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Wöchentlich erscheint» drei Nummern. PränumerationS- Prei« 22H Sgr. (F Thlr.) rierte'MrUch, Z THU. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen Ler Preußischen Monarchie. für die Man »rönumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (grieLri-LSge. Nr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« Lei den Wohllöbl. Posi > Äemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, Mittwoch den 5. Februar 1840 Italien. Rom im Sommer. Mittheilungen eines Deutschen. Volksfeste, alte und neuere. — Wusserspicle. Der Ingo oder die Bewässern ug des Navona-Platzes ist der traurige Rest einer durch alle Jahrhunderte der Stadt geschlungenen Kette von mannigfaltigen und glänzenden Volksbelustigungen, den das nicht abz^oe.scnir Bedüriuip oee Kahiuug m oen heiße« Tage» für unsere an tüchtiger Volksthümlichkeit so arme Zeit aus dem Schiffbruch eines kräftigen Volkslebens gerettet hat. Mr nimmt diese Ergötzlichkeit erst spät im Jahre, zu einer Zeit ihren Anfang, wann gewöhnlich heftige Regengüsse und starke Gewitter schon die größte Gewalt der Hitze gebrochen haben. Die Alten wußten ihre Zeit besser als die Neueren zu wählen. Von Belustigungen längs der Tiberufer, von Barkensahrten auf dein Flusse ist aus dem Alter sheim uns Kunde geblieben, welche in Vie heißeren Tage fallen, in dem schon im Juni das Fest der Kort,* Norton» dazu Veranlassung gab und wenige Wochen später, im Juli, die prächtigen NeptunS- Spiele gefeiert wurden. Es ist auffallend, daß die Kühlung, welche eine bewegte Waffermenge durch die umgebende Lust haucht, nicht auch letzt noch mehr als zu den Fontainen das Volk zu den Ufern des Flusses lockt. Er würde gänzlich vergessen seine gelbe Fluth durch die Stadt wälzen, versammelten nicht einige in Eil errichtete Badc- ZeUen täglich viele Leute, die in seinem nicht sehr einladenden Wasser Erquickung suchen. Indessen ist diese Freude von gar kurzer Dauer. Die Zieberfurcht hat eine Menge von Vorurtheilcn in der Gesund- heits-Praxis Roms erzeugt; sie bewirkt, daß gleich nach den ersten Regen die Zellen geschloffen werden, und mit der Badezeit ist's für dasselbe Jahr vorbei. Sind doch in ihren Besorgnissen ängstliche Pur puraten, wie der hypochondrische Kardinal Cibo unter Jnnocenz XI., zu verschiedenen Malen so weit gegangen, daß sie sogar ein Verbot der Navona-Scen im August zu erwirken suchten; zum Glück haben ärztliche Gutachten dem Volk dies Fünkchen Athem immer noch ge rettet. Im grauen Llterthum verschaffte dem Monate, welcher dem Juli folgte, dem Sestilis, die erste Berherrlichmm das Fest der Göttin wperanza, der an den Kalenden dieses ÄonatS geopfert wurde; an seinen Iden trat das bekannte Fest ein, welches den Sklaven die bittersüße Täuschung, sich einen Augenblick lang frei zu suhlen, gönnte. Natürlich nahm der Monat an Ehren zu, sobald Augustus ibn zu dem seinigen gemacht hatte. Derselbe hat seitdem durch alle Zeilen sem Ansehen behauptet, nebst manchem uralten Brauch; sonderlich an dem Begrüßen und Beschenken der Freunde und der Dienerschaft (der tömllm. wie sie unverändert heißt) wird getreu noch immer fcstaehalten. Im christlichen Rom, da inan wohl wußte, daß noch eher" sich das Volk sein Brod als sein Vergnügen nehmen läßt, war man zufrieden, der alten Wirthschaft ein neues Aushängeschild zu geben. Die Augustalien nannten sich nunmehr das Fest der Ketten Perri. Aus diesem Umstand haben denn Einige, die in ihrer Gelahrtheit den Wald vor Bäumen nicht sahen, den Ursprung jenes Namens, welchen man dem Freudengeschenk gicbt, kerrnxosc», herzuleiten sich die Mühe gemacht, indem sie, statt an Ferien und Freiheit, lieber an Eisen (ferro) und an Ketten dachlen. In der zweiten Hälfte des MonatS halfen zwei Heilige aus, Sankt RochuS am inten und am Lasten Sankt Bartholomäus. Da diesen Feiertagen noch die beiden Maricnseste des Monats bcizuzählen sind, nämlich daS Gedachtniß des Wunders vom Schnee und die Assumption, so ist leicht emzusehen, wie reich mit Andachten, Freuden und Ge prängen der August in den früheren Zeiten ausgcstattct war. L>. Rochus und S. Bartholomäus gaben bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts dem Römischen Jahre seine lustigsten Tage. Aus der Tiber-Insel schloß sich der kirchlichen Messe eine weltliche, dem feierlichen Opfer ein geräuschvoller Jahrmarkt an. Nachmittags deckte in dichtgedrängten Schaaren das Volk, aufs beste geputzt, die beiden Ufer des Flusses. Zelte, mit farbigen Stoffen behängt, waren dazwischen für Fürsten und Vornehme aufgeschlageu. Verzierte Ge rüste drängten sich an die Häuserreihen. Die Fenster der Paläste strahlten mit unzähligen Sternen der gcpriesensten Schönheit, in deren Dienst der Rnchrbum all sein blendend Spielzeug ausbvt. Verschwenderisch bewirtheten in den offenen Logen prunklicbenbe Große ihre zahlreichen und vornehmen Gäste. Den Fluß hinunter flogen in Wettfahrt leickte Barken. Der Sieger erhielt am Ponte Sisto seinen Preis, ein solches p»IIio, eine Fahne von Sammet oder schwerem Seidenstoff, wie sie noch immer an den Tagen des Karne val als Siegespreisc bräuchlich sind. Bisweilen wechselten die Wett fahrten mit Fischcrspielcn ab, die, ähnlich dem alten Pariser keu üs I'Ov, die Lachlust der Menge reizten. Das Kite Jahrhundert, dessen bewundernswürdiges Kunstgefühl, dessen Geschmack an den huma nistischen wtudicn, dessen feine Ausbildung urbaner Sitten nicht bin- dcrten, daß Späße, die für uns zu derb und täppisch sind, in Ehren standen, fügte Wettläufe von Buckligen und Krüppeln hinzu, welche halbnackt mit ihren Sprüngen und Grimassen das Volk belustigten. Wer an solchem widrigen Vergnügen gar zu sehr Ursach nehmen möchte, jenes Zeitalter der Rohheit anzuklagcn, den mahne dies zur Nachsicht, daß noch in dem Jahre 17ZY der Prinz von Sachsen einem Karucvalsschwank in Rom beiwohnte, welchen man die Tollen aus dem HoSpital Santo Spiritö ausführen ließ. Man wollte diesen Unglücklichen gern einen guten Tag machen. Sie wurden neu ge kleidet, und Nachmittags machten sie, von ihren Aufsehern angeführt, eine Maskerade. Schreiend durchstürmte der Schwarm den Korso und schlug die Begegnenden mit SchweiuSblasen, welche mit Luft angefüllt waren, k tu grn/.io.*», „es war ganz allerliebst", fügt ihrem Bericht über diesen vortrefflichen Spaß die damalige Römische Zeitung hinzu. Im Jahre iE verbot Papst Jnnocenz XI. die Barkenspiele, weil er in den weltlichen Belustigungen eine Entwürdigung der kirch lichen Feier erkannte. Eine Abgabe der Holzhändler, Schiffbauer und Fährleute von der Ripetta war bis dahin auf die Wettläufe, Pallien und Gänsespielc verwendet worden; Er wies dieselbe zu wohlthätigcm Zwecke dem Conservatorio di Ripetta an. Als daher fünfzig Jahre später Clemens XI., um die Beendigung seines an dieser Ripetta ausgeführtcn Baues zu feiern, die alten Spiele des S. Rochus-Tages erneuen wollte und jene Abgabe zur Bestreitung der Kosten bestimmte, that das Conservatorio Einsprache, und die beabsichtigten Festlichkeiten unterblieben. Der Bartholomäus-Tag aber wurde noch im Anfang des I8ten Jahrhunderts in alter Weise auf der Tiber-Insel begangen. Es war im Jahre 1701, als Fürst Livio OdcScalchi für diesen Tag eine große Büffcljagd auf dem Flusse ankündigtc, denn die Thicrhctzcn und Stiergefechte waren da mals noch nicht untersagt. Diese Jagd kam nicht zur Ausführung, obgleich der Fürst für die Königin von Polen, Maria Kasimira, einen prächtigen Pavillon in Form eines runden Tempelchcus bereits am User halte errichten lassen. Man pflegte in jener Zeit auch allerlei Schaustellungen aus bas Fest zu veranstalten. In S. Rocco wurde den Malern Gelegenheit gegeben, ihre Arbeiten auszustellen, und, was wohl bemerkenswerth ist, in dem erwähnten Jahre zeigte die Brüderschaft der Fateben-Fratclli öffentlich eine Sammlung von Nachbildungen anatomischer Präparate in Wachs. Schon früh bediente man sich einzelner Fontainen der Stadt, um zur Abkühlung der Luft den umliegenden Raum unter Wasser zu setzen. Pompilius Totti, welcher im Anfang des I7ten Jahrhun derts seine „Schilderung Roms" herausgab, beschreibt die zu seiner Zeit im Sommer üblichen Bewässerungen des Platzes Farnese und der ganzen Strada Giulia und setzt hinzu, daß, um der Frische zu genießen, vieles Volk dahin strömte. Die Strada Giulia verdankt der Vorliebe des Papstes, von welchem sic den Namen trägt, Julius ll., viele Verschönerungen und ihren schnurgeraden Lauf. Sie nimmt diesseits der Tiber dicht an Ponto Sisto ihren Anfang (wo sie gegenwärtig Via del Fontanone heißt) und läuft längs des Flußufcrö breit und ausgezeichnet durch Paläste und Kirchen, bis an den Punkt, wo ehemals die jetzt völlig zerstörte Vatikanische Brücke nach S. Peter hinüberführtc. Am oberen Ende liegt, ihrem Ausgang gerade gegenüber, in die Faoadc des Maltheserhäuses hin- eingebaut, eine ergötzliche Fontaine, Fontanone di Ponte Sisto ge nannt, welche von dem über Ponte Sisto herübcracleiteten Wasser der Acqua Paola gespeist wird. Der Plan Julius kl., alle Biircaus der verschiedenen Tribunale und das ganze GcschäftSlcbcn der Stadt in dieser Straße zu vereinigen, auch durch Wiederherstellung der Vatikanischen Brücke den Verkehr zu erleichtern und so zugleich dem wichtig gewordenen Bezirk die hehre Kirche der Apostelfürste,1 zum Schlußstein zu geben, dieser schöne Plan ist niemals zur Ausführung gekommen und hat gleichsam zur Verspottung unserer an Kunst und Unternehmung, Verkehr und Freiheit hier allzu armen Tage kein anderes Denkmal von sich übrig gelassen, als das an dicken Eisenstäben kenntliche Kriminalaefängniß der Strada Giulia. Indessen war durch die neue Anlage Strada Giulia zu Wettläufen der Barberi noch