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242 einiger Bedeutung, die in Frankreich oder im Auslände erscheinen, vorhanden scyen; sondern ungleich wichtiger ist es, daß diese Werke auch von den Mitgliedern gelesen werbe». Wie läßr sich aber er warten, daß die Französischen Chemiker und Physiker, deren Zeit schon hinlänglich durch ihre Fachstudien in Anspruch genommen wird, noch Muße finden werden, alle Europäische Sprachen zu erlernens Wie ist es möglich, daß derselbe Mensch oie Verhandlungen der Ber liner, Stockholmer, Petersburger Akademie, wie, daß er die Schriften von Mitscherlich und Berzelius oder die eines anderen Gelehrten in Deutscher, Schwedischer oder Russischer Sprache lese? Will das Institut aber seinen hohen Rana hehauptcn, so darf cs nicht über sehen, was in irgend einem Gebiete der menschlichen Kenntnisse ge leistet wird. Regelmäßige Mitiheilungen der. fremden Akademieen würden der Verbreitung der bedeutendsten wissenschaftlichen That- sachcn ungemein förderlich scyn, aber das genügt noch nicht, und vollständig könnte diese erst van» werden, wen» alle bedeutendere Werke, die in fremden Sprache» erscheinen, zur Kenntniß der Fran zösischen Gelehrten kämen. Zur Zeit der Chalifen bestand in Bagdad ein Ucbersetzcr-KoUcgium, welches ohne Unterlaß für die Arabischen Akademieen arbeitete. Warum sollte diese Einrichtung nickt nachgc- ahmt werden? Uebrigens müßte den Mitgliedern des Instituts nicht nur jede wüuschcnswcrthc Bequemlichkeit gewährt werden, sich scknell von Allem zu unterrichten, was außerhalb Frankreichs vergeht, sonder» es müßten ihnen auch die Mittel gegeben werden, thätig ain Fort schritt der Wissenschaften zu arbeiten und alle Forschungen anzustcllcn, die sie für nothwendig erachten. Wer würde wohl glauben,' daß cs im Institut kein physikalisches Kabinct, kein chemisches Laboratorium giebt? Und dcmwch ist dies die Wahrheit. Ohne Zweifel kann die Akademie der Wissenschaften Gelehrte unterstützen, welche ncue Appa rate anfertigen wollen, aber ihre Mittel sind beschränkt, und diese Apparate zu außerordentlichen Zwecken können selten zu anderen Arbeiten gebraucht werden. Vor länger als einem Jahrhundert gründete ein Privatmann, der Graf Marsili, aus eigenen Mitteln ein Institut der Wissenschaften zu Bologna. Diese Gesellschaft kann gewiß in keiner Beziehung mit dem Institut von Frankreich ver glichen werden, und dennoch hat sie der Wissenschaft wesentliche Dienste geleistet, weil der Stifter wohl eingcsehen hatte, daß die erste Bedingung des Gedeihens seines Institutes die sey, daß er den Gelehrten die Mittel zur Anstellung neuer Untersuchungen gewähre. Daher stellte er zur Verfügung der Mitglieder in einem und dem selben Lokale ei» physikalisches Kabinct, ein Observatorium, naturge- schichtlichc Sammlungen und alle sonstige Hülfsmittel. Dem Ge setze, welches die Organisation des Instituts verordnete, liegt diese Idee ebenfalls zu Grunde, aber sie scheint nie zur Ausführung ge kommen zu seyn. Zwar kam die Akademie der Wissenschaften vor einigen Jahren hierauf zurück; sie wählte sogar einen Eonfcrvator der Sammlungen, der alle wünschenswcrthe Eigenschaften besitzt, aber die Sammlungen sind nicht da, und weiter ist diesem Gedanken keine Folge gegeben worden. Wenn man die Geschichte der alte» Akademie der Wissenschaften oder die der Königlichen Gesellschaft zu London betrachtet, so findet man, daß sonst die Akademiker zusammcn- kamen und gemeinschaftlich eine Menge Erpcrimcute machten. Der artige Arbeiten sind jetzt äußerst selten geworden, besonders wegen des Mangels an Instrumenten. Wäre cs nöthig, um diese zu er langen, die Unterstützung der Kammern anzusprcchcn, so ist wohl kaum anzunehmen, daß dieselben ein solches Gesuch abschlagcn würden. (Schluß folgt.) Französische Sitten und Zustande. Geschildert von einen; Engländer. lll. Das Reisen im Lande. Was daS Reisen in Frankreich betrifft, so steht es auf gleichem Fuße mit dem in den meiste» Ländern des Kontinents und ist wenig stens um hundert Jahre zurück hinter der Art, wie man in England reist., Heute soll der Prinz Albrecht »ach Calais kommen, uni acht Uhr ist das Essen für ihn bestellt, und neun Stunden sind für seine Fahrt von tzstende nach Calais bestimmt, eine Entfernug von nur 84 Engl. (>2D.) Meilen! Wie wohl wird er sich fühlen, von anderen Gründen abgesehen, wenn er sich auf der anderen Seite des Kanals hinter vier Pferden von Dover wird sitzen sehen, die ihn ganz bequem eilf Meilen in der Stunde fortrollcn. Dagegen legte ich vor zwci Jahren die nicht mehr als Z8 Engl. Meilen lange Straße von Ostende nach Dünkirchen erst in neun Stunden zurück. Und man dcnkc sich, damals bis auf die letzten zwei Monate fuhr nicht einmal eine Dili gence zwischen diesen zwei großen Städten, die vielleicht nur dcn Hauptstädten ihres Landes nachstehcn! Die Französische Post ist ein hübscher Stoff für dcn Pinsel des Karrikaturzeichncrs, aber cs ist ein großes Leiden für das reisende Publikum, daß sie nicht besser verwaltet wird, als sic cS ist, und dicS ist nur die Wirkung dcr Sclbsitäuschnng nnd dcS Vorurthcils. Es giebt keinen mehr für sich cingcnommcncn Sterblichen auf Gottes Erdboden als einen Französischen Postillon, während er zugleich in Person und Benehmen einzig in seiner Art dastcht. Seine Art, auf dcm Pferde zu sitzen, ist wegen der schlechten Form seines Sattels und dcr übertriebenen Länge seiner Sporen für das Thicr, das ihn trägt, höchst peinlich, und da er nicht, wie die Postkncchte in England, ihm mit Hand oder Fuß nachhilft, so fürchtet er sich, einen Hügel hinab in etwas schnellerem Schritt als gewöhnlich zu fahren. Sv kann er von abschüssigem Boden keinen Vvrthei! ziehen, und da Französische Postpserde bei ihrer schlechten Zucht nicht im Stande sind, einen Hügel hinauf zu traben, so beträgt die Durchschnitts gcschwindigkcit der Franzöfischcn Post nicht mehr als sechs Engl. Meilen (is Deutsche) stündlich. Doch hat dcr Französische Postillon bei alledem sehr höfliche und gefällige Manieren und thnt sich besonders viel auf die Privilegien, die er genießt, zu Gute. Fürs erste ist er frei von der Conscriptiou; zweitens hat er Ansprüche auf eine Pension von der Regierung nach Verlauf einer gewissen Dienstzeit, und noch früher, wenn er durch einen Unfall auf der Straße Invalide wird, vorausgesetzt, daß er dann dcn orthodoxen Courierstiefcl anhat, dcr übrigens selbst schon cin Hcmmschuh für jede Eile ist. Bei der Geschwindigkeit, mit per die Englischen Postkncchte fahren, wären sie in wenigen Jahren in Stücke geschlagen, wenn sie in dem ungeschickten Stil des Französischen Postillons reiten möchten. Aber wie Lord Jersey sagt: „ein Engli scher Postknecht ist cin ganz apartes Geschöpf; nichts gleicht ihm auf der Welt in seiner Gewandtheit zu Pferde, seiner Kraft, seiner Klcidung, seiner persönlichen Sauberkeit, seiner Höflichkeit gegen Jedermann und seiner dauerhaften Constitution, die ihn zum Sprüchwort für ei» langes Leben macht, trotz der Beschwerden, die er so ost zu ertragen hat, und des schlechten Stoffs in Gestalt von Liqueur, dcr dcn Weg durch seine Gurgel findet. Wer hat je von einem galligen Postknecht ge hört? Sein Beruf macht jede Verstopfung der Leber unmöglich; und cin großer Mann soll, als er dcn mcnscblickcn Körper zerlegen sah, auSgeruscn haben: „er sey überzeugt, jeder Mensch sey bestimmt, cin Postillon zu werden." Aber kehren wir nach Frankreich zurück. Die Ungeschicklichkeit der niederen Klassen des Französischen Volks in ihrer Art, mit Pfer den umzugehen, ist ganz einzig, und nur die Gelehrigkeit dcr Thiere ist cS, was ihnen.die Leitung derselben möglich macht. Ein starkes eigenwilliges Pferd wird hicr nur mit einem Strick gelenkt, und im Fall zwei Stricke oder Zügel an dcm Gebiß eines Pferdes sind, werden sic erst zusammengclcgt, cbc sic in dic Hand dcs Lenkers kommen. Daher auch die vielen Uuglücksfälle, welche in dieser Be ziehung in Frankreich vorkommen; so giebt Galignani's IVli-^enper an, daß im Lause von drei Jahren in den Straßen vou Paris 982 Personen überfahren wurden, wovon 28 das Leben verloren. Im Jahre I8Z7 betrug die Zahl dcr Ucbersahrenen Z6I, und das Jour nal schreibt dicsc Unfälle dcr Unvorsichtigkeit dcr Kutscher zu. Un vorsichtig mögen sic seyn, aber dic wahre Ursache ist, daß sic nicht wissen, wie man Pferde so ins Geschirr bringt, Laß man sie un mittelbar in seiner Gewalt hat, und diese Unwissenheit ist nicht aus- zurottcn bei einer Klasse von Leutc», dic sich selbst für viel zu voll kommen halten, als daß sie eines Besseren belehrt scyn wollten. Eine» Vorzug hat das Reisen auf dcm Kontinent vor dem in England, daß man nämlich dort nirgends jene an Trübsinn gränzcndc Zurückhaltung trifft, welche Engländer gegen einander beobachten, wenn sic der Zufall untcrwcges zusammcnwirft. Sic streben Beide, jede gegenseitige Berührung zu vernieidcn, gleich zwei mit einer re- pulsivcn Kraft begabten Körpern. So ist mir selbst cin Fall dieser Art vor zwci Jahre» begegnet. Ick war einer von zwei Englischen Reisenden auf dem Wege von Brüssel nach Calais. Da ich meinen Landsmann unzugänglich fand, so überließ ich ihn seinen Betrachtun gen, und ich glaube nicht, daß wir auf einer Reise von hundertund- funfzig Meilcn zwanzig Worte wechselten. Dock hatte ich die Ge legenheit, zu erfahren, dass er hernach für seine Schweigsamkeit be straft wurde, insofern er nämlich einen Tag länger reisen und Mit einem schlechteren Fuhrwerk zufrieden seyn mußte, als er nöthig gc- habt hätte, wenn er nur eine einfache Frage an mich gerichtet, die ich bereitwillig beantwortet hätte. Das Englische Reisen hat gewisse Annehmlichkeiten, die man verge bens auf dem Kontinent sucht; dahin gehört erstens dic gute Einrichtung dcr Gasthöfe, und zweitens die Anfnahmc, dic man dasclbst findet. Von; Wirth und der Wirthin bis herab zu dcn Aufpassern heißen Dich Alle willkommen; Du wirst in cin freundliches, komfortables Zimmer geführt, daS im Winter wobl erwärmt, im Sommer gut gelüftet ist, während auf dem Kontinent solche Behaglichkeit dcn Reisende» nicht erwartet. Er wird entweder in cin großes unbc haglichcS Zimmer geführt, das weder gut gelüftet noch warm ist, ober in den Table d'hotc-Saal, dcr, weit entfernt, gut gelüftet zu scyn, nach allen möglichen Gerüche», von einer Zwiebelsance bis zu alte» Fischen, duftet, und weder Wirth noch Wirthin zeigen sich, uni jh» zu bewillkommnen. Aber dieser BewillkymmnungSgruß fängt -auch in England an zu verschwinden, was wir dcr modernen Vcr feineruna zu verdanken 'haben, der diese Ceremonie zu vulgär ist. «Ich hoffe, Sie haben Ihr Bett komfortabel gefunden und wohl ge ruht", das war vor zwanzig Jahren der gewöhnliche Morgengruß des Wirths oder der Wirthin, und diese Worte waren nicht wcggc- worfen. Was mich betrifft, so habe ich viele der behaglichsten Stun den meines Lebens in guten Englischen Gasthöfen verbracht, upd wenn inan die Zeit meines Aufenthalts innerhalb ihrer Mauern z» sammenrcchnetc, so könnte man Jahre statt Stunden schreiben. Belgien. Lüttich unter Ernst, Ferdinand und Marimilian von Bayern. (Schluß.) Auch den Romanschreibern könnte diese Epoche so manchen an ziehenden Stoff zur Bearbeitung darbieten, wie unter Anderem die schreckliche Geschichte jenes Einsiedlers von St. Maur, dcr beschul digt war, einen Lütticher Bürger getödtet zu haben, sein Verbrechen unter dcn Qualen der Folter eingcstand aind auf dcm Schaffotte sterben sollte, als dcr ermordet geglaubte Bürger plötzlich auf dcm