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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prännmerationg. Preis 22; Sgr. (; Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man rrönumcrirt aus biete- Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Alla. Pr. Stoatß-Zeitung sFriedrlchSgr. Nr. 52); in der Prooinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 41 Berlin, Freitag den 3. April 1841). Asien. Chiwa und sein Chan. Seit einigen Monaten unterhalten uns die Zeitungen Rußlands, Deutschlands, Frankreichs und GroßbritanicnS von dem Chane von Chiwa. Ohne Zweifel haben viele unserer Leser riesen Potentaten, der so plötzlich die Blicke aller NcuigkcitSfrcunde auf sich zieht, nie mals nennen Horen; auch darf man ihnen dies nicht verdenken, den» besagter Potentat ist ja erst seit dem l. Dezember ttM, an welchem Tage Rnßlanv ihm ven Krieg erklärt hat, ein Gegenstand Euro- palichcr Politik. Das Land Chiwa liegt im westlichen Turkestan, einer Land- strecke, die man früher, um sic von dem östlichen, unter Chinesischem tzscepter stehenden Turkestan zu unterscheiden, auch „freie Tatarci" genannt hat. Es gränzt im Norden an den See Aral und die Steppen der Kirgisen; im Osten an den Dschihun oder Amu (den Orus der Alten); im Westen und Nordwcsten an sandige Steppen, die biö zum Kaspischen Meere sich erstrecken. Im I2ten Jahrhundert bildete dieses Land einen Theil des großen Selvschukischen Reiches ChowgreSM, und in den Römer-Zeiten einen Theil der Parrhischcn Monarchie. Um Christi Geburt und im 8ten Jahrhundert unserer Zeitrechnung standen die Länder zwischen dein OruS und dem Kas pischen Meere eine Zeitlang unter Chinesischer Oberhoheit. Noch im Jahre I8<>8, als Malte-Brun seine „Neue Beschreibung von Charism oder ChuwarcSm" in die „Annalen der Reisen" cin- rücken ließ, besaß man keinen authentischen Bericht eines Reisenden, der Chiwa besucht hätte. Eilf Jahre später faßte der Russische General Jcrmolosf, Gouverneur von Grusicn, den Plan, eine Erpe- dition an die östlichen Küsten des Kaspischen Meeres zu schicken, um zwischen den Turkmanen und Rußland freundschaftliche Verhältnisse zu knüpfen, damit die Handelsschiffe seiner Landsleute an irgend einem Punkte jenes Gestades rubig vor Anker liegen und ihre Be frachtung ungefährdet ablavcn könnte». Der Stapelplatz, ven er dort zu erbauen bezweckte, sollte durch ein kleines Fort beschützt werden. Die Turkmanen, orthovore Bekenner des Islam, sind einge- flcischte Feinde der Perser, weil Letztere bekanntlich den Ali, Mu- hammev's Schwcstersöhu, höher achten, als den Propheten selbst. Als daher Rußland im Jahre 18IZ mit Persien Krieg führte, schenkten sic den Vorschlägen eines Russischen EmüsairS, der ihnen den Schutz seines Kaisers gegen die Perser versprach, willig Gehör. Sie schick ten Dcpuiirtc an den General, von dessen Seite der Emiffair ge kommen, und die Verhandlungen nahmen eine günstige Wendung. Aber die beiden kriegführenden Mächte schloffen bald Frieden, und eine der Bedingungen, die Persien stellte, lautete vahin, daß Rußland den Turkmanen keinen Schutz angcdeihcn lassen möchtc. Die Abgeordneten der Letzteren waren sehr verdrießlich, als sic ihre Hoffnung getäuscht sahen, und ihre Landsscutc mußten nun bei Zeiten daran denken, was wohl am bcstcn zu thun sey. Einige unter- wancu gch den Persern und stellten Geiseln; Andere zogen von der Persischen Gränzc ab und wählten ihre Wohnsitze 2ä Meilen nörd licher an der Bai Balchan; wieder Andere begaben sich nach Chiwa, wo sie von Muhammed Rahim, cincm geschworenen Feinde der Kadscharnchen Dpnastie in Persicn, freundlich ausgenommen wurden. General Jermoloff, der nicht alle Versuche einer Annäherung an die Turkmanen aufgeben wollte, schickte eine» seiner Offiziere, Herrn Ponowareff, als Unterhändler zu denjenigen, die an der Bai Balchan sich niedergelassen hatten. Ein anderer Offizier, Herr Murawieff, der Ersteren begleitete, sollte sich von der Bai Balchan aus nach Chiwa begeben, um den dortigen Chan für das Russische Interesse zu gewinnen Nach langen Unterhaltungen mit den Turkmanischcn Chefs nahm Murawieff von Ponowareff Abschied und begann am 18. Septem ber >810, in Begleitung eines Armenischen Dolmetschers und einer kleinen Karawane, die Wanderung durch das dürre, sandige und nirgends angebaute Land, das vor seinen Blicken sich ausbehnte. Am «. Oktober war er nur noch wenige Meilen von der Hauptstadt entfernt, als einige Offiziere des Chans ihm den Befebl überbrach ten, daß er nicht weiter vorrückcn dürfe. Der eine Offizier führte den Fremden in seine eigene Behausung, wo inan alle Vorkehrungen zu seiner Aufnahme getroffen hatte. Man wußte, daß Murawieff un Namen dcs Russischen Kaisers kam, und befragte ihn über ven eigentlichen Zweck seiner Sendung; er antwortete, daß er Papiere mitbringe, deren Inhalt ihm unbekannt sep; seine mündlichen Auf träge aber dürfe er nur dem Chane sclbst oder einer Person, die sich als Bevollmächtigter des Chans lcgitimirte, bestellen. Obschon Herr Murawieff in seiner Wohnung recht gut behandelt wurde, so bemerkte er doch balv, Laß er Gefangener war. Man hatte ihui am ersten Lage versichert, der Chan werde ihn schon am nächsten Morgen zu sich rufen lassen; allein cs verstrich ein Tag um den anderen, unv kein Bote von Seiten Sr. Hoheit kam zum Vorschein. Auch die gute Behandlung, deren er sich anfangs zu erfreuen gehabt, wurvc allmälig schlechter unv am Ende sehr schlecht; man fuhr ihn mit Grobheit an, muihctc ihm harte Entbehrungen zu und bewachte jeden seiner Schritte. Von den Turkmanen, welche ihn begleitet hatten, erfuhr er, der Chan habe seinetwegen die vornehmsten Bewohner Chiwa's zur gemeinsamen Bcrachung versammelt und ihnen (den Turkmanen) streng verwiesen, daß sie cmem Menschen, den er für einen Spion hielt, ru seiner Reise nach der Hauptstadt Vorschub geleistet hätten. Ein Mitglied dcs Diwan'S, das der Chan zuerst um seine Meinung fragte, stimmte für den Tod des Ankömmlings; aber Se. Hoheit verwarf Viesen Rath mit der sehr verständigen Bemerkung, daß in solchem Falle der „weiße Chan" schon im nächsten Jahre kommen und Vie Frauen des Harcm's von Chiwa mit fortnehmcn würvc. °) „Besser ist eS", sprach er, „ich nehme den Russen an und lasse ihn alsbald wieder hcimkehren. Einstweilen möge er im Gefängniß bleiben, bis ich von ihm erfahren habe, welches Geschäft ihn hierher geführt." Nach einer Haft von 18 Tagen wurde Murawieff endlich nach der Hauptstadt geleitet. Er übcrschickte dem Chan die für ihn bc- sttmmtcn Geschenke nnd erhielt am l8. November Audienz. Er sagte, der Zweck seiner Ankunft sey, die zwischen Rußland und dem Chan bestehende Freundschaft zu befestigen, auch Sr. Hoheit vorzustcllen, d-uß eS für die handeltreibenden Karawanen weit vortbcilhafter seyn würvc, wenn sic von Chiwa nach der näher licgcnven Bai Balchan, und nicht, wie bisher geschehen, nach ver Ba» ManghiSlak adgingen, welcher letztere Weg außerdem vurch eine völlig wasserlose Steppe führe. Der Chan leugnete die Richtigkeit dieser Angaben nicht, wendete aber ein, die Turkmanen bei ManghiSlak sepcn seine Unter- thanen, während diejenigen, die weiter südlich wohnten, großcntheils dem Schach von Persien gehorchten; darum könnten die Karawanen ans Chiwa leicht geplündert werden, wenn sic jenen anderen Weg cinschliigen. Dieser Vorschlag wurde also zurückgewiescn. Murawieff ersuchte den Chan, eine würdige Person an General Jermoloff zu schicken, um ihn seiner freundschaftlichen Gesinnungen gegen Rußland zu versichern. Der Chan versprach, diesem Wunsche nachzukom- mcn, und entließ Murawieff mit einem Ehren-Kaftan. Der Russische Offizier reiste in Begleitung dreier Gesandten des Chan'S ab und schiffte sich am 18. Dezember auf derselben Korvette, die ihn an das östliche Ufer gebracht hatte, nach Dcrbcnd ein, von wo man über Baku nach TlstiS abging. Die Gesandten wnrden von General Jer- moloff mit großer Auszeichnung empfangen, und ru Ende Aprils übergab ihnen Murawicff ei» sehr verbindliches Schreiben an Mu hammed Rahin. Seine Sendung war so gut als erfolglos gewesen; allein er hatte wenigstens Beobachtungen gesammelt, die.seiner Re gierung in Zukunft von Nutzen sepn konnten. Im Jahre 1822 ließ Murawieff seinen Reisebericht in Russischer Sprache drucken, und schon im folgenden Jahre erschien eine Fran zösische Uebcrsctzung. Dieses interessante Buch ist von Allen, die seitdem über Chiwa geschrieben haben, mit Vortheil benutzt worden und soll von jetzt an auch unsere vornehmste Quelle sepn. Chiwa muß nach Herrn Murawicff unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden: eS begreift 1) den eigentlichen Kern des StaatcS, in weichem außer den Chiwacrn auch verwandte nomadische Stämme wohnen; 2) cin großes Gebiet, dessen nomadische Bewohner thcilS mit Gewalt unterjocht sind und andercntheilö, weil sie ihre Schwäche fühlten, oder weil ihr Handel sie von Chiwa abhängig machte, sich unterworfen haben. DaS eigentliche Chiwa hat keine scharfgczogcne Gränzen, da eS rings von Lüttsten umgeben ist, deren Besitz kein Mensch dem Chane streitig macht. Das Äittclgebict oder der Kern liegt innerhalb einer großen Krümmung dcs Amu-darja und crstrcckt sich im Nordcn dcs linke» Ufers dieses Stromes bis zu seiner Einmündung in den See Aral. Dec Staat Chiwa wird also nordwärts von dem genannten 't Dec weiße Chan Imper-lne) ist ein Titel, den ver Kaiser von Nußland aum bei den Mongole» ,ührt in»pt>au <>>»»>, vcrnmlhlim mit Ansvteluug aus die weiße Gesichtssarde der Russen, >>u Gegensav iu der weizengelden Jardr der Mongolischen Raren.