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99 dcr Kolonisten vernichten! Jetzt ist es nicht mehr Zeit, nm ein paar elende Francs mit dem Minister zu feilschen, mit dcr Regierung oder mit England über die Grunzen der Kolonie zu streiten; cs muß ein entschiedener Schritt getha» unk der verbrecherische Häuptling be straft werden. Er bat sein Wort gebrochen, hat erklärt, daß er es zu brechen von den Araber» gezwungen ist, mir ihm ist demnach kein Friede mebr möglich. Man setze cnrwekcr einen treuen Emir an die'Stelle Äbdelkavcr's,'der bald zu Boden geworfen scpn wird, wenn man einen rüstigen Feldherr» mit hinlänglich»» Streitkräften sendet, oder Frankreich verwalte das Land diesseits und jenseits des ScheUis selbst, und zwar nach milderen, schonendcrcn und zugleich energischen Maßregeln, die den bllitvnrstigc» Hadschnte», Kabplen, Beduine» »»d Mauren von, Verbrechen abschrccke» unk mit ver christliche» Tugend vcrsöbucn. Wen» Frankreich diese Schuld cm die Civilisation abträgt, nach dem cs den Manen der gemordeten Freunde Nachcopfcr gebracht, dann wird das schöne Land, wo der Segen res Himmels wild wächst, wo einst kie Korn- ,und Fruchtmagazinc des üppigsten Staatcö waren, wieder dem civilistrtcn Menschengeschlecht angchören. Der gcwcrb- thätige Handwerker, der fleißige Bandmann wird gern aus der über-' völkcrtcn Heimat dorthin eilen, statt daß, er jetzt nach den Steppen und Sümpfen jenseits des Atlantischen Meeres trachtet; Feldbau, Industrie, Kunst und Wissenschaften werden im verjüngten Mafistabe aus einem Boden erblühen, ver seit vielen Jahrhunderten unter den, Anathema des Schicksals zu stehen scheint. Lebrecht. Rußland. Die Theebudcn iu St. Petersburg. (Schluß.) Die kostbaren Blüthen selber sind in einer Menge von Kästchen und Beuteln von verschiedenster Form, je nach Verschiedenheit der Sorte verpackt, und mit so viel Akkuratesse'und Ordnung m den takirtcn Schränken rangirt, wie hübsch gebundene Bucher einer Biblio thek. Man siebt an Viesen Kästchen, wie hoch Vic Chinesen ihre Waare schätzen, denn sonst würvcn sie an diese gebrechlichen nur zur Verpackung dienenden Hüllen nicht so viel Knnst verschwendet haben. Die kostbarsten Sorten liege» zu ciueiü oder 2 bis d Pfun den in höchst sauber und appetitlich gearbeiteten Schachteln, nußbraun oder schwarz lakirt und mit Vergoldung geziert, an denen die Arbeit so vollendet ist, als sollten sich die Thees damit gleich in den Salons produzircn. Auf manchen sind sogar ganz cigcnthümliche Basreliefs angebracht: die Figuren aus einer Art Papicrmaschee und ihre Kleider aus wirkliche» darin sehr künstlich verarbeiteten Seiden- Stoffen. Schwerlich möchte man in Europa außer Loudon »och sonst eine» Fleck finden, wo sich so bcquemlick Chinesisches Leben und Industrie, Zustände und Sitten stuvircn ließen. Unv cs ist dies daher AUcS dcr Beachtung des Reisenden wcrth. Zuweilen gicbt das Basrelief einen Zweikampf, zuweilen eine ganze Schlacht mit den Mongolen, mitunter eine» Tbeetrinker unk am häufigsten ein verliebtes Paar, ein verschämtes sittsames Mäkchen und einen ent zückten Liebhaber, der ihr mit nachkrücklichen Gcstieulationc» seine Chinesische Liebe erklärt. Bei den Sccncn ver letzteren Art fehlt nie ein silbcrpapierncs Strcifchcn, kas kcn Mond vorstellt, und ein'weißer Klecks, dcr eine versilberte Wolke bedeutet. In diesen Kästchen, aus Chinesisch genannt, schlnmmert nun die boldc Blüthc iu bleiernem Gewände wohlverwahrt. Uni wiederum de» Lack und die Malerei der Länsins zu konscrviren, sind sie in zarte Papiere sorg sam cingcschlagcn. Ern Gcflccht aus Bambusrinrc umgiebt das Pa pier, zwischen welchem unv dem Gesiecht noch eine Menge Faserstoff sorgfältig cingcschobcn ist. So verhüllt, werken die Kästchen, zn Dutzenden in große Kisten gestellt, und diese große Kisten, ans Russisch-Chinesisch ..'GibBon" genannt, sind mit behaartem Kalbs leber umnagelt. Aus diese Weise kann denn freilich kein Atom des kostbaren Duftes entfliehen und kein fremdartiges Tröpfchen auf einer Reise um den Globus störend in das vcrschlonenc Aroma «mdringcn. Ob in London die Thees auch so sorgfältig vcrvackt ankommen mögens Zcnc groben Hüllen haben sic nun freilich in den eleganten Boutiken abgeworscn, doch kann man sich in den Hin teren Abthcilungcn der Magazine Alles zeigen lassen. Thee ist allerdings dcr Hauptzweck alles Russischen Verkehrs mit China. Allein es schleppen sich in seinem Gefolge noch eine Menge anderer Chinesischer Waaren in Rußland ein, die mit ihm gemeinschaftlich die Steppen dcr Mongolen und die Eisfelder dcr Sibirischen Rationen bis zur Ncwa durchziehen. Scidtne und baum- wollene Stoffe aller Art, unv varuntcr sehr kostbare, Malereien, Pfeifen, Thee-Service, Mosaik-Arbeiten, Götterbilkcr, Laternen, aus feinem lakwtcn Holze höchst zierlich geschnitzt, Toiletten, Kästchen, Spielsachen, Alles mit einer bcwundcrungswcrthc» Vollendung ge arbeitet. Wenn diese Cbincsisckcn Produkte auch nun noch nicht gerade Bedürfnis m Rußland geworden sind, so sind sic doch ein nicht unbedeutender Movc-Artikel, und neben den Sammlern Chine sischer und Mongolischer Raritäten, vcren cs in Petersburg mehrere nicht unbcdcutenkc giebt, eilen auch die Damen in die Thecbudcn, um sich etwas Hübsches zur Ausschmückung ihrer Salons zu holen. Auch die Maskeraden in Petersburg, aus denen Chinesische Kostüme sehr beliebt sind, brauchen viele Artikel dieser Art. Zuweilen werden große und brillante Maskeraden bei Hose gegeben und Chinesische Sitten und Etikette treu, aber komisch dargestcllt. Der Kaiser von China mit seinem ganzen fabelhaften Hofe fehlt nicht dabei, und der Russische Adel, wie die ersten Minister, übernehmen Rollen in einem solchen Schauspiele, als wenn China ein längst verschollener Name wäre, und ohne zu bedenken, daß jener Kaiser noch jetzt le bendes und fühlendes Fleisch ist und leickt eine solche Persifsitrung seiner Manieren übel nehmen könnte. Welche wunderbaren Ver hältnisse zweier Länder, die Nachbarn sind auf mehrere IW Meilen Länge unv voch sich gegenseitig so ignorircn, als wäre» sic fabel hafte oder längst verschollene Staaten. Russen, die lange in China waren,> versichern, daß inan dort, nicht cinmal'dcn Namen Peters burg kenne unv es auch nicht im geringsten dcr Mübc wcrth hielte, dieser Barbaren-Rcsivcnz einige Änstncrksamkeit zu schenken. — Mit dem, obgleich schon sehr bedeutenden, doch immer neck zunehmenden Verbrauch des Thccs iu Rußland werden auch die anderen Chine sischen Produkte, welche mit ihm cinwandern, immer zahlreicher, und vic Interessen Rußlands können sich lcicht so innig mit denen Chinws verflechten, daß vielleicht nächstens auch ein paar Chinesische Provinzen mitwandcru werden. Die erste Hauptniederlagc für alle diese Sachen ist Jrkutzk, die zweite der Markt von Nowgorod und rM dritte, der vornehmste Ziclpunkt-dcr ganzen Reise, Petersburg. Die Thecbudcn dcr Gebrüder „Tschaplin" und anderer Kaufleute sind hier so elegant mit jenen Chinesischen Kunst- lind Industrie-Produkten verziert, daß sie Pekingschcn Boudoirs gleichen, und dabei so reichlich versehen, daß sie den besten Galantcrkc-Waarcn-Lädim des Himmlischen Reichs wenig uachgcbcn mögen. Es kommen hier Chinesische mit Gold oder Silber brodirtc Zeuge vor, von denen die Elle oft mehrere Hundert Rubel kostet, und doch gehe» sie reißend ab. Es kam der Fall vor, daß einer dieser iicu angckommcnen Stoffe das Wohlge fallen dcr Kaiserin von Rußland erregte unv sie einige Ellen davon zu haben wünschte. Sic sand aber de» Preis von 2S0 Rubeln pro Elle zu thcucr unv ließ den Stoff ungekaust. Und als sie sich aln anderen Tage dennoch anvcrs besann und zum Laden schickte, nm sich lit Elle» holen zu! lassen, war schon das ganze Stück bis auf de» letzten Rest an reiche Unlerthaninnen verhandelt. Zn dcr Holzschneidekunst habe» cs die Chinesen ungemein weit gebracht. Ich sah unter Anderem einige i Fuß hohe Kandelaber auS kohlschwarzem Holze von durchbrochener Arbeit. Eine Menge dcr feinsten zaribeblümtcn unv beblätterten Zweiglein waren in einander verwebt, vcn Rumpf unv Vic Arme des Leuchters zu bilden, und die Wurzel» verschlänge» sich innig zur Darstellung der drei Füße. Durch die Lücken und Durchbrüche dcS Geschlinges schimmerte ein unterlegter Goldgrund, der ganz herrlich zu dem schwarzen Holze abstach. Ein gewisses Braunroth und 'Schwarz scheinen überhaupt die Lieblingssarbcii der Chinesen zu scpn. Wenigstens ihre Holz- waarcn haben alle diese Uniform. Wie weit die AuSschmückungS- sucht der Chinesen geht, vermöge deren sie Allem, selbst dem Kleinsten, Form und Farbe zu geben suchen, zeigten die Kerzen aus Baum wachs, welche in den Kandelabern steckten. Sie waren nicht rund, sondern achteckig, ppramivalisch und nach unten zuaespitzt. Auf den Seitenfläche» der Kerzen-Ppramide waren eine Menge kleiner er habener Basreliefs angebracht, und zwischen den Basreliefs wieder Malereien und Arabesken. Ja sogar oben am Rande dcr Kerze tanzten cm Paar aus Wachs poussirte Figürchen, die später die Flamme fresse» mußte. Daß kau», eine Kunst in Europa getrieben und in neueren auf geklärten Zeiten erfunden ist, welche die Chinese» nicht schon seit dem Anfänge dcr Welt kanntcn und übtcn, zcigt sich auch hier wieder. Sö machten die Chinesen schon, ehe die Welt noch an die Geburt von Florenz backte, Florentiner Mosaik, unv sic schicken nach Peters burg die eleganteste» Sachen von dieser Arbeit. Man sicht kleine Landschaften, in denen jedes Blättchen dcr Bäume auS einem ein zelnen grünen Steinchen gebildet ist. Zu den gewöhnlichstcü und stehenden Artikeln, deren immer ganze Massen vorhanden sind und die beinahe schon Russisches Bedürfniß geworden sind, gehören unter anderen eine gewisse große Art von Fäckcrn, deren sick die Russische» Danie», wen» sic beim Kamine sitzen, bedienen, um den grellen Schein des Feuers zu mildern. Aus Fevern, aus Pflanzenfasern, aus seinen Hölzern, aus dimncn Pa pieren, aus Scidcnfädcn und anderen zarten Stoffen wissen die Chinesischen Hände sic wohlgefällig und zierlich darzustcllen. An mannigfaltigen, sammetähnlichen, seidenartigen, spinnewebseinen und sackleinwandgrobcn Papieren sicht man hier das Bewunderungs- wcrthcstc geleistet, so wic an Tuschcn und andere» Farbcstoffen das Exquisiteste vorhanden ist. Wir batten auch früher in Europa eine Epoche, wo die geschick teste» Künstler daraus ausgingcn, an bewundernswürdige, aber un- nützc Künsteleien ihre Zeit zu verschwenden. Unsere Kunst-Kabinette unv Grünen Gewölbe sind noch voll von allcrlci künstlichen Spielereien. Die pedantische», altfränkischen, in Allem, was sic thuu, stets zier lichen Chinesen, scheinen in dieser Kunst-Periode schon seit Jahrtau senden begriffen zu scpn und werden vielleicht nie aus ihr in eine andere übergehen. Sie verschwenden eben so viel Phantasie und Talente in Erfindung und Ausschmückung von Bagatellen, als in Veredlung und Vervollkomnung des Nützlichen. In den Peters burger Tbcclädcn sieht man unter Anderem ganze Sckränkc bloß mit allerlei kleinen Automaten gefüllt, lauter höchst zierlich gcarbcitctcn Puppen, dem kostbarsten Kinderspiclzcug, das aber iu China, wo sich auck die Phantasie dcr Erwachsenen noch gern kindlich zu crqötzcii scheint, gang und gäbc ist. Die Gefälligkeit dcr Russische!! Kauf- leute erlaubt cS lcicht, alle diese Puppe» auszukramc», ihr Räder werk auszuziche» und das Chinesische Straßcnlebcn, wic cS leibt und lebt, aufdcm langen Tische vor sich hinspazicrcn zu lassen. Am häufigsten sicht man untcr diesen Figuren wicverkehren ein junges Mädchen, das aus einem weißen Zelter reitet, — einen Schreiber, der mit einer Masse Papier-Rollen zum Gericht läuft — ein Paar Man darinen, die sich vor einander bis zur Erde beugen — einen Ritter, auf einem kleinen Elcphantcn trabend — einen midcrcn, auf einem