Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration?» Preis 22; Sgr. (F THIr.) »ierteljädrlich, Z Thlr. snr das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. a g a für dic Man prönumerir« auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der AUg. Pr. Staais-Zeitung (JricdriSMr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bet den Wobilöbl. Posi»Aemtern. H 82. Brr!in, Mittwoch den 8. Juli 1840. Frankreich. Der Französische Journalismus. Nach der Euartrrlv-Neviove.') Chamfort sagt von Frankreichs alter Regierung, sie sev eine durch Lieder gemäßigte Monarchie gewesen; von der jetzigen Regie rung könnte man sagen, sie sep eine durch Vie Journale beunruhigte, nicht gemäßigte Monarchie; bas Couplet ist dem Zeitnngs-Raisonne- ment gewichen; der Feuilletonist hat den Liederdichter entthront, Beranger ist nicht mehr in ver Mode, sonvecn Jules Janin. Man begebe sich in die Pairs-Kammcr an einem Tage, wo die Neu-Ernannten hier ihren 'Platz einnehmen, und man kann dreist weilen, daß auf drei einer der neuen Ankömmlinge gewiß Tages schriftsteller ist oder doch war. Tritt man in dic Dcputirtcn-Kammcr am Tage eines hitzigen politischen Gefechts, so grhört gewiß der einflußreichste Redner ver periodischen Presse an. Speist man im Rocher de Cancale, so wird das schönste Zimmer für einen Ober- Nedacteur ausbewahrt; verlang! man eine Loge im Thearrc-franzais, wenn dic Mars oder die Rachel auftreten, so sind die besten schon von den Mitarbeitern an den Tagesblättcrn in Beschlag genommen. Wem gehört diese herrliche, so glanzend erleuchtete Zimmcrreihe? — Sie wurde ganz neu für die Begründer eines Journals verziert, welche heute Abend zur Feier ihres Unternehmens einen Ball geben. Dieses Großkrcuz der Ehrenlegion, der sie so eben verläßt, erwarb seinen Orden durch seine Artikel, und diese prächtig geschmückte eben eintretcnde Dame ist dic Tochter eines MiUionairs, Vie sich kürzlich mit einem Journalisten vermählt hat. Dieses elegante Kabriolet, das schnell wie der Wind die Straßen durchfliegt, gehört einem dramatischen Kritiker an, der von dem Tribut der Sänger und Tänzer vcr großen Oper lebt. Kurz, Ansehen, Vergnügen, Acmtcr, Vermögen, Orden, Schmeicheleien, reiche Erbinnen, Leckereien, Cham pagner, Alles strömt diesen Herren in Ucbcrflnß zu, von welchen viele vor der glorreichen Revolution von 183» noch im fünften Stockwerk hausten und ost nicht wußten, woher sic ihr Mittagsmahl nehmen sollten. Kann man sich wundern, daß ihre Erfolge sie be rauschten; sie find so hoch gestiegen, daß ihnen der Kopf schwindelt; wie alle Usurpatoren, vergessen sie die Prinzipien, wodurch sic zur »Herrschaft gelangten, unv wie die Inhaber einer nnvcrantwortlichcn Machtvollkommenheit, sind sie launisch, tyrannisch und verderbt ge- woLden. Kann man daher sich wundern, daß ihre Dynastie schon zu wanken beginnt? Während jedoch das Gebäude noch steht, möchte es vielleicht Belehrung unv Unterhaltung zugleich gewähren, wenn wir untersuchten, wie viese sociale und politische Ausnahme sich eigent lich gestaltet hat. Wir brauchen wohl nicht erst daran zu erinnern, daß das Ancien- Regime dem Journalisuuts kein weites Fclv offen ließ; von dem Augenblick an aber, wo diese beschränkenden Gesetze aufgehoben oder machtlos wurden, nahmen dic mit cinandcr strcitcndeu Parteien ihre Zuflucht zur Presse. Kurze Zeit nach dem Ausbruch der Revolution besaßen alle Abtheilungcn vcr National-Vcrsammluug und alle Pariser Klubs ihre Organe; Bailly, Barnavc, Lameth und Madame Roland schrieben für die Journale; Mirabcau wollte selbst cincs gründen, und diese Episode seines Lebens lieferte Dumont den Stoff zu einem seiner charakteristischsten Kapitel. Doch kam dieses Journal nicht in Aufnahme, weil damals Niemand die nöthigc Zeit hatte, solche neue Erfindungen zu vervollkommnen. Kaum fingen die Schriftsteller an, frei zu athznen, so überschwemmte sie schon die rcvolutionaire Woge und riß Geschmack, Talente, Kenntnisse und edle Gefühle mit sich fort, während statt dessen dic gröbste Unwissenheit, die albernsten Borurtheilc und die rohste Wurtz sich Bahn brachen, lästerten, fluch ten und empörende Orgien feierten. Unter der »Herrschaft des demo kratischen Wahnsinns hätte man sein Leben sehr gering achten müssen, um es zu versuchen, das souvcraine Volk mit der Sprache der Wahrheit und gesunden Vernunft anzureden. Chabot erklärte: die Presse sey nothwendig gewesen, um das Reich der Freiheit hcrbcizu- führen, doch da dieser Zweck nun einmal erreicht sey, so könne man keine Preßfreiheit mehr gestatten, aus Furcht, die Freiheit selbst da durch in Gefahr z» bringen. Mit Männern zu streiten, zu deren Verfügung ein Wohlfahrts-Ausschuß und eine Guillotine standcn, schien ...') Wii- erinncx» daran, daß diese Englisch« Nierkcljabrsschrist «in ent smledenks Organ der ToricS iN» Hiernach wird der richnac Slandonnke de« nachfolgenden, Sei mancher Ucdertrcidung viel Treffende« enkbalrendeu Artikel« leicht üch berßeUrn lassen» den Französischen Journalisten zu gefährlich, und der 18. Fructidor machte alle diejenigen verstummen, die noch zu schreiben gewagt hatten. Als Napoleon die Ordnung wiederhcrgestcllt hatte, belebte sich die Presse für einige Zeit aufs neue, unv während der letzten Jahre des Konsulats konnte man an die Wahrheit der Benjamin Constantschcn AphoriSmc glauben: „Die Presse ist dis Beherrscherin des Geistes, und der Geist der König der Welt." Die ausgezeich netsten politischen und literarischen Talente kämpften in den Schran ken der Journale, und nie ward ver periodischen Presse in Frankreich ein höherer Grav von Einflug unv von Achtung zu Theil. An vcr Spitze vcr Journale im royalistischen Sinne standen damals das Journal des D-'-bats, mit den -Herren Delolot, Fievöe, dem Abb« de Boulogne, Duffault und Geoffroy, und der Merkur, mit den Herren de Fontanes, de Donald, La Harpe und Chateaubriand. Das Organ der entgegengesetzten Partei war die Philosophische Dekade, und ihre Mitarbeiter Gmguenö, Chcnicr, Cabauis, Benjamin Constant und Say. Bis 1807 genoß dic Presse noch einigen Schein von Freiheit, voch wurde der glänzend beredte Artikel, in welchem Chateaubriand eine Anspielung auf Nero und Tacitus wagte, verderblich für den „Merkur". Später wurde das „Journal des Döbats" cigcnmächtigcrweise in das „Journal des Kaiserreichs" verwandelt; man zwang dic Eigentbümcr desselben, dic Gcbrüver Bertin, dic Leitung an offizielle Redaktoren abzutreten, wozu auch der Verfasser „der beiden Schwiegersöhne", Etienne, ein Mann von Geschmack und Talent, gehörte, der später einer der Haupt-Eigcnthümer und Redaktoren des „Coustitutionnel", Mitglied der Akademie und Pair von Frankreich wurde. Von diesem Zeitpunkt an, bis zum Einzug der Verbündeten in Paris, gab es kein eigentlich politisches Journal als den Moniteur, aus welchem man alles Material zu einer herrlichen philosophischen Abhandlung über den Despotismus sammeln könnte. Welche sinn reiche Kommentare zu dem Texte: „Die Macht verleiht das Recht." Was für niedrige Gesinnungen! Was für verwerfliche Grundsätze! Was für Ossiänischc Sieges-Verkündigungen! Welche sophistische Ruhmrcdnercicn oder lügenhafte Vorspiegelungen bei den Niederlagen! Und dann die nächtlichen Zusammenkünfte des zitternden Heraus gebers mit dem Kaiserliche» Berichterstatter, der den Inhalt und die Form eben so bestimmt angab, wie die Parole für die Grenadiere. Der in Rede stehende Hcrausgcber war «auvo, welcher, zur voll kommenen Zufriedenheit aller derjenigen, die sich seiner bedienten, bei jedem Dynastiewcchsel bis nach der Juli-Revolution sein Amt zu bewahren und seine Pflichten zu erfüllen verstand. Eine vollkommen authentische Anekdote mag zum Beleg für seine Tüchtigkeit dienen. Dic lctzte Nacht vor dem Ausbruch dieser letzten Revolution ward er schnell zum Minister beruscn. Man übergab ihm dic Ordon nanzen: er blickte hinein, um zu schen, ob auch Alles in der Ord nung sey; statt aber, wie gewöhnlich, mit einer Verbeugung das Zimmer zu verlassen, blieb er, den Thürdrücker in der Hand, ängst lich stehen und schien reden zu wollen. „Nun, mein Herr, find Ihnen Ihre Instructionen nicht genügend?^ — „Gnädigster Herr", antwortete Sauvo, „ich habe so manche Erfahrung gemacht und manche Regierung kennen gelernt —" — „Dann", fiel ihm Fürst Polignac ins Wort, „lernten Sie auch wohl, daß Sie nichts weiter zu tbun haben, als zu gehorchen; leben Sic wohl, mcin Herr." Die Thür schloß sich, und das Schicksal der Regierung war unwider ruflich gefällt. An demselben Tage, wo der Kaiser in Foncainebleack abdankte, bemächtigten sich die »Herren Bertin, ohne auf Tallcyrand zu hören, der ihnen weislich zu warten rieth, ihrer alten Redactions-Büreaus und steckten zuerst das Banner des Journalismus wieder auf. Doch mußte diese neue Macht in den nächsten fünfzehn Jahren beständig gegen die Beschränkungen der Ccnsur ankämpfen, die unter Mar- iignac weniger drückend war, von Pcyronnct aber wieder geschärft wurdc. Chateaubriand und Benjamin Constant waren meistentheils dic Vorkämpfer in der Prüfungszeit, und wenn ihnen eine Dar legung ihrer Meinung in dcn Tagesblättcrn untersagt wurde, so griffen sic dic Negierung oder sich selbst unter einander in Pam phleten an. Der Conscrvateur, unter Chateaubriand, Bonald, La Mennais, Clausel de Caufscrgues und Anderen, war das haupt- royalistische Journal, dem als politischer Gegner die Minerva unter Constant, Etienne, Jouy, Arnault und Anderen gcgcnüber- stand, dic sich zn libcralcn und constitutioncllcn Grundsätzen bekann ten. In dem Ccnseur stritten die Herren Cvmtc und Dunoyer eifrig für das, was sie Freiheit nannten, und erdulvctcn zum Heil