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Wöchentlich »scheint» drei Nummern. Prönumkraiicud- Preis 22^ Sgr. Thlr.) rierleljadrUiv, z Tbw. kur das game Aal>r. ohne Er> höduna, in allen ^heilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man vrSnumenr« aus diese» Literatur-Blau in Berlin in der Exp-düivn der Mg. Pr. Siaats-Aeitung (Fricdrilddstr. Nr. 72); in der Provinz so Ivie im Ausland» des den WodUödl. PosI Remtern. Literatur des Auslandes. 88. Berlin, Mittwoch den 22. In!« 1846. Holland. Lebensbilder aus dem Haag. Von einem Französischen Reisenden. Zwei Stunden vom Meere, vier Siunden von Leiden, zwölf von Ämstcroam, sä vo;t Brüssel, U2 von Paris erhebt sich eine Stadt mit-Gebauden von gebrannten Ziegeln, mit breiten und regcl- maßigeu Straßen, deren Bürgersteige uni Granitplatteu gedeckt sind. Im Ulen Fahchuuderl war diese Stadt der Sly der Grafen von Holland und hieß S'Graven-Haage; jetzt hat es den Zusatz abge- worfcn und heißt einfach der Haag.") Der Haag ist in politischer Hinsicht die Hauptstadt von Holland, wie Versailles lange Zeil die von Frankreich; er ist die Residenz des Hofes; denn auch unter dem Sceptcr des vielleicht einfachsten, des im wahrsten Sinne bürger lichen Königes in Europa gievt eS einen Hof. Die erste Folge da von ist, daß der Hollander im Haag von dein in Amsterdam völlig verschieden ist. Dieser ist ganz Geschäftsmann, ganz Krämer, jener ein Priester des Lurus und dec Mode; Amsterdam grübelt, wie es mit Batavia und den Kolonial-Waaren steht, der Haag wacht mit der Sorge auf, was in Paris gethan uns gesprochen wird, welche Beinkleider oder Röcke und Ucbcrwürse Man in Paris trägt. Auch der Häag hat seine General-Tonangrber, seine gelben Handschuhe, seine Spanischen Nohrstöckc mit goldenem Knopfe? Der Holländische Stutzer ist nichi lächerlicher als der Pariser; er macht es auf ein Haar so. Er hat, wie sein Kollege in Paris, Glanzstiewln, die ihn, so trefflich sitzen, daß er stets hinkt, dieselben phantastisch ge formten Kleidungsstücke, lange Weste, große Halsbinde, breitkräm- Pigen Hut, hyperbolische Manschetten, den Niesenstock, wie ein lite rarischer Marschall. Aber eines - sage ich es zur Ehre oder Schande des Holland.scheu Mode-JimgcrS, ich stehe wie Herkules am Scheide wege — eines seblt dem Niederländer, — der Schnurrbart, und ich gebe unbestochen der Wahrheit die Ehre uns wiederhole laut vor aller Welt, waS ihn, fehlt. Also in Rücksicht der Bärte ist der Holländer um zwanzig Jahre in der Mode zurück. Uns doch, so launenhaft ist der menschliche Sinn, dieselben Nie derländer, die keine Schnurr- und Backenbärte tragen, sind von einem Heer Französischer Haarkünstler belagert. Ihr könnt nicht zehn Schritte in den Straßen des Haags thun, ohne auf ein Aushänge schild zu geratheu, mit der Aufschrift: X. . mllbnr E.nn^^, Haarschueider nach Pariser Mode; Depot Französischer Pomaden und anderer chemischen Kunstcrzeugnine zu Pariser Preisen. Nicht anders ist cS in den bedeutenderen Städten Belgiens, besonders in Brüssel, wo eS mehr Haarkünstler als ihrer Bedürftige giebt. Da ich mir keinen Grund angeben konnte, dec-die so interessante Klasse der Friseure uöthigtc, den schönen Himmel Frankreichs mit dem nebligen Klima Belgiens und Hollands zu vertauschen, so entschloß ich mich, über einen Gegenstand von solcher Wichtigkeit einen der Herren aus dieser Zunft zu befragen, und bin nun im Stande, die nöthigo Anskuffft zu geben. Ich stelle es den Statistikern anheim, von diesen DatiS nach Gutdünken Gebrauch zu machen; es hat mit ihnen seine Richtigkeit; der Mann, von dem sie hcrrühren, ist kompetent. „Sie wundern sich", begann er sein statistisches Tableau, ,,hier eine so große Anzahl von Haarkünstlern zu findens Aber wohin meinen Sie denn, sollen wir gehens Holland und Belgien sind die einzigen fremden Länder, wo man allgemein Französisch versteht. Also nur i» Holland oder Belgien können wir unsere Talente untcr- bringen."") — „Warum bleibt Ihr nicht in Frankreichs" — „Das ist uns verboten." — „Verboten? weiß ich doch nicht, daßdiechren- werthe Innung, zu welcher sie gehören, in irgend einer Evvche unserer Geschichte durch den Ostrazismus verwiesen worden wäree! Ist Frank reich etwa zu dem Loose verurthcilt, nachdem cS die Auswanderung seines Adels erlebt hat, noch das Brenneisen auswandern zu sehens Soll das Haarkünstler-Metier, als Opfer einer zweiten Aufhebung des Ediktcs>von Nantes, in die Nothwendigkeit kommen, nach dem N! ckmwchwen wird di- Stadt mich ich, noch in HoU.wdnchcn Aktcn- uuaen meinens der chrcm Immer-» Name» genannt. "I Nu», es ülgt nun-,m anderen va»d-r» »<0» an diele» baarkräuiclndt» «ebnen Frankreichs. Vewndcrs lind die HaupMadte Rußlands damit gc- auch bei uns wurden üe noch hauüaer kenn, als üe dcr-as Und, ba» Ut wer nicht mit manchem rwatitlrend-n oicnic Dcutlchiands ,u kämme» ia,-»?',^ bcb vom bwNen Perrückmmacher lis:um „Loiffcur" und „Adoni- m»ur" cmporgeichwunücn hat. Beispiel der Protestanten, in den alten Niederlanden die Wohlthat der Gastfreundschaft nachsuchcn zu müssens" — „Mein Herr, keinen Scherz; cs handelt sich um etwas Wichtiges. Wissen Sie nicht, daß wir eine breite Fläche in dem Organismus der Gesellschaft cinneh- men, daß man in Paris über lo,iM> „junge Leute" zählt, die mit dem Kapillar-System sich beschäftigens Upd ist es nicht ein bc-- trübender Gedanke, daß jeder Einzelne ans dieser großen Zunft keigen Tag vor der Gefahr sicher ist, dem Vaterlandc Lebewohl sagen zu müssens" — „Warum diese Verbannung?" — „Wir müssen schon auf die Heimat Verzicht leisten, wenn wir nicht fünf Jahre in das Eefängiuß von Clichy wandern wollen. Ach, die Schneider sind ein unbarmherziges Volk, und die Welt nimmt cS bei uns so streng im Punkte des Kostüms. Wie glücklich sind die anderen Künstler, man verlangt von ihnen nicht, daß sie sich mit Eleganz kleiden, zeigt man nach ihnen wohl mit Fingern, weil sie nicht behandschuht, frisirt, geputzt und pomadirt sinvs KeiueswegeS, inan bemerkt sie kaum; man gestattet ihnen, auf ihre Weise zu leben, in der Dunkelheit. Wir allein, wir müssen dem Vorurlheil gehorchen, müssen uns fein kleiden, unserem Stande gemäß erscheinen. ZuM Unglück wird die" Kunst in Frankreich wenig crmuthigt. Wie groß auch unser Talent sey, man gewinnt kaum so viel, um seinen dringendsten Bedürfnissen zu begegnen. Daher entstehen Schulden. Ausweichend den Mah nungen der Gläubiger, unterschreibt man einen Wechsel. Die Zeit kommt, daß er fällig geworden; man sieht sich außer Stande, seiner Verpflichtung und seiner Ehre nachzukommen. Waü bleibt übrig? Heimliche Entfernung, mein Herr; und dies ist zugleich die Geschichte einer Menge junger Künstler, die sich mit dem Grabstichel, dem Pinsel uns der Tonkunst befassen, die, wie ich, genötlffgt sind, bei einem Volke von Wilsen Schutz zu suchen." — „Die Holländer scheinen mir doch nicht zu den Wilden zu gehören; ich halte sie für so civilcsiri wie uns." — „Sie irren, mein Herr, Sie irren; sie begreifen wohl, daß 2 mal 2 vier macht, aber das ist Alles; ver suchen Sie, mit ihnen von Kunst und Literatur zu sprechen, und Sie werden nicht verstanden. Glauben Sic wohl, daß cS unter allen unsere» Klienten (und wir bedienen doch die siauto nolckv«>w der Hollander) nicht zehn giebt, die Musard kennen, und nicht Einen, der icmals von Michalon etwas gehört hat? Nun erfreue sich Jemand noch dcS Gemcs, damit man tim Stunden von Paris nicht mehr seinen Namen wisse." °) Ich öffnete den Mund, nm diesem Chatterton in der Frisrnr- schürze zu entgegnen, daß man in dcr Welt zuweilen gar übel an- lanfe für die Dreistigkeit, Genie zu besitzen, aber er zeigte mit dem Finger auf eine Dame, die schon die Thür in dcr Hand hatte, nm cinzutretcn, und raunte mir zwei Worte in das Ohr, die meinen Gedanken eine andere Richtung gaben. — „Eine Tonangebcrin ersten Ranges." Wie, dachte ich bei mir, also hat der Haag auch feine Movepriesterinnen? Es war eine von jenen, deren Verherrlichung die modernen Romane versucht haben. Sie war schon die Linie passirt, d. h. über dreißig. Ihre hellblauen Augen schienen zwar nicht ausdrucksvoll, aber reizend, unter dcr Haut, weißer als Lilien, sein und durchsichtig wie die Jungfrauen von NubcnS, floß das Blut im warmcm Kolorit und wunderbar hcllroth; ihre Lippen, ein wenig aufgeworfen, aber von gutem Schnitt, zeigten eine appetitliche Frische; ihre Haare von jenem Goldgelb, das an den tRvum App<g. Imom der Dichter und die Magdalena dcr Krcuzcs-Abnahme erin nerte, fiel in langen Locken von einem Gesichte, daS von Kraft, Leben und Gesundheit glänzte. DaS war ja ein allerliebstes Wesen, höre ich Euch sagen? - Ja, sie hätte reizend sepn können, sie war aber nur lächerlich. — Sie hätte reizend scpn können selbst mit ihren Zähnen, ihrer Taille, ihren Füßen, drei Dingen, von denen mir die Etikette nicht zu sprechen erlaubt, aber ihre Toilette war so geschmack los, daß man an sich halten mußte, um nicht mit der'Wahrheit herauSzuplatzen. „Aber, mein Gott, Madame, warum haben Sie sich solche Mühe gegeben, eine Karikatur zu sepn?" Denkt Euch eine Damenfigur im Moven-Journal lebendig geworden, verzerrt Und überladen, so habt ihr eine richtige Idee. Auf einem kleinem blauen Hute, wie ein Handteller groß, schwebte, dem Himmel drohend, ein riesenhafter Paradiesvogel; ein rothkarmoisinencS Kleid mit fünf Fri- -> Das klingt aUerdingS wie eine Satire auf den HaarkraüSlcr, wat, re uv es doch im Krunde nur cm- am de» Herrn Tonrillen fcikcr in, der NW angem lwemiiw dct diele», ktmNi-niwcn L-wdsmaime aur Beleiuu„aen »der das w-md- Vaud g-iwic, die er wm le mm ges-rn mittbciit, waureud er, nleich (v vielen anderen Autoren, diejenige Quclic, dcr er am meigen verdankt, ver leugnet oder verspottet.