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WScbutlich »rsä-eincn drei Nummern. PränumeraiionS- PreiS 22^ Sgr. (^ Tblr.) »ierjeljälulicl,, 3 Tblr. für dad ganze Jahr, ohne Er höhung, jn allen Theilen der Preußischen Monarchie. a a a für die Man pränumecirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg- Pr. Staats-Zeitung (Friedrichsßr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlisbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 11 Berlin, Freitag den Lt. Januar 1840. China. Etwas über die Feuerwaffen der Chinesen. Es ist eine ganz unbestrittene Thatsache, daß man den Chinesen die erste Erfindung des Schießpulvers — sollen wir sagen ver dankt, oder zum Vorwurf machen mußt Daß aber diese begabte Nation bei Anwendung ihrer entsetzlichen Erfindung zu kriegerischen Zwecken — denn IN Kunstfeuern leistet fie schon seit alter Zeit Außer ordentliches — so weit hinter uns Europäern zurückgeblieben ist, kann nur durch die engherzige und klcingeistige Politik ihrer Re gierung erklärt werden, die, wie es bei den alten Aegyptern der Fall war, aller freien Fortentwickelung im Gebiete der Künste und der Wissenschaften sich widersetzt. Auch großes und kleines Geschütz haben die Chinesen, wie weiter unten sich ergeben wird, selbständig erfunden; aber ihre plumpen v a - terlä nbischen Kanonen machen ihnen bis auf den heutigen Tag solche Noth und Plackerei, daß der Bortheil, den sie auf der anderen Seite gewähren, beinahe sich auf Null reduzirt. Pater Vertuest, ein Jesuitischer Misfionair, den sein Geist und seine Gelehrsamkeit zum Liebling des großen Kaisers Schingtsu (starb 1722) gemacht halten, glänzt, merkwürdig genug, in der Geschichte des Chinesischen Artille rie-Wesens als ein Stern erster Größe! Die Umstände, welche seine Bestallung als Reformator der Kanonen und Haubitzen des Himm lischen Reiches begleiteten, sind so unterhaltend, daß cS stch wohl-ver- lohnen wird, wenn wir sie nach dem Berichte eines Kollegen Ver- birst's, des Paters le Comte, unseren Lesern wieder erzählen. Der Abfall und die Empörung eines sehr ausgezeichneten Chinesi schen Feldherr«, des Wu-Sankuei, der in den Sud-Provinzen Chi- na'S als Kaiser anerkannt wurde, hatte dem Mandschuischen Hofe zu Pe king große und lebhafte Besorgnisse cingcflößt. Schingtsu °) versuchte all« Mittel der List und Gewalt, um einen so gefährlichen Widersacher zu bewältigen, sah aber bald ein, daß er Vic Rebellen ohne Anwen dung seiner Artillerie-Parke unmöglich aus ihren Verschanzungen im Hochgebirge würde treiben können. Aber die alten Kanonen m die sen Parken waren von Eisen und so gewichtig, daß man eS kaum wagen konnte, sie über steile Gebirge zu transportiren. Der Kaiser zweifelte nicht, Pater Lerbiest würde ibm mit dem Schatze seiner Kenntnisse in dem ganzen Gebiete der Mathematik und Mechanik auch hier aus der Verlegenheit helfen können, und forderte ihn des halb auf, Europäische Kanonen zu gießen. Der Pater entschuldigte sich damit, daß er sein Lebelang vom Kriegsgetümmcl entfernt ge wesen, und daher in solchen Dingen nur wenig bewandert scy. „Als Geistlicher", so setzte er hinzu, „will ich zu Gott beten, daß er Sr. Majestät Sieg verleihe; doch muß ich Hochselbige unterthänigst bit ten, mir keinen Theil an den Kriegen und Schlachten dieser Erde anzumuthcn." Allein Schingtsu, dec seine Leute durchschaute, ließ sich durch die Entschuldigungen des guten Jesuiten von seinem Vorhaben nicht abschrecken; unterdcß glaubten Vcrbiest's Neider, sic hätten eine Ge legenheit, den Günstling zu stürzen. Sie machten dem Kaiser be greiflich, waö er von dem Pater verlangte, sey dem Geiste des Evan geliums gar nicht zuwider, und er könne mit eben so gutem Gewissen Kanonen gießen, als Maschinen und mathematische Instrumente an- sertigen, besonders wenn das Wohl des Reiches dabei betheiligt wäre; darum sey die Ursache der Weigerung des Paters ohne Zweifel nur darin zu suchen, daß er mit den Feinden in Unterhandlung getreten sey. In Folge dieser Einflüsterungen schrieb der Kaiser an Vertuest: „Thue, .nue ich Dir geboten, oder ich werde Dich am Leben strafen und Deine Religion ausrotten!" Das wirkte, und der Pater be quemte sich endlich zu folgender Erklärung: „Ich habe Ew. Majestät bereits betheuert, daß ich von Stückgießerci sehr wenig verstehe; da Höchstsclbige jedoch zu befehlen geruhen, so werde ich den Versuch machen, Höchstderen Werkleute in dem zu unterrichten, was in unse ren Büchern über diesen Gegenstand verzeichnet ist." Der fromme Pater machte sich sofort ans Werk: die erste der gegossenen Kanonen wurde im Beisepn des Kauers probirt, und der Erfolg übertraf alle Erwartung. Schingtsu fühlte so hohe Befriedigung, daß er seinen eigenen Mantel von den Schultern nahm und ihn dem Pater Vertuest als Zeichen seiner unbegränzten Huld verehrte. , '^Sxhing.-tsu (heiligte Ahnherr) ist Ler vohhumc N-mie deSjeni- rühnit ü-worde" dem Prädikat seiner Regierung (Kang hi) so de- ') China war damals von zwei gleichzeitigen Dnnastieen beherrscht, dem Hause Tschurtschuk (Tunaulischen Stammes), das sich leiu-t-cd-o (goldne Dynastie) nannte, im Norden, und dem Chinesischen Haus« Sung im Sü den Beide Dynastieen deichdcten einander mit wechselndem Glücke, bis die Tungusische dm Monaolen erlag. Ein gleiches Schicksal hatte bald auch das Chinesisch- Kaiserehum. "t Allerdings hae der Chinesische Sprachgebrauch dafür entschieden, daß eines der vielen Synonymen für Lanze oder Pike in Verbindung mit dem Worte Nogclsv a. Zagdflinte, Vogel flinke und in weiterer Ausdeh nung Feuergewehr Überhaupt bedeutet. In gewissem Belrachte parallel ist das Türkiicbe i»«I>U>uß, welches sür Tabaks pfeife gebräuchlich gewor den, obschon feine ursprüngliche Bedeutung (Gerte, NebilangM keineswe- geS an einen hohlen Stab erinnert. Will man aber, hieraus gestützt, an» nehmen, daß die Chinesen in älterer Zeit so weit gegangen seyn sollten, Brand» »feile für glühende Kugeln zu sagen, so scheint uns dies wegen des er staunlichen formellen Unterschiedes zwischenPseil undKugel doch etwas be denklich. Wie aus dem Folgenden erhellt, so mußten echte Kanonen und Stuck kugeln damals zwar schon bekannt seyn ; ist es aber eine nothwendige Folge die ser Thatsache, daß man in der Seeschlacht beiSunglin mit Kugel» und nicht mit wirklichen Vrandpfeilen geschossen hat? Die Feuerwaffe ist bt« den Chi nesen lange nicht so schnell, wie bei uns, in altgemcinen Gebrauch gekommen. Doch wär' es auch möglich, daß man in der ersten Zeit eine längliche oder keilförmige Art von Wurfgeschossen, welche die Benennung Feuerpfeile eher rechtfertigte, rothgluhend gemacht und in diesem Instand mit Puiver- kraft geschleudert hätte- cuer-Katapulten (Kö-pao), und bei den Chinesen schon in grauer Vorzeit Balistcn und Katapulten, wie Griechen und Römer fie besaßen, im Gebrauche waren: aus den ersteren schleuderten fie Steine und aus den letzteren dicke Pfeile oder Wurfspieße; fie bezeichneten aber beide Arten von Maschinen mit dem Worte Pao, dessen Schrift- Alle die neuen Geschütze wurden sehr leicht und klein gegossen, aber vermittelst eines durch die Mündung bis an den Boden gesteck ten hölzernen EylinderS befestigt und mit verschiedenen eisernen Rei fen umgeben, so daß fie theilS stark genug waren, um der Erplofion des Pulvers zu wiverstehen, und anverenthcils leicht und behülstich genug, um selbst auf den schlechtesten Wegen tranSportirt werden zu können. Die neue Artillerie entsprach allen Zwecken, die man er reichen wollte, auf die vollkommenste Weise; der Feind sah sich ge zwungen, seine Verschanzungen zu verlassen und bald darauf zu kapituliren, denn er hielt cs nicht für räthlich, einem Heere, das ihn vernichten konnte, ohne in sein Bereich zu kommen, länger Wider stand zu leisten. Nach den Untersuchungen des gelehrten und scharfsinnigen ViS- dclou, Bischofs von ClaudiopoliS, siele die erste Erfindung des groben Geschützes bei den Chinesen ins Jahr SV7 unserer Aera. Die erste authentische und direkte Erwähnung von Kanonen finden wir in den Annalen der Dynastie Kin, und zwar i» der Biographie des Kai serlichen Prinzen Tschingkia, aus welcher Visdelou folgende Stelle mittheilt: „Die Flotte segelte (von einer Fluß-Mündung im heutigen Petschili) südwärts die Küste entlang bis Lingan (dem heutigen Hangtscheu >n der Provinz Tschekiang). Als fie das Eiland Sung- lm erreicht hatte, zwang ein widriger Wind den Prinzen, Anker zu wcrsen. Am nächsten Frühmorgcn erschien die Chinesische Flotte am Horizont'). Prinz Tschingkia fragte, wie weit der Feind noch ent fernt sey. Man antwortete ihm: die Entfernung beträgt noch 300 Li (30 Französische Meilen); da die Chinesen aber günstigen Wind ha ben, so werden sie bald auf uns stoßen. Der Prinz, in nautischen Dingen schlecht bewandert, wollte dies nicht glauben. Bald darauf war der Feind nahe genug und ließ Feuer-Maschinen gegen die außer Vertheidigungsstand befindliche Flotte des Prinzen spielen. Tschingkia verlor fast die Besinnung; er blickte erschrocken nach allen Seiten und sah seine Flotte in Feucr stehen. Von Verzweiflung übermannt, sprang er vom Bord seines Schiffes und endete so im Olsten Lebensjahr." So weit die Annalen der Kin. Die Geschichte des gleichzeitig im Suven regierenden Kaiserhauses Sung erzählt das Ereigniß etwas abweichend. Hier heißt es nämlich in der Bio graphie des Lipao, der die Chinesische Flotte befehligt hatte: „Als Lipao die feindlichen Schiffe schlecht geordnet sah, befahl er seinen 120 Schiffen, sie mit Feuer-Pfeilen zu befchießen. Das Feuer zündete überall, wo die Feuer-Pfeile niedersielen, so daß einige hundert feindliche Schiffe in Flammen ausgingen." Aus der letzteren Beschreibung könnte man freilich mit größerer Wahrscheinlichkeit abnehmen, daß die Chinesische Flotte damals keiner wirklichen Kanonen sich bediente, sondern bloße Katapulten an Bord hatte, die Brandpfeile versendeten, obschon der Ausdruck Feuerpfeile ebensowohl auf wirkliche Kanonenkugeln (?) bezogen werden kann, wie Bogel-Piken auf kleines Gewehr: denn cs ist faktisch, daß die Chinesen eine Flinte noch jetzt Vogelpike nennen. °°) Die Gefchichte der Kin nennt jene Maschinen F wir müssen hier bemerken, daß