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Wöäzcnilich «rschci".cn drri Nummern. PxönumcranonS- Prcik 22! Lgr. (Z 2h!r.) zücnclüNixNcv, 3 Thlr. für da« ßcmzc Jahr, ohne Er- Nöhuna, in allen Tkellen der Prenfuschc» Menarche, M Literatur <r g a z i n für die Man pranumerirl aus diese« Literalur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staatc-Zcitung sgrikdricdsm. Nr. 72); in der Prooinz so wie i>i> iluolai.de bei den Wobllödl. Post - Aemtcrn. des Auslandes. 20. 1840 Berl!», Freitag den 14. Februar Frankreich. Das phantastische Drama. Von George Sand. IN. Mizkicwicz'S Konrad. Der Dichtertypus des Nizkicwicz wird durch den Namen be zeichnet, welchen der Held der Dziady führt, deshalb überschreibe ich das Fragment des Mizkiewicz. von dem ich bier Rechenschaft ablegen will, mit dem Namen Konrad, obgleich dieses Fragment eigentlich gar keinen Titel hat, weder m der Uebersetzung noch im Original, und nur als der erste Akt des dritten Theils der Dziady bezeichnet ist. Ich werde also ein eimaches Bruchstück neben Faust und Man fred stellen: was schadet aber eme Lücke zwilchen der >833 publizirten Arbeit uüd der, welche der Verfasser wahrscheinlich in diesem Augen blicke fortsexrk Was schadet ein Abbrcchen in der Entwickelung der Charaktere und dem Gange der Begebenheiten, wenn diese Begeben- beiten und Charaktere mik lo fester Hand entworfen und gezeichnet find, daß wir gleich auf den ersten Blick in dein Dichter de» Neben buhler Goethe's und Byron's erkennens Ueberhaupt ist das meta- phvsische Drama durch seine Form gar nicht an einen regelmäßigen Gang der Begebenheiten gefesselt, es folgt nach freier Willkür den Phasen der Gedanken, die es entwickelt, der Leser widmet den That- sachen darin nur geringe Aufmerksamkeit, wenn nur der Gedanke gehörig durchgeführt ist. Die beiden ersten Akte des Faust würden schon ein ganz vollständiges Werk bilden; mit Gretchens Auftreten beginnt im Drama ein neues Drama, in welchem Zaust sich nicht mehr besonders entwickeln kann und sich auch wirklich nicht mehr entwickelt. Zaust's Ende bleibt ungewiß, und Byron hat es über sich genommen, dieses große Leben auf eine würdige Weise abzu- schließcn. Aber auch im Manfred würden, streng genommen, die erste und die letzte Scene zur Entwickelung der Idee hinreichend seyn. Begnügen wir uns also für jept mit dem Mizkiewiczschen Bruchstück; wir werden sehen, daß es vollkommen hinreichend ist, um die Verbrüderung des Dichters mit seinen großen Vorgänger» zu beweisen. Wir haben gesagt, daß die Neuheit dieser von Goethe aufge- fundenen Form m einer Bereinigung der metaphysischen und der wirklichen Welt bestehe. Im Faust ist diese Mischung sehr geschickt durchgcsührt. Es wird barm beinahe jeder Anforderung eines bühnen gerechten Drama's genügt. Wenn man den ersten Monolog abkürzte und aus der Walpurgisnacht eine Balletscene machte, so würden die Theater sehr gut davon Gebrauch machen können. °) Was aber den meisten nuserer Leser wahrscheinlich als ein Vorzug deS Faust er scheint, dünkt nnö ein Fehler, wenn wir die eigentliche Natur des metaphysischen Drama's in Betracht ziehen. Zaust greift zu sehr in die Wirklichkeit ein, der Held ist zu sehr ein Mensch gleich allen übrigen, und Mephistopheles selbst eigentlich nur ein gewandter Schelm, halb Gauner, halb Kuppler, dessen Vorbild man leicht unter den Menschen findet. Byron hingegen hat sein Drama weit mehr >n die phantastische als in die wirkliche Welt versetzt. Die letztere blickt im Manfred gleichsam nur hindurch, und es zeugt von einem bewunderungswürdig seinen und richtigen Gefühl, daß sie so rein und friedlich, ja fast als ein Ideal von Makellosigkeit geschildert ist. Das ist so recht der Blick, den eine gewaltige und, kühne Verzweiflung im Vorübereilen auf das ruhige Leben der gewöhnliche» Mensche» wirst. Ber Genisenjäger u»d der Abt von St. Maurice stellen die Unschuld und die Frömmigkeit dar. Die Nolle des Jägers erinnert in ihrem allgemeinen Charakter an Schiller's Wilhelm Teil und kömmt ihm auch an «chonhett gleich; was aber diese Scene ganz besonders rührend macht, ist Mcmfrep's Milde und Weisheit, indem er, weit davon entfernt, diesen naiven Bergbewohner zn verspotten und zu ') Das Erstere gküßieltt bexeiis auf den Deutsche» Theatern, auf denen Golthe's Haust gegeben w>rd; doch feil st „ach dieser Kürzung dleidt die'Aus gabe immer noch, selbst Mr einen ixchaufpieter von »er kräftigste» Organi sation, eine kaum lösbare, noch dazu wenn viele Stellen des Monologe» melodramatisch anSgcfichrt werden, ivie j» Perlin nach der Eomvoüttou des Kürsten Radziwill, wo alt» die Declamaiion noch das Orchester zu übertönen hat- Der andere Voriästaq George Sand'S wäre wohl auSfübrbar, ,a cS ist sogar eine wesentliche Lücke, wenn die Walvnrgisnacht ganz wcgbleibt, die den Klimax des phantastischen Elementes im Faust, der Beschwörung» scenr, Auerbachs Keller und der Hexenküche bildet ; inden bei der ohnehi» schon übexmaijia lange dauernden Vorstellung ist bl« Aufnahme jener Scene nicht gut möglich, so wie auch der eben so wesentliche Gegensatz dazu, das Hochamt m der Kirche, Wegfällen mußte. verachten, wie Faust es vielleicht gcthan hätte, noch mit ibm sympa- tklsirt in der Erinnerung an seine Jugend und im Verstehen und Erkennen der moralischen Schönheit. Dasselbe Gefühl wiederholt sich noch einmal in der Scene mit dem Priester. Nur den infernalischen Erscheinungen gegenüber ist Manfred despotisch und anmaßend, das heißt: gegen seine eigenen Leidenschaften und Gedanken. Deshalb ist sein Stolz auch immer rechtmäßig und achnmgSwcrth. Er besiegt die Rache, die Furien, bas Fatum, den Tod selbst, um sich, freilich ohne Hoffnung aus Glück, aber mit übermenschlicher Kraft, zur Er kenntnis! der göttlichen Gerechtigkeit aufzuschwingen. Darin besteht das eigenüliche Drama, und mcht in Manfred's Selbstmordsvcrsuch, nicht in den Ermahnungen des Priesters. Dieses Beiwerk dient dazu, die Kontraste zwischen Manfred's gchcimnißvollem Dasevn und dem Leben anderer Menschen scharf heroorzuheben. Es sind prächtige Zierrathen, nur in dem Maße nothwcndig für das Ganze, wie der Rahmen für das Gemälde, um die Wirkung etwas in die Ferne zu rücken und durch eine glänzende Umgebung die Tiefen hcrvorzuhcbcm Aber vielleicht könnte man einwcndlm, daß Byron in feiner Opposition gegen Faust zu weit gegangen sep; während dieser sich zu sehr in der Wirklichkeit bewegl, Ast Manfred vielleicht z» sehr in Träumereien versenkt. Mizkiewicz's Auffassung scheint mir daher die richtigste. Er verwechselt den Rahmen nicht mit der Idee, wie es Goethe im Faust that, er sondert auch nicht den Rahmen zu scharf von der Idee, wie Byron im Manfred. Das wirkliche Leben bildet selbst cm kräftuzes, ergreifendes, schreckliches Gemälde, in dessen Mittelpunkte die Idee ruht. Die phantastische Welt ist nicht außer, über oder unter demselben, sondern im Hintergründe des Ganzen, sie setzt Alles in Bewegung, sie ist die Seele der ganzen Wirklichkeit, sie wohnt in allen Thaten. Jede Person, jede der besonderen Gruppen trägt sie in sich und giebt dies, ihrer Art nach, zu erkennen. Die ganze Hölle ist entfesselt, doch auch die himmlischen Hecrschaarcn sind da, und während die Dämonen im Reiche des Stoffs triumphirett, werden sie im Reiche des Geistes besiegt. Ihnen fällt die weltliche Macht anheim, die Martern, der Arm des Henkers, die Verbannung, die Ketten, die Strafwerkzeuge; den Engeln aber die geistige Herr schaft, der Hcldenmuth der Seele, die fromme Hingebung, die heilige Eiitrüstung, die prophetischen Träume, die göttliche Begeisterung der Opfer. Aber diese himmiischcn Belohnungen werden nur durch Mär- tyrerthnm gewonnen; und Mizkicwicz'S düsterer Pinsel entwirft uns nun solche Scenen der Qnal. Diese Schilderungen sind fo erhaben, daß weder Byron, noch Goethe- noch Dante etwas Achnliches ver mocht hätten. Vielleicht gab es selbst für Mizkiewicz nur einen Augenblick in seinem ganzen Leben, wo diele wahrhaft übernatürliche Begeisterung ihn erfaßte. Wenigstens haben gewiß Verfolgung, Schmerz und Verbannung in seiner Seele Kräfte entwickelt, die ihm sonst fremd waren, denn nichts in seinen früheren, schon sehr vorzüglichen Geisteserzeuguissen, die aber einer nicht so erhabenen Gattung angeboren, läßt in dem Dichter jene Saite der Verwünschung und des Schmerzes ahnen, die der Nnteraang seines Vaterlandes in Bebung setzte, und die nun zu gleicher Zeit donnernd und klagend ertönte. Seit den Thränen und Flüchen der Propheten von Zion hat sich noch keine Stimme mit solcher Kraft erhoben, um einen so großen Gegenstand, wie den Stnrz einer Nation, zn besingen. Wenn nnn auch die Lyrik und Vie Erhabenheit der heiligen Gesänge bis jetzt unübertroffen dastehen, so giebt eS doch in unseren Tagen eine Seite des menschlichen Geistes, die znr Zeit der Hebräischen Pro pheten noch im Dunkel lag, und die jetzt aus die neuere Dichtkunst einen strahlenden Glanz wirft; dies ist der philosophische Sinn, der den engen Gesichtskreis des auserwählten Volkes Gottes ins Unend liche erweitert. Es giebt keine Juden und keine Heiden mehr, alle Bewohner des Erdballs sind das Volk Gottes, nnd die Erde ist die heilige Stadt, die durch den Mund der Dichter die ewige Gerechtig keit und Gnade anrust. Das ist der große Gedanke, der dem Polnischen Drama znm Grunde liegt; man kann daran die Erweiterung beobachten, welche der Sinn für das Ideale von Faust bis Konrad gewonnen. Man könnte Faust den Snndenfall, Manfred die Sühne und Konrad die Wiedergeburt nennen: es ist aber eine blutige Wiedergeburt, cs ist das Fegefeuer, wo der Genius der Hoffnung mitten uikter Schreck nissen wandelt, indem er mit der Siegespälme gen Himmel zeigt. Mitten in all' den Aengstc» lachen und triumphiren die Dämonen, beten und seufzen die Engel; Gott bleibt stumm! Da stößt der Dichter einen Schrei der Verzweiflung und Raserei aus; er. sammelt alle Kräfte seines HerzenS und seines Geistes, um von Gort Gnade