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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- Preis 22j Cgr. fj Thir.) vierteijLhrlitb, 3 -dir. sür da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preussischen Monarchie. Magazin für die Man »rännmerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Alia. Pr. Staaie-Zeilung (Friedrich-ftr. Rr. 72); in der Propin, so wie im ÄuSlaude hei den Wohllöbl. Post Aemtern. Literatur des Auslandes. 13 Berlin, Mittwoch den 29. Januar 1840. Nord -Amerika. Capitain Marryat und die Amerikaner. Was vor zwei Jahren der Amerikanische berühmte Romanen- Dichtcr Fcnimvre Cooper gegen England acthan hat, da» thut jetzt zur Vergeltung der Englische berühmte Romanen-Dichter Marryat gegen Amerika; und Beide scheinen sich durch ihr Streben gleich ernste Mißbilligung zugczogen zu haben. Wlc Cooper in seinem „England", so scheint Marrpat in seinem „Tagebuch in Amerika"') Vieles gesagt zu haben, was aus falscher Auffassung der Charaktere, auf von Hause mitgenommenen Vorurthrilen und auf Uebertreibung, wenn nicht auf absichtlicher Entstellung beruht; und er scheint abermals zu beweisen, daß die Dichter, je größer sie sind, desto weniger init den praktischen Wahrheiten umzugehcn wissen, als schämten sic sich gleichsam, schlichte Thatsachcn mit gesundem Urtheile treu zu berichten, nachdem sie so lange durch heitere gabel und Ausschmückung das Glück an ihre Feder gefesselt haben. Bei diesem Treiben jedoch hat der Beschauer eine schone Gcnugthuung in dem Benehmen des Englischen Publikums. Während die meisten Amerikaner über Cooper'S „England" frohlockten, tritt die edcl- müthiacre KritikBritanienS gegen ihren Landsmann für Amerika'S Rechtfertigung in die Schranken. Selbst die ltusrtorlv Kovierv, die sich Jahre lang geübt hat, BöscS von Amerika zu sprechen, nimmt diesmal seiner Sache sich an. Und wir glauben auch, Marrpat hätte viel besser gethan, die Farben gemäßigter, weniger poetisch aufzu tragen. Ist die Uebertreibung an sich schon unedel, so ist sic bci Schilderungen Amerikanischer Zustände noch dazu ganz überflüssig, und zwar auS dem einfachen Grunde, weil man von ihnen schon genug Uebles gesagt hat, wenn man die nackte Thatsachc hinstellt; und man giebt den Amerikanern nur Mittel in die Hände, sich wegen schlechter Gebräuche und Gewohnheiten zu rechtfertigen, wenn man ine Schilderung derselben übertreibt. Eine Probe, wie die Englische Kritik von Marryat's Werke über Amerika denkt, mag folgende Bc- urtheilung aus dem -rrlux unseren Lesern geben: „Benn Schluffe der ersten Abtheilung des Marrpatschen Werks über Amerika", sagt der Englische Bcurtheilcr, „waren wir zu hoffen berechtigt, daß das Beste, das Schlagendste noch kommen werde, und wir blickten neugierig auf das, was der Vcrfaffcr über Einrichtungen und gesellschaftliche'Charakteristik der Vereinigten Staaten sagen wird. Wir sind getäuscht worden. Alles in diesen drei Bänden über die Union Gesagte scheint nur eine Rache zu scpn, die der beleidigte Autor gegen ein Volk übt, das ihn, wie eS scheint, nicht freundlich ausgenommen hat. Wahr ist es, man hat ihn in öffentlichen Blättern verieumdct, in anonymen Briefen beleidigt und ihn während seines Aufenthalts daselbst vielfach gereizt; aber wer der Angreifer war, Amerika oder der Schriftsteller, ist unbekannt. ES ist auch gar nicht wichtig weiter; cS ist genug, wenn man weiß, unter welchem Ein flüsse daS Werk geschrieben ist. Beim Streben, zu spotten und zu tadeln, greift cr Vieles aus, was er zu Hause noch arger hätte finden können. So z. B. werden viele Anekdoten von der Grobheit der Kutscher erzählt; aber der Capital» mußte wissen, daß man auch in England solche Wagenlcnker findet. Während die Kutscher, Postillone und Fuhrwerke schlecht wcg- kommen, werden die Gastwirthe und Gasthose wieder fast zu viel gelobt. Interessant ist wenigstens folgende Stelle hierüber: „Der Amerikanische Gastwirth erscheint noch als Gastgeber; er und seine Frau sitzen bei der Mahlzeit an der Spitze der mble-ä'köle. Bei der Ankunft bewillkommnet er freundlich, und ist man in Begleitung seiner Bekannten, so wird man ihm vorgestellt. Der Gastwirth wird in den achtbarsten Gesellschaften gesehen. Diese Stellung der Gast wirthe wird länger blerben, als andere Dinge in diesem wandelbaren Volke. Die Manie des Reisens in diesem Lande macht cs noth wendig, daß alles sich auf die Bequemlichkeit deS Reisenden bezie hende wohlgeordnet sey. Die öffentliche Meinung weist dem Gast wirthe diese Stellung an, und die öffentliche Meinung ist in diesem Lande despotisch. Weil der Gastwirth solche Achtung genießt, ergreift auch der Gebildetste dieses Geschäft. Der Strom von Reisenden, der sich durch dieses Land zieht, giebt Jedem Verdienst genug, ebne daß er zu übermäßigen Rechnungen greifen muß. Die Preise sind bestimmt und Jedem bekannt, und der Präsident hat nicht mehr zu ' 1 la rrltb reaucrv» na N- lu-NNillnn-. II. lieber die erste Abthcilung haben wir in niedreren Artikeln des vorigen Jahrgangs berichtet. zahlen, als der arme Reisende. Jedermann kann sonach gleich seine Ausgaben berechnen; übertheuert kann cr nicht werden, und Ge schenke an die Kellner sind eine freiwillige Sache, gefordert werden sie nie. Anfangs pflegte ich die Rechnung zu untersuchen, später sah ich nur nach der Summe und fand, wenn ich bci Muße ver glich, daß ich niemals betrogen worden bin. Gcwiß eine seltene Erscheinung in diesem Stande, aber es ist in Amerika doch allent halben so; die wenigen Ausnahmen finden sich nur in den großen Hauptstädten." Bon Reisen und Reisende» wendet sich der Verfasser zu Be trachtungen über AuS- und Einwanderung; hierauf ein Kapitel über die ZeilungSprcsse, voll der heftigsten'Invektiven. Biel überflüssiges Gerede macht er dann über die Schriftsteller, und in mehreren Ka piteln über Gesellschaft, Frauen, Patriotismus, Regierung u. s. w. steht nur, was Andere vorher schon erschöpft haben. Wenn wenig Neues gegeben wird, so wird noch weniger un parteiisch gegeben. Marryat ist so gegen die demokratische Verfassung eingenommen, daß cr alle Institutionen der Bereinigten Staaten mit Abscheu betrachtet. Wegen der politischen Verhältnisse mit einem Schriftsteller von vorgefaßter Meinung zu rechten, wäre unnütz, auch gehört ein solcher Streitpunkt nicht hierher; was Vie socialen Ge wohnheiten betrifft, muß man gestehen, daß ein fashionabler Novellist Vieles in Amerika zu tadeln findet. In dem gesellschaftlichen Ver kehr ist dieses Land unstreitig noch zurück, weil es anderweitig be schäftigt ist; cs.har zu viel industriellcn Geist, um noch Sinn für polirtc Gebräuche der Fremde übrig zu haben. In fünfzig Jahren vielleicht wird Amerika alle Verweichlichung haben, Vie ihm seine geckenhaften Kommentatoren wünschen; cS wird alle Stadien der AuSschwcifimg, der Verdorbenheit der Europäischen höheren Kreise durchlaufen haben und in den unvermeidlichen Verfall gerathcn; jetzt ist eS nur kräftig und roh — nur gesund und unpolirt, alle Plump heiten eines handeltreibenden StaatS darbictend, ohne die Groß artigkeit und Eleganz ältercr Völker. Amerika wird auch seinen geschichtlichen Kreis wie alle andere Völker durchlaufen, cs wird sein Emporstcigcn, seinen Gipfel und seinen Verfall haben; man lasse cS nur lange genug cristircn, eS wird schon civilisirt, aber auch ver derbt werde».') Man höre, wie er vom Benehmen des Amerikanischen Bürgers spricht: „Auf den Gesichtern der unteren Klaffen ist keine Demo kratie zu sehen; cS zcigt sich jenes arrogante Wesen nicht, das man beim Despotismus des Bürgers vorauszusetzcn gewohnt ist; ja, diese Klaffe ist höflicher als bei uns. ES ist ein solches höfliche Betragen noch bcmcrkenswerthcr, wenn man weiß, daß dieselben Leute bci poli tischen Aufregungen oder anderen Gelegenheiten anmaßend und un verschämt sind. Aber auch ein Unterschied der Einwohner tritt hier bei hervor. Der geborene Amerikaner nämlich ist in der Regel ruhig und gefällig, rohe Behandlung dagegen hat man zumeist von den Eingcwandcrtcn zu dulden. Ich habe früher erklärt, daß der Ameri kaner guthmütbig ist, und diesem Temperament schreibe ich seine Höf lichkeit zu. Aber warum sind sie gutmüthig k ES scheint mir, daß dies eine von den wenigen Tugenden ist, welche von der Demokratie erzeugt werden. Wenn die Stufen der Gesellschaft geschieden sind, wenn, wie anderswo, der Unterschied der Stände feststcht und man sich ohne Murren seinen Konsequenzen unterwirft, dann ist cS handgreiflich, daß, wenn man in Gegenwart cmcS Höheren oder Gleichen sein Tempe rament beherrschen muß, man ihm die Zügel schießen läßt, wenn man mit Niedrigeren zu thun hat. Das Hingeben aber an unsere Tcmpe- '> Wenn man unser Original (»rechen hört, sollte man alauben, die Amerikaner waren eben — ich will nicht sagen vom Himmel gefallen, denn wie gefallene Engel sehe» sie gar nicht aus — aus dem Schoß der Muttererde hervorgeganqen und waren lieblich in ihrem Stande der Unschuld aninbttcken. DaS oben Gesagte liehe sich höchstens auf die Kab»lc» oder Indianer anwcn- den, die Amerikaner aber sind kein rohkrastigeS Naturvolk, das Gott und die Welt nur von seinen Bergen oder Prarieen auS kennt und von der sittlichen Verderbtheit wie von der sittlichen Bildung gleich fern isti ste sind vielmehr bloße »usammengeworsenc Theile verschiedener Völkerschaften, die sich hier, wie auf einer ungeheuren Messe, Geschäfte halber begegnen Jst eS etwa der »atriarchalische Zustand der stmvlcn urvölker, in welchem Amerika seine Sklaven hall? Nein! LaS junge Amerika stammt zum großen Thesl von den Briten ab, die dem fluchwürdigen vaster der Menschenguaierei entsag» haben, eS stammt theilweise von Deutschland ab, wo man dies Laster nicht kannte, und doch wurden sich seine Söhne lieber selber die Köpfe einander herunter- rclßen, ehe ste den armen Neger in seine Menschenwürde einsetzteu- Zu seinem Verfalle ist Amerika übrigens jetzt schon gekommen, ohne das Stadtum der Bildung durchlaufen ,u haben. Von der volttischen Welt ist es fast wie ver schwunden, die Zeitungen svrechen nur von ihm, wenn sie seine Bankerotte verkünden Ansehen fehlt ihm, Geld hat es auch nicht mehr, giebe'S für Amerika einen größeren Verfall? D. Uebers.