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genheit, sich General Erlou so angenehm als möglich zu machen. Alle Franzosen, die in seinen Staaten reisten, wurden gut ausge nommen und ihnen ein vollständiger und kräftiger Schutz gewährt. Er wendete alles Verführerische, was in seiner PersönUchkeit lag, an, um die Gunst der Gcneralstabsosfizierc zu gewinnen, die ihm ab und zu gesendet wurden und von denen er wußte, daß sie bei dem Generalgouvcrncur Kredit besaßen. In Algier sprach man bald von nichts als vom Emir Abd-el-Kader, und selbst diejenigen, welche die schädliche» Mißgriffe einer fehlerhaften Politik beklagten, sprachen mit Bewunderung von seinen großen Eigenschaften. Während so sein Ruf sich ausbreitete, sein Name die Meere über schritt uuv in Europa wiedcrtönte, wurde seine Macht aufs neue an gegriffen. Sidi-al-Aribi hatte, nachdem er sich ihm zuerst unterwor fen, sich später gegen ih» verschworen. Beweise, von des Schuldigen eigener Hand geschrieben, lagen vor, und in einem Rathe von Kadis und Ulcmas wurde er zum Tode verurtheilt. Dieses Todcsurthcil ließ Abd-cl-Kader jedoch nicht ausführcn, entweder aus natürlicher Edelmuth, oder aus Furcht vor El-Aribis mächtiger Familie; doch ließ er ihn ins Gefängniß werfen, wo er kurz daraus an der Eholcra starb. Seine Söhne, welche Vorgaben, daß dieser Tod keine natür liche Ursache gehabt hätte, griffen zu den Waffen und brachten fast alle Stämme am Flusse Schclis in Aufruhr. Mustapha-bcu-JSmael, Abd-el-Kaders unversöhnlichster Feind, ließ bei der Nachricht hiervon seine stimme aus Tlcmczens Moschuar (der Citadellc) hören und machte General Trczcl Anerbietungen, die dessen Instructionen indcß nicht erlaubten anzunchmcn. Eifersucht und ein unversöhnlicher und eingewurzelter Haß waren Mustaphas Beweggründe zu seiner Hand- lungswene, und ein blinder Fanatismus und Widerwillen vor den Christen war es, welcher die Stämme leitete, die auf Sidi-el-AribiS EmhörunqSrus geantwortet hatten. Während Mustapha so eine Stütze für seine aufrührerischen Absichten in den Franzosen suchte, griffen alle Stämme im Osten zu den Waffen, indem sie Abd-el- Kader sein Bündniß mit den Christen vorwarfen. Sogar des Emirs eigner Bruder, der vorher Kalb in Flita gewesen war und sich von den Geschäften zurückgezogen hatte, um, wie er angab, sich einem kontemplativen Leben zu überlassen, vereinigte sich mit den Ausrüh- rern und hetzte sie gegen den auf, der der Stolz seiner Familie und seines Namens war. Durch Zufall erhielten die Empörer einen noch weit furchtbareren Alliirten in Mußa, dem Scherif der Wüste, der aus dem Süden mit einer bedeutenden Kriegsmacht hervorbrach und verkündete, er käme, um die Christen und deren Anhänger, an deren Spitze Mahidbin'S Sohn stände, zu vernichten. Er führte die Stämme aus der Sahara mit sich, welche die Türken Darkaui, oder die Unabhängigen, nennen und welche ost die BepS zum Zittern gebracht hatten. Abd-el-Kader, der das Ungewitter sich zusammenziehen sah, beschloß, demselben entgegen zu gehen. Er brach den >2. März 1836 von Maskara auf und warf sich mit solcher Schnelligkeit und Kraft auf Sidi-el-Aribis Söhne, daß diese ohne Schwertschlag gezwungen wurden, sich zu unterwerfen. Als sic sich ihm vorstellten, behandelte er sie mit Güte und Auszeichnung, sagte ihnen, der Tod ihres Vaters ließe ihn ihre Fehler vergessen, und ernannte den ältesten von ihnen, Sidi-Schadan, zum Kald ihres Stammes. Nachdem er dies in Ord nung gebracht, ging er nach der Brücke des Schelif. Hier wollte sich der Stamm Sbiah seinem Marsche entgegenstcllcn, aber er schlug ihn vollständig, zwang ihn, um Gnade zu bitten, und kam so an der Brücke des Schelif an. Ihr Ueberschreiten war eine gänzliche Uebertretung der Verbote der Französischen Negierung, aber in diesem Augenblick glaubte er Alles wagen zu müssen. Indcß ließ er durch seine» Kon sul in Oran General Trezel davon unterrichten, daß es seine Absicht wäre, sich nach Miliana zu begeben; doch ehe er die ihm an gewiesene Gränze pasfirte, hielt er einen Augenblick an, denn die ser Schritt sollte vielleicht sein zukünftiges politisches Schicksal entscheiden. Endlich versuchte er das Glück, bei der Nachricht, daß Mußa in Modea cingerückt wäre, er ging über die Brücke und kam nach Miliana, wo ihn das Volk init schwärmerischem Jubel empfing. Der Er-Aga, El-Hadschi-Mahiddin-el-Sephier, und ' Muhammcd-cl-Barkani, der Er-Kald aus der Stadt Schcrschel, welche die Umstände zu Feinden der Franzosen gemacht, kamen dem Emir entgegen und boten ihm ihre Dienste an, und er hütete sich wohl, sie abzuschlagcn. Im Verein mit ihnen marschirte er gegen Mußa Darkaui, den er in der Nähe von Hausch-Amura, aus dem Terri torium des Stammes Sumata traf. Einige Artilleriestücke, die Abd-el-Kader bei sich hatte, entschieden Mußa'S Niederlage. Seine Bagage und seine Weiber, die er mit sich geführt hatte, fielen in die Hande des Siegers. El-Hadschi-Mahiddin, der des EmirS Avant garde kommandirle, verfolgte Mußa diH nach Burakia, doch ohne ihn einholen zu können. Dieser Glücksritter zog nach der Sahara zurück, und kurze Zeit nachher schickte ihm Abd-el-Kader seine Frauen nach, die er mit Edelmuth und Ritterlichkeit bebandclt hatte. Dies sind nur wenige Einzclnhciten auö dieser durchweg inter essanten Schrift, deren Inhalt wir im Vorhergehenden im Allgemeinen angegeben hahen. Natürlich gewinnen sie erst im ganzen Zusammen hänge ihr rechtes Berständniß, wie überhaupt gerade die wcrthvollsien Abschnitte, die über die Friedenstraktate und über die kriegerischen Un ternehmungen, wegcn ihrer Länge hier nicht zur Mittheilung gewählt werden konnten. Bloß zum Beweise, daß der Verfasser mit einem richtigen Äuge gesehen zu haben scheint, wollen wir dic Worte an- sührcn, mit denen er sein Buch schließt. „Sein schaffender Geist zeigt sich immer reichhaltiger, und alle seine Bestrebungen gehen darauf aus, sein Volk zu einer Nation zu bilden. Seine Politik besteht darin, durch seine Verbindung mit Frankreich sich selbst zu heben, dagegen jeden näheren Verkehr zwischen seiner Nation und den Franzosen zu verhindern, damit das gemein same Hanbclsintereffe nicht zu lebendig werden soll. Er gewinnt hierdurch, daß er stets auf einen Bruch init Frankreich vorbereitet ist, welcher wahrscheinlich nicht mehr sern scpn kann, im Fall Frankreichs Politik in Bezug auf Asrika sortfährt, das so kostbare und wenig lohnende Ausbreitunqssystem auf so vielen verschiedenen Punkten zu verfolgen, welches die Regierung in der letzten Zeit wieder adoptiren zu wollen scheint. Abd-el-Kader'S jetzige Stellung gegen die Fran zosen deutet darum aus kein dauerndes und bleibendes Verhältniß, welches auch nicht mit seinem wahren Interesse übercinstimmt. Ab wechselung von Krieg und Frieden ist für seine Pläne am günstig sten, den» der Krieg gegen die Christen ist seiner Landsleute liebste Beschäftigung; in diesem gewinnt er auch meistens Anhänger — und der Friede ist ihm ebenfalls vortheilhaft und nothwendig, um dic inneren Angelegenheiten seines Landes zu ordnen und durch Handels verbindungen mit Frankreich sein Kriegsmatcrial im Stande zu halten und zu vermehren. Bricht der Krieg wieder aus, dann werden dic Franzosen sicher erfahren, daß Abd-el-Kader's Macht größer ist, als je zuvor." Mannigfaltiges. — Deutsche Studien. Linste« «ur i'XIIvmsxne heißt ein so eben in Paris erschienenes Werk in zwei Bänden, dessen Verfasser Herr A. Michiels ist. Richt bloß Französischen Lesern, sondern auch manchen Deutschen, dic vaS literarische Treiben unserer über rheinische» Nachbarn stets anzuprcisc» uno den Productioncn der Heimat nur insofern Geschmack abzugewinnnen pflegen, als sie »ach Französischem Fuße gemodelt sind, möchten wir 'die Vorrede veS Herrn Michiels empfehlen, der darin im Gegensätze zu der Obcr- flächUchkeil und Frivolität der meisten Französischen Schriftsteller de« Tages auf die ernsteren Tendenzen der Deutschen Dichter und aus die Tiefe Deutscher Kunstkritik und ästhetischer Auffassung hinweist. Daß dic Franzosen doch jetzt nicht mehr so frivol sind, wie zu den Zeiten Crebillon s und Pigault Lebrun'S, und daß ihre Bekanntschaft mit den Deutschen von großem sittlichen Einfluß aus sie war, beweist eben, wie unS scheint, der Umstand, daß sie zu unserer Zeit öfter, als zu allen früheren Epochen, zur Besinnung kommen und selber die Richtigkeit ihres materielle» Treibens erkennen. Eine Zeit lang halten sie dann auch gewöhnlich inne, und man hört wohl zuweilen, daß es mit der Novellcn-Fabrication nicht mehr recht vorwärts wolle, und daß die ganze literarische Dampsmühlc still stehe; aber es dauert leider nicht lange, bis das Werk wieder in Gang gesetzt ist und daS Unwesen fortgcht nach wie vor. — Herr Michiels hat sich mit seinen Deutschen Studien aus verschiedenen Gebieten versucht; zuerst in Deutschland selbst, und dies thut cr durch eine Reihe von Reisebil- Vern dar, in denen er Deutsche Gegenden, Städte, Menschen und Sitten beschreibt. Demnächst hat er.sich auf dem Gebiete der Poesie fleißig umgcschcn, und als Resultat dieser Forschungen liefert er die geistigen Porträts von zehn versckicdencn Dichtern, nämlicb von Schiller, Jean Paul, Johann Heinrich Voß, Holty, Hebel, Novalis, Rückert, Uhland, Chamiffo und Heine. Am ausführlichsten verweilt er bei Schiller, dessen sämmtliche Dramen er charaktcrisirt und seinen Landsleuten zu erläutern sucht. Endlich hat er sich auch dem Ge biete der Kunst zugcwandt, auf welchem cr eine vollständige Ge schichte der Deutschen Malerei von Albrecht Dürer bis auf unsere Zeit gicbt. Die Bemerkungen, die er bei dieser Gelegenheit über die Gemälde Dürcr'S macht, dic sich auf der Stadt-Bibliothek von KoH mar befinden, dürften auch für Deutsche Kunstfreunde ein große« In tereffe haben, da diese Werke des Nürnberger Meisters keineSwcges so allgemein bekannt und gewürdigt sind, als sic eS wohl zu seyn verdienen. — Der Ritter von St. George. Diesen schwarzen Don Juan, diesen Afrikanischen Antinous, wie er am Hose der beiden letzten Ludwige des vorigen Jahrhunderts genannt wurde, hat Herr Roger de Beauvoir, den wir namentlich durch seine interessanten Belgischen Reisebilder kennen, zum Gegenstände einer ausführlichen historisch-novellistischen Darstellung gemacht. St. George, ein in St. Domingo gcborner Mulatte, war zu seiner Zeit der Liebling der Französischen Damenwelt und, als solcher, eines der charakteristischsten Merkmale jener durch und durch verderbten und ihrem Untergange zueilenden Gesellschaft. St. George hatte es dahin gebracht, daß em brauner Teint, aufgeworfene Lippen und schwarzes wolliges Haar förmlich Mode wurden, doch fehlte eS ihm andererseits auch nicht an den körperlichen Gewandtheiten, die ihm den Ehrentitel eincs Ritters mit Recht erwarben. Er war der geübteste Reiter, der beste Schwim mer und der tapferste Fechter in Frankreich, und das wollte viel sagen zu einer Zeit, wo e« dort zwar fast gar keine hervorstechenden sittlichen, aber desto mehr physische Illustrationen gab. Roger de Beauvoir hat sich gerade diescn Helden gewählt, einestheils weil er mit der Schilderung eines solchen Charakters zugleich die Darstellung einer in ihrer bodenlosen Hohlheit immer noch nicht hinlänglich ge kannten Epoche verbinden konnte, und anderen theils, um ein Bild der Französischen Kolonieen im vorigen Jahrhundert und ihrer Kreolen- Kultur zu geben, deren Erzeugmß der Ritter von St. George war, welcher noch jetzt in den Traditionen der Pariser Salonwelt lebt. Herausgegeben von der Redaktion der Mg. Preuß. Staars-Zeitung. Redigirl von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hab«.