Volltext Seite (XML)
Wicken»!» erkcktmen drei Nummern. Pränumeraiiöni« Vrei« 22; Lar. lj )btt.) vlenegökrNS', 3 Tblr. Mr da« ganze Iadr, ohne Cr> höduna, In aNen Tbeilen der Pren«js»kn Monarchie. Magazin für die Man »rLnumrrirt auf diese« Literaine-Bian in Berlin in der Erredickon der ÄUa. Pr. Siaatt-Aeilung (Friedrichrftr. Rr. 72); in der Provinz so wie im Äuölande dei Len Wodllödl. Post Xemlern. Literatur dcs Auslandes. 9:; Berlin, Montag den 3. August 1840. Frankreich. Napoleon's Abdankung. Nach Marco de Saint-Hilaire. - I. In der Nacht vom ZU. zum Li. März erfuhr der Kaiser in der Nähe von Juvlsp daS Schicksal der Hauptstadt. Sogleich befahl er den Anführern der Truppen, welche Paris zu räumen begannen, nach Fontainebleau zu marichiren unv seine weiteren Befehle abzuwartcn. Dann sanvtc er den Herzog von Vicenza in daS Hauptguartier der Verbündeten: er hoffte, bei der Capttulation.noch seine Stimme geltens machen zu können; in Erwartung neuer Nachrichten schritt er auf der großen Straße auf und ab. Don den feindlichen Vor posten war er nur durch die Marne getrennt. AuS den BivvuacS der Ruffen und Preußen, welche sich in der Ebene von Villeneuve Saint-Georges gelagert hatten, schimmerte der Wiederschein d.r Lagerfeuer zu den Hügeln am rechten Ufer hinüber, während das linke Ufer, auf welchem der Kaiser mit einigen Offizieren weilte, in das tiefste Dunkel gehüllt war. Es war fünf Uhr Morgens, der Tag brach an, als ein Courier, von Caulincourt gesendet, mit verhängten Zügeln heransprengte; er meldete, daß die Kapitulation um 2 Uhr Nachts unterzeichnet worden war, daß die Verbündeten schon am Morgen ihren Einzug halten wollten, und daß Alles zu Ende sep. Augenblicklich kehrte Napoleon um und traf um 6 Uhr in Fontainebleau ein. Er stieg nicht in den Ehrengcmächern des Palastes ab, sondern in den kleinen Zimmern, die er als erster Konsul bewohnt hatte. Sein Gefolge richtete sich in den Räumen des „weißen Pferdes" ein. Untcrdeß langten die Truppen, die er aus der Champagne mit sich brachte, auf der Straße von Sens an. Eie hatten btt Französische Meilen in weniger als zwei Tagen zurück- gclcgt. Die Trümmer der Truppen-Abthcilungen, welche die Haupt- stadt vcrtheivigt hatten, drängten sich auf der Straße nach Fontaine bleau zusammen. Die Soldaten waren alle von einem fast wüthendcn Enthusiasmus beseelt. Napoleon war unschlüssig, ob er sich hinter die Loire zurückzichen oder einen Versuch zur Wicdcreroberung der Hauptstadt machen solle. Er entschied sich für den zweiten Plan, der seinem Charakter mehr zusagte. Am folgenden Tage sinnt er einen Angriffsplan aus, als die Nachrichten von den Vorgängen, die sich am Morgen des 3l. März zutrugcn, ihm die Uebcrzeugung gaben, daß seine Lage verzweifelter ist, als er anfangs vermuthet. Dennoch sammelt er alle seine Streit kräfte uül Fontainebleau herum. Der Herzog von Ragusa schlägt sein Hauptquartier zu Effonnc auf, der Herzog von Treviso zu Mennccy; die Bagage und der große Artillerie-Park stellen sich um den Wald herum auf. Lefebvre, Nep, Macdonald, Bcrthier und die anderen Marschälle treffen allmälig im Kaiserlichen Haupt quartier ein. Noch ist Napoleon von einer treuen und ergebenen Armee um- rzngt. Er lhrilt den Marschällen die Vorgänge in der Hauptstadt mit, befiehlt ihnen aber, sie vor den Truppen verborgen zu halten, nm sie nicht zu cnlmulhigcn. Dann befiehlt er, die alle Garde aus dem Hofe dcs Palastes zu versammeln: er will Rcvup über sie halten. Mit Wohlgefallen verweilen die Blicke dcs Kaisers auf seinen alten Kampfgefährten; als er den freudigen Zuruf seiner Grenadiere ver nimmt, glaubt er sich noch nicht vom Glücke verlassen und hofft, das Verlorene durch einen entscheidenden Schlag wicdcrzugcwinncu. „Noch ist nicht AUcS zu Ende", sagt er zum Marschall Lefebvre, in dem cr ihm die Hand drückt: „Caulaincourt hat sich getäuscht. Alle haben sich getäuscht", fährt cr fort, inbcm cr einen verstohlcncn Blick auf die Marschälle wirst. „Ich werde diesen Braven, welche auf ihren Kaiser vertrauen, die Wahrheit sagen. Herzog von Danzig, lassen Sie daS Carrö bilden." Der Bckchl wird vollzogen; die Offiziere treten aus den Gliedern hervor. Die Trommeln fangen an zu wirbcln; Napoleon gebietet ihnen zu schweigen und beginnt mit lauter und tönender Stimme: „Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten meiner alten G«rdc, der Feind ist uns um drei Tagesmärsche zuvorgckommcu und hat Paris emgenommen; wir müssen ihn aus der Hauptstadt vertreiben." Es erhebt sich ein dumpfes Gemurmel, die Augen des Kaisers funkeln, und er fährt fort: „Unwürdige Franzosen, Emigranten, denen wir verziehen batten, haben d e weiße Kokarde aufgeßeckt und sich mit unseren Feinden Verbund,n. Die Schändlichcn, sic werden den Lohn ihres Verbrechens erhalten." — „Ja! Ja!" riesen die Offiziere, in dem sic die Hand an den Degengriff legten. — Napoleon fuhr fort: „Wir wollen schwören, zu siegen oder zu sterben und der dreifar bigen Kokarde, die uns zwanzig Jahre lang zum Siege geleitet hat, Achtung zu verschaffen. In wenigen Tagen rücken wir auf Paris loS. Soldaten meiner alten Garde! der Kaiser rechnet auf Euch!" — Soldaten und Offiziere riefen begeistert: „Nach Paris! Es lebe der Kaiser! Tod den Verräthern!" — Aber die meisten Marschälle verhielten sich still; ihre Treue wankte schon. Napoleon befahl, seine Rede in den Tagesbefehl zu setzen, und. kehrte in den Palast zurück. Zwanzig Pläne kreuzten sich m seinem Kopfe; vor fünfzehn Jahren hätte er auf der Stelle einen Entschluß gefaßt, aber seitdem hatten sich die Umstände sehr geändert. Er zählt noch auf die Armee, aber zwischen dieser und ihm stehen Mit telspersonen mit berühmten Namcn. Seine Heerführer sind Fürsten und Herzoge; jeder seiner Marschälle ist die Personification eines Sieges, und Napoleon hatte 'sich an die Umgebung dieser lebenden Trophäen gewöhnt. Aber die Marschälle waren von ihm abgefallen, und cr konnte nur noch auf dic Soldaten rechnen. II. Um 8 Uhr Morgens war der Herzog von Vicenza bis Bondy gelangt, wo der Kaiser Alexander sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Dieser nahm ihn wohlwollend auf, aber er hielt in seinen Händen die Schlüssel von Paris, welche ihm PaSquier und Chabrol überbracht hatten. Ucberdies war er mit den Vorbereitungen zu seinem Einzüge beschäftigt und sagte daher bloß zu ihm: „Es ist Zeit, daß Sie kommen, nun es keine Hülfe mehr giebt! Ich kann mich jetzt nicht mit Ihnen unterhalten. Gehen Sic nach Paris, dort werde ich Sie sehen." Der Kaiser Alexander und der König von Preußen hielten hier auf ihren Einzug in Paris. Um 6 Uhr Abends bezog dcr Kaiser Alexander dic Zimmer, welche Herr von Tallcyrand in der Straße Saint-Florentin für ihn hatte in Stand setzen lassen. Dcr Prinz von Bcncvent hatte sich nämlich, anstatt Maric Louise hinter die Loire zu folgen, an einer Barriere anhaltcn lassen, um den Ver bündeten die Honneurs dcr Stadt zu machcn. Alexander hatte einen großmüthigcn Charakter, und sein eifrigster Wunsch war, den Frieden dcr Welt zu sichern. Kaum hatte cr sich eingerichtet, als dcr König von Prcußen ihn aussuchtc und Beide eine Bcrathung hielten, zu welcher Dal berg, der Graf Neffelrode, Pozzo di Borgo, dic Fürsten Schwarzenberg und Lichtenstein so wie Tallcyrand gezogen wurden. Alexander sagte: „Napoleon verdient, einer Macht entkleidet zu wcrdcn, dic cr ge- mißbraucht hat", und letzte, zu Tallcyrand und Dalbcrg gewendet, hinzu: „Die Franzosen mögen die für sie passendste Regierung wählen." ES wurden nun drei Fragen aufgeworfen: I) ob man Frieden mit Napoleon schließen solle, indem man genügende Bürgschaften von ihm fordere; 2) ob man eine Regentschaft cinsctzcn, ober Z) ob man die Bourbons zurückberufen solle. Tallcyrand nahm daS Wort und sctzte dic Uebelstände der Auf- rcchtcrhaltung Napolcon's, wie cr eS nannte, aus einander. Eben so bekämpfte cr die Regentschaft. Die Wiedereinsetzung der Bourbons schien ihm die einzige mögliche Lösung. „Was sagen Ew. Majestät dazu?" fragte Alexander den König von Preußen. „Ich bin dcr Meinung", antwortete dieser, „daß wir zunächst Napoleon bekämpfen müssen. Er ist noch zu Fontainebleau au dcr SpiHc einer ergebenen Armee; das Wesentliche ist, diese zu zerstören." Alexander bcfragtc hierauf den Fürsten Schwarzenberg, der den Kaiser von Oesterreich rcpräsenlirte, ob dicS auch seine Meinung sey, und auch dieser be jahte. Napolcon's Sache war unrettbar verloren, den» schon seit dem vorigen Tage hatte sich Tallcyrand mit dcm Grafen von Ncffel- rode verständigt; es war schon Allcö in Ordnung gebracht, so daß nur die Zustimmung dcs Kaisers fehlte. Freilich widerstand dieser lange den Gründen, die Tallcyrand zu Gunstcn dcr Bourbons gel tend machte. De» Ausschlag gaben der Baron LouiS und Hcrr von Pravt, welche bestätigten, daß sie Alle Royalisten scyen, daß Frankreich ihre Gesinnungen thcile und keinen anderen Herrscher als Ludwig XVIII. wünsche. Als sich der Baron Louis noch unge- meffcnercr AuSbrückc gegen Napoleon bediente als Herr von Prabt, cntgcgnctc der Kaiser trocken: „Der Kaiser Napoleon ist lange noch nicht tobt, auch nicht cinmal politisch." — „Ew. Majestät", siel der Er-Abbö ein, „cr ist ein Lcichnam, aber cr stinkt »och nicht." — „Nun gut", sagte dcr Kaiser, „ich erkläre, daß ich nicht mehr mit