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Wöckenüild «rsämnm drei Rummrrn. Pränunttration«. Preis 22^ Sgr. (^ THIr.) vicrteljädrii», I Tkir. für da« ganze Jahr, ohne Er- hidung, in attcn Jheilen der PreuNsihen Monarchie. a g a für die Man »rSnumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin i» der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Jeitunz (Hriedrich«str. Nr. 72); in der Provinz so wie i,n Ausland« dei den Wohllöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 62 Berlin, Freitag den 22. Mai 1840. Frankreich. Erziehung und Jugend Ludwig's XVI. °) Ludwig XVI., dritter Sohn des Dauphin, Sohnes Ludwig's XV., ward am 23. August I7S4 in Versailles geboren. Sein Vater hatte in erster Ehe Maria Theresia von Spanien gehcirathct, welche un Alter von zwanzig Zähren im Kindbett starb unv nur eine Tochter hintcrlicsi, deren gebrechliches Dasch» bald erlosch. Im Jahre 17äl schloß der Dauphin eine zweite und glückliche Ehe mit Maria Josephe von Sachsen, die ihm eine Tochter gebar, welche in wenigen Jahren starb. Aus derselben Ehe wurden noch Ludwig Joseph, Herzog von Bourgogne, am I3. September I7SI, und Maria Joseph, Herzog von Aquitanien, im Jahre 1753, geboren. Der dritte Sohn war der nachherige Ludwig XVI. Der neugeborene Prinz empfing, als er zur Welt kam, den Namen eines Herzogs von Berry. Dieser Titel, den ein Sohn des Königs Johann bet der Erhebung dieser Provinz zum Herzogthnm zum ersten Male getragen hatte, ward jetzt zum neunten Male die Apanage eines Prinzen äuS dem Königlichen Hause. Die Dauphine, welche gerade, wahrend sich der Hof in Ehoisy be- fanv, von den GeburiSschmerzen ergriffen Ware, hatte zu Zeugen der Entbindung nur den Kanzler, den General-Controlleur und den Marquis von Poifieur. Der an den König abgesandte Courier war vom Pfirdc gefallen upd starb in Folge dieses Falls; so konnte die Botschaft nicht anSgcrichtet werden, und dieses Fehlen der ersten Familicnfrcuden ward schmerzlich bemerkt. Ludwig August, Herzog von Berry, ward von dem Herzog von Orleans, im Namen des Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen, und voll Madame Adelaide, seiner Tante, aus der Taufi' gehoben. In dem Moment, wo der Thron eine neue «tntzc bekam, hielt cs die Geistlichkeit für angemessen, neue Gebete zu verordnen; mehrere Prälaten, von den Gefahren, welche der Geist der Epoche schon ahnen ließ, inspirirt, verbanden damit ernste Malmungen. Besonders beschäftigte das Nundschrnben des Bischofs von Montau ban die öffentliche Aufmerksamkeit. Indem er seine düsteren Vor gefühle aus der Geschichte eines anderen Landes motivirte, zeichnete - Herr voll Montauban folgendes prophetische Bild: „Der Partei- und der Amtsgcist herrschte in England. Nichts blieb fest in de» göttlichen und menschlichen Gesetzen. Zum ersten Male sah man rebellische Unterthemen, die einen König, dessen Ver brechen es war, ihren ersten Ausstand mit zu viel'Nachsicht geduldet zu haben, mit bewaffneter Hand ergriffen und in ein schimpfliches Gefängnis- schleppte»; ein Parlament, welches, keine höhere Autorität über sich anerkennend, niit einer Hand die Bischöfe traf, die andere nach dem Haupte seines Souvcrains ansstreckte, ihn ohne Win^de antlagtc, ohne Scham verleumdete, ohne Gerechtigkeit verurtheiltc und mit Blutdurst auf das Schaffet führte, und ein Volk endlich, welches, betäubt von diesem entsetzlichen Vatcrmorde, sich in langen Zügen an dem Fanatismus der Unabhängigkeit berauschte, wie wahnsinnig einem Freiheits-Phantom nachlicf, bis es zuletzt den Gehorsam, den es seinem gesetzmäßigen König verweigerte, als Sklave cincnr Tyrannen zollte. Welche schreckliche Reihe von Ver brechen!" Das Rundschreiben wurde auf das Gesuch des Englischen Ge sandten umqrdrückt; aber diese schmerzlichen Borhcrsagungcn hatten sich schon zur Wolke über der Königlichen Wiege zufammcnqczogcn; eines von den Vorrechten des KöuigthumS verschwand, und Bilder des Unglücks und der Gebrechlichkeit traten beim Volk an die Stelle des VvrurthcilS, welches bisher in der Krone den bevorzugten In haber alles Glücks gesehen. Die Kindheit des Herzogs von Berry wurde gleich der seiner Bruder der Gräfin von Marsan, einer geborenen Prinzessin von Rohan, anvertraut, einer Frau, die durch Uhr Verdienst dieses hohen Amtes würdig war. Die erste Sorge der Gouvernante war^ sich mit ihrem Zoglmg, dessen Gesundheit eine fortwährende Wachsamkeit in Anspruch nahm, vom Hose zu entfernen. Sic führte ihn nach dem Schlöffe Bellevue, ließ ihn daselbst frei sich bewegen, umgab ihn mit jeder Art von Sorgfalt und rettete ihm wahrscheinlich das Leben. Daher war auch die erste Eigenschaft, die Frau von Mar san in dem jungen Prinzen entdeckte, eine von Dankbarkeit durch drungene Zartheit der Empfindung. Das Herz des Kindes fühlte ') Au« dem in Nr- 5v erwähnten Wert des Ptcomte Alfred von zmleux. die Dienste, die man ihm leistete, ehe seine Vernunft den Werth derselben schätzen konnte, und früh belohnte cs durch Liebe die Sorg falt, deren Gegenstand cs war. Früh entdeckte mau auch eine natürliche Geradheit in ihm, die keine Verstellung an sich und Anderen ertragen konnte. Eben so eingenommen war er gegen alles Affckcirtc, möchte cs auch von Mode und Sitte geschützt werden: seinen Widerwillen hiergegen drückte er immer sehr naiv, zuweilen etwas ungestüm auS; endlich entwickelten sich sein gesunder Verstand, sein gelehriger Geist so schnell, daß man den Anfang seiner ernsten Etucieu um ein Jahr beschleunigen konnte. Er war erst sechs Jahr alt und die Aufgabe der Frau von Marsan war beendigt. Im September I7M wurde er Männerhänden über geben. Alle Künste, deren man sich bediente, um ihn auf diese Trennung vorzubereiten, konnten ihm das Bittere derselben nicht versüßen; um ihn von seinen! Schmerz äbzuziehcn, gab man ihm eine Batterie kleiner Kanonen und anderer lebhaft begehrter Spielsachen, man ließ vor seiner neuen Wohnung ein Feuerwerk abbrcnuen: Alles war ver gebens, und da sein Lehrer daran verzweifelte, seine Lhräncn zu trocknen und sein Vertrauen zu gewinnen, sagte der Dauphin zu ihm: „Wie! diese Thräneu eines Kindes beunruhigen Sick Was mich be trifft, so versetzen sic mich in Entzücken." Ilm ihn dann vollends durch einen Scherz zu beruhigen, fügte er hinzu: „Die Ohnmacht Ihres gestrigen Feuerwerks ist mir ein sicherer Bürge dafür, daß mein Sohn ein gutes Herz hat und cs behalten wird." Ucbrigcus hatte diescr treffliche Prinz und Vater dafür gesorgt, daß er in seinen Hoffnungen nicht, getauscht würde; er hatte nämlich von Ludwig XV. die unumschränkte Leitung der Erziclmng seiner Kinder erlangt, und während er selbst diese Erziehung zu seiner Hauptbeschäftigung machte, vergaß er doch auch nicht, seine Kinder mit solchen Männern, die sich durch Charakter und Wissen gleich sehr cmpfahlen, zu umgeben. Der Dauphin wandte sich an den Herzog vc la Vanguyon, der zum Hofmeister ernaunt ward; Herr von Evctlosquct, Bischof von Limoges, übernahm das Amt eines Lehrers, der Marquis von Sinety das eines UntcrhofmcistcrS, und der Abb.'- de Radouvillicrö, Mit glied der Französischen Akademie, sollte die wichtigen Functionen eines Untcrlchrcrs bekleiden. Zweimal wöchentlich, Dienstags »nid Sonn abend», führte der Bischof von Limoges seinen Zögling zur Dauphine; der Dauphin fand sich pünktlich ein, ließ sich die Arbeiten söines Sohnes zeigen, thciltc Belohnungen oder Strafen aus und zeigte sich immer als Feind dcr Nachsicht, einer Klippe, die bei der Erziehung von Prinzen so oft vorkommt. Er billigte das UntcrrichtSsvstem nicht, welches eben in Gebrauch kam und die Gegenstände des Unterrichts zu einem Spiel machte." „Ich will nicht", sagte er zu dem Abbe Nadouviliicrö, „daß mein Sohn die Kenntnisse, die er braucht, ver stohlen und ohne Mühe erwerbe. Sein Geist must sich im Denken üben und daran gewöhnen. Ein Kind, das gewohnt ist, spielend zu lernen, würde denselben Leichtsinn zu den Geschäften mitbrmgen, die ernstesten Dinge als Spiel behandeln und sic wcglcgcn, sobald das Spiel ihm nicht mehr gefällt." Diese strenge, von jeder Eharlatancric. freie Methode war dem Geiste des Herzogs von Berry ganz angemessen; doch versäumte sie cS, seine Schüchternheit und seine Neigung zu übertriebener Vorsicht, eine Eigenschaft, die zum Fehler umzuschlagen drohte, zu bekämpfen. Von Natur geneigt, sich zurückzuziehcn, weniger aufgcreimt und lär mend als seine Brüder, zeigte er sich seltener und plauderte weniger, woraus man den Schluß zog, daß er wenig wisse und nicht gemüth- lich sey. Besonders geschickt, eine Aufmerksamkeit von einem Kom pliment zu unterscheiden, verachtete er die Schmeichelei und schmei chelte Niemand. Die Höflinge, sich abgewiesen sehend, entfernten sich brummend und trugen ihre Huldigungen anderswohin, näher den. Thron; der junge Prinz, ebenfalls cntmuthigt, verschloß sich in sein Inneres und mißtraute sich selbst. (Schluß folgt.) Dass Institut von Frankreich. (Schluß.) Jndcß dürfte diese Hoffnung doch vielleicht denen etwas unsicher scheinen, welche aufmerksam prüfen, was für die Gelehrten in Frank reich gcthan wird, und welche vom Stande der öffentlichen Meinung