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376 dcm cr das groß c Vertrau«, hcge, eliicn Beweis sciucr Freundschaft zu geben. Doch fiel ihm ein, daß die St°llnng von Essomic gerade die wichtigste scy. Seine Wadl fiel jetzt auf Macdonald, den er zurück- rufcn ließ, und dem cr sagte, daß cr ihn an Marmonl's Stelle bc- austragc, zum Kaiser Alerandcr zu gcbcn. „Ich vertraue mich Ihnen an", sagte cr, „und hoffe, daß Sic vcrgcffcn Haden, was uns so lange trennt." — „Sire", erwieveric dieser, „ich habe seit IK09 nie daran gedacht." — „Ich banke Ihnen, aber ich fühle mich gedrungen, Ihnen zu sagen, daß ich Unrecht hatte." — Mit diesen Worten trat cr auf Macdonald zu und drückte ihm herzlich die Hand. Der Herzog von Vicenza fertigte nun den Marschällen Macdo nald und Ne- die Emsagungö-Me aus; aber eine Viertelstunde später erhielt Napoleon die Nachricht, daß der General AUir einem Oestereichischcn Offizier begcgcgnct sc-, welchen der Kaiser an Schwarzenberg abgesandt hatte, und von dem dieser erfahren, daß die Vorgänge in Paris nicht die Bcistimmuug seines Herrn hätten. In Folge denen wollte der Kaiser die Entsagungs-Akte von den Mar schällen zurück haben. Der Herzog von Vicenza suchte die Marschälle Ne- und Macoonalv aus, die eben in den Wagen steigen wollten, ober sie weigertcu sich, ihm die Akte auszulicfern. Der Herzog von Vicenza kehrte in den Palast zurück, wo er Napoleon in der Biblio- tbck sand. Er berichtete ihm die Weigerung der Marschälle. Der Kaiser bebte vor Zorn, dann sagte cr: „Morgcn bin ich mit mcincr Garde und Marmom's Evrps in Paris. Das darf Sie inkcß nicht abhaltcn, mit vcn Herren zu gcl cn. Aber, Sie verstehen, kein Wort!" Der Wagen erwartete Eaulaincourt am Fuße der großen Trcppc. Er stieg mir Herrn von Na-neval und Herrn von Rumigny ein. Napoleon sendete noch einen Eourier an d,e Kaiserin, um sie zu be- vollniächligen, Herrn von Lhampagnp an ihren Vater abznschickcn, damit dieser vermittelnd auf die Unterhandlungen cinwirke. Sodann zog er sich in sein Zimmer zurück, um einige Augenblicke zu ruhen. Noch hatte ibn der schmerzlichste Schlag nicht getroffen; der Oberst Gourgaud war am Morgen mit Befehlen an den Herzog von Ra gusa abgegangen; cr kam eiligst von Effonnc zurück und meldete, daß der Marichall seine Stellung verlassen und m.t dcm Feinde unter handelt habe, daß seine Truppen durch die Kantonnirungen der Russen hinourchzögcn, und daß Fontainebleau ungedeckt sep. Als Napoleon diese Nachricht vernahm, war er kaum noch Herr seiner selbst. „Marmont ist mein Waffenbruder!" murmclw er; „cr, mein Sohn! mein Zögling, der mein Brod gethcilt hat! Er wirb un glücklicher sk-u als ich!" Den bitteren Gefühlen, die seit einigen Tagen auf ihn cinstürmtcn, machte kcr Kaiser in einem Tagesbefehl an die Garde Lust. In diesem beißt cs: „Dcr Kaiser vankr der Armee für die Anhänglichkeit, die sic ihm bewahrt hat, besonders aber dafür, daß fic erkannt hat, daß Frankreich in ihm ist »nd nicht in dem Volke dcr Hauptstadt. Der Soldat folgt dem Glücke und dem Unglücke scincS Generals, bas ist seine Ebre, seine Religio». Dcr Hcrzvg von Ragusa hat bicscs Ge- fühl seine» Waffengefährten nicht eiugcflößt: cr ist zu den Verbün deten übcrgcgangen. Die Bedingung, unter welcher cr diesen Schritt gelhan Hai, kann der Kaiser nicht billigen; cr kann das Leben und die Frcihcit nicht aus dcr Hand eines Untenbanen anncbmen." Hierauf sandte cr cinen Ordonnanz-Offizicr an den Gcncral Dclliarv, mit dein Befehl, Fontainebleau vurch einige Schwadronen zu verstärken; der Marschall Mortier hatte indeß schon diese Linie verstärken lassen. (Fortsetzung folgt.) H o l l a n d. Rotterdam. Don einem Französischen Touristen. Beim ersten Anblicke scheint Rotterdam eine lebhafte und lcbcnS- srobc Stabt z» sepn. Sicbzigtausenv Einwohner, welche in siebcn Stock hohen Häusern über cinanbcr geschichtet find, ein blühender Handel, gcbcn kcr Stadt eint Lebendigkeit, welche für den Fremden immer etwas Anziehendes hat. Dieser bewundert die schönen Quais, welche mit dunberstährigen Bäumen bepflanzt find, die liefen Kanäle, welche dic Stabt nach allen Richtungen durlbschneibcn und aus denen die majestätischen Dreidecker mit den Produkten aller Zonen schwim men. Dies ist ein glänzcnbcS, zauberhaftes Panorama, wenigstens am ersten Tagt. Am zweiten Tage bemerkt der Fremde, daß die schönen OuaiS sich alle gleichen. Dic Bcwcgnng des Hafens — und die ganze Stahl ist ein Hafen — hat auch ihre nnaugcnchmc Seite. Geschrei ertönt aus den Schiffen, nicht besser ist cs auf dem Laude; in den Straßen bleibt kein Raum zum Auswcichcn, Tonnen, Fässer, Waarenc Ballcn werben hicrhin, vorthin geschleift; vorgesehen! heißl'S hinten, vorgesehen! vorn; cS ist eine Bab-lonischc Verwirrung, cin Höllen lärm. So erscheint Rotterdam alle Tage von 9 Uhr Morgens dis 9 Uhr Abends. Die Start macht durch ihre Alterthümlichkcit cinen imponircndcn Eindruck. Es find miudcstcns drei Jahrhunderte, daß sie im Renaissance-Schl erbaut worveu, und seitdem ist kein Stein ver rückt worvcn. Man fiubct sich in eine Stadt des Mittelalters versetzt. Wenn man sein Auge au öffentlichen Denkmälern weiden,will, .so möge man sich vor bcr Statue des Erasmus begeistern und dann schlafen gehen, denn weiter ist nichts da. Wick wird man fragen, seit drei Jahrhunderten nichts NcucS unter dcr Sonne von Rotter dams Ja voch! Ich vergaß das RatdbauS. Man bewundere diese» Palast auS Tausend und einer Nacht; cr ist sccnhast. Schlanke Säulen tragen schöne Basreliefs. Der Genius Rotterdams fixt auf seinem Thron. Welcher Adel! Welche Würde! Welche anmuthigk uns lcichtc Formen! Was sUUcn diese Büsten in den Seiten-Nilchcn darf die Götter des OlompS, oder die zwölf Apostrl, oder die großen Männer Alt-NiederlandSk Man kann sie halten, für was man will, ganz nach Belieben: nüb».' >ul> j»<iic<- Ii> <->r. Die Reinlichkeit, diese Holländische Tugend, ist hier aus die Spitze getrieben; das Reinigen, Abstäubcn, Säubern hört hier nicht aus; mit dem Bove» wird »»gefangen, mit dem Keller autgehört. So geht's vom Montage bis Sonnabend. Und Sonnabends wird sogar das Straßenpstastcr gescheuert. Hierbei entsteht ein wahrhafter Wettkampf der Mägvc, in welchem diejenige Siegerin bleibt, welche dic größte Zahl von Eimern verbraucht. Freitags ist allgemeines Rcinmachen der Fenster. Eine Woche gleicht m dieser Beziehung dcr andcrcn; cö ist cm unaushörlichcr Kreislauf. Aber bcr Sonntag, wirb mau sagcn, macht dock hoffentlich eine Ausnahme? Hierauf wartete ich bloß. Wie sehr täuscht sich der, welcher glaubt, der Sonntag sep cin Tag der Freude und der Lust! In v-r Frühe des Morgens rufen ungefähr fünfzig Glocken die Frommen in dic Kirchen. Alle Läden find hermetisch verschlossen; kaS Gelärm des vorigen Tages hat gänzlich aufgehört; dic Stadt ist still und schweigend; cS herrscht eine Grabesruhe. Dies ist der Morgen. Ani Nachmittage ist's nicht besser. Bon volkSthümlichen Belustigungen, von Tanzen ist keine Neve. Auf den Spaziergängen findet man mir Kindermädchen und Mägvc in Begleitung emcs wirk lichen ober geliehenen Liebhabers; denn hicr micthct man cincn Lieb haber stundenweise. Die schone Welt gebt des Sonntags eben so wenig spaz:crcn wie an anderen Tagen. Höchstens besucht sie cinen Garten in der Nähe der Stadt. Ist man nicht Kaufmann oder bat man nicht einige Gcschäftskenntniß, so gehe man dieser licbenswür- digcn Gesellschaft ja aus dem Wege. Hier sorgt Jeder für sich und Golt" für Alle. Die Damen unterhalten sich über Kleider und Moden; für die Theezcit wird dic praktische Anwendung dcr Nächsten liebe ausgcspart. Die Männer schwärmen dagegen für Zucker und Taback. Gegen acht Uhr Abends kehrt man nach Hause zurück, wo die Fra» vom Hause mit aller ihr zu Gebote stehenden Aumuth cin Glas Wci» kecdcnzt und Rauchflcisch und Früchte, welche die Jahres zeit mit sich bringt, bcrumrcicht. Sodann geht Jever »ach seiner eigenen Behausung. So ist'S in Rotterdam. Mannigfaltiges. — Bemerkungen des Auslandes über das Guten berg-Fest. Die bän-wi, ttuurterl)- Kocn-ev, welche keine wichtige Erscheinung der Deutsche» Literatur unbemerkt vvrübcrgchcn läßt, stellt in ihrem letzte» Hefte auch Betrachtungen über die Feier des Buchdrucker-Jubiläums in Deutschland an.' Sie fragt zunächst, warum dieses Fest, bas, seiner Bedeutung nach, cin Volksfest aller Nationen scpn müßte und könnte, doch nur in unserem Baterlande unter so aUaemeimm Jubel gcscirrt werde, und findet die Beant wortung dieser Frage darin, daß cbcn, weil Englanv und Frankreich im Besitz einer völlig freien Prcssc sepcn, beide Länder weniger Anlaß bätte», über dic Prcssc selbst Rcstecticmcn anznstcllem Es verstehe sich vort der Segen, den sic verbreite, so von selbst, daß mau ihn cbcn so unbemerkt hinnehme, wie etwa die Wobllbaten der Sonne, deren Licht und Wärme mau erst dann recht zu schätzen wisse, wenn man dieselben cine Zclt lang thcilwcise oder ganz entbehrt habe. Deutschland dagegen, bas Land ber Rcflcctionen, gönne sich keinen Genuß, ohne zugleich auch über die Natur desselben Betrachtungen aiizusicUen. Und ciiicr seiner edelsten Genüsse sey eben die durch dic Presse geförderte, über da- ganzc Land verbreitete literarische Thätigkeit. „Allerdings", so fährt der Englische Kritiker fort, „sind ig der Literatur die edelsten Geister nickt mehr am Leben, und die jenigen, die wir als ihre Nachfolger erblicken, wurden keincswegeS auch ihre Erbe». Deck nicht bloß in Deutschland, sondern auch in allen aubcren Ländern fehlt cs >a hcutzntage an großen und schöpfe rischen Schriftstellert,. Die Periode der Dampfschiffe und Eisenbahnen ist dcm stillen Wirken deS Genius nicht günstig. Sic crzcugt zu vicle Ivcen in anderen Nichtlingen, die dcm Mcuschengrscklcchte cbc»faUS wohlthäiig sind, wenn sic nicht etwa die Begier nach dein materiellen Besitz gar zn sehr »»regen, und Deutschland ist dem ge meinsamen Impulse gefolgt. Gleichwohl bleibt in diesem Lande eine große und bcwundernSwerthe literarische Thätigkcii vorherrschend. Dcr Geschmack hat durch dic stets allgemeiner sich ausbrcitcndcn Werke dcr große» Natioual-Schrifistcller imgemel» gewonnen. Statt, wie früher, cin frcmbcs Idiom, das Französische, als Vermittler dcr seinen Eonvcrsatiou zu betrachten, sind die Deutschen »nscreS Jahr hunderts durchdrungen von de» großen Schönheiten ihrer eigenen cdeln Sprache; ja, Grimm hat der historischen Entwickelung derselben cin Denkmal errichtet, auf welches ändere Nationen mit Neid und Bedauern Hinblicken müssen. Natürlich hat bei dic'cr allgemeinen Verbreitung von Kenntnisse» und Bildung auch dcr Deutsche Buch handel an Bcrciitung und Wirksamkeit nugeiirri» zunehmen müsse», und so sabe» wir denn auch von diesem, und zwar zunächst von Leipzig, wo cr scincn Mittelpunkt und Hauptsitz hat, dcn JmplilS zu dem diesjährigen Gutenberg-Jubiläum in großartiger Weise auS- gehen." — Dcr Deutsche Buchhandel mag sich dieser chrenvollcn Au- erkeunung des AuslcmdeS freuen. Hoffen wir darum aber auch, daß er in Berlin, wo cr, nächst Leipzig, scincn größten und blühendste» Sitz in Deutschland bat, nickt werde Zurückbleiben wollen dinter dem Vorgänge so vieler andcrcn und bei wcitem nicht so wohlhabende» Städte des gemeinsame» Vaterlandes. He.aucgrgcbcn von brr Redaktion ter Alig. Preuß. Staate.-Teilung. Rcclgwi rvn Z. Lehmann. Gcdcacki tci A. We Hap».