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278 kleidungcn jährlich. Außerdem wollte er noch hundert Musketiere halten, was jedoch nicht zur Ausführung kam. Außer der Zeit, welche er auf der Jagd zuvrachte, ergötzte er sich noch durch Gießen von Geschützen uns probirtc dieselben auch stets selbst, zu welchem Ende er die Ravelinc und Wälle wie zur Belagerung armirte, und zwar mischte er sich bei diesen Beschäftigungen stets so unter den Haufen ter Arbeiter, daß er mehr als einmal schlecht behandelt und ziemlich unsanft getreten wurde. Während der anhaltenden Ruhe schickte er seinen Gesandten Ama- nasti Iwanowitsch Wlaßjeff nach Polen, nm für ihn um die Hand der Tochter des V)ojcwodcn Landvmirski anzuhaltcn und die geoachte Gemahlin in sem Reich zu führen. Der Gesandte kam nach Krakau, machte den Antrag und erhielt das Jawort; die Verlobung wurde höchst Kaiserlich gestiert, und die genamne Dame saß aus dein Ehren plätze an der Tawl des Königs von Pole», zwischen der Königin und dem Päpstlichen Nuntius; dieselbe Ehre wurde auch den oben gedachten Gesandten, als Repräsentanten des Russischen Zaren, erwiesen. Unmittelbar darauf reiste der junge Polnische Prinz nut der Schwester der Königin ab, so daß der erwähnte Gesandte von einem glänzenden Gefolge dis zur Gcänze begleitet wurde und am 2V. April mit dem Vatec der Gemahlin in der Stadt Moskau ankam, worauf er sogleich am folgenden Tage seinem Herrn Dimitri Bericht erstattete. Der ge dachte Wojewode wurde angenommcn und machte nach Hofmanns Sitte seine Aufwartung, worauf sie sich sehr freundlich begrüßten und die Fremden im Palast in vcn Gemächern Boris Govunoff's einlo- girt wurden. Am 2. Mai hielt die neue Zarin aber einen prachtvollen Einzug in den Palast; sie fuhr in einer eigens für sie erbauten, ganz ver goldeten Kutsche und wurde von einer großen Menge von Welmoshen und Eoclleutcn begleitet, namentlich aber auch von ihrem Herrn Vater, dem Wojewoden Landvmirski, und seinem Sohne, von den Herren Gesandten des Königs von Polen, den Wojewoden Swisnje- wüsch, den beiden Brüdern Steriowski und vielen anderen zum Ge folge der Prinzessin gehörige» Herren, während von der Seite der Fürsten der Welmosh Peter Baßmänoff mit den vornehmsten Bojaren deS Reiches in ihrem Gefolge sich befanden. Alle waren prachtvoll nach der Landessitte gekleidet; auch folgte» noch viele Kutschen mit den Frauen und Töchtern der Großen. Die Prinzessin bezeigte sich freundlich und herablassend, indem sic nicht nur alle zum Hofe gehörende Damen begrüßte, sondern auch auf das leutseligste sich mit vielen anderen Einwohnerinnen vcr Stadt unterhielt. So gelangte man endlich zum Palaste, an dessen Thoren auf hohen Gerüsten eine große Anzahl von Trompetern und Paukern auf gestellt war, die ein bedeutendes Lärmen mit ihren musikalischen In strumenten machten. Bon hier wurde die gedachte Prinzessin in das Kloster geführt, in welchem die Frauen, Töchter und Witwen vor nehmer Welmoshen und Bojaren des Landes den Schleier genom men batten lind wo sich auch die alte Farin befand, die Prinzessin aber bis zum HochzutStage sich aushaltrn und warten mußte. Die Russen sagten mir, daß hier die Frauen in der Religion des Landes und den Russischen Sitten und Gebräuchen unterrichtet würden, und daß dies mit der gedachten Prinzessin ebenfalls ge schehen solle, indem sie später zur Russischen Religion übertreten würde. Dimitri aber ritt täglich frei hier ein und aus. Der Einzug in gedachtes Kloster geschah Freitags, der Auszug aber den nächsten Mittwoch, wo sie abermals in den Palast und zwar in eine reich geschmückte Wohnung geführt wurde. Tue Galleric, durch welche man zu derselben gelangte, war mit rothcm Tuch, die Wände der gedachten Gemächer aber mit Gold- und Silberstoff bekleidet. Am felgenden Tage in der Abendstunde fand die feierliche Trauung in vcr Mutter-Gottcs-Kirche durch den Patriarchen statt, bei welcher sie auch gekrönt wurde. Der Altar und der Fußboden waren für diese Ceremonie mit rvtbem, in Gold und Seide gestickten Tuche bedeckt. Krone, Seepter, Reichsapfel und Schwert wurden dem Russischen Zaren vorgctcagen, die Krone aber, welche auf das Hauvt der Zarin gesetzt werden sollte, lag auf einem Kissen von rothem Sammet. Diese ganze Ceremonie dauerte zwei Stunden. Als sic aus der Kirche traten, trugen sic die Kronen auf de» Häup tern und führten einander bei der Hand; zur Rechten ging der Zar, .geführt von denl Herrn Fürsten oder Herzog Fcovvr Iwanowitsch Alisgvsta, zur Linken der Zarin führte dieselbe aber vie Herzo gin, d. h. die Gemahlin deS genanten Welmoshe. Trompeten, Pauken und alle musikalische Instrumente erschallten laut, und der ganze Hof jubelte; Abend-Tafel fand jedoch nicht statt, indem das Hauptfcst, wie es scheint, nur zwischen de» Neuvermählten gefeiert wurde. — Ich habe vergessen, zu sagen, daß der Gesandte des Königs von Polen ungemein reiche Geschenke überbracht hatte, welche er am Tage nach seiner Ankunft überreichte: dieselben bestanden in silbernen reich vergoldeten Geschirre», einer großen Menge von Tassen, Schalen uns Schälchen, zwei schönen Pferden und einem herrlichen Hunde. Als er aber dem Zaren sein Krcvitiv überreichte und dieser bemerkte, daß in den, Titel die Worte „Kaiser und Selbstherrscher von Ruß land" fehlten, warf er den Brief sogleich weg und gab ihn selbst dem gedachten Gesandten zurück, worauf dieser einwendetc: daß seine Vorgänger und Vorfahren niemals diesen Titel geführt noch ver langt hätten, und daß man ihn daher unmöglich habe anders als mit dem Titel „Großfürst" benennen können; wenn er aber den vor erwähnten Titel wünsche, so möge er sich bemühen, das Reich der großen Tatarei zu unterwerfen oder das Seepter des Türkischen Kaisers zu erobern, alSdann würde er auch von aller Welt „Kaiser und Selbstherrscher" genannt werden. Ueber diese so kecke Antwort deS Gesandten war der Wojewode, der Vater der Gemahlin, höchst erstaunt, Dimitri aber wurde so auf gebracht, daß er sein Seepter dem gedachten Gesandten an den Kopf werfen wollte. Als aber sein Zorn sich g legt hatte, fragte Jemand den Gesandten: WaS wohl daraus entstanden scpn würde, wenn ihm das Seepter an den Kopf geworfen worden wäret — worauf derselbe antwortete: Ich würde das Seepter aufgehoben haben, damit hinausgegangen und sogleich nach mcincm Lande zurückgercist scpn. Der ganze Lärm ging jedoch still vorüber, und Alles blieb in Frieden und Freundschaft. Der Brief aber wurde nicht angesehen. — Freitags den !>. Mai am Tage der Krönung wurde Geld auSge- worfen, am folgenden Lage nach der Krönm g und Hochzcit aber sollte eine Ausstellung der von de» Gesandte» uw ander n Hoflcuten ge machten Geschenke statründem Der gute Dimitri aoer, der, wie es schien, während der Zeit seines Mönchsiebens sehe cmhaltsam gewesen war, befleißigte sich lange des Dienstes bei seiner jungen Gemahlin, indcm deren Gesellschan ihn so fesselte, daß er am Morgen das Aui- stehcn vergaß und erst sehr späi sich dem Publi um zc.gte, weshalb denn auch an diesem Tage kein Festschma iS bei Hesse stattbattc. Aber am Sonnabcnd, einem großen Feiertaze, welchen d>e Russen höher als den heiligen Ostertag halten, wuroc zum größten Aerzec der Russen die Hochzeit gefeiert. Der Zar und die Zarm, mir Kränzen auf dem Haupte, saßcn in einem großen Saale, in welchen zuerst der Patriarch, hierauf die Bojaren und endlich die fremden Kaufleute und ander» vornehme Leute eincraten, um der neuen Zarin die Hand zn küssen und ihr Geschenke zu überreichen. Unter den Eintcctcnden waren auch ihr Bruder und ich. Für uns wäre eS besser gewesen, unser Geld im Beutel zu behalten, allein in der Hoffnung, eimgc Privilegien zu er halten, thaten wir eS mit Vergnügen, da wir bereits einige gute Zusicherungen von dem Herrn Wojewoden erhalten batten; das traurige Ende aller dieser Lustbarkeiten zerstörte nuS jevoch alle Hoffnungen. Bald daraus wurde dcr Tisch gedeckt und wir einzci Wen, Platz zu nehmen, so daß wir in Gegenwart unscrs Zaren bei dcr Mahlzeit und dem prachtvollen Schmause saßcn. Dcr Landes-Sitte gcmäß, saßen wir alle und die Fremden mit dem Gesicht dem Zaren zuge wendet, was den Aussen nicht erlaubt war, indem sie mit dem Rücken nach dem Zaren zu sitzen mußten. Bo» diesem Schmause konnte man ein ganzes besonderes Buch schreiben, doch muß ich etwas für eine Rückkehr zu mündlichen Erzählungen von den unvergleichlichen Geschich te», die sich »ach dem Trinkgelage zutrugcn, für meine Fremldc anfhcben. Nach dem Schmause wurde uns noch Essen auf vergoldeten Schüsseln nach unseren Wohnungen gsschiät, doch vergaß man auch nicht, sehr bald uns die Schüsseln wieder abzufordern, denn sonst hätten wir glaubcn können, daß wir dieselben als Belohnungen für unsere Geschenke behalten sollten. Auch eine vortreffliche Musik war bei dem Feste, welche in dem Gefolge dcr gedachten Prinzessin auS Polen mitgekommen war. Dies war der lustigste Zeitvertreib bei der kurzen Freude. (Fortsetzung folgt.) Polen. Posen in früherer Zeit. (Schluß.) Der jüdischen Bevölkerung der Stadt Posen tat dec Bers, des vorliegenden Werkes eben so umfassende wie grnndiiche Untersuchun gen gew dmet. Er weist »ach, daß, wiewohl die beiden ausgezeich netem Geschichtschreiber Ezazki uns Aaruszcwwz nach Martin GalluS schon im Uten Jahrhundert die Jude» i» Polen vorsindcn wollen, dieselben vor Kasimir dem Großen (gest. I37<) in Posen nicht ange- tcoffev woroe», und sesscn Licbe zu der schönen Esssrka scheint, wie dem ganzen Laad, so auch der Stadt Pofen diese Fremd linge zugeführt zu haben. Obgleich sie nur in einer abgesonderten Straße wolmea lollten und durch manche Königliche Verordnung in ihren Erwerbozweigcn beschränkt wurden, breiteten sic sich doch bald über die ganze Stadt aus, wußten jene beschränkenden Verordnun gen zu umgehen, unv dec ganze Handel der Staot gerieth in ihre Hände; ja w späterer Zeit verschaffcen sie s ck> bei dcn Königen Stephan Batorp, Johann Kasimir und Johann ill. Sobieski mit Hülfe wohl gesinnter Magnaten noch besondere Vorrechte. ES kam dazu, daß fast sämmtlichc Feuersbrünste, die Posen heinisucht'n, in ihrem Viertel auSbrache». Und daher entstanden die Kämp'c, welche die christlichen Einwohner von Posen gegen diese Gäste von ihrem Ein züge an bis auf Vie letzten Zeiten Polens führten und die nicht selten m blutige und grausame Verfolgungen ausarteten. — Die Anzahl der Juden ist in allen Polnischen Städten schwer auszumittcln, weil jene beständig, thcils uni den schweren Abgaben, thnls um dcr Auf merksamkeit zu entgehen, geringere Zahlen «»gaben. Im Anfänge deS l7ten Jahrhunderts betrug ihre Zahl gegen 3«nm (allo etwa P der ganzen Bevölkerung), unter Stanislaw August aber bcinahc P der ganzen Bevölkerung der Stadt. Preußen traf hier angeblich 3021 Juden an. — Merkwürdig ist die besondere Jurisdiction der Juden, das sogenannte Kahal, ein Gerichtshof, der auS dem Rabbi ner, dem Syndikus und einigen Rechtsgclchrtcn bestand. Wollte der Magistrat gegen einen Juden von Gerichts wegen eiiischreitcn, so mußte er sich zuvor mit dem Kahal verständigem Dieses besaß säst eine unumschränkte Gewalt, die qanze Administration der Inden in politischer, ökonomifchcr und geistlicher Hinsicht war ihm übergeben. Es hatte daS Recht, Abgaben nach Gutdünken auszuschreiben, die Verbannung auS der Stadt zu verfügen und selbst über Leben und Tod zu entscheiden. Nur vor vcn Wojewoden der Provinz konnten in einzelnen Fällen Klagen gegen das Kahal gebracht werden. Höchst denkenSwerth sind weiterhin in unserem Werke die aus führlichen Mitthcilnngcn über dcn Magistrat und dessen Mitglieder.