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Wöchentlich erschein-» drei Nummern. PninnmerationS- PreiS 22; Tzir. (j. -Idir.) mcrteljölMich, Z Thtr. sür kaS gsnze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußische» Monarchie. st Magazin für die Man rränumerirt aus diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staatr-Zeitung (FriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Poll - Aemlcrn. Literatur des Auslandes. ^1? 22. Berlin, Mittwoch den 26. Februar 1840 A l. g i e r. Abdelkader, als Gegner der Franzosen.") Unter den mannigfachen Mitteln, wodurch die Stimmen der öffentlichen Meinung gewöhnlich kür Personen und Dinge, gewonnen werden, sink, nächst der Volksslbmcicbciei, noch zwei mehr unabsicht liche Mittel die wirksamsten: der Reiz der Ueberraschüng und die süße Erbauung der Seclcnschwäche am Romantischen und cin fremden Abenteuern. Diese zwei Reizmittel folgen dem Lebenslaufe fast aller Menschen, welche aus dem großen Kreise der Allgemeinheit hcrvor- treten, um sich durch Großthaten oder Schandthatcn, durch blutige Waffe oder friedliche Kunst anszuzcichnen. Wir konnten hier zahl reiche Beispiele bon Naturdiwlcrn, Jodlern und Tänzerinnen an- sühren, die oft jenen zwei Mitteln, oder wenigstens dem Reize des Ungewöhnlichen, öffentliche Gunst verdanken, die dadurch von der halben Bevölkerung einer Residenz verhätschelt und — zu Grunde gerichtet werden ") Aber wir überspringen solche Beispiele, um vermittelst der ernsteren Weltgeschichte unserem Thema näbcr zu rücken. Man prüfe den Ruf derer, welche Völker oder Einzelne be raubt oder geschlachtet haben, mau prüfe das lieben des-erobernden Emporkömmlings oder des Räuber-Hauptmanns, eS wird sich zeigen, daß ihre außerordentliche Erscheinung, ihr Anflchuen und Kampf gegen das Bestehende, ihre stets poetisch und mit Uebcrschätzung ausgeschmiickten Abenteuer ihnen mehr Bewunderer zufiihrten, sie früher zu Helden stempelten, als cs der Maßstab des nüchternen Ur theils konnte. Ein Fra Dtavolo und Schubri, sie mögen be schränkten Geistes uud Geißeln des Menschengeschlechts sepu, sinken unter dem Schutze jener Reizmittel Bewunderung, ja stille Anbetung bei mancher schonen Bewohnerin eines Boudoirs; denn daß Fra Diavolo auch galant, Schubri auch schön nnv edcimüthig ist, das versteht sich ja von selbst. Richt aber bloß der gewöhnliche gcinmgsieser, sticht bloß der schwache, ans seinen engen Gesichtskreis beschränkte Haufe, nicht bloß die Felpprcdiger Lwmclzle""), die in ihrem Traume Festungen allein erstürmen und in ihrem Wachen Herz und Auge an Zeitungs- Berichten von Gefahren, Schlachten und Siegen weiden, nicht bloß solche, sagen wir, sondern auch gebildete, wcltkunkige Mäuner werden nicht selten durch jene Reizmittel irre geführt und'um ihre Stimme betrogen. Daß wir unsere Behauptung ans das öffentliche Urtheil über den Ebaraklcr Aboelkadcr's auwenden werden, konnte der befer schon unseren ersten Worten entnehmen; ehe wir zekoch die Pflicht des Beweises erfüllen, sep uns erlaubt, mit ruhigem Blicke noch einmal den Zustand Rord-Afrika's und die Niederlassung der.Fran zosen daselbst zu durchlaufen. Wägt mau die'Mittel und Erfolge der Franzosen bei der Er oberung und Behauptung Algiers mit denen der Briten in Ostindien ab, so kann nur Bewunderung für England, scharfer Take! dagegen für Frankreich das Ergebniß sepu. Dori setzt sich eine Gesellschaft von Kaufleute», in einer ungeheuren Entfernung vom Boden uud den Hülfsquellen der Heimat, mitten unter kultivirtcn, mächtigen und kriegerischen Volker» fest, schreitet von Eroberüng zu Eroberung, bcbauptet und orgauisirt cin Reich, das fünfmal größer als das Mutterland ist, und wodurch dieses Mutterland zum reichsten Lande des Erdbodens gemacht wird. Frankreich hingegen hat in einem banke, von welchem eS nur durch die Breite des Mittelmeeres ge trennt lst, das übrigens nur schwach, von ungebildeten, in sich zer- nuencn «tammeu bevölkert ist, mit allen Hülfsgucllcn des Staates ausgerüstet, seit zehn Jahren nur diese Hülfsgucllcn mehr crschöpft, hat durch lews Verwaltung den Haß Afrika'», die Mißbilligung Europa's auf sich geladen nud Hal nach so vielein Blut- und Geld verlust die Schmack, daß die verächtlichen Barbaren ungestraft vor den Thoren der Hauptstadt schwärmen, um dort den friedlichen, auf den Schutz Frankreichs vertrauenden Kolonisten abzuschlachtcu uud seine mühsam erworbene Habc^zu vernichten. Um aber das, was die Französische Verwaltung gctban hat, und das, was sie hätte thun komwu, sachkundiger zu untersuchen, '> Der Apologie des Araber-Häuptlings, die wir in Nr. i> und 7 des Magazins nach den Mittheiliingen eines D-men qeqedcn, lagen wir hier die Gegenrede eines Deutschen folgen. Die Ereigmne in Afrika dürften wohl bald zeigen, auf weicher Seile di- richtige Auucht lich dcnndei D- N. "Glieder den Naturdichter Hiller und feinen Aufenthalt in Perlin spricht nch Solger in feinen Völefen mit vilrerer -Wahrheit aus. '") ltnfere Leser werden das herrliche Werk unter diesem Namen von Jean Paul kennen. gehen wir einen Augenblick bis zum Frühling des Jahres I8Z0 zurück. Die Einwohner der Regentschaft, Mauren, Juden, Araber, Kabvlcn, waren damals nichts weniger als selbständig und frei. Sie seufzten seit Jahrhunderten unter dem Joche der eingcdrungenen Türken, die das band mit dem aus ihrer Mitte gcwäbltcu Dey mit militairischer Macht beherrschten. Die ganze Nordküste und viele Städte im Innern waren ihnen unterworfen; sie hatten in den letzteren Besatzung«» und legten dabei Eitadclicn an. Dagegen war ihre Herrschaft über die vicluamigcu Stämme des flachen bankcs und der Gebirge zweideutig. Der Tribut konnte nicht bei diesen erhoben, sondern mußte jedesmal erkämpft werden. Es gab da mals eben solche, ja noch heißere Raufereien zwischen den Herrschern der Hauptstadt und den Stämmen, nur hörte Europa weniger da von, da keine Europäische Macht weiter dabei bctbeiligt war. Je näher dic Einwohner dem Atlas und der Wüste waren, dczsto ent fernter waren sie, sich für Untcrthanen der Türken zu halten. Mit dem Sturze der Soldaten-Aristokratie in Algier änderte sich die Gestalt der Dinge plötzlich. Dic Stunde von der Ankunft der Franzosen und ihrer Besitznahme der Stadt wurde iu Berg und Thal mit Frcudetrunkcuhcjt ausgenommen: im Enthusiasmus über die Züchtigung der verhaßten Zwingbcrrcn vergaßen die,Gläubigen, daß sie den Sieg des Kreuzes über deu Halbmond feierten, sie dachten nur daran, die Franzosen als ihre Befreier zu begrüßen. Dieser Freudentaumel hätte in deu, Häudeu einer umsichtig bc- rechncude» Verwaltung zn schönen Zwecken auSgcbeutet werden können. Würdigung der Umstände, Schonung der Sitten, Feststellung des RcchtSzustandes, Milde mit Energie gepaart würden ilm gereckt- scriigt und erhalten haben, Rcligionsbäß und Fanatismus würden so bald nicht wieder zum alten Bewußtscpu gekommen sc»n. Allein Frankreich ließ den günstigen Augenblick vörübcrgcben! Es war schon ein Unglück, daß dic Sieges-Botschaft von Algicr und dic Nachricht vou dcr Juli-Revolution sich fast begegneten. Der Wechsel der Herrschaft in Paris zog nothwendig den iu Algier nach, aber das; der Wechsel dort so lange, zum Verderbe» der Kolonie, fort dauerte, war schwerlich nothwcudig. Dic Ersetzung Bonrmont's durch Clauzel war cin Glück: jcncr war mit kcm ucucn Frank reich zerfalle», dieser über stand eben so rein als glorreich da und zeigte sich überdies als trefflicher Verwalter. Aber man fing an, die Kolonie als eine Bcrsvrgimgs-Anstalt zu betrachten nnv schickte alte verdiente Krieger zur Belohnung dahin. Dcr ciscruc Ro- vigo unk der eolc Erlon waren tapfere sdcr Letztere durch Kriegs dienste hochberühmt) geachtete Männer, aber sic waren wo Jabrcu näher als ä», und in solchem Alter mußten sic zu schwach für ibrc großc Aufgabe sepu. So wenig wie der Mars eine junge Lieb- haberrolle gutsteht, weil ihr eine 50jährige Praxis zur Seite ist (LllPi wenn ihr solche Rollen noch ausnahmsweise gelingen, so ist es Nicht purepguv, sondern P»>igm.), vbeu so wenig paßten die beide» Generale in eine Stellung, wo sic Feldherren, Regenten nnv ab- bäugig von.Paris und der Presse zugleich sepu mußte». Ergraute Krieger, einem unermüdlichen Feind gegenüber, müssen wenigstens eine geharnischte Begeisterung, eine Idee für Vaterland nud Frei heit zur Seitx haben. Erlou nud Rovigo hatten nur die glor- reicheu Erinnerung«,, aber nicht die Kraft des Kaiserreichs' zur Unterstützung. Die getäuschtem, mißhandelten und in ihrem Glauben sich für bedroht balrcnkcn Einwohner griffen zu deu Waffen. Aber dir Bürgschaft des Erfolges lag nicht in den Verhältnissen; denn eS fehlte an dcr nölhigcn Einheit dcr Prinzipien und an cincm Führer. Der Oste» verfolgte einen anderen Wunsch als dcr Wcstcu, indem dort das Türkische Element, hicr das Arabisch-Maurische vorherrschte. Im Osten sammelten sich die Trümmer dcr Türkiscbcu DeSpotic, die iu Achmed Bcp ibrc» Repräsentanten, i» dcm festen Konstantine ihren Sitz hatten, zmn verzweifelte» Widerstande; iin Westen dagegen kämpften die einzclucu Stämme, gleich feindlich gegen Türken und Franzosen, für ihre Zelte und für ihre Hcerdeu, ohne Sinn für Dolksthnm und Freiheit im edle» Sinne des Wortes. Dieser Gcschiedcuhcit hat Frankreich seine Erhaltung iii Algicr . lind den endlichen, thcuer erkauften Sieg über das Türkische Element durch den Fall Koustantinc's zu verdanken. Was wäre aus dcr Kolonie geworden, wenn gegen dic Französischc Uncutschicdcnbcit und falscbc Auffassung dcs Volks-Charakters ein Mann aufgcstandc» wäre, dcr, von eiucr cdleu Jvce für Unabhängigkeit beseelt, dic Tugenden »mV dic Vorurthcilc dcS Landes zu benutze» verstände»