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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönnmerationS- P«i« 22; Sgr. Thlr.) rixrktstölulick, Z THIr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Exoedition der AUg. Pr. Staatt-Zeitung (gricdrichsßr. Nr. 72); in der Provinz so >vie im Auslande bei den Wohltöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 31. Berlin, Mittwoch den II. März 1840. Frankreich. Eine Theater-Rezension von George Sand. Die Italienische Oper in Paris und Pauline Garcia. °) Wenn man jetzt den Namen großer Künstler ausspricht, so sind zwei wichtige Dinge dabei in Betracht zu ziehen. Erstlich ist ihr seit ungefähr zwanzig Jahren so glänzendes Geschick in diesem Augenblick eben so bedroht wie das jeder anderen Macht; dann aber, und das ist jedenfalls das Wichtigste, ist im Schicksal der Künstler auch die Kunst selbst bedroht, nicht in ihrem unzerstörbaren Wesen, wohl aber in ihrem Fortschreitcn und in ihrem Einfluß auf die gegenwärtige Gesellschaft. Um nicht die Gränzen dieses Artikels zu überschreiten, wollen wir unö auf einen besonderen Fall beschränken, indem wir nnS andere Fälle gleicher Art für die nächste Gelegenheit Vorbehalten. Die Aufmerksamkeit des Publikums wirb jetzt hauptsächlich durch die Krise in Anspruch genommen, in welcher sich die beiden Haupt-Schulen der dramatischen Kunst in Frankreich befinden: die Bühne der Fran zösischen Literatur, durch das Theatre-franpais vertreten, und die in Frankreich eingebürgerte Bühne der Jtaliänischen Musik, repräsentirt durch die -Jtaliänische Oper zu Paris. Wir wollen heute über diese Jtaliänische Oper und über d,c Künstler svrechen, denen das Publikum so leidenschaftlich Beifall zollt, ohne zu bedenken, daß dies vielleicht das letzte Mal ist, wenn der gerechte Antheil, den cs so edle» An strengungen zu Theil werden läßt, sich nur auf unfruchtbare BetfaUS- bezeugungcn beschränkt und sich nicht im Schoße der Kammern zu einem National-Votum gestaltet. Wenige Zeilen werden hinreichen, um die Lage der Jtaliänischen Oper und die Gefahren, womit ihre Zukunft bedroht ist, klar aus- cinanderzusctzcn. Seit der Feuersbrunst, die den Saal zerstörte, der den Namen dieser Oper trug, und nach welchen« auch ein ganzes Haupr-Viertel von Paris benannt wurde, scheint es fast, als sey man bemüht gewesen, dieses Mißgeschick durch immer neue Schläge nur noch fühlbarer zu machen. Als cS sich darum handelte, schnell einen provisorischen Zufluchtsort für die Jtaliänische Oper aufzu- finden, schien das damals allein leer stehende Odeon paffend zu diesem Zweck. Die Künstler, die Abonnenten und die Dilettanten aller Art entschlossen sich leicht, eine waison hier wie in einem Hotcli-garni zuzubringcn, zumal da man den Saal ein wenig ausgcbeffert und nach ihren Bedürfnissen eingerichtet hatte. Bald darauf beraubte ein erstes Votum der Kammern zu Gunsten eines von der Negierung cingcrcichten Spezial-Gesetzes die Jtaliänische Oper des Saales Favart, um ihn der komischen Oper einzuräumcn, unter dem Vor wande, daß dieser letzteren, die doch ein nationales Genre zur Auf führung bringe, der Vorzug vor der ersteren gebühre, die nur einem fremden Genre gewidmet sey, und so wurde das Odeon aus einer provisorischen Zuflucht ein fester Aufenthalt für die Jtaliänischen Sänger. Wir werden später auf den seltsamen Grund dieser Ent scheidung zurückkommen und uns erlauben, Zweifel gegen seine Nich tigkeit aufzustcllcn; zuvor aber wollen wir in der Auszählung aller der Unglücksfälle fortfahrcn, welche die Jtaliänische Over in der letzten Zeit zu erdulden hatte. Denn als ob diese Feuersbrunst und die weite Verbannung aus dem Mittelpunkt von Paris die Lage dieses Theaters noch nicht genug verschlimmert hätten, entzog ihm auch noch ein zweiter Beschluß der Kammern die Beisteuer von Franken, welche es neben den anderen Königlichen Theatern empfing, die alle weit reicher misgcstattct sind. Jetzt, am Ende der zweiten Saison, werden die unseligen Folgen dieses doppelten Fehlers schon sehr fühlbar, den man zwar cinficht, auf dessen Verbesserung man aber noch nicht bedacht ist. Denn die in ihren Erwartungen, Wünschen und gewissermaßen auch in ihren Rechten betrogenen Abonnenten, die eine solche Störung ihrer frü heren Gewohnheiten und eine so lange doppelte Reise in der Nacht während der strengen Jahreszeit nicht mehr auShaltcn können, drohen damit, den nächsten Winter ihre seit zwanzig Jahre» inncgehabicn und sonst wie ein Erbstück betrachtete» Logen aufzugeben. ES fehlt jetzt nur noch irgend ein neuer Anlaß dazu; wenn zum Beispiel > SMcint der kveamilluid auch mehr ein lokale«, al« ein allgemein künst lerische« Interesse d r;udieicn, so eignet er sich doch vollkommen zur Mu- theilung »I diesen Blattern, denn unter der Hand der genialen Verfasserin wird seldst eine Theater-Nezcnsto» ;u einer Schule der Kritik und das Por trait einer Sängerin zu einem gediegenen Kunstwerke. D. R. Nubini'S Zurücktreten offiziell angezeigt würde, oder wenn eine jener großen Damen, deren Vorbild ein Gesetz für die schöne Welt ist, crNäxte, daß sie ihren Platz den Rentiers des Luxembourg überlassen wolle, oder wenn cs vielleicht im eleganten Publikum, das mehr von der Mode als von dem Geschmack für Musik beherrscht wird, plötzlich eben so zum guten Ton gehörte, die Jtaliänische Oper zu meide», wie einst, sich in derselben bewundern zu lassen. Die Jtaliänische Oper aber ist nicht darauf eingerichtet, die Wechselfälle von guten und schlechten Vorstellungen auszuhalten und vom Zufall abzuhängen. Sie besteht aus einer Vereinigung der ausgezeichnetsten Künstler, die nach Verdienst und Ruf salarirt werden müssen, die sich aber auch jedesmal in Person cinfindcn und keine Vertreter, keine Doublürcn haben; folglich muß die Jtaliänische Oper in ihren Abonnenten die Gewißheit eines immer vollständig gefüllten Hauseü besitzen; sie bedarf dessen, um die ungeheuren Ausgaben dieses Zu sammenwirkens so vieler Talente ersten Ranges zu decken, die sich ganz Europa streitig macht, und um derenwiüen immer ein Theater das andere überbieict, sobald ein Engagement zu erneuern ist; sie bedarf dessen, damit diese Künstler nicht genöthigt sind, vor der kalten Ocde eines leeren Saales zu singen, damit zwischen ihnen und den Zuhörern immer jene warme und lebhafte Wechselwirkung vorwaltct, die bei den Einen die Liebe für die Kunst und den Eifer stets frisch erhält, und bei den Anderen das Vergnügen und die Begeisterung. Ohne die Abonnements, durch die im voraus hinreichende Ein nahmen und zahlreiche Versammlungen zugesichcrt werden, kann die Jtaliänische Oper nicht bestehen, das giebt Jeder zu. Da sie nun aber wieder für ein drittes Jahr auf das Odeon beschränkt wird, da sic der Beisteuer verlustig gebt, da sich auf den Jtaliänischen Theatern überhaupt wenig große Künstler, noch weniger aber solche vorfiuden, die groß genug wären, um die abgehenden" zu ersetzen, so kann man sich gar nicht wundern, wen» der Direktor cm Privi legium, dessen Benutzung unter solchen Umständen nur gefahrbrin gend ist, in die Hände des Ministers des Innern zurückglcbt. Die hohe Rechtlichkeit des Herrn Viardot will nicht die Interessen eines Mitbethckligtcn aus das Spiel setzen, der ihm sein Vertrauen ge schenkt hatte. Er mag cs nicht mit anschen, daß unter seiner Leitung die Jtaliänische Oper untcrgche oder doch in Verfall gerathe, da ihn mächtigere Baude als die des Vorthcils a» dieses Institut fesseln; man soll auch nur nicht zu kühne Hoffnungen auf einen neuen Dirigenten setzen, wenn ein Ehrenmann seine Stellung nicht aus Kleinmuth, nicht aus Mangel an Fähigkeiten aufgiebt, sondern ver anlaßt durch gewissenhafte Bedenken und vernünftige Besorgnisse. Man irrte sich, als maii vorauSsctzte, daß die Abonnenten lange Zeit hindurch allen Unbequemlichkeiten Trotz bieten würden, welche für sic aus der Verlegung der Jtaliänischen Oper nach dem Odeon entsprangen. Jetzt verfällt man abermals in einen anderen nicht weniger bcklagcnswerthcn Jrrthum, denn man überredet sich, daß die Jtaliänischen Sänger Paris nicht verlasse» werden und nicht verlassen können. Wo sollten sic sich wohl hinbegcbcn, welches Theater könnte sie alle ausnchmcn und anstellen? London ist freilich den Winter über von der reichen Gesellschaft verlassen, und keine andere Stadt als Paris vermag die Künstler alle zu vereinigen, auS denen jetzt die Jtaliänische Oper besteht. Doch ehe sic in Paris zusammcntraten, waren sie zerstreut, sie werden sich also wieder zer streuen. Lablachc geht nach Neapel, Tamburini nach Rom, Mlle. Garcia nach Mailand, Madame Persiani nach Wien, und Jeder wirb einzeln sich eben so vorthcilhaft wie in Paris engagircn und sich noch dazu einer unbestrittenen Uebcrlcgcnhcit erfreuen. Man sey auf der Hut, die Zeit eilt vorwärts, die Theater-Saison geht zu Ende, und Niemand kann unter so bcwandten Umständen die abge- lausenen Engagements erneuern. Wenn die Verwaltung, die das Uebel geschehe» ließ, nicht schnelle und wirksame Maßregeln zur Abhülfe ins Werk setzt, so sind wir in Gefahr, nächstes Jahr weder eine Bühne für die Jtaliänischen Sänger, noch Sänger für eine Jtaliänische Bühne zu besitzen. So wäre denn also unsere Jtaliänisch-Frauzvsische Oper durch jene doppelte legislative Maßregel, durch die Entziehung des Zuschusses und durch die Verbannung über die Brücken hinaus, in chrem LebcuSpriuzip gefährdet. Diese Maßregel wurde, wie wir schon crwäbntcn, auf tue Notbwcndigkeit begründet, die National- Musik ausschließlich zu begünstigen, und die kälteste Gleichgültigkeit gegen fremde Kunst führte den Vorsitz bei dem im Odeum über die selbe verhängten Todesurtheil. Wäre jener Beweggrund wirklich triftig, so würden wir gewiß