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WScktnllich ers.beintn drei Nummern. PrLnumrraiirns- Preir 22; Sgr. (Z Thlk.) rieririjükrlnb, Z Tblr. sür das ganze Jahr, ohnr Er- HSHung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prinnm-rirt ans dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der AUg. Pr. Staate-Zeitung (Zricdritddstr. ?ir. 72); in der Provinz so wie im >Auola >de dci den- Wvhllödl. Post - llemtern. Literatur des Auslandes. 0. Berlin, Montag den 20. Jann ar 1840 Frankreich. Schuldgefangnisse und deren sittlicher Einfinß auf die Gesellschaft. Man hat über die Schuldenhast in neuerer Zeit viel gesprochen; besonders ist das Schuldgefängmß selbst geschildert, der Schulvge- fangene vielfach beklagt und das Verhältnis zwischen Gläubiger nnd Schuldner dec Kritik unterworfen worden. °) Doch noch fehlte es an einer Arbeit, in welcher die Folgen und Wirkungen der Tchul- denhast im Großen und Ganzen dargcstellt wurden, oder mit ande ren Worten an einer «-Statistik der Schuldenhast. Eine solche findet man, wenigstens für Frankreich, in einer Schrift des Herrn Bavle- Mouillard, die von der Akademie der politischen und moralischen Wissenschaften in Paris den Preis erhalten hat. Wir bekommen darin sehr interessante Angaben über die Art der geographischen Verbreitung der Schuldenhaft in Frankreich, über die verschiedenen Klaffen von Individuen, auf welchen die Schuldenhast besonders lastet, über die durchschnittlichen Wirkungen der Schuldenhast als Abschreckung»- und ErecutionSmittel, über das Verhältnis derselben zu der Sittlichkeit und den Interessen der Gesellschaft überhaupt, und über eine Menge anderer wichtiger Punkte, die hier mcht in der Kürze zusammenzustellen find. Es versteht sich von selbst, daß der Versager dazu die gründlichsten Studien gemacht hat; er hat nicht bloß in den Bureaus des Ministeriums, waö an ungedrucktcn Materialien daselbst vorhanden war, benutzt, nicht bloß die Register des Gefängnisses von Clichy stuvirt, sondern auch Frankreich von Norden nach Süden durchreist, ist in die Gefängnisse von Lyon, Marseille, Avignon, Saint-Etienne, Montpellier, Rimes, Clermont- Ferrand gedrungen, hat überall Gefangene und Wachrer ausgefragt, alle Gefangenen-Register und Urtel durchstuvirl, die Dauer jeder Gefangenschaft berechnet, den Stand der Gläubiger und den der Schuldner mit einander verglichen, Hirz, kein Gesängniß verlasse::, bevor er nicht gewissermaßen seinen ganzen Inhalt auSgcbcutet. Wie gesagt, die Resultate des Verfassers sind höchst bedeutsam; wir werden das Interessanteste davon unseren Lesern mittheilcn. Zuerst einiges Historische. Die Alten hatten ebenfalls eine Schuldenhast, aber eine andere a!S wir. Der Gläubiger erlangte das Recht, den Schuldner, indem er ihn seiner Freiheit beraubte, für sich arbeiten zu lassen. Da hatte die Schuldenhast wenigstens einen praktischen Nutzen: sie war hierein wirkliches ErecutionSmittel, der Gläubiger konnte die Dienste des Schuldners an ZahluugSstatt annehmen. Wenigstens ist dies der vorherrschende Zug der alten Gesetzgebungen in Schuldensachen und der einzige, welcher bei einer Vergleichung derselben mit den bei unS darüber gültigen Gesetzen Erwähnung verdient. Nachdem der Verfasser mit den Alten fertig ist, giebt er die Geschichte der Schuldenhast in Frankreich, zuerst unter der alten Monarchie, dann unter der Republik. Die Aufhebung einer so schweren Verletzung der „unveräußerlichen Rechte" schien eine nolh- wenvige Folge der von der kvnstituirendcn Versammlung lanctionir- te» Prinzipien zu sevn: doch erst der Konvent hob durch ein Dekret vom >.». März 1793 die Schuldenhast auf, und schon am Risten desselben Monats, also nach drei Wochen, ward sie gegen die Rech nungs-Beamten wieder in Anwendung gebracht. So blieb cs einige ^bre; unftr dem Direktorium wurde die Aufhebung des Dekrets vom «. März 1793 verlangt und nach heftigen Debatten im Nath der Fünfhundert und in dem der Alten ausgesprochen. Sodann folgte das Gesetz vom 18. Germinal des ZabreS V l, dessen Bestimmungen sich großentheils in den Gesetzbüchern deö Kaiserreichs wiedcrfindcn. Unter der Restauration wurde die Frage zu wiederholten Malen verhandelt, aber ohne Resultat. Nach 1830 kam sic aufs neue zur Sprache, und nun wurde das Gesetz vom 18. Germinal des Jahres V! den 17. April 1832 wiederhergcstcllt, nur im Einzelnen verbessert. , . , Dieses noch jetzt bestehende Gesetz vergleicht nun der Verfasser mit dem in England gültigen System. Da ist es nun merkwürdig, daß das Französische Civil-Gesetz, obgleich es nicht sehr schonend niit der Freiheit der Bürger umgeht, im Vergleich zum Englischen höchst liberal ist. Das erstere zeichnet sich durch zwei leitende Prinzipien ') 2>gl. Nr- iru de» vorigen Jahrgang«»- Gläubiger und Schuldner, von Masvatt. ans, deren vollständigere Anwendung damit enden wird, die Quelle der gegenwärtigen Mißbräuche zu verstopfen. Das erste dieser Prin zipien ist, daß die körperliche Hast nur in Folge eines Unheils ver hängt werden kann; nur gegen die Fremden und die Beamten des Fiskus erleidet diese Regel eine Ausnahme. Das zweite ist, daß die körperliche Haft, außer in Handelssachen, bei einem Betrug, gegen die Rechnungs-Beamten und in einigen anderen AuönahmSfällen, nur ein subsidiäres Mittel ist, das der Richter abschlagen kann und das er auch wirklich abschlägt, sobald man Ursache hat, zu glauben, daß die Güter des Schuldners dem Gläubiger übergeben werden können. In dem Englischen Gesetz ist nichts dergleichen. Die Verhaftung ist da eben so häusig provisorisch als definitiv; cS ist Vic gewöhnliche VcrfahrungSweise gleich beim Beginn eines Prozesses-, man fängt damit an, den, gegen welchen man eine Klage cinreicht, verhaften zu lassen. Ferner ist die Verhaftung nicht ein ausnahmsweises Erecutions-Verfahren; cs ist das regelmäßige Verfahren, das in Folge fast aller Urthcile anwendbar ist. Daher ist auch die Zahl der Schuldgcfangcncn in England verhalmißmäßig größer, als in Frank reich. Zn Frankreich har man die Durchschnittszahl ver Gefangenen von IO Jahren auf I2>,9 berechnet: das macht einen ans 28,658 Franzosen. In England betrug diese Zahl, die durch eine Untersuchung des Parlaments sür dcn 2«. April 1826 koustatirt ward, 3820, was für die verschiedenen Theile des Bereinigten Königreichs folgende Resultate gicbi: In England einen Gefangenen aus 3,800 Einw. - Wales - - - 7,ooo - - Schottland - » - 9,684 - - Irland - - 10,242 - - ganz Großbritanien - - - 6/639 - So findet also di« körperliche Haft in Frankreich viermal weniger Qpser, als in dem bcgünstigtsten Theile der Britischen Inseln, zehn mal uwnigec als in England selbst. Gleichwohl ist cS ausgemacht, daß die individuelle Freiheit iw England mehr geachtet und durch die Gesetze besser geschützt wird, als in Frankreich; hätten wir nur eine genaue Statistik der provi sorischen Verhaftungen in Kriminal- und Zuchtpolizei-Sachen, so wücvcn wir wahrscheinlich beide Lander im umgekehrten Vcrbältniß finden. UeberdicS hat die Englische Gesetzgebung über die Civilhaft schon bedeutende Modifikationen erfahren, und Alles laßt hoffen, daß sie bald vollständig verbessert werden wird. Nachdem der Verfasser noch die wenigen Data, die er sich über die Schuivgcsctzgebung in den übrigen Ländern Europa'» nnd in den Vcreiniglcn Staaten verschaffen konnte, mitgecheilt, untersucht er, was die Schuldenhast überhaupt an und sür sich ist und ob sie den Prinzipien des VernunftrcchtS entspricht. Daß die Schuldenhast keine Strafe ist, versteht sich von selbst; bestraft wird nur der, wel cher sich ein Vergehen zu Schulden kommen läßt; die Strafe wird von Kriminal-Gerichten im Interesse der Gesellschaft ausgesprochen nnd zieht dem, der sie erleidet, einen gcwjffcn Grad von Schande zu. Daö Alles läßt sich von der Schuldenhast nicht sagen. Wenn die Schuldenhast keine Strafe ist, so ist sie noch weniger die Vollziehung eines UrtbeilS oder eine Befriedigung des Gläubi gers, denn sie giebt ihm Nichts, entschädigt ihn für keinen Verluste repräsentirt keinen Werth für ihn. In den Gesetzgebungen des Alter- thums, wo der Schuldner der Sklave des Gläubigers ward und für ihn arbeitete, war dies ander»; aber in Miseren Tagen, wo man bloß den Schuldner gefangen setzt, ist cs klar, daß diese Gefangenschaft Nie manden nützt, und daß sie vielmehr ihm und seinem Gläubiger scha det. Voltaire sagte: ein Gefangener sey zu nichts gut; das gilt noch mebr von dein Schuldgefangencn, denn dieser ist nicht bloß zu nichts güt, sondern cr macht dem, der ihn gefangen setzen läßt, noch Kosten. „Ein Gläubiger", sagt Herr B-, „findet es ganz tn der Ord nung, seinen Schuldner mit Fälschern, Dieben oder Mördern zusam men cinzufpcrrcn, aber cr würde sich für beschimpft halten, wenn man ihm zumuthcte, daß er den Schuldner zwinge, sein Bedienter zu werden und seine Arbeit an Zahlungsstatt zu geben. Wie^würde man schreien, wenn irgend cin Publizist darauf an trüge, die Schuld- gefangenen für ihre Gläubiger arbeiten zu lassen, Werkstätten in den Schuldgcfängnisscn zu organisiren, kurz, was bisher nur den nmisonn oonrra!c^ angchörte, auch in Clichy cinzusühren. Sv leicht auch die Arbeit seyn, so viel sie auch den Gefangenen einbringcn mag, nie