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Wochemiich crschcincn drei Nummern. PränumerLtion«- Prei« 22; Sgr. (j Air.) 'lertctjahrüch, Z U!r. für das ganze Jahr, ohne Er- dshung, in allen LheUen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prünnmerlrt aus diese» Beiblatt der AUg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Eroedition (FriedrichS-Strage Nr. 72); in der Provinz s» wie im Ausland« bei de« Wobliöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, M ittwcch den 4. Dezember 1839. China. Canton im Jahre 1838.') Von Adolph Barro«. 1. A nklinft in Canto n. Während mir, den Si-kiang hinansegelnd, der Siad« Kuang- tscheu-fu uns näherten, begegneten uns mehrere Kriegs-Dschonkeu und zahlreiche Dschonken der Manch-Beamten. ") Die ersteren sind, je nach dem Range des Offiziers, der sie befehligt, gelb oder roscnroch angcstnchen. Ihre Struktur ist voriresilich, und sie,segeln sehr schnell. Diejenigen unter ihnen, welche das Innere des Flusses bewachen, fassen VO bis 70 Tonnen. Flaggen von jeder Farbe schmucken das Hintcrchcil des Schiffes und flattern von dem Maste, der außerdem mit vielen Bandstreifen behangen ist. Hoch über den kleinen Flagget« am Schiffs-Schnabel weht die Hauptflagge, auf welcher Vie Titel des Befehlshabers in großen Charakteren prangen. Ich habe nur wenige Fahrzeuge gesehen, die an äußerer Schönheit mu den Chinesischen Kriegs- Dschonken eine«« Vergleich aushaiten; denn man findet nirgends so lebhafte, brennende Farben, wie in China: alle Gebäude, die uns in die Augen fielen, schienen erst gestern angestrichen zu seyn. An jeder Seite der Fahrzeuge bemerkt man eine Reihe von Schilden, die etwas nach hinten zu geneigt sind und als Brustwehren dienen. Alle Kriegs-Dschonken, deren ich ansichtig wurde, trugen vier bis sechs Kanonen. Wären diese Fahrzeuge besser armin und mit tapferen Artilleristen bemannt, so könnten sie treffliche Dienste thun; so aber sind sie höchstens gegen Chine sische Schleichhändler zu gebrauchen, und selbst in einem Kampfe zwischen Dschonken und Comrebandiers bleibt die Kaiserliche Flagge nicht immer Siegerin. Zehn dieser Fahrzeuge wurde» eine gut ausgerüstete Europäische Goeleite schwerlich dahin ver mögen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Die Handels-Dschonke«« aus dem Si-kiang haben zwar auch schöne Farben, allein ihre Banan ist ganz andere. Die meisten meiner Leser werden Abbildungen Chinesischer Dschonken gesehen haben; ihr Himenheil ist bis zu einer bedeutenden Höhe mit einer Menge Kammern überbaut, und das Vordercheil ist ge- spälten, «ini den Anker hindurch zu lassen. Beide Extremitäten ragen manchmal 18 bis 20 Fuß über das Mine!-Gebäude. D«c Malereien und Skulpturen an den« Hinteriheti müssen ein paar Monate Arbeit erfordern. Diese Fahrzeuge haben gewöhnlich drei Masten und an jedem Maste nur Ein Segel aus Mauen von ungeheurer Größe. Die Handele-Dschonken bewegen sich langsam vorwärts und sind überhaupt nur zu Fluß- und Küsten- fahrien gebaut; dessenungeachtet wagt sich jedes Jahr eine An zahl derselben in die hohe See, um den Philippinischen Inseln, dem Malayischen Archipel und den Häfen Hinter-Indiens kauf männische Besuche abzustauen. Sie müssen aber bei ihrem Schleichhandel sehr auf der Hui seyn, da die ungleich schneller segelnde» Kriegs-Dschonken ihnen leicht auf dem Nacken sitzen. Am Abend warfen wir dreißig Englische Melle» von Camon Anker. Ich konnte vor Sem Schreien und Singen der Chinesischen Bootsleute, die beständig an «ins vorüber fuhren, die ganze Nacht kein Auge schließen. Am anderen Morgen lichteten wir die Anker wieder und erreichten um zehn Uhr die Fluß-Insel Whampoa, das Kun nlu-« ultra der Europäischen Schiffe in China.'") Die Böie dürfen zwar bis nach der Hauptstadt rudern, aus welchem Wege sie zahlreichen Visitationen der Mauihschiffe sich umer- ') Bei den jetzt in Len dortigen Gegenden eingetretenen volitifchcn Ver- wlckelimgen des Britüchm „„L des Chineüfchen Znteresse möchten Liese Ski»en um «0 willkommener se»n. Wie e? heitzt, bat LaS Geschwader unter Admiral Maitland Betebl erhalten, Len Hafen von Canton zu blokiren und Len Eng ländern für LaS von den Chinesen vernichtete Opium vollständige Schadlos haltung zu vertchaffen. ") Der Si-kiang (d. h. „Strom aus Westen"), im Süden Ler Hauvt- stadt (bei Ler sogenannten Bocca-Tigris), auch T/chü kiang,'d i. P-r- lenstrom, genannt, entsvringt im Awsnlande Pün-nan, bricht st-b in vielen Krümmungen einen Weg Lurch die gebirgigen Pinnenlander von Kuang-s! und Kuang-tung und bildet endlich im Süden der Hauptstadt ein gewaltiges Delta von Auen und Strom-Armen, di« sich in den Ocean ergießen. '") Von dieser ZnEI lder Heimat Les Chinesen Fung-a-hok in Pots dam) bis nach der Hauvtstadt zahlt mau ungefähr ir Englische Meilen. Der Name Whamvöa ist eine Englisch - Portugiesische B-rderbung von Hoang-vu, oder im dortigen Dialekte ll»ng-vu, d. b. „gelberbandungs, Plas". werfen müssen; aber den großen Fahrzeugen ist dies unter keincir Bedingung erlaubt. Die Engländer haben oft den Wunsch ge äußert, daß mau ihnen gestalten möchte, auf dieser Insel zu wohnen und ihre Complvire und Magazine dahin zu verlegen; allein die Chinesische Regierung Hal diesem Wunsche nie ein ger neigies Ohr geliehen; sie glaub! nicht ohne Grund, daß ein solches Zugeständniß den Schleichhandel fördern würde. Wir hauen schon aus der Ferne den Wald von Mafien fremder Schiffe gesehen, die bei Whampoa Station machen, um ihre Fracht auszupacken oder reiche Ladungen an Thee, Seide, Drogucn und anderen kostbaren Artikeln zu erwarten, die von Camon kommen sollen. Wir segelten mitten durch dieses Ge wimmel und Getümmel, und »m acht Nhr des Abends hielt unser Kuller im Angesichle der Riesenstadl, die Ehinesich Äuang- lscheu (im dortigen Dialekte Kuong-isau) heißi, der wir aber den barbarischen, bei uns Europäern schon eingerosteten Namen Canlvn (von Kuang-lung oder Kuong-long, was eigent- lich mir der Provinz zukommi) lassen »vollen. Schon aus dem halben Wege von Whampoa her sahen wir die freundlichen Land- ' Häuser zu beiden Seiten des prächtigen Sirom« immer zahlreicher werden, und bald zeigte jedes Ufer eine ununterbrochene Reihe von Gebäuden, die in den lebhaftesten Farben prangten. Hin und wieder erhoben Pagoden und Buddha-Klöster ihre mit reichen Skulpturen bedeckten Spitz-Kuppeln. Aber das rege Leben, auf dem Strome selbst fesselte unsere Aufmerksamkeit vor Allem; der Wasserspiegel war mit Fahrzeugen von jeder Form und Größe ganz übersäet, so daß unser Schiff immer nur eine Durchfahrt von etwa dreißig Fuß Breite Hane; Tausend und aber Tausend Handels-Dschonken schaanen sich an der einen Seile zu einer schwimmenden Sladl, in der aus dicken Rauchwolken ein bestän diges Schreien, Singen und Rufen hervordrang; von einer am deren Seile her boten uns mächtige Kriegs-Dschonken ihre kohl» schwarzen, mil großen, schlecht momineu Kanonen bewehrten Flanken; etwas weiter ab lummellcn sich Frachiböie von jeder Form, und die zahllosen Laternen der sogenannten Blumen- Völe emhüllien alle Pracht des Innern der Gemächer, von denen sie überbaut sind. Der Besuch eines Blumen-Booles ist jedem Europäer streng untersagt. Vergebens spazieren die schönen Bewohnerinnen derselbe» mit ihrem bekränzte» Rabenhaar, ihrem weiß und roih geschminkten Gesichte mit der lang geschweiften Braue, wie man sie nur in China sieht, und den winzigen Füßchen, die den sylphen schlanken Körper kaum tragen können, aus dem Verdeck Herum; vergebens begegnen sie Lem schmachtenden Blick des Reisenden mit einem anmulhigcn Lächeln, oder winken sie ihm zwischen den halb geöffneten seidenen Gardinen. Kannst Du der Versuchung nicht widerstehen, so bist Du ein Kind de» Todes; diese Sirenen locken Dich nur, um Dich der geheimen Polizei auszuliefern. Kurze Zeil vor meiner Ankunfl in China Halle ein junger Europäer, der das Chinesische im Dialekie von Canlon geläufig sprach, in eines dieser Blumen-Mädchen sich verliebt. Es war ihm gelungen, im Vorüberfahren ein paar Worte mil ihr zu wechseln. Eines Tages erhieli er von dem reizenden Wesen einen Brief, worin sie ihn mit Ausdrücken glühender Liebe auf den Abend zu sich beschied. Der Jüngling zauderte einen Augenblick; aber im zwanzigsten Jahre ist die Leidenschaft bekanntlich stärker, als die Vernunft. Gegen Abend ruderte er allein in einer kleinen Barke nach dem schwimmenden Zauberschlößchcn, auf dem die Sirene wohnte. Die mystische Gardine öffnete sich, und ein Blick voll schwärmerischer Zärtlichkeit beflügelte seinen Much, an Bord zu kommen. Er stürz? in das Gemach, das nur von Einer Lampe erhellt war; er sieht sich um — die Geliebte war verschwunden. Er lhul ein paar Schrine vorwärts — da packen ihn mit einem- male zwanzig Arme: er wird niedergeworfen, geschlagen und geknebelt. Der unglückliche junge Mann mußte die ganze Nacht unter einem Haufen roher Kerle zubringen, deren Lästerworte ihn um so mehr verletzen mußten, als er ihre Sprache verstand. Ain folgenden Morgen beraubte man ihn aller seiner Kleidungsstücke und fesselte ihn, Rücken gegen Rücken, an eine gleichfalls ent kleidete alte Frau, die kaum noch den Gebrauch ihrer Sinne haue. In diesem Zustande mußte er sich, den Europäischen Fak toreien gegenüber, so lange auf einem abgedeckien Fahrzeuge herumführ'en lassen, bi« er mit einer Summe von drei« bi« vier tausend Franken losgekaufl war.