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374 flößend anSsahen. Wildromantische Thaler, von Bächen durchschnit ten, bilden ven Typus dieser in der neueren beschichte Spaniens so berübml gewordenen Gegenden; hier wird es begreiflich, wie ein solches Land mit anfänglich so geringen Hülfsmiticln einem geregel ten Heer so kräftig uno dauernd Widerstand zu leisten vermochte. Eine wohlbcwaffnetc Handvoll Menschen muß >n diesem Labyrinth von Berg und Thal eine ganze Armee zu vernichten im Stande seyn, und wer vermag zu entscheiden, ob König Karl t. ohne den Vertrag von Bergara, den das Land einstimmig als Verrglh bezeichnet, nicht auf den Thron zu Madrid, statt als Gefangener nach BourgcS ge kommen wäret Wir erreichten die Gränze von Guipuzcoa und Navarra in Arribas, und von da zieht sich vcr Weg in endlosen Schlangenwin dungen bis zum Gipfel dieses Pyrenäenzuges, der Sierra oe Arrabber, den mau in Lccumberry, jenem berühmten Hauptquartier Karl'S V., erreicht. Die Hochebene ist ziemlich bedeutend und zur Entwickelung ansehnlicher Slreitmassen geeignet, der Ort iclbst ist halb zerstört, es wird daselbst eine Art von Ehausseegelv erhoben, die Hcbcstclle ist durch eine große, über den Weg gelegte Kette bezeichnet. Jenseits Lecum- bcrry stiegen wir einige tausend Fuß hinab und machten in einer einsamen Benta halt. Man reitet direkt in den Stall hinein, aus dem man, nachdem den Thieren Gepäck und Sattel abgcnommen, in die Gaststube hinausstcigt; cs ist diese nichts Anderes, als cm von Rauch geschwärztes Zimmer, an den Wänden mit Küchen-Gcräth- schakten behangen, in der Mitte ein großes Feuer. Zu mehrerer Sicherheit für die Reisenden sind Löcher in dem Fußboden, durch welche man auf die Maullhierc hinabsieht, von deren Anwesenheit es allerdings nvthwcnvig ist, sich von Zeit zu Zeil Ueberzeugung zu verschaffen. Unser Mahl bestand aus 4 bis S ungesalzenen mit Ocl zubcreiieten Speisen, die einem Deutschen schlecht munden, und ich be leidigte die Wirthin gar sehr, als ich auch nicht einmal von dem Lieb- lings-Gcricht des Navarresen, dem Puchcro, aß und zu den verachteten Kastanien griff. Broc, das wcißeste, was ich je gegessen, und Wein sind vortrefflich, die Spanische Ehokolade ist berühmt und wird selbst in der elendesten Posada gut zubcrcitct. Nach kurzer Rast setzten wir unseren Weg fort, die Felsen drängten sich enger und enger zulammcn, Schaarcn von Adlern und Raben durchkrciste» die Lust, bei Arruiz ist die Schlucht durch einen dieselbe fast ausfüUendeu Thurm geschlossen, durch den man uns gegen Verabreichung einiger Zigarren passircn ließ. Die Truppe, die diesen Posten besetzt hielt, war dunkelbraun nnifor- mirt. Endlich erreichten wir las dos HcrmanaS, zwei durch die Arga getrennte, spitzzulaufende an 2cmo Fuß hohe Felten; sie sind so übcrhängcnd, daß bas Verweilen unter denselben grauenerregend ist, und Liebhaber von pittoresken Gegenden finden bei ihrem Anblick ge wiß vollkommene Befriedigung. Dieses Felscnthor bildet die Gränze zu dem Thal, durch welches die große Straße von Vittoria nach Pampclona führt, die wir in Zrunzun erreichten; hier ist selbst die Kirche ein Schutthaufen. Die benachbarten Felsen sind mit FortS bedeckt. Zn Erlcc holten wir einen Trupp Reiter ein, cS war der General-Capitain von Navarra, Ribero, im blauen Frack ohne ir gend ein Abzeichen seiner Charge und wachStuchiibcrzogencn dreieckigen Hut, eine schmächtige Figur; einige zerlumpte LancicrS und 2 Rei ter der Santa Hcrmandäv bildeten seine ganze Eskorte; wir ritten grüßend vorbei. Zn Ancscar genossen wir einen entzückenden Blick auf die reizende Ebene Pamxelöna, die Tbiirme der Stadt hoben sich je mehr und mehr, je tiefer wir in daS fruchtbare Land hinabstiegcn, die vom Markt hcimkchrendcn Reiter, Männer wie Frauen, die Karren mit Scheibenrädern statt der Speichen, bilderen zu dem freundlichen Bild die artigste Staffage; wir fühlten, baß wir in eine von den Schrecken des Bürgerkrieges mehr verschonte Region ge kommen waren. Während die ganze Tour von Tolosa hierher wie ausgcstorben war, sah man doch hier noch lebenskräftige Gestalten, denen das Navarrefischc Kostüm eine eigene Anmuth gicbt. Zn den VascongadoS schien uns das Land wie in großer Trauer, wir sahen wenig Männer, meist Frauen und Kinder, hier die ganze breite Straße bedeckt mit allen Altersstufen, die Kinder in den aben teuerlich anstehenden Cacolctten, alles fröhliche zufriedene Physiog nomiken. Um 4 Uhr erreichten wir die Stadt, man nahm uns am Thor die Pässe ab, und wir sanden in der Fonda de Florencia in der Estascttenstraße eine gastliche Aufnahme. Nachdem wir nnS einigermaßen erfrischt hatten, der lange Ritt von 12 alt-Spanischen LcguaS war zu groß für eine Tagereise, durften wir die grumla kuneion von Marino Faliero im Theater nicht versäumen. Das HauS, an und für sich groß, aber im elendesten Zustande war mit Zuschauern, meist Militair überfüllt. Wegen der Feier des Tages waren die lebensgroßen Bilder der jungen Königin, so wie der Kö nigin Regentin, an der Loge des Vicc-KöniqS befestigt, aus Re spekt vor der Gegenwart des Letzteren wurde in den Zwischcn- Aktcn nicht geraucht, kein Hut aufgesetzt, auf der Bühne im Vorder gründe standen 2 Mann Rational-Gardc mit Gepäck und angefaßtcm Gewehr, die alle il> Minuten abgclöst wurden. Die Spanische Grandezza spricht fich beim Spiel deutlich auS; in Sccnen, die nur durch rasches Zncinandcrgrcifcn gewinnen würden, muß der Actenr, ehe er spricht, eine gehörntste Verbeugung machen, was bei dem jedesmaligen Auftreten einer neuen Person sehr störend ist. LiebeS- scenen, gegen Französische gluthvollc Darstellung gehalten, find lang weilig, schleppend. Die politische Tendenz des Stücks, die von den edelsten Beweggründen geleitete und doch mit dem Tode bestrafte Theilnahme des Marino Faliero an rcvolutionaircn Umtrieben, wurde stark hervorgchobrn, und die letzte Scene, wie der Nachrichtcr mit den Worten „daS Gesetz ist erfüllt" den Tod des Helden anzcigt, wurde mit stürmischem Beifall begrüßt, mit dem der Spanier sonst hehr kärglich ist. Eine Operette und ein Vaudeville beschlossen die Vor stellung, die alle Schönheiten von Pampclona, sämmtlich in schwarzen Kleidern und schwarzen Schleiern, die die brännlichen Gesichter und brennenden Augen scl r hervoGeben, versammelt hatte. Ei» Lobgevickt auf die junge Königin, das vcr erste Actenr, im Rock, als Epilog vorzutragen versuchte, wobei er aber mehrmals stecken blieb, ging ohne Effekt vorüber. Eine nicht brillante und keineSwcges allgemeine Be leuchtung der Stadt beschloß den Tag. Der folgende ward zur Besich tigung der Stadt und Ciradelle benutzt. Pampelona soll G,U<M Ein wohner haben. Viele Straßen waren wie auSgcstorbcn, denn Alles, was Karlistisch war, hatte auswandern müssen. Dio Häuser find sämmtlich mit Balkoncu verziert, und der große Eonstitutionsplatz siebt dadurch recht freundlich aus. Die Kathedrale hat ein schönes Römisches Portal, daS leider durch zwei an den Seiten aufgcbauto, mit Schnör keln versehene Thürme sehr verunstaltet wirv. Das Zmicic ist präch tig, reich mit Marmor verziert, die Sakristei mit Golv und Marmor überladen. Einfach würdevoll ist ein wohlcrhaltcncr Krcuzgang im rein Gothischen Styl, drei Thücen in demselben sind vorzüglich. Die Citadelle ist mit dreikachon Werken umgeben, etwas hoher als die Stadt gelegen, so daß man von diesem Punkt eine herrliche Nunv- sicht genießt, die auf vcr Seite des ThaleS von Lanz am schönsten ist- Zm Zeughaus waren Fahnen und Waffen der Karlisten in un geheurer Anzahl aufgchäust, die Gewehre größtenthcilS Englisches Fabrikat, meist zerbrochen. Beweise von Riesenarbeit waren mehrere geschmiedete eiserne Kanonen Sechzehnpsünvcr, in Aybar gefertigt. Zm innersten Graben zeigte man uns Vie Stelle, wo der tapfere Santos Lavron mit seinen Gefährten hiiigerichlct woivcn war. Die Be satzung von Pampclona mochte ungefähr 4MM Mail» von allen Trup pengattungen betragen. Nur die Offiziere nnv Capitaino, Vie je nach ihrem Range auf einer ober auf beiden Schultern bis aut den halben Oberarm hcrabhängendc Gvlvtroodcln-Epanlettcn tragen, sind gut uni- sormirt. Die höheren mllitairifchcn Grave haben keine Uniform mit irgend cincm Abzeichen. Der gemeine Mann ist schlecht equipirt, hellgrauen Nock und Beinkleider, Muskete, deren Bajonet in Erman gelung eines Säbels an vcr Seite getragen wird, geradeaus geform ter Czakot. Die Kavallerie ist größtcnthcilö mit Maulthicrcn be ritten gemacht, die kür den Gcbirgskricg auch ungleich ausvaucrnder als Pferde sinv. Die Polizei- nnv Post-BüreauS find nnr AbendS von acht bis zwölf Uhr geöffnet. Diese Zweige vcr Verwaltung find in ihren Einrichtungen in keinem Vergleich mit unseren vaterlänoi- scheu. Große Ignoranz, gränzenloso Verachtung alles Ausländischen, unaussprechliche Langsamkeit sinv charakicristisch für ven dortigen Le- amten. Zntclligcn; ist nur in ven Klöstern zu finden, und diese sind jetzt, mit Ausnahme der sich der Krankenpflege wivmendcn, sämmtlich zerstört. Die Santa Hermanvad brachte fünf Guerillas ein, beschul digt, am vorigen Tage auf der Straße nach Tukcla drei Reisende ermordet zu haben — ein schlagender Beweis für Sicherheit im Lande. Unser Engländer forderte uns auf, ihn doch wieder nach Tolosa zu begleiten, va er sich allein in seiner nngcrn gesehenen rothen Uniform nicht für sicher hielt, wir ricthcn ihm, den landes üblichen schwarzen SchaasSpclz, Vie rauhe Seite auswendig anzuzic- hcn unv allein zu reisen, unS hielten noch Geschäfte zurück. Zm Theater wurve Felipe und nach Gesang und Tanz ein Vaudeville ausgcsührt. Heute ließ sich das Parterre nicht nehmen, seine Trom- peiilla zu rauchen. Den vlstcn November war den Geschäften ge widmet, die auch ungeachtet Spanischer Langsamkeit glücklich beendigt wurden. Für den Abend war eine Benefiz-Vorstellung für die erste Actrice Maria kacipa durch mit Finger» gemalte Anschlagzettel an- gckündigt. In dem Stück Donna Mcncia (ich glaube von Lopez) kamen alle sieben Todsünden vor, die Handlung wurde so verwickelt, daß ich auf die Lösung begierig war — da kommt die Inquisition im fünften Akt und zerhaut durch Hinrichtung aller Bethciligtc» den Knoten. Das Orchester spielte mit vieler Präcision, die ich am wenigsten hier erwarten konnte, noch mehr, die Piecen waren meist Deutscher Composition, und der bei uns zum Gassenhauer hcrabge- würdigtc „Zungscrnkranz" auS Wcbcr'S Freischütz erweckte in mir Gefühle, die dem Heimweh nur zu nahe verwandt waren. Auf das Visa unserer Pässe ließ ma» u»S, an die mitten im Zimmer befindliche Wärmscheibe verwiesen, gar lange warten; man eraminirte mich scharf, den Ausländer erkannte man schon an dcn blouven Haare», man glaubte ein Falsum entdeckt zu haben, da ich meiner Aussage nach ein Deutscher sey und im Paß Preußen be merkt war. Endlich ließ man uns lvS, für einige PcsoS konnte dies schon früher geschehen seyn. Mit unserem Quartier hatte» wir alle Ursache zusricben zu sey», die Speisen wurvcn inir zu Gefallen mit Fett, statt mit Oel zubcrcitct, indessen hielt ich mich an Früchte und Brod, Vie ausgezeichnet waren. Einer eignen Scene mit un serer alten Wirthin muß ich noch crwäbncn. Bei unserer Ankunft stand dieselbe auf vcr Treppe, so daß sie höchstens die Köpfe der Maulesel sehe» konnte. Auf die bescheidene Anfrage unseres Arriero, der ein rein Baskisches Kostüm trug, daher nicht sehr empfehlend in seiner mit bunten Flecke» besetzten Jacke auSsah, „ob Quartier für zwei Herren wäre" — mochte die Wirthin von bei» Diener auf die Herr schaft schließen, die Thicre waren auch nicht brillant mit Stricken aufgeräumt, und cs ertönt als Antwort cin barsches Heo! Jetzt bückt sich die Wirthin, um die Reiter zu mustern, und unS im elegan ten Frack und Hut sehend, rief sie plötzlich: „.41,, gor .eenuivu vo lw mucllo« onmlnn«" (für solche Herren habe ich noch viel Stübchen), und wir waren sogleich gut bedient. Der Regen war dcn ganzen Tag in Strömen geflossen, in der Nacht beruhigte uns der Rnf des Wächters „lux <ln» »«-renn", aber mit dem «»brechenden Tage fing das Wetter schlimmer denn zuvor an, und wir waren gezwungen, abzureiscn. Wir bepackte» die Maulthicre, und um 7 Uhr, eher wurden die Thore der Festung nicht geöffnet, machten wir unö aus den Weg. Doch der Regen hielt länger an als unsere Wachötuchmäntcl, und wir waren dem Wetter