Volltext Seite (XML)
98 hätte? Ein solcher Mann, der Vic Idee der Nationalität nach ihrer ganzen Tiefe ermißt- der ven Zeitgeist und die Gunst der Umstänvc begreift, ver aber aurd Genie uuv Thatkraft zur Ausführung hat, würde reu Klick der durck' langiäbrigc Erniedrigung entwürdigten Völker auf die Höhe der Vorzeit hingrwicsc» Haden: er würve sie durch den Gedanken der Freiheit oder auch nur durch den Fanatis mus des Glaubens in ven Kampf geführt haben, unv die alters schwachen Rovigo's, Erlon'S, Damrömont's und Balöe'S wären verjagt worden. Allein die Tage der Amrn's, Musa'S, Okba'S, Tarik's unp Almanzor's sind vorüber! Die Araber wendeten sich in Ermangelung eines großen Mannes an den scheinbar größten unter ihnen: sic wählten Abdelkader zu ihrem Befreier. Frage ich , nun, wer ist denn der Abdelkader? so werden eine Legion von Weifen beiderlei Geschlechts verächtlich auf mich hcrab- schcn mW werden sagen: „Der arme Mensch hat die Allgemeinen Zeitungen so vieler Städte sicherlich nicht gelesen; die Weltgeschichte leit l8li2 scheint ibm ein Gchcimniß zu scvn: er müßte ja sonst wissen, daß Abdelkader ein Pulver-Erfinder, ein Held, Reformator, ein Afrikanischer Napoleon, ein westlicher Mehmed Ali zum wenigsten ist!" Zch aber babc in meiner Demuth mir immer nicht erklären können, warum der Pulver-Erfinder kein Loth Pulver in seinem reformirtcn Reiche fabrizircu kann, sondern cs seinen Feinden abkauft oder von einem Ucbcrläufcr derselocn machen läßt; ick, bc- grig nicht, wie man in einem achtjährigen Hcldenlebcn hundert Treffen verlieren und nur ein einziges gewinnen kann °), und staunte endlich, daß ein großer Mann die köpfe der Feinde absckmcidcn läßt, und zwar von Tag zu Tag den Preis für den Kopf erhöht! So viel einstweilen für die begeisterten Freunde des jungen Helden. Wir werden ernster ans die Untersuchung seines Sepns und Wirkens cingehcn, indcm wir die bekanntesten Hauptmvmente seines Lebens hcrvorbcbcn und daran die Beweise knüpfen werden, daß vorzüglich jene zwei in unserer Einleitung genannten Mittel den unbedeutenden Menschen zum großen Manne gemacht. Abdelkader, der im Jahre 1807 am Fuße des Atlas geboren ist, wurde wissenschaftlich erzogen, wie seine Freunde sagen. Wissen schaftlich heißt aber hier so viel, er hat seine Muttersprache »der vielmehr den Koran lesen gelernt. Weiter weiß er nichts, wie alle Reisende erzählen. Das ist auch für einen Araber jetzt viel: denn die Nachkommen des Bölkes, in dessen Schoße die Algebra erfunden, die Philosophie verjüngt unk jeder Kunst unv Wissenschaft eine neue Form gegeben wurde, Vic Nachkommen dieser Araber sagen, wir staunen jetzt einen Menschen an, der den Koran gelesen hat und mit den spitzfindigen Auslegungen desselben nicht unbekannt ist. Als Marabut, also Heiliger, hat er auch das Privilegium der meisten Heiligen, das profane verderbliche Wincn geringzuschäycn. Die heilige Reise nach Mekka, die jeder fromme Muselmann macht, wenn es die Umstände erlauben, hat er zweimal unternommen, und deshalb beißt.er auch Hadschi, d. h. Wallfahrer. Diese Pilgerfahrten waren von großem Borthcilc für den Pilger. Sie haben ihm nicht bloß einen Sitz in Muhammed's Paradiese er worben, sondern auch die Prophezeiung cines himmlischen Wesens in der Gestalt cines greisen Derwisches, daß er Sultan der Araber werden soll. Auf den Aberglauben der Stämme wirkt diese Prophe zeiung mehr, als alle Ansprüche der Geburt und des Talentes. Sie wurde noch einflußreicher, als ein anderer Marabut versicherte, ihm bade der Engel Gabriel (bekanntlich der Erzengel des KoranSj im Traume erklärt, daß dtr Sohn Mahaddin's, Abdelkader, Fürst der Gläubigen werden wird. Einen anderen großen Bortbcil brachte die Reise dadurch, daß rv Aegypten sah und die Reformen Mehmed Alvs. Aber Mehmed Ali nachzuahmen, hat nicht jeder Herrscher der Muhammedaner Lust, und diejenigen, welche nachahmende Bcrsuchc machen, scheitern gewöhn lich. Das Letztere geschah dem Sultan Mahmud. Dieser nämlich gleicht in seinen Reformen dem Könige Achas, der den Göttern opferte, deren Anbeter ihn geschlagen hatten, in der Voraussetzung, sie müßten größer als seine Götter seyn, die ibn schlagen ließen. Seinen Europäischen Siegern und seinen Acgyptischcn abmtc Mah mud nach und scheiterte, nicht einsehend, daß die Menschen und die Verhältnisse diesen Reformen ungünstig waren. Abdelkader abmt Mehmed Ali nicht nach, er hat auch die Macht über seine Araber nicht so, wie jener über seine Fellah'S; aber er ahmt dein Sultan Mahmud nach, indem er Kultur und Reform von seinen Siegern hcrbeirufl und wie dieser bei seinen starrstolzcn Unterthanen damit scheitert. Beim Falle Algiers war Abdelkader weiter nichts als der Sohn eines hochgeachteten MarabulS, fern von aller politischen Bedeut samkeit. Zwei Fahre später, noch beim Leben seines Vaters, stand er an der Spitze mehrerer Stämme gegen die Franzosen, die er nach Art aller wilden Bergvölker ovev Steppenbewohner bekämpfte, nämlich indcm er einzelne Feindc überfiel und vor zablreichcn in die unzugänglichen Schlupfwinkel floh. Er erlitt stets Niederlagen und wurde doch stets größer, weil die Franzosen in ihrer Politik gegen ibn viel scharfsichtiger handelten, als der Schein zeigt. Um Ruhe und neues Land zu haben, mußten sie nämlich Stamm für Stamm bekriegen, mußten, um einige räuberische Horden zu strafen ober einem verbündeten Stamme die geraubte Heerde zurückzufchaffen, kostspielige Erpcvirioncn unternehmen. Sic gaben dem Abdelkader nach und nach die Herrschaft über die westliche» Stämme, und er mußte ihnen durch Vertrüge alle die Bortbcile cinräumcn, die sic im günstigsten Falle von den einzelnen Stämmen erlangt hätten. ') Er Nat nur ein einziges Mal im Anni 1ÜZ5 gegen die Franjosen unter Lem tapferen Lreiel gesiegt. Gerade dies beweist, wie wenig gefährlich er durch sein Genie ge halten wird; man bediente sich seiner als Mittel, Tribut und Han dels-Bortheile selbst von den Bewohnern der Schluchten des Atlas zu erlangen.' Hätten ihn die Franzosen für gefährlich gehalten, -so würde doch wohl ein Land von ZL Millionen Menschen einen Araber- Häuptling besiegt haben. , Dieses ist der Sinn und die Bedeutung der Fricdenschlüsse, und nur die grösste Unkllnde der Sachlage konnte glauben, Frankreich babc aus Zwang oder Furcht ibn als Emir anerkannt. Unter den Bedingungen war auch die, daß Abdelkader alle Europäer schütze, welche sie Länder jenseits vcSSchellif bereisen. Hierdurch wurden viele Wißbegierige aufgemuntcrt, jene Länder und ihren Emir zu besuchen. AuS allen Berichten, die wir verglichen haben, selbst auS denen seiner eifrigen Lobredner geht hervor, daß das Land noch so bestellt ist, wie eS vor vielen Jahren war, und dass Abdelkader nicht einmal ernstlich an Reformen denkt, viel weniger sie auSjübrt. Seine Residenz, seine Worte unv Handlungen werden so geschildert, tbie man Alles bundert- mal von einem Ncgcrkönig in der Nähe des Acqualors gelesen hat. Ein witziger Einfall, ein Ausdruck barbarischen Stolzes und Nach äffung vieler Unsitten der Europäer ist Alles, was von ihm erzählt wird. °) Die Zeit dcs Friedens hat er benutzt, Ltämmc zu unter werfen, was Frankreich nur erwünscht seyn konnte, und einen Zug nach der Wüste zu unternehmen, welcher schmachvoll endete, wobei Abdelkader weder Kriegskunst noch Politik zeigte, unv wobei er gewiß von seinen Anhängern verlassen, wenn nicht crmordct worden wäre, schützte ihn nicht sein Charakter als Heiliger. Ehe wir zu seinem jetzigen Kriege übergehen, müssen wir noch eine Cbarakterzcicbnung Abvclkadcr's besprechen, die man ost in Fran zösischen Büchern und Zeitungen findet. Diese sagen, Abdelkader scv ein neuer Zugurta, auf demselben Boden. Der klassische Vcrglcich ist nicht nur wohlfeil, sondern klingt melodisch für ein Französisches Ohr. Denn nicht nur ist es ein Trost, einen Feind, mit dem man nicht schnell fertig geworden ist, für schlau und gewandt zu erklären, für schlecht und betrügerisch, sondern auch einen anderen Vorthcil har der schöne Vergleich, für die-Französische Eitelkeit ein süßer Bissen. Im Hintergründe dieses Vergleichs nämlich liegt die Konsequenz, daß Paris aequal Rom scp, und daß die Pariser Römer von Abd clkader so betrogen werden, wie einst Rom von Zugurta, unv daß eS ihn eben so behandeln müsse. Wir aber sprechen nur unsere lieber- zeugung aus, wenn wir erklären, daß wir Abdelkader weder für schlecht noch für scharfsinnig-genug halten, eine Parallele zwischen ihm und dem Numidier zu ziehen. Abdelkader war fast vergessen, als cr plötzlich vor einigen Mo naten an Frankreich den Krieg erklärte und damit anfing, daß cr die sorglosen Kolonisten überfiel, ihre Häuser und Felder zerstörte und sie selbst ermordete. Aus dieser barbarischen Kriegführung und aus seiner Versicherung, daß seine Araber durchaus rcn Krieg be gehren und ihn zwingen, trotz Versprechungen und Verträgen, über die friedlichen Bewohner herzufallen, auS diesem Allen, sagen wir, könnte man schon schließen, welche Scelengröße in ihm wohnt, und welche Macht cr besitzt. Der klägliche Erfolg seiner neuesten Hclvcn- thaten muß ibn in den Augen seiner Bewunderer bcrabsetzcn. Nichts läßt sich zu seinen Gunsten erklären, als etwa die List, mit welcher er den altcn Balöc cingeschläfcrt hat. Aber selbst dieser alte Balöc, der so wenig vorbereitet auf Krieg war, der so wenig Truppen und Kricgsvorräthc hatte, trieb die Horden Abdelkaders zu Paaren. Man glaubte Wunder, welche Disziplin,' welche Taktik der Emir auf das neue Schlachtfeld bringen würde, nachdem cr mcbrcrc Jahre ruhig die angeblichen Reformen einsuhrcn unv den Zustanv seincr Truppen verbessern konntc. Aber seine Disziplin ist die alte Zügel losigkeit der wilden beutelustigen Beduinen, seine Taktik, Unbewaffnete zu morden und vor Bewaffneten zu fliehen. Er bat die Fahne der Freiheit entfaltet, von Araberthum und heiligem Kampf für ven Is lam gesprochen und hierdurch zahlreiche Stämme unter scincn Fah nen versammelt und doch keinen Erfolg weiter gehabt, als die Nic- dcrmcyclnnq der wehrlosen Landlcute und die Ermordung einiger Soldaten, für dcrcn Köpfe der angebliche Freund der Civilisarion jetzt eincn höheren Preis bezahlt als früher. Ist dieser der Mann, der Vic historische Größe des Arabischen Volkes wiederhcrstellci, wird? Ist dieser der Mann, der nach Nord Afrika den Sitz der Weisheit, der Bildung, des Kunstflcißcs unv des Glanzes verpflanzen soll, wie er in den schönen Tagen von Bagdad unv Cordova war? Wir sagen nein! Tausendmal nein! obgleich Tausend überspannte Bcwundcrer vcs heiligen Abenteurers Za! sagen. Mit Arabcrtkume, Türkenthume und der thu me noch mehr ist cs überhaupt jetzt im strahlenden Angesichte der Intelligenz aus, völlig aus. Dic rohe Gewalt ver stolzen Barbaren muß vor Europäischer Gesittung und höherer Bildung, vor Europäischcr Kriegskunst uuv der sittlichen Idee das Knie beugen; selbst einem Okba öder Alman- zor würde cs nicht mchr gelingen, die in sich gebrochenen entwür digten Muhammedaner zum Siege gegen Europa zu führen, wle wird es gar einem Abdelkader gelingen? Wir wollen glauben, daß er so gut predigt, wie Cromwell, so gut reitet wie Alexander; wir wollen ferner scincn Lvbrcdnern auch glauben, va» cr cm bloßer Jüngling ist und dadurch etwas Napolconartigcs bat, wodurch cr sich bei Fclvvredigcr Schmclzlc und seinen Schwestern empfiehlt, aber wir sinv überzeugt,'daß cr von der Heldennatur dieser drei Männer und von ihrem Regenten-Genie nur einen Züfusionsthcil besitzt. Welche Aufgabe hat Frankreich aber jetzt? ES muß den Mörder -) Dec Danisch- PaneaurikuS deS Herrn Dinescu enthalt viele grrchnmer, ,. P. Lau Ven Al-,sch nicht »ach 'Frankreich gekommen sk», und d r unbk- sgngcnc vcscr wird daraus von selbst schlichen, wie cs mit der Größe und den Kennuen des Araders steht.