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WichemUch erscheinen drei Nummern. Prinum«r«tions< Preis 22^ Sgr. sj Thir.) vier,«,jährlich, Z Ulr. für da« ganze Jahr, ahne Er- HSHung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »ränumerire auf dies«? Literatur-Blatt ln Berlin in der Expedition der Allg- Pr. Staats-Zeitung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« bei de« Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. SO Berlin, Freitag den 24. April 1840 Rußland. Die Treibhäuser und der Obsthandel in St. Petersburg. Bon I. G. -Kohl. Richt nur ästhetischer Sinn, nicht nur Freude am Schönen und Großartigen, sondern vor Allem auch LuruS, Prunksucht, Groß- thuerci Md die Götter, welche Petersburg schmückten. Daher der ritte Glanz seines Schmuckes. Nicht bloß still pflegende, langsam schaffende und überall thätige Neigung der Einwohnerschaft, sondern vor allen Dingen Befehle der Machthaber, die rasch ausgeführt werden müssen, Launen der Vornehmen, die Augenblicks Befrie digung suchen und keine Mittel dazu scheuen, oft wechselnde Moden und Begierden der Reichen, die bas Alte schnell verlassen und stets zu Neuem greifen, haben hier gewirkt. Daher erklärt es sich, daß von allen Zweigen der Gartenkunst sich keiner hier so hoch erhob, als die Treibhaus-Kultur, unv daß man in diesem Fache vielleicht mehr hier leistet, als in irgend einer anderen Hauptstadt vcr Welt. Petersburg liegt unter einem Breiten grade, der nur den Birken und niedrigen Dornensträuchen eine schöne Entwickelung gestattet, und der freiwillig nichts gicdt, als Beeren und ungenießbare Tannenfrüchtc. Fast alles Genießbare muß die raffinirteste Kunst ihm abtrotzen, und es gewährt ein nicht geringes Interesse, die Begierden und den Verstand der Menschen 'mit den rohen unschöpferilchcn Naturkräften des Nordpols in einem Kampfe zu beobachten, aus dem der Mensch, wenn auch nicht mit Lorbeern, doch mit Kirschen, Erdbeeren und Rosen geschmückt, hervorgeht. ES war draußen eben der härteste Winter, als es dem verstor benen Kaiser Paul auffiel, daß in der großen Perspektive, der schönsten Straße seiner Residenz, keine Bäume ständen, und als er darauf befahl, zur Verschönerung derselben unverzüglich daselbst eine Allee von Linden zu pflanzen. Die Machthaber, an welche dieser Befehl erging, brachten ihn weiter zu den Gärtnern und Arbeitern, und als diese zurückmeldetcn, es sey tiefe Winternacht, Alles liege unter dem Leichentuche des Eises erstarrt, und die Natur sey in un- thätigem Schlafe befangen, erwicderten sic, dies hebe den Kaiserlichen Befehl nicht auf, der vollzogen seyn müsse. Man solle auf irgend eine Weise Rath schaffen, die faule Natur aus dem Schlafe rütteln und die schlummernden Kräfte wecken. — Und es wurde darauf ein Unternehmen ausgeführt, das in jeder anderen menschlichen Gesell schaft unmöglich erschienen wäre unv in den Annalen der Garten kunst wahrscheinlich einzig in seiner Art ist. Man hob aus den Baumschulen junge Bäume aus, ließ langsam in eigens dazu vor- gerichteten Gebäuden die gefrorene Erve an den Wurzeln aufthauen und reinigte sie. Man hackte mit Beil und Brecheisen in das blanke Eis der Perspektive geräumige Löcher, die mit frischer warmer Erde gefüllt wurden. Die Zweige der Bäume wurden verpackt und sorg fältig umwickelt, in die für sic bestimmten Löcher gepflanzt und mit einem kleinen Strohdach umgeben. Um jedes Baumes Wurzeln wurde ein kleiner Treibofen gebaut, und so mit unsäglicher Mühe wirklich die schlummernden Naturkräftc geweckt, dei Bäume zum Keimen gebracht, und nach wenigen Monaten konnte der mächtige Monarch durch eine schattige Allee grüner Bäume reiten, als Sieger gleichsam über die Natur triumphirend. Schwerlich hat ein Kunst gärtner je einen merkwürdigeren Triumph gefeiert. Die Baum- Allee, welcher er galt, grünt noch in diesem Augenblicke zur Freude der Bewohner der Perspektive. Doch hätten sie dieselbe Freude, wenn man mit dem Pflanzen der Bäume nur einige Wochen hätte warten wollen, für einen zwanzig Mal geringeren Preis auch ge- meßen können. In manchen südlichen Landschaften ist die Natur so fruchtbar und kräftig, dw Atmosphäre so reich an keimenschwangeren Dünsten, daß sich die Pflanzen überall in Fülle zeigen, wo man sie wünscht unv nicht wünscht. Epheu, Immergrün, wilder Wein und Aloös ranken in Italien an den Gemäuern hinauf, und allerlei Gräser und Kräuter siedeln sich auf den Dächern an und fassen das starre Menschcnwerk in schmückenden, zierlichen Rahmen. In Petersburg haben die Architekten mit dergleichen vegetabilischen Parasiten nicht zu kämpfen. Alle Gebäude sind hier rein und kahl, und es wächst mrgends ein GraShalmchen auf einem Petersburger Dache. Die einzige Ausnahme hiervon bildet ein kleines Birkenbüschlein, das auf einem der vier niedrigen Thürme der SemeonowSschen Brücke steht und, wenn es im Sommer ergrünt, gar malerisch die Kuppel dieses Thurmes verziert. ES ist dieses Birkenbäumchen, das, Gott weiss wie, seine Nahrung zwischen den Steinen findet und das bisher schon seit manchem Zahrzehend den uniformircnden und Alles cgalifirenden Blicken der Petersburger Polizei entgangen ist, eine nicht geringe kleine Merkwürdigkeit der Stabt, die auch als solche nicht nur der ganzen Nachbarschaft, sondern auch der ganzen Einwohnerschaft der Stadt wohlbekannt ist, da cS gerade in einem der besuchtesten Stadt theile liegt und schon von manchem Fremden als Wahrzeichen be nutzt wurde, um sich zwischen den vielen einander völlig gleichen Brücken der Fontanka herauszufinden. Wenn die Deutschen Gilden und Zünfte in Petersburg blühten, könnten sic jenes Birkendäumchcn füglich zum Wahrzeichen der Stadt erheben, und zwar mit um so mehr Recht, da die Birke gerade drr Baum ist, der in dem PeterSburgischen Erdgürtel seine schönste Ent Wickelung erhält unv dabei hier häufiger erscheint, als irgend ein anderer Baum der Wälder. Die Znseln der Newa, die der Häuser- Andrang noch nicht überfluthete, sind meistens mit Birkenwäldchen bedeckt, unv fast alle Chausseen unv Wege um Petersburg herum, so wie alle Wälder unv Haine, mit Birken besetzt. Da das Holz des Baumes sowohl im Ofen als auf der Hobelbank viele treffliche Eigenschaften offenbart, so ist er auch für die Stadt von ungemeiner Wichtigkeit, und der Verbrauch dieses Materials in Petersburg ist ungeheuer. Entschieden die meisten Möbel, Utensilien und Instru mente der Stadt sind aus Birkenholz, und fast Alles, was im Winter der Wärme bedarf, wärmt sich au Birkenholzkohlc. In ästhetischer Hinsicht erscheint der Baum zierlich und besonders im Frübling, wenn sein zartes frisches Laub hervorbricht, äußerst artig und fein, zumal wenn er dunklem Fichtenwaldc beigcmischt erscheint. Doch ist sein Laub zu dürftig, seine Verästelung zu unbedeutend, und die Massen, welche er in großen Gesellschaften vereint bildet, sind zu geringfügig, um in der Landschaft und in den Gärten von großem Effekt zu seyn, und da er bei Petersburg gewöhnlich allein, ohne Verbindung mit anderem Laube, auftritt, so gereicht er der Land schaft, im Ganzen unv Großen genommen, zü geringem Schmucke und hat nicht Kraft und Rcichthum genug, den traurigen Charakter der Armuth aus dieser Gegend zu bannen. Nur die mächtige Eiche und die dichtlaubige Linde wären geeig net, diesen großen Palästen einigen Schatten zu gewähren und den Sümpfen ihre Einförmigkeit zu nehmen. Allerdings kommen auch noch hier und da einige schöne Ercmplare jenes Königs unter den Bäumen auf den Newa-Inseln vor, und cs stehen hier Eichen, die schon Schweden-, Nowgoroder- und Moskowiter-Herrschaft an der Mündung der Newa sich abwechseln sahen und vielleicht auch noch de» Kall Petersburgs erleben werden. Doch sind eS nur noch die letzte» Reste und Brocken der schönen Eichenwälder, wie sic in Deutschland erscheinen, ihre äußersten spärlichen Ausläufer gegen Norden, und in Gruppen zeigt sich dieser bei uns so gesellige Baum hier nicht mehr. Die Lmdc» verpflanzte man allerdings hierher und sie gediehen recht gut. Doch sind den alten, die schon Peter der Große in seinem Sommergartcn und im Pctcrhofschcn Garten anpflanztc, wie es scheint, später wenige nachgefolgt, unv cS ist un verzeihlich, baß Petersburg, bei der Dürftigkeit unv Unvuwsamkeit seiner Natur, nicht eifrigeren Gebrauch macht, mit diesen, hier wohl gelittenen und gut gedeihenden Baume seine öden Räume buschig und malerisch auszufüllen. ' An Jtaliänische Pappeln ist in Petersburg nicht zu denken. Dic wenigen, die man zu pflanzen versuchte, tödtete die rauhe Natur oder ließ sie nur als Krüppel am Leben. Außer den genannten Waldbäumcn und einigen Weiden-Arten, welche das Klima hier noch im Freien duldet, fallen alle andere Bäume unv die meisten Ziersträucher den Kunstgärtncrn und Treibhäusern anheim, und selbst manche von ihnen, die man noch im Freien läßt, erfordern die sorg fältigste Pfle,,« und Aufsicht, so die Trauerweiden, deren Zweige schon im Oktober mit Stroh und Matten umwunden werden müssen, um sie überwintern zu können. Was die genießbaren fruchttragenden Gewächse betrifft, so gicbt es auch unter ihnen allerdings cimge, denen das Newa-Klima be sonders konvenirt. Denn die Natur verleugnet doch auch hier ihr menschcnlicbendcs Mutterherz nicht ganz. Wenn sie in, Süden ihre zarten süßen Säfte in schönen vergoldeten Schalen und festen Bechern an großen Gewächssäulen aushängt und die hohen Bäume mit den erfreulichen Geschenken der Pomona schmückt, so erbarmte sic sich im Nordcn dcr niedrigen Gesträuche, hing in MooS versteckt die röth licht Erdbeere auf und desäete alle Gebüsche mit den Beeren der mannigfaltigsten Art und der besten Qualität. ES tritt schon in