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Wöckenttick «rlckeinm drei Nummern. PrsnumcraiionS- Preis 22; Sgr. sj Tble.) vicrteljSdrU», 3 Sdlr. iür das stanze Jahr, ohne <Lr- höhuna, in allen Timten ter Prenhillhen Monarcku. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Lirerarur-Bla« in Berlin in der Erpedition der AUg. Pr. StaatS-Zeimng (Friedricksstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöhl. Post Äeimern. Literatur des Auslandes. 98. Berlin, Freitag den 14. August 18W. Frankreich. Lafayette nach seiner Entlassung ans Olmütz. °) Am 19. September wurde Herr von Lafayette aus Olmüh ent lassen. Seine Gefangenschaft batte fünf Jahre gedauert. Wie sehr hatte sich in diesen fünf Jahre» die Lage der Dinge in Europa geändert! Ludwig XVI. war aus dem Schaffst gestorben; neun Monate später folgte ihm die Königin, „Vie unglückliche Königin", wie La fayette sagt, „deren Person und deren hoher Stellung so viele Hul digungen erwiesen worden waren, und die in den Stunden der Ge fahr noch in einem schöneren Lichte glänzte, als aus den Festen, deren Zierde sie gewesen war." Die zarte und ehrfurchtsvolle Rührung, welche Lafayette beim Andenken an diese Fürstin empfindet, macht ihm Ehre. Es war eine traurige Musterung, die er hielt, als er aus dem Gefängnisse kam. Wie viele Verwandten und Freunde, wie viele Gegner hatten die revolutionairen Stürme hinwcggeriffcn! Sein Gedächtniß bewahrt die Erinnerung an alle, die er verloren hat, und wenn ihn ein Verlust schmerzlicher berührt, so ist cs ein unbe kannter, aber ihm ergebener Bürger, der ihn bei der Organisation der Rational-Gardc unterstützt Hai. Wir finden au dieser Stelle der Memoiren ein wirklich rührendes Martyrologium von Ramen, welche jetzt vergessen sind und welche in der Geschichte keinen Platz gefunden haben. Diesen unbekannten Märtyrern der Ideen von 1789 verdankt Frankreich vorzugsweise seine Freiheit und seine Institutionen. Damit, daß die wenigen Auserwählten die Hand anS Werk legen, ist der Geschichte noch nicht gedient. Um die Gesell schaft zu retten, bedarf es der Aufopferung der großen Menge, welcher weder Ruhm noch Ehre zu Theil wird. Jndcß waren die Offiziere der Pariser National-Garde nicht alle gestorben. Viele waren in die Armee getreten und hallen die inilitairische Generation eröffnet, welche Europa besiegte. Im Jahre >797 war diese Generation schon mächtig und ruhmvoll. Im Jahre 1792, als Lafayette sie verließ, war sie noch ganz bürgerlich; im Jahre 1797 war sie militairisch und erobernd. Die Armee und ihre Mackt hatte sich während Lafayctte's Gefangenschaft hervvrge- biloet. Sie war ein neues Prinzip und ein neuer Hebel der Revo lution. Ein kleinlicher Charakter hätte diese Veränderung vielleicht eifersüchtig oder mißlaunig ungeschaut: Lafayette knüpfte in seinem Geiste diese neue Macht an die Rarioual-Garde von 1789. In der That waren die meisten Heerführer, so Hoche und Lefebvre, auS den Bataillonen der National-Garve hcrvorgcgangcn. „So lange unsere Armeen von den Männern der Girvnoc angeführt wurden", sags Lafayette, „muß ich gestehen, daß ich nicht gern die Mittel unseres Ruhms den Leuten zusallcu sah, welche dieselben durch ihre Jn- trignen und ihre Wünsche zu entkräften suchten. Als sich aber die Kinder der Revolution derselben bemächtigten , gesellte ich mich in meinem Herzen ihren Triumphen zu. Ich fühlte für sie eine mili- tairischc väterliche Zuneigung, welche die meisten Generale mit liebens würdiger Offenheit anerkannten." Lakayctte batte also einen gewissen Einfluß auf diese inilitairische Generation. „Hätte Lafayette lins folgen wollen", sagte der Marschall Lefebvre in der Kaiserzcit, „fo würde er an der Stelle des Kaisers scyn." — Der Marschall hatte gut reden, aber cs fragt sich doch, ob dic Sache so leicht gewesen wäre, wie er zu glauben schien. Lafayette kannte diesen Ehrgeiz nicht, und cs ist unmöglich, seine Abneigung gegen diesen stärker auSzuvrückcn. Was ihu dazu bestimmte, war nicht Bescheidenheit, denn nichts verrät!) mehr Stelz, als die Beschei denheit, mit welcher er bekennt, daß cr in sich nicht den Stoff fühle, die Rolle eines großen Staatsmanns, Redners oder Eroberers zu spielen. Sein Stolz hatte etwas ganz Anderes im Auge, und weil er nicht Richelieu, Mirabeau oder Bonaparte war, hielt cr sich noch nicht für ctwas Geringeres. Bon welcher Art war nun sein Ehrgeiz und seine Eitelkeit? Bevor wir dieses sagen, hören wir seine Geständ nisse. Er sagt Band 4, S- 390: „I», Borübcrgehen will ich be merken, daß die gefühlvollcn Menschen nicht immer so dumm sind, wie die Glücksjägcr glauben. Man brauchte es mir nicht erst im Jahre 1797 zu sagen, daß ich von dem Enthusiasmus des Volkes und der Ergebenheit der National-Garben, von der Erinnerung an ') Ein NcMmS aus den kürzlich erschienene» tret letzten Dänten seiner Memoiren. den 6. Oktober, an die Föderation vom 21. Juni und sogar an de» IO. August hätte Nutzen ziehen können; auch habe ich es nicht aus Dummheit unterlassen, eben so wenig aus Tugend, sondern weil dieser Ehrgeiz keinen Reiz für mich hatte. Ich habe zuweilen vc» standen, entscheidende Gelegenheiten zu benutzen, sogar sie hcrvorzu- rufcn; ich habe oft auf unruhige oder gegen Mich cittgenommcnc Ver sammlungen einen großen Eindruck gemacht. Dennoch bin ich weder Staatsmann noch Redner, d. h. für alle verkommende Möglichkeiten geeignet. Ich glaube sogar, daß wenn ich auch in meiner Jugend einigen kriegerischen Ruhm erworbcn habe, sich doch Fälle gefunden haben würden, wo die Anwendung dieser gewissen Dosis von Talent mir ihn hätte ganz rauben können." Wir sehen also, Lafayette strebte weder nach der Macht, noch nach dem Ruhme des Redners oder Kriegers: nach welchem aber denn? Es sey »erstattet, hier ciucu Ausspruch der Frau von Lafayette anzuführcu. Herr von Lafayette unterhielt sich mit ihr über die Re ligion und vcrtheidigte sich gegen den Vorwurf des Unglaubens. „Sic wissen", sagte cr, „daß ich weder Atheist noch Materialist bin." — ,,O, nein!" erwicberte Frau von Lafayette; „Sie sind Fayettist." — Das ist vollkommcn wahr. Lafayette war aufrichtig und auS Ucbcrzcugung Fayettist. Der Fayettismus, wenn wir so sagen dürfen, war für ihn eine Religion, dessen Repräsentant und Apostel cr war, obne daß cr über die Wichtigkeit seiner Mission eitel geworben wäre. Die Grundlage dieser Religion waren Prinzipien der Freiheit und der Gerechtigkeit, die cr verbreiten wollte; nicht minder aber war cS seine eigene Persönlichkeit. Bcide Elemente waren in ihm so eng verschmölzen, daß er sie nicht trennen konnte. Wozu sollte er herr schen und regieren? Er hatte ganz andere Dinge zu thun. Er hatte die Geister zu bekehren, und wenn ihm dieses nicht möglich war, wenn der Jrrthum oder dic Gewalt sich seinen Bemühungen entge gensetzten, wenn cr nicht mchr der Priester seiner Religion scyn konnte, so mußte cr der Gott derselben scyn; cr mußte sich selbst verehren und sich aufrecht erhalten, bis dic Getreuen wieder zu ihm zurück kehrten. Sein Ehrgeiz war also ein ganz eigener; alles Sinnliche und Eitele verachtete cr iin höchsten Grade. Sein Ehrgeiz war reli giöser Natur, und wenn man Muhammed seyn will, kann man cS sich gcrn gefallen lassen, nicht Mirabeau oder Bonaparte zu scyn. Nicht etwa, als ob Herr von Lafayette nach der Rolle Mubammed'S gcstrcbt hättc. Er hatte Geist, vielen Geist; er verstand seine Zeit und wußte, was sie vertragen konntc. Aber bcr religiöse Ehrgeiz, die Sucht, Proselyten zu machen und die Geister zu beherrschen, findet sich in allen Zeiten; obgleich hier verschiedene Abstufungen und Erscheinungsformen möglich sind. Der ciaenthümttche Ehrgeiz, von dem Lafayette beherrscht wurde, erklärt seine Neigung für Napoleon. Napoleon'S Genius zog ihn an; er bewunderte ihn, ohne ihn zu beneiden. Napoleon war kein Ne benbuhler, denn er suchte den Ruhm auf einem anderen Wege. La fayette glaubte sogar, daß Napoleon sich in dieser Beziehung täusche und nicht boch genug strebe. Er sagt Band 5, S.' I7l: „Ohne einc» Schiffbrüchigen, wie ich bin, mit dem Besieger Europäs ver gleichen zu wollen, und obgleich unsere Wege ganz aus einander gingen, so muß ich doch gcstchcn, daß ich öfter fürchtete, Napoleon würbe dem Ruhme nachstreben, den ich allein suchte." Diese Worte zeigen, daß cr Napoleon'S Ebrgciz sür cineu Jrrthum hielt; cr hielt ihn für ehrgeizig, aber cr wüuschic, baß sein Ehrgeiz auf etwas Höheres gerichtet wäre. Dann hätte cr vielleicht einen Nebenbuhler in ihm ge fürchtet. Da aber Napoleon nur der Herr Frankreichs und Europa'S seyn wollte, da er nur nach der Herrschaft der Erde strebte, so hatte La fayette nichts mit ihm zu schaffen. Er nahm ihn als einen Melden hin, er nahm ihn sogar als seinen Herrn hin, aber er fühlte Mitleid sür dic irdischc und materielle Gewalt, welcher Napoleon nachtrach tete, und welche cr so sehr verachtctc, daß cr sich ihr unterwarf, weil er sie für nichts hielt, wenn cr nur seine Empfindungen, seine An sichten und sein Gewissen rettete, und daß er sich wunderte, wie ein Geist, gleich dem Napoleon s, sich um eine solche Kleinigkeit bemühen könnte. Napolccn wollte, daß man ihm gehorche, Lafayette, daß man ihm glaube. Im Anfänge schien auch Napoleon Neigung für Lafayette zu fühlen, aber bald verletzte ihn dessen schweigende Opposition: Er rächte sich, aber auf eine schlechte Weise, denn der Soh» mußte den Unabhängigkeitösinn des Vaters büßen. Georges von Lafayette war Offizier und zeichnete sich auf dem Schlachtselve auS. Er war der älteste Offizier seines Grades, nämlich Kavallcrie-Lieutenant: nie wollte ihn Napoleon zum Lapitain machen. Sein Name stand mehr-