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390 mals auf der Liste, immer wurde er gestrichen. Darüber war La fayette mit Recht erbittert. Die Berschievenhcit zwischen dem Ehrgeiz Napoleon's und Lafayctte's erklärt die sonderbare Superioritäls-Manie, welche sich dieser in den Unterredungen mit Navolcon giebt. Da Lafayette einen Ehrgeiz in sich trug, den er hoher berechtigt glaubte als von Napo- leon's, so betrachtete er ihn als seines gleichen und bewahrte immer seine» Stolz. Eines TageS erwähnte Napoleon dessen, was er für die Geistlichkeit tbue. Lafayette unterbrach ihn lachend und sagte: „Gestehen Sie doch, daß Sie Alles nur in der Absicht thun, damit man Ihnen das Fläschchen aus dem Kopfe zerbreche." — „Sic machen sich über das Fläschchen lustig", antwortete Napoleon, „auch ich; aber es muß uns daran gelegen seyn, daß der Papst und alle diele Men schen sich gegen die Legitimität und Vie Bourbonen erklären." — Bourrienne erzählt, daß Napoleon, als er dieser Unterhaltung er wähnte, sich folgender Ausdrücke bediente: „Wissen Sie, daß er einen ganz merkwürdigen Ausdruck gebraucht und zu mir gesagt hat, ich wollte mir das Fläschchen auf dem Kopse zerbrechen lassens Wir werden ja sehen!" — Ein andermal beschwerte sich Lafayette über» einen Artikel des „M>niconr", der mehreren chrcnwerthcn Per sonen zu nahe trat. „Warum verthcidigen Sie sich nichts" wandte Napoleon ein. „Der „sslumteur" sagt weniger Dummheiten als jeder Andere, dennoch aber sagt er viele." — „Ich bat ihn", er zählt Lafayette, „mir das Blatt zu nennen, in welchem mau sich gegen eine offizielle Verleumdung vcrtheidigcn könne." — „Run denn, in einem Buche." — Ich fragte ihn, welcher Buchdrucker wagen würde, etwas gegen die Regierung zu drucken. Da machte er Aus fälle gegen die Aristokraten, sagte, daß ich zu gut wäre, und daß cs keinen Aristokraten gäbe, der mich nicht gern würde hängen sehen. „Mich", sagte er eines Tages, „Haffen die Fürsten und ihre Kinder von ganzem Herzen, aber gegen den Haß, den dieselben gegen Sie fühlen, ist das gar nichts. Ich habe mich davon überzeugen können." Als die konsularische Macht immer tyrannischer wurde, horten die Unterredungen zwischen Napoleon und Lafayette natürlich auf. Eine der merkwürdigsten und letzten ist folgende: „Zur Zeit des Friedens von Amiens", erzählt Lafayette, „hatte ich Lord Cornwallis «inen Besuch abgcstattet und wurde mit diesem zum Mittagseffen bei Joseph Bonaparte eingclaben. Als ich Napoleon hierauf zum erstenmale sah, sagte er zu mir: „„Lord Cornwallis behauptet, Sie wären immer'noch nicht gebessert."" — „Wovons" crwieverte er ziemlich lebhaft; „vielleicht von meiner Liebe zur Freiheits Wes halb sollte ich diese wohl aufgegeben Haben s Etwa wegen der Ver brechen und Ausschweifungen der terroristischen Tyrannei? Ich Haffe alle Willkür nur desto mehr und hänge desto fester an meinen Prin zipien." — „„Lord Cornwallis hat mir dies gesagt; Sie haben mit thm von unseren Angelegenheiten gesprochen."" — „Ich erinnere mich keiner bestimmten Äeußerung", enviedertc ich; „Niemand ist mehr als ich davon entfernt, sich gegen einen Gesandten Englands ungünstig über unsere Verhältnisse zu äußern; wenn er mich aber ge fragt hatte, ob ich unseren Zustand Freiheit nenne, so würde ich nein geantwortet haben, obgleich ich dies lieber jedem Anderen als ihm gesagt hätte." — Bonaparte antwortete mit ernster Miene: „„Ge neral Lafayette, ich sehe zu meinem Bedauern, daß Sie durch Ihre Aeußcrungen über die Regierung den Feinden derselben das Gewicht Ihres Namens geben."" — „WaS kann ich Besseres thnn?" antwor tete ich; „ich wohne auf dem Lande, lebe zurückgezogen und vermeide die Gelegenheiten, mich anszusprechen. Wenn man mich aber fragt, ob Ihre Negierungswcise meinen Freiheits-Ideen entspricht, so werde ich immer nein antworten. Ich will wohl klug seyn, aber nimmermehr Renegat." -- „„Was wollen Sic mit Ihrer willkürlichen Regierung sagens"" entgegnete er; „„die Ihrige war es nicht, ich gestehe es; aber Sie hatte» gegen Ihre Gegner a» de» Emeutcn immcr noch eine Unterstützung. Ich stand noch im Parterre, als Sic schon auf der Bühne waren, aber ich habe gut zugcschaut. fiebrigen»"", so schloß er, „„habe ich mit Ihnen als Haupt der Negierung gesprochen, und als solches muß ich mich über Sie beklagen; als Privatmann muß ich allerdings zufrieden seyn. Denn aus Allem, was mir zu Ohren gekommen ist, habe ich ersehen, daß Sie persönlich Wohlwollen für mich fühle», obschon Sie die Handlungen der Regierung miß billigen."" — „Eine freie Regierung und Sie an der Spitze, ist Alles, was ich wünsche", entgegnete Lafayette. Man kann aus diesen Unterhaltungen zugleich ersehen, wie Napoleon Lafayette zu schmeicheln und ihn zu verführen suchte. Napoleon's Koketterie bestand darin, daß er mit ihm vom Haffe der Europäischen Aristokratie sprach. Dieser Schmeichelei konnte La fayette nicht widerstehen; er bemerkte sie gar nicht und spricht auch nicht davon in seinen Memoiren. Eines Tages suchte Napoleon die Feldzüge in Amerika aufs Tapet zu bringe» und dabei seine mili- tairischc Eitelkeit zu kitzeln. Lafayette bemerkte cs und antwortete mit geistreicher Bescheidenheit: „Hier wurden die wichtigsten Inter essen der Welt in Vorpostcngefechten entschieden." Diesmal entging Lafayette dem Versucher und hatte sogar das Vergnügen, ihn selbst in die Falle gehe» zu sehen. Er sprach nämlich davon, daß mehrere Mitglieder des Bundes an eine lebenslängliche Präsidentschaft gedacht hätten: Napoleon's Augen funkelten. Was wollte nun eigentlich Lafayette? Im Jahre 1791 sagte man am Hofe, daß er nach der Nolle Cromwell'S strebe. Er hätte aber nicht einmal Bonaparte seyn mögen, wenn er es auch gekonnt hätte. Bemerkenswert!) ist gerade bei ihm, daß die Macht, welche ihm irgend eine äußere Stellung verlieh, wenig Reiz für ihn hatte und ihm vielmehr lästig war. Das Ansehen seines Namens und seiner Persönlichkeit war jhm thener, nicht das seines Titels. Er wollte, baß man ihm beistnnme, nicht, daß man ihm gehorche. Er wollte nicht herrsche» und regieren, sondern Einfluß haben, über reden; er wollte, wie er in einem Briefe an Bolivar sagt, eine ganz besondere Jndivibualitätt inmitten der bürgerlichen Gleichheit seyn. Aber nur in der religiösen Welt ist vielleicht die Größe eines Menschen mit der allgemeinen Freiheit vereinbar. Dennoch verzeiht man ihm gern diese Chimäre; in seinem Leben giebt es zwei Mo- Mcnte, wo er einen bedeutenden Einfluß übte: 1789 und 18Z0. I» beiden Zeitpunkten hat er wenige Augenblicke den köstlichen Genuß gehabt, eine ganz besondere Individualität inmitten der bürgerliche» Gleichheit zu seyn. Aber die Erfahrung belehrte ihn, daß diese Augenblicke kurz und vorübergehend sind, und daß cs keinen ver derblicheren Jrrthum giebt, wie Washington sagt, als dcn Enthu siasmus und die Popularität für einen Hebel der Regierung zu halten. St. Marc Girärdin. Dänemark. Thielc's Dänische Volkssagcn. (Fortsetzung.) Die Sandbänke bei Ncstvcd. In Fladsöe hauste ci» Trold, der gegen die böse gesinnt war, welche in Nestved wohnten. Er nahm deshalb seine» ledernen Sack, ging an dcn Strand, füllte ihn dort mit Sand und wollte nun den Leute» in Ncstvcd Schaden zufügen, indem er ihre Häuser unter de» Sand begrübe. Aber als er mit dem Sack auf dem Rücken nach Ncstvcd zu ging, lief der Sand durch ein Loch, welches zu gutem Glück im Lcder war, heraus, so daß davon eine Reihe Sand bänke zwischen Fladsöe und Nestved wurden. Erst als er an die Stelle kam, wo einst die Feste Huswalv stand, merkte er, daß er daS Meiste verloren hatte, und wurde darüber so erbost, daß er den Rest nach Nestved hineinwarf, wo man noch eine» ganz einzeln stehenden Sandhügel sieht. Dies hat uns ins Reich der Troldc gebracht, welches wohl nirgends zu einer so originellen Ausbildung gelangt ist, als beim nordischen Volksstamme. TiiS See. In Kundbye, im Amt Holbek, hatte ein Trold seine Wohnung in dem hohen Hügel, an welchem die Kirche steht; da jedoch das Volk in der Gegend zur Gottesfurcht gewöhnt war und fleißig in die Kirche ging, hatte der Trold seine größte Plage damit, daß sic fast unablässig mit dcn Glocken ini Thurme läuteten. Zuletzt war er aus dieser Ursach gcnölhigt, wcgzuzichcn, dcnn nichts hat so sehr zum Auswandern des Trolbvolkes im Lande bcigetragen, als daß die Leute gottesfürchtiger wurden und das Glockenläuten zunahm. Der Trold von Kundbye zog also auS dein Lande, kam nach Fünen und lebte dort eine Zeit lang. Da traf cs sich, daß ein Mann, der sich vor kurzem in Kundbye ansässig gemacht, nach Fünen kam und dem Trold auf dcr Landstraße begegnete. „Wo bist Du her?" fragte der Trold. Es war an dcm Troldmanne nichts zu sehen, was nicht einem Menschen geglichen, deshalb antwortete Jener, wie es wahr war: „Ich bin von Kundbye." „Sv?" entgegnete der Trold, „Dich kenne ich nicht! Sonst kenne ich doch Jedermann in Kundbye. Willst Du nicht" fuhr er fort, „einen Brief von mir nach Kundbye mitnehmen ?" Dcr Man» war dazu nicht abgeneigt. Der Trold steckte ihm den selben in die Tasche und verbot ihm, denselben hcrauszunchmen, ehe er zur Kirche von Kundbye käme; bann möge er ihn nur über die Kirchhofmauer werfen, so würde der ihn schon bekommen, der ihn haben sollte. Darauf trennten sie sich, und der Bauer vergaß ganz den Brief. Als er aber wieder nach Seeland hinübergekommcn war, saß er gerade auf der Wiese, wo jetzt dcr TiiS-See ist, und da fiel ihm plötzlich der Brief des Trolvcs ein, und er bckam große Lust, ihn zu scheu. Er zog ihn'" aus dcr Lasche und saß cinr Weile mit ihm in der Hand bä. Auf einmal aber fing unter dem Siegel Wasser an hcrvorzuricscln, der Brief faltete sich auS cin- andcr, und cs war nur mit genauer Noth, baß der Bauer sein Leben rettete, denn der Troldmann hatte einen ganzen See in den Brief eingeschloffcn. Durch dieses ZcrstöruiigSwcrk hatte er sich an dcr Kirche von Kundbye rächen wollen; aber Gott wendete cs ab, so daß dcr See nun in dem großen Wiescnthale sich ausgoß, wo er jetzt wogt. Ein Bauer führt einen Trold an. Ein Bauersmann, der auf seinem Felde einen kleinen Hügel hatte, beschloß, denselben nicht unangcbaut liegen zu lassen, und be gann zu dem Ende, ihn umzupflügen. Da kam daS Bergmännlein, welches in dem Hügel wohnte, und fragte: „Wie darfst Du auf mei nem Dache pflügen?" Der Bauer antwortete, er hätte nicht gewußt, daß dies sein Dach wäre; aber er stellte ihm zugleich vor, daß cs ganz^ubnütz für sie beide wäre, ein solch Stück Land wüste liegen zu lassen. Bei der Gelegenheit bot er dcn Vergleich an, baß er jedes Jahr pflügen, die Saat und die Acrndte bestellen wolle, unter der Bedingung, daß wcchsclSwcis das Bcrgmännchcn in dcm einen Jahre daS haben sollte, was über der Erde wüchse, und der Bauer das, was in der Erde wäre; und im nächsten Jahre der Bauer das Oberste und das Bcrgmännchcn das llutcrsic. Hierüber wurden sie auch einig; aber der Bauer säete immcr das eine Jahr gelbe Rüben, und das andere Jahr Korn, und gab also dem Bcrgmanne die Blätter von dcn Mohrrüben und die Wurzeln vom Korn, und so lebten sie lange Zeit in gutem Einverständmß mit einander. Das Volk der Troldc wandcrt von Wensyssel aus. Eines Abends, als die Sonne untcrgegangen war, kam ein fremder Mann zur Fähre von Sundbyc und düng alle Fährmänner,