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578 Sechs kleine Meile» oberhalb Eamon sahen wir ein Fort, Vas seit der Zeil des Britischen Angriffe auf die Bocca-Tigris errichiei worden ist. Dieses Fori Hal die Form eines halben Mondes; aber seine Wälle sind nur dazu berechne!, auf den her- annahendcn Feind ein wachsames Auge zu haben: passirl ein Schiff die Linie, so sind sie außer Thäligkell geseyl. Zivri Miles von der Haupistadl erhebt sich ein anderes kleines Fori. Man zeigte es mir mit dem Bemerken, cs heiße die „Französische Thorheil", ohne mir jedoch den Grund dieser Benennung sagen zu können. Eine kurze Sirecke weiter lieg! eine drille kleine, seht dernolirie Festung, welche den Titel „Holländische Thorheil" führt. Die Holländer, deren Handel mit Ehiua früher viel bedeutender war, als heulzulagc, waren bei dem Vice-König uin die Erlaub- mß eingekommcn, ein provisorisches Hospital in einem allen ver- lassenen Forl bei Eamon anzuiegcn. Die Bille wurde ihnen großmälhig gewährt; kaum aber sahen sie sich in, Besitze eines Asyls auf Chinesischem Boden, als sie eine Besatzung mü Kano nen und Kriegs-Bedürfnissen hinein lcgien. Man cmdeekle ihre Vcrrächerci und fagic sie, wie hergelaufenes Gesindel, aus dem Reiche. Als wir bei der „Holländischen Thorheil" vorüberkamen, ging der Tag eben zu Ende. Die Kriegs-Dschonken schichten der Sonne eine Kanoncn-Salve als Scyeidegruß nach, und zu gleicher Zeil stiegen aus den übrigen Fahrzeugen Tausende von Raketen empor. Fünf Minuten spa'icr förderte uns ei» von zwei Frauen gelenkics Uebersahnö-Bool von der Britischen Faktorei ans Ufer.') Wir waren in Camvn! Am folgenden Morgen stand ich, trotz des rauhen Wetters (es war der 4. Jannuar 1838), in der Frühe auf und verließ mein Absieige-Quanirr. Der Platz, den ich zunächst betrat, war an einer Seite vom liker begräuzi, an der anderen Seile erhoben sich die ausländischen Faktoreien in einer Ausdehnung von unge fähr 280 Toisen. Die erste Faktorei zur Linken, wenn man dem Flusse den Rüchen kchn, ist die Französische; ein hoher Mast, von dessen Spitze eine dreifarbige Fahne weht, bezeichnet den Aufent halt unseres Residenten. Zur Zeit meines Besuches war Frank reich in China nicht rcpräsemirl, indem Herr Gcrnacn, der Französische Konsul, erst vor wenigen Tagen Eamon verlassen Hane. Zunächst der Französischen Flagge bemerkt man die der Vereinigten Slaaicn; dann kömmt die Britische, und zuletzt die Holländische. Uebrigens giebl es noch einen Dänischen Hong (Faktorei), einen Spanischen und mehrere Hongs, die Privat leuten angchörcn. Alle diese in Europäischem Stil erbauten Etablissement? sind fast ohne Ausnahme da« Eigen,hum der Ha- nisten"), die sie den Fremden sehr iheucr vermiechen; da der Raum, welchen die Chinesische Regierung zur Anlegung der Fak toreien bewilligt Hai, sehr beschränk« ist, so kann inan nur um hohen Preis eine Wohnung erhallen. Einer von den Kommissa« ricn der Ostindischen Compagnie, Herr Clarke, war so gütig, mir sein Zimmer anzubielen, und ich fand mich verglcichungsweife sehr gut logirt. Der Abrede gemäß, sollte ich in der Britischen Faktorei zu Mittag speisen, allein ich erhielt von allen Seilen so viele dringende Einladungen, daß ich nur sehr selten von dieser Vergünstigung Gebrauch machen konnte. Ich ergreife mit Ver gnügen diese Gelegenheit, um die herzliche Gastfreundschaft der Engländer gegen uns Franzosen zu rühmen; ich fand diese Na tion in Canlon, wie ich sic in Jamaika gefunden haue, wo ich während eines Aufenthalts von neun Monaten mit zuvorkommen der Höflichkeit überhäuft worden war.. Frankreich. Einige Tage im südlichen Frankreich. I. Lyon und Avignon. (Fortsetzung.) Die Fahrt von Lyon nach Avignon, die nur zwölf Stunden dauert, koste, 30 Franken in der eisten Kanne; das ist viel zu »Heuer. Daher kömmt cs denn auch, daß dieser große Gewinn große Konkurrenz erzeugt; die Konkurrenz aber verwandelt den Gewinn in Verlust. Es haben sich, wie cs heißt, drei neue Gc- se'!schaf-en für die Rhone-Ausbeulung gebildet, und der Chef einer derselben, der Adler Maihieu, rühmt sich, ins zur Quelle des Stromes in 22 Stunden hinauf fliegen zu ivollcn. So werden denn auch die Lyoner von der Associaiions-Wuth geplagt, doch klüger als die Pariser, lassen sie sich nichr auf fabelhafte Specu- iaiionen ein, die oft nur im Prospekt»? cxistiren; sie spekuliren nur auf dre Industrie in der Nähe und Ferne. Man ha« indessen auch im Süden trügerische Valuten geschaffen-; so gab ein großer Grundbesitzer, der bei Monielman einen sehr kostspieligen Kanal besaß, denselben aus Acne» und zog daraus 700,000 Franken. Der merkwürdigste Fall der Art ist eine gewisse Eisenbahn, die man in Marseille, Gott weiß wohin, zu bauen beabsichtigte; die Aktien waren schon im Umlauf, und noch wußten die Aciivnaire nichts Nähere« darüber; dar einzige, worüber sie sich im Klaren befan den, war die U berzeugung, daß ihr Glück gemacht sey. Für so ein kurzes Zusammentreffen in einer Postchaise oder aus einem Dampfbooir sind unsere Französischen Nachbarn höchst Diese stöte muffen die qanzr Nacht u!ur eiltuchnt st UN, damit etwa- mae Iott-Drfrandattonen Lem Auge der Polizei nicht enkaeNen > Etwas Nätm'cS «der diese wird in einem foisend-n Artikel gesagt liebenswürdig. Es giebt nichts Höflicheres, nichts Mannigfalti geres, nichts Angenehmeres al» ihre Umerhailung. Ein Rnier der Ehrenlegion besonders sorgte dafür, daß das Gespräch nicht in» Stocken gerieih. Als ich ihn fragte, was wohl das Ergeb, niß der Wahlen seyn würde, erwiedcrie er mit Laune: „Es ihm mir wahrlich,herzlich leid, mein Herr, daß ich Ihnen «ich, eine ganz sichere Antwort darauf eriheilen kaim; jedoch setze ich vor aus, daß wir mit dein Ministerium wechseln werden, wäre es auch nur der Veränderung wegen. Wir Franzosen sind ein an spruchsvolles Parterre; wir bezahlen gut, aber wir verlangen auch, daß der Direktor of« sein Repertoir erneuere, sonst zischen wir." Konnte man wohl die wunde Sielle zierlicher verhüllen? Die Hängebrücken folgen eine dicht auf die andere; zwischen Tain und Tournott fuhren wir durch die erste, welche von den Segusicrn über die Rhone gebaut wurde; der einzige Fehler dieser schönen luftige» Bautet, ist die Einförmigkeit, denn das erste Gesetz des Malerischen ist Abwechselung, und doch sind die Verhältnisse dieser Brücken sich einander ganz gleich. Uebrigens ist die Reise hier bezaubernd schön und übertrifft an Annehm lichkeiten bei weitem die Dampffahr! auf dem Genfer See, wo die Gegenstände durch die Entfernung so zusammcnflicßen und so verkleinert werden, daß sie mehr wie Lufigebildc denn wie Wirk lichkeit aussehen und auf die Länge ermüden, gleich einer an uns vorübcrglciiendcn Decoralioii, die kein Ende nimmt. Hier aber berührt inan fast die Gegenstände, man nimmt Theil an den kleinen Ufer-Scene», man unterscheide« die Gesichier, man hör« die Summen, u«sd das Alles eilt vorüber und spiel« Verstecken mi« dein Auge des Reisenden, während sich vom Horizonte ferne Schlösser sanft ablöscn und wie unbewegliche Pfeiler bastchen, vor welchen sich die Gemälde des vordere» Planes auf- und ab rollen. Umer der Menge dieser Schlösser verweile ich mit Ehrfurcht vor dem von Eruffol, das, Valence gegenüber, auf pyramidalischen Felsen lieg«. Wahrscheinlich ließen die Eondors aus Tausend und eine Nacht diese imposante Masse aus den Lüsten herab« fallen, denn wie war es sonst möglich, sie hier aufzuchürmen? Wenn mir die Ehre zu Theil geworden wäre, Marguis von Cruffol zu heißen, jo würde ich diese Burg ankaufcn, nicht um sie weiß übertünchen zu lassen, wie man «hörichterweise gechan, son dern uin ihren Einsturz zu verhindern; nicht um sie zu bewohnen, denn das wäre entsetzlich langweilig, wohl aber, um von Zeit zu Zeit hier das Andenken an meinen Namen und an «nein Ge schlecht aufzufrischen; dann würde ich zurückkehren, fast eben so stolz wie ein Liberaler. Siolz gegen Stolz abgewogen, so muß ich ganz ehrlich bekennen, daß ich den am besten begreife und am ersten entschuldige, der durch die Geschichte gerechtfertigt wird, der seine Ansprüche auf gutes alles Gestein gründet, welches seine acht bis neun Jahrhunderte zahlt. Aus der Basis des Crussoler Schlosses Hal man die Säulen des Justiz-Palastes von Lyon genommen. Fast die ganzen Rhone-Ufer sind mit seltsamen Felsgruppe» be streut, die senkrecht in die Höhe steigen; Tag für Tag von den Gewässern ansgehöhlt und bearbeitet, sehen sie von fern wie Cila« dellen, Thurmspitzen und Goihische Gewölbe aus. Ich finde überall etwas Gochisches, das muß man sich schon gefallen lassen; sollte es selbst »ich« da seyn, so denke ich es mir hinzu. Dori drüben erblicke ich Mrignan: eine prächtige Gelegen heit, dem Leser, wie es wohl zu geschehen pfleg«, eine Probe von meine» Lsteraiurkennmissen zu geben; hä««e ich nur meinen Sövigne bei der Hand! Zu Tournon passirl ei» großes Kolle gium a» uns vorbei, zu Vlviers ein großes Seminar, zu Bourg das Fräulein-Siif« St- Andöol mit seinen 3«>8 Fenstern. Wird die Zahl der Blicke, die «äglich durch jedes dieser Fenster gcsende« werden, im Durchschnitt gleichfalls auf 368 geschätzt, so bekömmt man eine schöne Summe und wird wohl nicht fern von der Wahrheit scy». Unter allen Rhone-Brücken ist die von S«. Esprit die älteste, vom Abie dieses Burgfleckens erbaut, der bi» dahin S«. Sa«urnin hieß. Es ist die einzige, an der ich die Pfeiler von einer Art durchsichtiger Nischen durchbrochen sah, die der Landschaft einen eigenen Reiz verleihen und der Brücke ein sehr malerisches Au sehen geben; sie wären sogar schön, wenn sie nicht aus zwei Theilen bestanden, von denen der eine etwas schräg an de» an deren stößt D:c Fahrt durch diese Brücke ist »ich« ohne Ge fahre»; bei hohem Wasserstande erfordert die Enge der Bogen große Behutsamkeit, um nicht dagegen anzulaufc». Abseits lieg« eine ehemalige Moschee, eine Erinnerung daran, daß ein Theil von Frankreich einst den Sarazenen gehörie. Avignon ha« mi« kcincr anderen S>ab< Achnlichkeit. Es ist da« Mttielalier in voller Rüstung, in seinem ganze» Wesen, mi« seinem Mißtraue» Aller gegen Alle und mit seiner ungastlichen Herbheit. Seine ausgezackten Mauern sind hoch, stark und von erstaunlicher Dauerhaftigkeit. Das Dampsboot geht ein ganzes Slück über die S«adi hinaus und kehn dann, dicht an den Quai sich lehnend, wieder um, indem es, wie ein gewandter Polinkcr, den« Sirome sich zu überlassen schein«, um ihn dann desto besser zu besiegen. Kaum hat es angelegt, so wird es haufenweise von Gesindel überfallen, welches sich auf die Passagiere und ihre Sachen stürzt, wie Diebe «mier einander cmvcrstanden ist und sich seine kleinen Dienste fürchterlich bezahlen laß«. Ick »ahm mein Log:s im Palais-Royal bei einem Juden; er ist der erste Wirch, der mich bis jetzt christlich behandelt ha«. Ain nächsten Morgen eilte ich gleich zu der allen Zeit und zu den alten Dingen, be gleitet von einem liebenswürdigen Landsmann, den ich zu «reffen das Glück haue.