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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- PreiS 22^ Sgr. (j Thw.) vierteljährlich, 3 Thlr. ,ür da» ganze Jahr, ohne Er- döhuna, in allen Theilen der PreuSischcn Monarchie. für die Man «ränumerirt aus diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Zriedrichrstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande hei den WolMbl. Post - Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 86. Berlin, Freitag den l7. Juli 1840. Nord - Amerika. Indianer-Leben. Wir haben in diesen Blättern zwar ost schon Schilderungen aus dem Leben der Naturvölker Nord-Amerikas geliefert, doch glauben wir hin und wieder von neuem auf einen Gegenstand zuriickkommcn zu müssen, der um so lebhafter unsere Sympathiecn erregt, je mehr von Seiten der sogenannten Civilisation geschieht, um jene schwachen Nebcrreste autochthonifchcr Völkerschaften vollends von der Erde zu vertilgen. Leider werden diese hülflosen Ueberreste nur zu bald gegen die Waffen, welche Trug und Treulosigkeit gegen sie anwenden, unterliege» müssen. Es wird bald Gelegenheit für einen Nord- Amerikanischen Dichter da seyn, den Roman des letzten Indianers zu schreibe», so wie Cooper den letzten Mohikaner beschrieben hat; diese Stämme werden bald nicht mehr der Gegenwart, sondern der Geschichte angehören, und es ist daher die höchste Zeit, noch Notizen über ihre Lebensweise und ihre Geschichte zu sammeln, um sie für folgende Geschlechter aufzubcwahrcn. Folgende Worte dar über werden gewiß unseren Deutschen Lesern nicht unwillkommen seyn: „Die Kindlichkeit des Eemüths und die Leichtgläubigkeit des Indianers verhindern ihn, mit gesundem Urtbcil auf die traurigen Folgen der Trunkenheit zu blicken. Die Erfahrung dient ihm nicht, wie uns, sie ist noch neu bei ihm; er läßt sich demnach von verrä- thcrischen Einflüsterungen der Hausircr täusche», wenn sie ihm ver sichern, daß der brennende Trank Muth und Kraft verdoppele. So bald der Branntwein seine Lippen zum ersten Male berührt hat, ist er verloren. Nie vergißt er so leicht wieder die heitere Stimmung, in die ihn das Getränk versetzt hat: er sucht von nun an den Rausch, wie einen süßen Schlaf mit lachenden Träumen, und Alles, was er besitzt, wird bald ohne Gewissensbisse der in ihm eben angefochten Leidenschaft geopfert und wird die Bente habsüchtiger Händler. Das Wigwam (Hütten der Indianer) wird ans diese Weise Stück für Stück geplündert und der Pelzwerke beraubt, die es schützten; Weiber und Kinder, Opfer des Getränkes, das man auch ihnen mittheilt, zittern unter dem doppelten Anfall von Trunkenheit und Kälte und sind noch glücklich zu nennen, wenn sie der Tod in einer solchen Be täubung überrascht. Unter civilisirten Völkern läßt der Verlust der Gesundheit und Kräfte, so verderblich er auch sonst ist, doch noch einige Hülfsmittel für das Individuum zurück, welches ihn zu beklagen hat; die Natur verlangt nicht solche Anstrengung roher Kräfte zur Befriedigung des nothwendigsten Bedarfs, und die Kunst versteht die fliehenden Kräfte noch einigermaßen zurückzuhalten und zuweilen thcilweise zu ersetze». Wie ganz anders dort! Die Menschenliebe muß schaudern, wenn flc sich den Indianischen Jäger nach seiner Lebeiisvcrschreibung an das geistige Getränk denkt. Stumpfsinnig geworden durch de» Whisky, fühlt er sich nach und nach von einer Erschöpfung bedroht, deren Ursache er nicht kennt; seine robusten Arme, seine sonst so biegsamen und behenden Beine versagen ihm den Dienst; sein Bogen, sonst so sicher, täuscht auf einmal Auge und Arm; ja, der Anblick des wilden Thiercs, welches er mit Lust zu bekämpfen gewohnt war, macht ihn zittern. Dieser schreckliche Zustand ist, wie man leicht entdecken kann, eine Folge der verwerflichsten Industrie, der die Regierung der Ver einigten Staaten nicht fremd ist; es ist ein systematisch organisirtcr Handel mit giftigen Artikeln, der den Wurm der Zerstörung in die unschuldige Lebensweise wirft, damit die reine Naturkrast gebrochen und unschädlich gemacht wird. Entnervt und lasterhaft geworden, wird er eine leichte Beute derer, die, auf Kosten der Moral und der Religion, ihn eigennützig mit Europäischer Kultur nur so weit be kannt machen, als hinreicht, ihn zu entnerven und zu entsittlichen; hierdurch erreicht die schändliche Politik den Doppelzweck, daß sie den entkräfteten Indianer leichter übermannt nnd nachher obendrein den lasterhaft gewordenen als einen solche» verleumdet und den kurz sichtigen Zuschauer glauben macht, die Verfolgung wäre weniger ungerecht. Kau», findet eine Vereinigung der Indianer aus irgend einem Pnnk:e des Amerikanischen Bodens statt, sie mag den Krieg oder den Frieden zum Zweck haben, ja sie mag aus dem Verlangen ent standen fcyn, die Unterweisung in der christlichen Religion zu cm- Pfange», so sind sie auch gleich von einem Schwarm gieriger Han- delsUlue umringt, die ihnen mit der größte» Aufdringlichkeit ihre gütige Waare zusühren. In den Prairies« zählt man hetzt an -tm solcher Handelömcnschen, die sich nach allen Richtungen ausbreitcn und von einem Bezirk zum anderen die verführerischen Gegenstände tragen, welche das Leben und die Sittlichkeit der Wilden vergiften. Auf diese Weise sind schon viele Stämme geschwächt werden, und der Stamm der Kc-ähcn z. B„ die unerschrockenen Reiter mit dem langen Haare, die voll Kraft und Majestät austrctcnden Männer, wirv Kalo von der Erde vertilgt seyn. Trotz des vielen Unrechts, das man ihnen zufügte, sind die Noth häute doch voll günstiger Gesinnung für die Weiße». Einfältig wie die Kinder und friedfertig, w lange man keine böse Leidenschaften bei ihnen entzündet, bewahren sie ein Gefühl von Hochachtung für Vie intellektuelle Ueberlcgcnheit ihrer Eroberer. Vor ungefähr 20 Jahren verhandelte der Präsident der Ver einigten Staaten mit einem Häuptling der Pawnies, der eigens deshalb nach Washington gekommen war, vem Präsidenten seine Achtung zu bezeigen. Dieser suchte den Indianer zu überreden, daß er mit allen seinen Untergebenen den Boden bearbeiten und Missio- nairc ausnehmcn und daß sic ganz die Lebensweise der Weißen annch- men möchten. Der unwissende Wilve, nachdem er mit der vollkom menste» Ruhe die ihm gegebene» Nathschläge angehört, antwortete Folgendes, das aus der Stelle von einem vereidigten Stenographen ausgezeichnet wurde; wir geben diese improvisirte Eloquenz als ein Muster der Naturfähigkcit dieser Wilden: „Großer Vater! Ich bin weither gereist, um Dich zu scheu; ich habe Dich gesehen und mein Herz wurde dadurch erfreut; ich habe Deine Worte vernommen, sie sind zu einem Ohre hineingegangen, aber nicht hinaus zum anderen; ich werde sie zu meinen Volke so rein tragen, als sie aus Deinem Munde gekommen sind. Der große Geist hat uns bcivc erschaffen, mich mit einer rothen, Dich mit einer weißen Haut; er hat uns auf diesen Boden gesetzt und wollte, daß wir eine verschiedene Lebensart haben; er wollte, daß die Weißen den Boven bearbeiten und zubcreitete Speisen verzehren, uns aber hat er befohlen, Wälder und Wiesen zu durchlaufen, von wilden Thicrcn leben und unü mit ihren Fellen zu bekleiden. Großer Häupllmgc haben vorgcfchlagen, einige gute Menschen (IlMwnawc) unter uns zu senden, die unsere Gewohnheiten ändern und uns unterrichten sollen, zu leben wie Ihr. Ich will Dir keine Lüge sagen. Lu liebst Dein Vaterland, liebst Dein Volk und seine Gebräuche und glaubst, Deine Leute sind brav. Wohlan, ich bin wie Du, großer Vater! Ich liebe mein Vaterland, liebe mein Volk, liebe unsere Lebensart und glaube an den Muth meiner Streiter. Verschone mich daher, mein Vater! Laß mich meines Landes ge nießen, laß mich ferner den Büffel und den Biber verfolgen und die anderen wilden Thierc, bereu Häute wir an Dein Volk verkaufen. ES ist noch zu früh, diese guten Menschen zu uns zu schicken. Laß unS erst die Hülfsmittel erschöpft haben, dec m>S noch übrig geblieben sind, ehe unser Glück unterbrochen wird; laß mich leben, He meine Vorfahre» und ich gelebt haben, und erst dann, wenn ich aus der Wüste dieses Lebens zum guten oder bösen Geist berufen seyn werde, mögen meine Kinder, wenn sie'S für gut finden, Deinen Beistand annehmcn »uv sich von jenen guten Menschen belehren lassen." Mit rührender Resignation ertragen die Indianer die Gcwält- thatcn der Weißen bei jeder Gelegenheit. Jeden Tag geschehen solche Neckereien wie folgende: Ein Weißer und ein Indianer kamen über ein, mit einander auf die Jagd zu gehen und sich gleich in die Beute zu theilen. Gleich den ersten Abend brachten sic einen herrlichen In dischen Hahn und eine Weihe nach Hause. Letztere gilt immer für ein unedles Wild. Als man zur Thcilung schritt, sagte der Weiße spöttisch: „Wir haben zwei Stück, ich werde den Indische» Hahn nehmen und Dir die Weihe lassen, auch kannst Du die Weihe nehmen und mir den Hahn lassen." Der arme Indianer ließ fich's gefallen; er wußte, er hat dasselbe Recht wie das Lamm gegen den Wolf an der Quelle zur Zeit Acsop's. Zur Charakteristik der Indianer kann auch folgende Anekdote dienen, die in einem offizielle» Berichte des Eapitams Bell und des Majors Long ausgezeichnet ist: Vor einiger Zeit erfuhr der kriege rische Sohn des Alten Messers vom Stamme der Pawnie, daß seine Landsleute eine junge kriegsgefangene Frau der Padnea auf dem Scheiterhaufen verbrennen wollen; er machte sich schnell auf, sic zu retten. Der Scheiterhaufen, auf welchen, das Opfer schon lag, sollte eben angczündct werden, als der junge Häuptling mit zwei Mrden angesprengt kam. Seine plötzliche Erscheinung überraschte die blutdürstige Versammlung, und cr, die günstige Ueberrafikung benutzend, stürzt mit seinen Pferden auf den Scheiterhaufen, löst d e