräuchlichen Instrument»« dieser Art, die dort sämmtlich chromatisch sind und Trompctenklang Huben, Platz machen müssen; das kleine Klappcnhörnchcn, dessen wir uns in Frankreich bedienen, kann von jenen Instrumenten keine Vorstellung geben. Der Ton desselben ist schwerfällig und dumpf, und der Ansatz darauf nicht lebhaft genug; es ist ein Mischlings-Instrument zwischen Horn und Trompete, ohne die Weiche des einen und den Glanz der anderen, uns es muß durchaus den wirklichen chromatischen Trompeten weichen, mit denen man so viel Wirkung hervordringen kann. Alle diese Reformen scheinen mir unumgänglich, und Herr Carafa ist der Mann dazu, sic cinzuführen; aber er muß Unterstützung bei der Negierung finden, und diese scheint mir wenig geneigt, dem besagten Kunstzweig auf- zuhelfen. Als ich die Leitung der Juli-Konzerte erhielt, hoffte ich mit Hülfe eines solchen Vereins von zweihundert Blase-Instrumenten zu schönen Resultaten zn gelangen und die sogenannte Harmonie-Musik einigermaßen zu fördern. Aber ich sah am Ende ein, daß dies un möglich sey, und so gab ich die Leitung jener Konzerte auf, da die selben nichr die Kunst zum Zweck haben, während sie doch einen sehr ersprießlichen Einfluß darauf auöübcn könnten. Als ich im vorigen Jahre vor einem Bürcau-Chef die Worte „Kunst und Fortschritt" auSsprach, da er eine Herabsetzung des Preises vorschlug und doch dieselbe Zahl von Musikern verlangte, wurde mir geantwortet, es handle sich hier nicht um die Kunst, sondern um Ersparnisse. ES blieb mir daher nichts Anderes übrig, als auf dies Unternehmen zu verzichren, und dies that ich in diesem Jahre, überzeugt von der Unmöglichkeit, in vierzehn Tagen ein ordentliches Konzert dieser Art zn Slanve zu bringen, da allein zur Organisirung der Materialien mehr als drei Monate erforderlich sepn würden, nicht zu gedenken der Compvsilion und des Arrangements solcher Musik, deren bloße Justrumcntirung schon eine sehr schwierige Sache ist. . Es wird zu St. Petersburg alljährlich im Saale des Opern hauses ein Konzert von den sämmtllchen Musik-Corps der Garde aufgcsührt. Die Zahl der Musiker beläuft sich dann auf X — MV. Herr Haase dirigirt dies Konzert, nnd er beschäftigt sich das ganze Jahr hindurch mit den Einrichtungen dazu und niit dem Arrange ment neuer Musikstücke. Das Konzert findet im Monat April statt, und die Einnahme desselben fließt in die Jnvalidcnkasse. Da ich PcterSbnrg schon im März verlassen mußte, so Halle der Großfürst Michael, um mir einen Begriff davon zu geben, die Güre, um meinetwillen eine Probe anzubefthlen. Es konnten zwar nur 4W Musiker zusammcngcbracht werten, also nicht die Hallte deS bei der Ausführung selbst milwnkcntcn Personals, aber ich war dennoch vom höchsten Staunen erfüllt über die wunderbare Gewalt dieses Enscm- blc's und über die außerordentlichen Wirkungen, die man mit einer solchen Masse von Instrumenten hcrvorzubringcn vermag. Die Mu sikstücke, welche man mich hören ließ, waren alle vom ernstesten Cha rakter und von so verwickelter harmonischer Combination, daß ich cs nicht für möglich gehalten hättc, sic mit lauter Blase-Instrumenten auszuführen. CS waren Ouvertüren von Lindpaintner, Mendelssohn und Onslow, Variationen von Spohr und einige Sachen von Beet hoven; auch hatte mau die Artigkeit, einige Stücke aus meinen Opern und Ballets hiiJuzufügcn. Doch ich vergaß meine väterliche Eigenliebe ganz und gar und intcressirte mich mehr für die ernsten Musikstücke, deren Ausführung in solcher Weise bei uns in Frankreich rein unmöglich wäre, da wir zu wenig Blase-Instrumente haben und daher in den Mitteln sehr beschränkt sind. Diese Probe gab mir die günstigste Vorstellung von dem Konzert selbst, welches ich nicht mit anhönn konnte, und ich glaube nicht, daß cs in Europa noch einen zweiten so merkwürdigen Instrumental-Verein giebt. Eine wichtige Verbesserung, die man Herrn Haase verdankt, ist die Anwendung des Metalls, statt des Holzes, bei der Verfertigung der Klarinetten. Da das Spstem dieser Instrumente vermöge der Hörner und Baß- Klarinelten so vollständig ist, so bedürfen die Klarinetten nicht solcher Rünsung des Tons in der Liefe, die gar nicht gebraucht wird, und die toten Töne haben dafür einen desto helleren, glänzenderen Klang. Dazu kommt noch, daß die Harmonie des Ensemble's dadurch reiner wird. Bekanntlich ist der Einfluß der Atmosphäre bei den Holz- Justrüwentcn ein anderer, als bei den metallenen, und daraus ent steht die Schwierigkeit, bei Harmonie-Musiken, wo die Hälfte der Instrumente von Holz und die andere von Blech ist, eine ganz reine Summung hervorznbringcn. Sobald man nur noch einen dieser Stoffe auzuwenden braucht, wird das Gleichgewicht hcrgcstellt sepn, und diesem Ziel ist man vielleicht in St. Petersburg sehr nahe. Ueberschaucn wir noch einmal dir vier Arten der Musik, so stellt cs sich unzwciickoast hcraus, daß wir in Frankreich in der drama tischen -!UV in der Kammer-Musik allerdings viel weiter sind, als dec Russen, vast dagegen diese in der Kirchen- und der Militair- Musik een Vorrang behaupten. Mannigfaltiges. - Görard'S Ausschmückung deS Pantheons. Für daS Panihcon in Paris hat Eörard vier große Gemälde vollendet, die '> Wir >cl;r derselbe in der Preußischen Armee fformt, davon geben uns die ueNUU'.n eeonteet: eh er verschiedene» Munkeoeos den votlMnuniage» und wechttnngenda:» Beweis, und wir haben hier besonders den geschienen Arrangeur und Dwikwr eines Lieser Coros, Herrn Welter, rühmend nen- »en, der türglch ir'gar die große neunte Siimvhonic Beethovens ,ür Mttilair- elogrrtauet »at^ die bereits mehrer.male im Beumer Blumengarten in Lie,er Weise ausgcfnhri wurde. dcn Eingang des Gebäudes schmücken und dessen ganze Bedeutung dem Einlrctcnden zu erkennen geben sollen. DaS erste Gemälde stellt den Tod dar, der ja den großen Namen erst daS Recht verleiht, ihre Apotheose durch das Pantheon zu erhalten; doch ist cS nicht der Tod in abschreckender knöcherner Gestalt, sondern »ntcr dem Bilde einer Fran, die, ungeachtet der Eiskältc in ihrem Gesicht, doch noch schön ist und mit ihrem Arm einen starken Mann hingestrcckt hat, während neben ihm ein Greis, ein schwaches Weib und ein Kmv verschont bleiben. Aber indem sie mit der einen Hand dcn Körper hingcstreckt, zeigt sie mit der anderen auf den himmlischen Theil desselben, auf die zu Gott zurückkehrendc Seele, die von ihr unberührt bleibt. Das zweite Gemälde stellt daS Vaterland dar. Frankreich, abermals unter dem Bild einer Frau, tritt an ein Grab, Thräuen im Blick und den Mund zu begeisterter Rebe geöffnet; zu den Füßen des Vaterlandes erblickt man das Volk in Trauer um einen großen Mann. Krieger, Künstler, Gelehrte, Bürger und Land- lcute bieten dem Vaterland ihren Arm an, bereit, für dasselbe zu sterben. DaS dritte Gemälde zeigt die Gerechtigkeit, langsam allerdings hcranschreitend, stumm für die Lcbcndcn und erst den jenigen, die nicht mehr sind, ihren schuldigen Tribut darbringcnd, ihre vergeblichen Klagen nachscndcnd; aber sic wehrt nun auch von der Hingeschiedenen letzten Zufluchtsstätte die Neidischen, die Schlech- tcn und die Undankbaren ab. DaS vierte Gemälde endlich zeigt uns die mächtigste Göttin der Franzosen, den Nubm — l» dmrv. ES ist von allen vier Frauen, die hier dargestellt sind, die schönste, die imponircndste, die am meisten von Majestät strahlende. Sie empfängt, sie bekränzt einen Mann, einen siegverkündenden Heldcn, der die Züge Napoleons trägt und voll Zuversicht sich ihr naht. Ein Gallischer Krieger, die Stirn von Narben bedeckt, zu dcn Füßen der Ruhmcögötlin und deS Helden, blickt voll Verzückung zu ihnen hinaus. Am Himmel erscheint auf der einen Seite der Adler deS Kaisers und auf der anderen, selig und beseligend, die Figur der Religion. — Görarb, sieht man, ist ein großer Künstler durch seine schönen Conccptionen und noch mchr durch seine auf einem tiefen Studium beruhende Kcnntniß deS Volkes, für dessen Ruhm er an seincm eigenen arbeitet. — Die Kiß'sche Amazone in Paris. Herr Francois Barriorc, der im änurual vökae« über die oben erwähnten Arbeiten Gcrard'S berichtet, gedenkt bei dieser Gelegenheit auch eines Deutschen Kunstwerks, nämlich der Kiß'schen Amazone, von welcher, bevor noch das großartige Original seinen würdigen Platz in Berlin gefunden, schon ein kleinerer Abguß, als edles Königliches Gastge schenk, in Paris ausgestellt ist. Hören wir, was Herr Barriere darüber berichtet: „Rauch, der sich neben den großen Meistern einen Platz erworben, indem er der schönen und hclvenmüthigcn Königin von Preußen ein Grabmal arbeitete, Rauch, dessen kunstreicher Meißel die Züge dieser Königin eben so unsterblich gemacht, wie es der Schmerz um ihren Verlust ist, hat in unseren Tagcn Schüler heran- gebilvet, die des Meisters würdig sind. Wir selbst besitzen jetzt ein Werk eines dieser Schüler, das wir mit Muße betrachten können. ES ist dies eine halb lebensgroße Gruppe in Bronze, welche eine von einem Tiger angefallene Amazone zu Pferd darstellt. DaS Ungeheuer, gleich schrecklich durch seine Geschmeidigkeit, wie durch seine Wildheit, hat das Pferd an der Brust gepackt. Der Tiger hält sich daran mit seinen scharfen nnd blutigen Krallen fest, und wüthend beißt er dem sich bäumenden Rosse in die linke Seite des Halses ein. Die Ama zone ist nach derselben Seite hin geneigt; ihre linke Hand hat die Mähne des erschrockene» Pferdes ergriffen, während sic mit dcr rechten die Lanze führt, die ihren furchtbaren Feind bald durchbohren wird. Die rasche Bewegung macht, daß ihre Haare hinterwärts fliegen, nnd giebt dcr Gestalt ein schreckhaftes Ansehen: man sollte glauben, daß die Bronze erbleiche. Aber der Schrecken ist weder im Herzen noch in den Gesichtözügcn dcr Kriegerin; vielmehr sind ihre edle und ruhige Stirn, ihre leicht zusammengczogencn Augenbrauen, ihr auf den gefährlichen Feind gerichteter Blick, ihr ihm sich hinncigendcs Gesicht strahlend von Unwillen, Stolz, Kühnheit und Energie. An dem Tiger ist eS, zu zittern! Ein Künstler, Namens A. Kiß^ hat im Jahre tblte in Berlin dieser Gruppe das Leben gegeben. Die Kunst hat ungeheure Fortschritte gemacht, die mit solcher Lcbendigkcit die Natur aufsaßt und darzustcllcn vermag. Das Werk ist ein Geschenk, das der seitdem auf dcn Thron gelangte Kronprinz von Preußen dem Kronprinzen dcr Franzosen übersandt bat. Der Herzog von Orleans war bei dem Feldzug in Algier, als dieses Andenken einer erlauchten Gastfreundschaft in Paris eintraf. Nachdem dcr Prinz zurückgekommen war, beeilte er sich, ihm eine würdige Stelle anzu- weiscn. Die nahe Villa von Neuillv birgt in ihren grüne» Auen lachende von der Seine bespülte Inseln. Auf einem Vorsprunge dieser Inseln, jenseits der von Pcrromwt über den Fluß gebauten Brücke, befindet sich ei» kleiner Tempel, ganz demjenigen gleich, der die Wasserfälle von Tivoli krönt. In diesem Tempel nun ist die von Sr. Maj. dem Könige von Prcußcn übersandte Gruppe ausge stellt. Sic ruht auf einem von vier Säulen getragenen Sockel von einem seltenen Marmor, dcr die violetten Farben des Spath und die Dauer des Granit hat. Diese schönen vortrefflich ausgeführten Stein-Arbcitcn kommen aus dcr Werkstätte deS Herrn Cantian in Berlin. Dcr Ort der Ausstellung ist nicht ohne Absicht gewählt; denn die Insel, ihr Vorsprung und der Tempel blicken nach dem gegenüber liegenden Paris, nach Paris, wo alle Talente, alle Er- zcugnisse der Kunst, Richter, Anerkennung und Bewunderer finden." Hcransgigcbrn von der Rkdaetton der Allg. Preuß. Staat« Zeitung. Rebigirt von Z. Lehman». Gedruckt bei A. W. Hahn.