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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönumeranons- Preis 22; Sgr. (j Thlr.) rierieijötzriich, Z Thlr. für taS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen ter Preußischen Monarchie. M Literatur a g a z i n für die Man pranumeritt aus dies»» Literalur-Blatt in Berlin in ter Expetition der AUg. Pr. Ttaatk-Aeitnng (Arietrichöslr. Nr. 72); in der Provinz so >rie im Auelande bei den Wvbllöbl. Post - Aemttrn. des Auslandes. 27. Berlin, Montag den 2. März 1840. Frankreich. Die konstituirenre Versammlung. Wenn irgend etwas dein unbefangenen Beobachter cinleuchten muß, so ist es die Thatsache, daß die konstituirende Versammlung es war, welche die Französische Revolution und alle ihre Folgen berbeiries; aber eben so einleuchtend ist es auch, daß die Mehrheit dieser Versammlung nicht alles das wollte, was sie veranlaßte. Auch scheidet sich die Geschichte der Constituante ganz deutlich in zwei Epochen. Zn der ersten stürzen stch die Gesetzgeber Frankreichs, trunken von Macht und Hoffnung, auf ihre Bahn, eben so im Un klaren über die Zukunft, wie über sich selbst und ihre Ideen. Zn der zweiten folgt die Wirklichkeit den Phantasierst; jene übergroße Zuversicht verschwindet und räumt dem entgegengesetzten Gefühl den Platz. Diese -weite Phase trat nicht bei Allen zu gleicher Zeit ein; sic begann früher bei Mounier und Lally als bei Miravcau, früher bei Mirabeau als bei Barnave; aber seit dem 6. Oktober blieb sie in beständigem Fortschreitcn, und man darf behaupten, daß sie um die Zeit von Mirabcau's Tod die ganze imposante Majorität er reich, und eingenommen hatte, die, wider ihr Wissen und Wollen zur Urheberin der Revolution geworden, jetzt mit einem Male klar erkannte, daß sie etwas ganz Anderes vollbracht Hatje, als eine Staatsrcform. Von dem Augenblick an versuchte sie wiederholentlich, die gestürzte Monarchie wieder ausznrichtcn, aber vergebens. Dieser letzte Abschnitt der konstituirenden Versammlung gäbe Stoff zu einem Gemälde von hoher und ernster Belehrung. Der größte Theil der Geschichtschreiber der Revolution hat ihn aus leicht begreiflichen Gründen im Dunkel gelassen. Jbr ganzes Streben ging dahin, die üppige, übermüthige Jugend dieser Versammlung Hervorzuhcben; aber sie hüteten sich wohl, auf ihr rasches Sinken, auf die Entmuthigung und Ohnmacht, in die sie so bald verfiel, aufmerksam zu machen und den Gründen davon nachzuforschen. Es wäre gewiß eine nützliche Arbeit, zu ergänzen, was sie verschwiegen haben, die Lücken auszusüllen, welche sie gelassen. Die Arbeit wird mit der Zeit vollendet werden: jeder Tag steuert Materialien dazu bei. Eugene Labaume, der in dem kürzlich erschienenen zweiten und dritten Theil seiner „Monarchischen und constitulionellen Geschichte der Französischen Revolution'") diesen Gegenstand behandelt, hat zwar noch lange nicht allen Forderungen genügt, doch kann man ihm das Verdienst nicht absprechen, einen seltenen Eiser darauf ver wendet und viel Umsicht, Mäßigung und Unparteilichkeit entwickelt zu haben. Ans folgender Uebersicht seiner Darstellung wird man sich hiervon überzeugen. Rach den Schrecknissen res V. Oktober reichten Mounier und Lally ihre Entlassung ein; der Letztere zog sich in die Schweiz zu rück, und man kennt seine Zuschrift an die Versammlung. „Dieses Blu,, diese Köpfe, die fast erwürgte Königin, der als Sklave nach Paris geführte König, das Geschrei: An die Laterne mit den Bi schöfen! ras Betragen Mirabean's und Barnave's, die beide lachten, während Strönic Blutes stoffen, dies AllcS", so schrieb er,. „läßt cs mich verschwören, je wieder die Versammlung zu betreten." Nach- rem er die Erklärung abgegeben, daß er nie mit Authrovophagen zusammensitzen werde, fügt er hinzu: „Sie werden mich proskribiren, sie werden nreiue Güter cinziehen: doch was rhut dass Ich baue das Feld und werde sie nie Wiedersehen." Lally folgte dem Drange einer ichmcrzlichen und tugendhaften Entrüstung, aber dies Gefühl konnte leicht durch die Politik gerechtfertigt werden, was denn auch bald geschah. Der S. und g. Oktober hatten hinreichend bewiesen, daß der König nichts mchr zu bedeuten habe, und daß die Versammlung selbst durch eine sanion geherrscht werke, welche sich ohne ihren Willen in ihrem eigenen Schoße gebildet batte, und welche nach Ge fallen gegen den Monarchen und gegen sic selbst mit einer Gewalt »erfuhr, die durch die Zerrüttung aller gesetzlichen Autorität und durch die Macht des Aufruhrs nur um so unwiderstehlicher wurde. Mochten auch die Znsnrgentcn^einige Gräuclthaten vollführeu, so war das lange noch nicht das Schlimmste; wären die Zwangsmaß regeln gegen den König auch friedlicher vollstreckt worden, so blieb die Frage doch immer dieselbe: das Erschreckendste dabei war die politische Bedeutsamkeit dicker Menschen-Schlachtcrei, welche ein uu- 't kti-roirv manLreöiqu. -t ««u-tituttvvueNe llv rVvvNuivn I>sr verwerfliches Zcugniß von der Ohnmacht der Gesetze und von der vom Volk und seinen Führern usurpirten Diktatur ablegtc. Dies war hinreichend für den Staatsmann wie für den sittlich fühlenden Menschen, und cS ist zu bezweifeln, ob cs ein künftiger Tacitus bei einer neuen Ucbcrarbcitung dieser blutigen Thatsachen an der kon stituirenden Versammlung entschuldigen wird, daß sic nicht cbcu so handelte wie Mounier und Lally, sondern hartnäckig dahei verharrte, neben einer Faction, deren Dolche sic beherrschten, und die offenbar nichts als die Begründung der Anarchie zum Zweck hatte, das König reich neu eiurühten zu wollen. Aber, sagt man , was wäre aus Frankreich geworden, wenn Pic Constituante stch ausgelöst hättet Wahrlich nichts Schlimmeres, als ohnedies geschehen. UcbrigcnS war die Versammlung damals auch noch ga? nicht in so schlimmer Lage, daß ihr gar kein anderer Ausweg geblieben wäre, als sich auf- zulöscn. Ehe sie aber ihre Arbeiten fortsetztc, war es ihre nuum- gängliche Pflicht, erst den Factionsmänncrn die Mässen zu entreißen und dadurch Vas Ansehen der Gesetze und ihre eigene Unabhängig keit zu sichern. An Hülssmitteln zur Vollbringung dieser Aufgabe fehlte cs ihr nicht. Die Manner, welche bei den ersten Schritten der Versammlung zu ihrer Majorität gebärt und, wie Monnier, den Eid des Ballhauses geleistet hatten, konnten natürlich nicht daran denken, durch Wiederherstellung der unumschränkten Negierungs- gewalt aus der Bahn der Revolution berausznkommcn; das war die Rolle der rechten Seite: aber sie hätten darauf hinarbcitcn können, sich eine National-Macht zu schaffen, die unabhängig vom Könige und doch zugleich im Stande gewesen wäre, sie von den Bestürmun gen der demagogischen Faction zu befreien. Dies war Mounier'.- Plan, als er, nachdem er Versailles verlassen und sich nach Grenoble zurückgezogen hatte, an feine Konstitucntcn sich wandte, nm ihnen die Gründe scmes Benehmens varzulcgen. Er schilderte zuerst Vic Gc- walthaudlungen, welche gegen den König und die Versammlung ver übt worden, ihre Knechtschaft inmitten einer vom.zügellosesten Pöbel beherrschten Hauptstadt, und empfahl als einziges Abhülfcmittcl gegen Frankreichs liebel,eine Versammlung der Reichsständc. „Die Stände des Danphinö", sagte er, „begründeten die Freiheit; sic müssen jetzt den Thron verthcidigcn." Vergebens zeigte der muthigc Dcputirte den rechten Weg; rr stand allein und mußte scheilcrn. Wie aber, wenn die Versammlung, so wie er, gegen die Raserei von Paris an den Patriotismus der Provinzen appcllirt hätte, wer möchte zu behaupten wagen, daß auch dies umsonst gewesen wäre. Damit, antwortet mau, hätte sie den Bürgerkrieg berbeigerufen. Das ist inveß nicht so gewiß. Viel wahrscheinlicher ist cs, daß cine Schilv- crbcbnug kcr Provinzen damals zu ciucm Vergleich mit dem Throne geführt hätte, der diesen wieder aufgcrichtct und der Nation zugleich die Notlügen Bürgschaften gesichert baden würde. Hat man denn ohncvics etwa den Bürgerkrieg vermieden f Hat er nicht Frankreich verheert k Und wäre cs nicht tausendmal besser gewesen, wenn er für die Ebre des Landes wäre gekämpft worden, als daß es zu jenem abscheulichen Königthnm des Schaffots kam, welches von der Berg partei auf dem Rcvolutionsplay cingcwcibt wurdet Man hat gesagt, daß Mounier seine Kollegen nie hätte verlassen sollen, er, der sie z» dem Ballhaus-Eide anstordcrtc, durch den si» feierlich unv bei Gefahr ihres Lebens schwuren, nicht eher von dein Constitmions-Werke abzulasscn, bis sie es ganz vollbracht hätten. Ein lächerlicher Vorwurf! > Mounier war nicht so verblendet, nm zn glauben, daß man Frankreich koustituircn könne, indem mau den blutbcspritztc» Spieße» der Anarchie nachgäbe; das ist sein ganzes Unrecht, unv vieles Unrecht wird ihm bei der Nachwelt zum Ruhm gereichen. Er selbst spricht sich so auS: „Ich hatte ja nicht ge schworen, an Berathungcn Thcil zu nehmen, wenn ich mich mcht mehr frei glaubc» würde; ich hatte nicht geschworen, darein zu willi gen, meine Meinung dem Gebot der Menge zu unterwerfen, noch gegen mein Gewissen zu sprechen oder die Wahrheit zu verschwei gen." Nach Lally's und Mouniers Rücktritt fuhr die Majorität in ihrem unseligen Eifer fort, die Macht des Königs immer mehr zu entwaffnen und sic aller ihrer Hülfsqucllcn nud Stützen zn berauben, ohne daran, zu denken, daß sie sich dadurch selbst schwächte und ent blößte, unv daß sic den Augenblick beschleunigte, wo ihr, nachdem sie nm sich her cine Wüste geschaffen, den Jakobinern und ihrem mächtigen Klub gegenüber keine andere Macht übrig bleiben würde, als der Papicrwust ihrer Sä28 Gesetze. Doch wir wollen dem Gange der Begebenheiten nicht vergreifen; Mouniers Versuch.war mir eine Art von Vorspiel zu der Bewegung, von welcher wir nun zu sprechen haben.