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Wöchentlich erscheinen drei Nummer». Pränumeration«- Preis 22; Sar. (^ Thlr.) niernijälerU», Z Tdlr. sür inS qan;e Jahr, ohne Er höh nnq, in alten Theilen der Preußische» Monarchie. für die Man »rünumerirt auf dieses, Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Friedrich-str. N'. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post - Semlern. Literatur des Auslandes. Berlin, Mittwoch den 8. Januar 1840 Italien. Platz Navona in Rom. Aus den Mittheilnngen eines Deutschen. Es ist ein Platz in Rom, der größte» einer und der prächtigsten, ün Anfang unserer neugenanntcn Zeit, in welcher die Kunst schnell alt geworden war, mit vieler Vorliebe gehegt und ausgezicrt, 780 Fr. Fust lang und GO breit, reich an hervorragenden Bauwerken und noch heute wenigstens ein Mittelpunkt des gemeinen Lebens, der Platz Navona. Sichtlich Umschreibt dieser Platz dis Lage eines alten Eirkus. Auf Fundamenten der klassischen Zett ruhen die Gebäude, welche ihn umgeben, wie den» gar häufig die im neuen Rom eigen sinnig in Bogenlinicu gesäurten ZaoadnZ die Forni der untergegau- genen Monumente, auf deren Ucberresten sic errichtet sind, verrathcn. Die beiden langen Seiten unseres Platzes laufen au dem einen Ende gekrümmt gegen einander und machen einen halbkreisförmigen Schluß. Dies Ganze war einstmals von dem Unterbau (I'oämm) eingenom men, auf welchem die Sitzreihen sür die Zuschauer des Rennspicls sich in Terrassen und Logen Gubn,-uM) erhoben. Am anderen Ende des Platzes, da, wo der gewaltige Palast Braschi die eine Seite des in seinen Winkelt, abgestumpften Dreiecks, welches ihm den Grundriß bildet, hereinschiebt, waren offenbar die (mr<-ero.-i gelegen, .die künst lich geordneten Schranken, von welchen die Rennwagen gleichzeitig ihren Auslauf nahmen. Hier mag die Mündung einer Straße, welche den Palast Braschi von den, Palastc Lancilom trennt, gar wohl an daö Thor erinnern, durch welches der Triumphator mit seinem Pomp eintrat, nm die Rennbahn zu durchziehen. Und wen» man von hier aus, di« gekrümmte Seite des Platzes im Auge, an der Reihe einander folgender »Springbrunnen entlang blickt, deren größter mit einem hohen Obelisk geschmückt ist, so erhclscht es keinen unerschwinglichen Aufwand von Phantasie, um sich die 8pina mit ihren Zielpfeilcrn an jedem Ende nud ihren übrigen Zierrathcn vor zustellen. Auf diesem Platze hält die heutige Stadt, in deren Mitte er gelegen ist, an jedem Mittwoch ihren Wochenmartl. Es ist ja unmöglich, und auch dieses Beispiel wieder lehrt es, in Rom nicht überall das Neue mit dem Alten zu vergleichen. Zn wie vielen Zügen immer man die Spuren der Abkunft zu erhaschen glaube, doch ist die Umwandlung des Volksgeists ungebener, ein riesengroßes zcrmalmeuwcs Gericht. Das Volk, das über Freiheiten furchtbar rechtete, Gesetze annahm und verwarf, ist nun mit seinem öffentlichen Leben in die Easi-'s geflüchtet und nimmt an Weltgeschicken keinen anderen Antheil, als den ihm eine hungerbleiche Zeitung gönnt, und schaut scheu um, wenn etwa über das eigene Geschick ein halbes Wort entschlüpft ist, ob auch Niemand solches cingefangen habe. Die Stätte, wo der Richter offen Recht sprach, wo der Redner die Geister entzündete und das Urthcil bestach, wo die Menge sich berieth und tauscht« und verkehrte mit ihrem mannigfaltigen Gewerb und Eigennutz, das Forum ist, o bitterer Hohn des Zufalls! den Seilern überlassen, die da täglich Stricke drehen, den Bauerwagen und dem Vieh, tAmpu Vaeeiiw. und etwa, weil auf hohem Damme, der den ehrwürdigen Grund kläglich begräbt, ein Baumgang hlnschleicht, einsamen Spaziergängern und Liebhabern grasbewachsener Ruinen. Der Markt aber, der sonst an das Forum gebunden war, ist in die ehemalige Rennbahn verwiesen, damit das Volk, das nicht mehr kämpft nm Preise, um Preise wenigstens dort feilsche. Die Rennbahn, welche letzt der Platz Navona einnimmt, hieß vor Zeiten t iee»* Warum sie diesen Namen trug, weiß man so wenig, als man den Erbauer kennt. Schon klassische Autoren haben gewetteifert, ihn durch spitzfindige Etvmologieen zu erklären, denn tue alten Sprachgrübler find saft noch närrischer gewesen als die heutigen. Diese indeß, um jenen nichts nachzugeben, haben sich um den jetzige» Name» des Platzes viel.Sorge gemacht. So viel ist gewiß, daß man im Mittelalter den Platz In »gone nannte, daraus denn leicht wurde und aus diesem wieder tz-svone, wobei doch wenigstens sich an ein- Schiff und an die Aehnlichkcit des Platzes niit dem Bau eines solchen senken lieb.- Das Vock liebt, sich die Namen mundrecbl zu machen und zugleich elnen Sinn hincin- zufragen. So ist das Kapitoliüm, das ungenießbare Heiliglhuiu, zum ehrsamen Campidoglio worden. Genug, im-J, I477 pflanzte man den Römischen Gemüse- und Fctimarkl,sammt allerhand Trödel auf den Schauplatz der alten Wettrennen. Vor dieser Zeit war der Markt auf sein Kapitale selbst gewesen und erstreckte sich von der Höbe d.r Kirche Araeeli bis in die Ebene hinab. ' Der Mann, der die große Veränderung bewirkte, hieß Rohan Guillaume d'Estoute- villc, war Kardinal und damals Kämmerling der Römischen Kirche geworden. Er gab gar weise Marklgesetze, nm Unordnung und Be trügerei zu verhüten. Die Landleute, allo wird verordnet, welche Hühner und anderes Geflügel, Eier, Aepfcl, Birnen, Trauben, Nüsse, Feigen, Kastanien, Zwiebeln, Grünzeug, Hülsenfrüchte und sonstiges Gartengewächse zu Markte bringen, sollea getrennt sitzen von den städtischen Verläufern, den Pullarolcn (Viehhändlern), Fruttarolen (Obsthändlern) und Pizzicarvlen (Fettwarenhänklern): und zwischen beiden Klaffen sollen die Schneider, Schuster, Pelzhändler und andere Krämer ihren Platz haben. Dies soll geschehen, damit die Wieder- vcrkäuser nicht den Bürgern die Waarc vorwegnehmcn, sondern Jedermann kaufen könne, wo er wolle. Um das Bild des alten Marktes zn vervollständigen, muß man die Verkäufer gebrauchten Hausrathcs, alten Eisens und abgenutzter Bücher, die Charlatane, die Geschichtenerzähler und den lärmenden Schwarm der Facchini noch hinzufügen. Lon diesem bunten Gewühl ist manche ergötzliche Schilderung durch die komischen Gedichte im Römischen Volksdialekt uns erhallen; Proben gicbt davon der geschwätzige Cancellicri in seiner Beschreibung des Mercato, der wir die hier mitgetheilten Notizen verdanken, und Einiges, wie die Verse des Eamillö Peresio und des Giuseppe Berneri, hat Ausnahme in den Anthologie«» Jtaliänischer Poesie gefunden. So hatten nun mehr denn hundertundsiebzig Jahre hindurch jeglichen Mittwoch, den Gott unfestlich werden ließ, die guten Leute Speck und Gelehrsamkeit, Zunder und Mäusegift, Universalpillen und Lumpen feilgedoten, hatten gelärmt und handchiert, gezankt und ge- lachi, Lammrippen und abgestandene Fische in Oel gesotten, Kastanien gebraten und Aepsel geschmort, großen Rauch und größeren Wind gemacht, Kessel ausgeklopft und gute Namen zerpflückt und einander belogen und betrogen, kurz, ihren Wandel gehabt, nach dem es der Welt Brauch ist, und hatten nicht anders gewußt, als daß es so wär' und auch so sepn müßt' bis ans Ende der Welt, als plötzlich, wie aus heilerem Himmel ein Donnerschlag, dem Men Jnnocenz der Einfall kam, sich's auf dem alten Platz, den sich das Volk ex- jährt halte, heimisch und bequem zu machen, eine herrliche Fontaine mitten hinein zu bauen und das Gesindel mit einander, Juden und Ehristen allzumal, zum Tempel hinanSzujagen. Es hatte-'aber da mit folgende Bcwandniß. Links an dem Platze — doch wir bitten unsere Freunde, sich noch einmal aus der schmalen geraden Seite, gleich an der Ecke des Palastes BraSchi, aufzustellen und nun den Platz hinab geradeaus zu schauen; die lange Seite, welche jetzt zur Rechten liegt, mit dem Spanischen S. Jacob, der fast ein Gothisches Gesicht macht, und all' den Häusern der Spanischen Nation, die bald ein- und bald auschringcn, betrachten wir für diesmal nicht; in der Mitte der langen Seite aber, die wir uns zur Linken sehen, bemer ken wir die Kirche der heiligen Agnes, die mit einer Kuppel und zwei Glockenthürmen und mit Säulen und verkröpftem Simswerk und mit aller Schnörkclpracht prangt, welche dazumal das üppige und verwegene Talent Borromini's ersann, dem es niemals an eben so feinen und geistreichen als tollen und abgeschmackten Einfällen gefehlt hat. Zwischen uns und dieser Kirche nun liegt ein Palast, prächtig genug, doch nicht allzu lobenswerth gebaut, seit langen Zeiten im Besitz des Hauses Pamfili. AuS dem Hause Pamfili stammte der Kardinal Giovan Battista, der am ä. Oktober des Jahres mit der dreifachen Krone gekrönt wurde und sich als der Zehnte den Ramen Jnnocenz beilegte. Nachdem dieser Papst, der die Pracht liebte und am Bauen seine Freude sand, den alten Palast seiner Familie nach Möglichkeit verschönert hatte, war er darauf bedacht, auch dem Navona-Platz die gleiche Gunst zu erweisen, und dazu wollte er die größte Fontaine desselben mit einem Obelisk von 72 Palm Höhe schmücken, den einst der Kaiser Caracalla nach Rom gebracht und den man kürzlich bei dem berühmten Grabmal der Eäcilia Metella ausgefunden hatte. Diese Arbeit wurde dem Bernini, den der Papst anfangs nicht leiden mochte, in Folge einer List des Prinzen Ludovisi übertragen; denn ein Modell, von Bernini gefer tigt, wußte der Prinz, sein Gönner, also aufzustellen, daß Jnnocenz nach Tisch es sehen mußte, der dann, ganz entzückt davon, in diese Worte ausbrach.- „Ein Streich vom Prinzen Ludovisis! Ich merke jedoch, daß man de» Bernini, auch wider Willen, wohl brauchen muß.-' Und augenblicklich wurde die genaue Ausführung tzcs Ent wurfes befohlen. Bernini machte denmach einen gewaltigen Felsen, der wie von Thoren durchbrochen ist, und eine schöne Palme dabei, nebst vielerlei Gcihier und vier kolossale» Flußgöttern, Donau, Nil,