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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PriinumerationS' Preis 22; Sgr. (j Wr.) rierieljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prünumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staate-Zeitung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Pog-Aemtern. Literatur des Auslandes. 10. Berlin, Mittwoch den 22. Januar 1840 China. Das Chinesische Militair. ") Die seit der Mitte des I7tcn Jahrhunderts über China herrschende Mandschu-Tungusische Kaiser-Dynastie suchte ihren Thron dadurch zu befestigen, daß sie dem Volke der Mandschu eine kriegerische Su- periorität über die Chinesen sicherte. Wie nn Osmanischen Reiche, dem Urprinzipc seiner Verfassung gemäß, die enmcwanderte Nation der Osmaneu den wahren Kern der bewaffneten Macht bilden sollte, die an Zahl weit überlegenen, aber wehr- und waffenlosen Raja's zugleich beschützend und in Respekt haltend, so im Chinesischen Reiche das kleine, aber durch kriegerische Neberlegenhcit den Besiegten im- ponirende Herrschervolk der Mandschu. Die Gründer der Dynastie thcilten ihre mit ihnen eingcwanderte Nation in acht sogenannte Fahnen oder Banner (Gusa), denen das Kriegshandwerk erblich zukam, und in welche außer den Mandschu's nur diejenigen Auslän der nebst ihren Nachkommen ausgenommen wurden, die sich den Mand- schu-Kaisern bei der ersten Eroberung freiwillig unterworfen hatten. Diese Ausländer waren Mongolische Stämme und auch eine Anzahl Chinesen.") Jede Fahne oder Division zerfällt in drei Abteilungen oder Brigaden; eine Mandschuische, eine Mongolische und eine Chinesische. Die militairischcn Grade sowohl als die den selben zukommenden Titel sind von denen des eigentlichen Chinesischen Heeres oder der sogenannten Lokal-Miliz verschieden. Der verhalt nißmäßig größere Theil dieser Fahnen-Truppen liegt in und um Pe king; o!e übrigen stehen als Garnisonen unter ihren eigenen Befehls habern in den wichtigsten Plätzen des Reiches und isonren sich eben sowohl von den Bürgern als von dem Lokal-Militair. Ihre um mauerten Cantonncnicnt's bilden in den meisten Hauptstädten des Reiches eine Stadt sür sich, wo sic mit ihren Familien wohnen und kriegerischen oder gymnastischen Hebungen obliegen, immer schlagfer tig, eine mögliche Empörung zu dämpfen. Nach dem Engländer Davis sollen auf jede der acht Divisionen IO,000 Mann kommen, also 80,000 auf das Ganze; wogegen der Russische Pater Hyacinth in Peking allein schon 80,000 und als Total-Summe 260,000 Mann annimmt. Neben den Truppen der acht Divisionen giebt es in allen Pro vinzen eine rein Chinesische Lokal-Miliz, deren Gesammtzahl man, gewiß nicht übertrieben, auf mehrere Millionen berechnet und die als gemeinsames Abzeichen grüne Hahnen trägt. Diese Halb-Soldaten bleiben gewöhnlich in der Provinz, wo man sie ausgehoben hat, und dürfen neben dem Waffcnhandwcrk auch ihre Aecker bauen und an dere Arten von Broderwerb suchen. Solche Nebenverdienste haben viel Anlockendes, denn der Milize ist wenig mit Ercrziren geplagt; es fehlt daher nie an Bewerbern, und Werber sind ganz überflüssig. Unter den Truppen der grünen Fahne besteht noch das alte Regime, d. h. die echt Chinesische Einteilung und militairische Rangordnung, wie in den Zeiten der Mandschuischen Herrschaft. Da die Truppen der acht Banner auf die Bortheile, in der Heimat zu bleiben und noch auf andere Weise sich zu ernähren, verzichten müssen, so hat man in Berücksichtigung dessen ihre Gage höher gestellt, als die der Lokal-Milizen. Eine andere Art von Lokal-Streitmacht — obwohl außer den Gränzen des eigentlichen China — bilden die gränzhütenden Mongo- llfchen Stämme am Nord- und Südrande der Wüste Gobi, die ebenfalls ihre Heimat nicht verlassen. Sie liefern wenigstens eine halbe Million Streiter und sind eine mächtige Vormauer gegen das Russische Reich, welches dem Chinesischen bekanntlich seine schwächsten Seiten, zukehrt. Die Chinesische Kavallerie — größtcntheils Mandschu's und Mongolen — führt Lanze und Säbel als Trutzwaffe; ihre Schutz- waffcn sind Helm und Panzer. Das Fußvolk ist ebenfalls mit Sa bel und Pike bewehrt; ein Theil der Milizen führt außerdem Flinten von schlechter Struktur, wahrend die Uebrigen mit Bogen und Pfci- "i Wir habe» diesen Artikel nach Englischen, Französischen und Russischen Berichten zusammenaesiettt, um «der da« Chinesische Militair, das bereits zu so vielen Mährchen Anlaß gegeben und das vielleicht in der nächsten Zeit eine Rolle in unseren politischen Blättern spielen wird, eine authentischere Kunde zu geben. "1 Seit der Gründling der 8 Fahnen hat man keine Chinesen mehr den selben einverleibt. Sie führen folgende Karben - weih, roth, blau, gelb, und jede dieser Farben mit einer Verbrämung von anderer Farbe. len vorliebnehmen.") Einer der rüstigsten und ansehnlichsten Sol daten muß die Fahne des Regiments schleppen. Alle Waffen werden bei jeder Truppenschau sorgfältig untersucht, und zeigt sich alsdann Rost oder sonst eine Spur von Verwahrlosung an denselben, so er hält der Besitzer, wenn er ein Tatar (Mandschu oder Mongole), dreißig bis vierzig Peitschenhiebe, und wenn er ein Chinese ist, eine gleiche Zahl von Bambusstreichen. Wer um eine Offizier-Stelle im Tatarisch-Chinesischen Heere sich bewirbt, der muß guvor ein strenges Eramcn bestehen, das in jeder Provinzial-Hanptstadt alle drei Jahre zweimal gehalten wird. Zuerst hat der Kandidat von seiner Geschicklichkeit als Reiter und Schütze Proben abzulegen; er muß zeigen, daß er im gestrecktesten Galopp nicht bloß sattelfest bleiben, sondern auch visircn und ein Ziel treffen kann. Haben seine physischen Talente ihm günstige Zeugnisse erworben, so läßt man ihn über verschiedene militairische Themata Ausarbeitungen machen; und endlich muß er noch den Beweis liefern, daß er in gedrungener Kürze eine energische und auf die Gemüther wirkende Rede an die Soldaten halten könne. Ein Ober-Offizier mit dem Titel Iyn-tao hat die General- Directiou aller Remoute-Pferde der Kaiserlichen Kavallerie, die in ungeheure mit Mauern cingeschloffene Ställe (man könnte fie Pserde-Städte nennen) durch das ganze Reich vcrtheilt sind. Derselbe Offizier sorgt sür die Beschaffung des Gctr«tzcs zur Er nährung der Truppen, das die Provinzen alljährlich liefern müssen, und berichtet in allen erheblichen Dingen an den Vice-König. Er sowohl als die übrigen höheren Militairwürden beschäftigen in Städten und Dörfern eine Anzahl Quartiermeister, die ihnen über Alles, was vorfällt, sehr pünktlich und regelmäßig Rapport bringen. Die Fahncntruppen der Mandschuischen Kaiser waren einst wegen ihrer Tapferkeit berühmt, obschon sie auch in der blühendsten Epoche der Dynastie nur mit Asiatischen Horden sich gemessen haben. Jetzt sind sie nach allen Zeugnissen physisch und moralisch geschwächt/ entartet und den Chinesen selbst kaum noch furchtbar. Wie die meisten orientalischen Kricgsvölker von jeher, so zeigen auch die Mandschu beim ersten Angriff große Wildheit; sie dringen mit wüthen- dem Ungestüm auf den Feind ein und werfen ihn unfehlbar, wenn er sich aus der Fassung bringen läßt; finden sie aber entschlossenen und planmäßigen Widerstand, so verdünstct ihre Begeisterung wie ein Champagner-Rausch; ihr Arin erlahmt, ihre Reihen wanken, und ehe man sich's versieht, kommt es zu wilder Flucht. Schon Kaiser Sching-tsu (starb 1722), ein Freund und gnädiger Beschützer der Missionaire, soll von seinen Leuten gesagt haben: „Sie find gute Soldaten, wenn man sie gegen schlechte führt; aber schlechte Soldaten, wenn sie mit guten kämpfen müssen." Noch viel niedriger darf man die militairischen Eigenschaften der Chinesischen Lokal-Mliz anschlagen, welche im Grunde nur eine bewaffnete Polizei ist und höchstens da etwas ausrichtet, wo fie mit wehr- und waffenlosen Volkshaufen zu thun hat. Bei allem dem wäre cs sehr voreilig, wenn man die Chinesen sammj und sonders für einen entnervten, feigen und verweichlichten Menschenschlag erklärte. Die Bewohner der üppig fruchtbaren und über völkerten Mittel-Provinzen dürfte ci» solches Urthcil wohl am ersten treffen: viel weniger aber finde) cs auf die Provinzialen der rauhe ren, kärglicher bedachten und gebirgigen Regionen des Nordens und Westens Anwendung, wo Klima und harte Arbeit den Menschen stählen und Leib und Seele kräftigen. Die Alpenländcr China's, die Provinzen Scheust, Ssctschuan u. s. w. enthalten einen kerngesunden, gedrungenen, stammhaftcn Menschenschlag, der, wie die katholischen Missionaire selbst bezeugen, keine geringere Kraft und Ausdauer ent wickelt^ als die Bewohner unserer Europäischen Hochlande; und selbst in einigen Süd-Provinzen, wie Canton und Hukian, wo das Mittel gebirge vorherrscht, ist die Nation physisch kräftig, gewandt und sehr rührig. Der Britische Matrose ist dem Chinesischen in diesen Eigen schaften selten überlegen, und die Kraft und Ausdauer der Pack- und Sänftenträger von Canton hat den dortigen Briten selbst imponirt. Wenn inan bedenkt, mit welcher kärglichen, ost elenden Kost die ar beitende Klaffe in China vorliebnehmen muß, und wie groß dessen- ungeachtet ihr Sinn sür angestrengte Arbeit und Thätigkeit ist — cs giebt verhältnißmäßig nur wenige Bettler — so wird man die natürliche Energie des Chinesen doch wohl höher anschlagcn müssen, als gewöhnlich geschieht. ' ') Von dem schweren Geschüy und den Feuerwaffen überhaupt wird in einem besonderen -Artikel die Rede sepn.